Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

im Idealfall sogar 90 Praxistage im Schuljahr, die dann bereits als ein Ausbildungsmodul betrachtet werden können.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Ich kann Ihnen sagen, dass wir damit bereits im kommenden Schuljahr – nicht irgendwann, sondern im kommenden Schuljahr – an 40 Standorten im Land starten werden.

Dazu kommt noch, dass wir in diesem Berufseinstiegsjahr auch etwas leisten wollen, was in den Zeugnissen der Schüler bislang nicht optimal abgebildet wird, nämlich eine Kompetenzanalyse der Jugendlichen, die einerseits eine Grundlage für eine realistische Einschätzung der Berufschancen und andererseits für eine realistische Einschätzung der Jugendlichen bilden kann. Ich glaube, dass wir damit bei der Frage der Ausbildungsreife einen entscheidenden Schritt vorankommen, aber ich fordere dafür im Gegenzug auch ein, dass mehr Ausbildungsplätze im dualen Bereich zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Zweite ist die Frage, die hier auch mehrfach diskutiert wurde: Was wird eigentlich aus den Jugendlichen, die eine Vollzeitschule besucht haben, weil sie keinen dualen Ausbildungsplatz gefunden haben? Ich kann Ihnen sagen: 80 % davon gehen danach in eine duale Ausbildung. Das ist eine sehr hohe Quote. Andere erwerben weitere schulische Qualifikationen und begeben sich auf einen anderen Weg. Sackgassen sind das nicht.

Trotzdem müssen wir uns fragen, ob wir mit der Lebenszeit und der Lernzeit dieser jungen Menschen verantwortungsvoll umgehen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Genau das hat Kollege Leh- mann gesagt!)

Wir haben den Weg zum Abitur auf zwölf Jahre reduziert, aber wir haben die Situation, dass Realschüler nach der Realschule zwei Jahre Berufskolleg und dann noch drei Jahre lang eine duale Ausbildung machen, also 15 Jahre Schulzeit hinter sich bringen, um dann einen Beruf im Rahmen der dualen Ausbildung erlernt zu haben. Deswegen haben wir

Anstrengungen unternommen, um das, was in den Vollzeitschulen bereits mit Bedeutung für die duale Ausbildung geleistet wird, anrechnungsfähig zu machen.

Die rot-grüne Bundesregierung hat eine Novelle des Berufsbildungsgesetzes auf den Weg gebracht, die das formal erleichtern soll, in Wirklichkeit aber erschwert.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das hat aber die CDU mitgetragen!)

Entschuldigung, Herr Kaufmann.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das ist auf breiter Basis beschlossen worden!)

Es ist so,

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

dass man dort einen Termin gesetzt hat, bis zu dem die verpflichtenden Anrechnungen überhaupt nur wirksam gemacht werden können, und danach ist das freiwillig. Der Termin ist 2009. Das ist, von heute aus gesehen, ein Durchlauf durch eine vollständige berufliche Ausbildung.

Deshalb haben wir gesagt: Jetzt noch etwas zu verordnen, was in drei Jahren ausgehandelt werden muss, macht keinen Sinn.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das können wir doch gemeinsam verlängern! Wir regieren doch zusam- men!)

Nein, wir können es dann nicht verpflichtend verlängern. Deswegen haben wir uns auf den Weg gemacht, gemeinsam mit den Kammern etwas zu erarbeiten, was von beiden Seiten getragen wird.

Ich kann Ihnen heute sagen: Es gibt genau ein Bundesland, das das zustande gebracht hat, und das ist Baden-Württemberg. In den anderen 15 Bundesländern funktioniert das nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Vielleicht funktioniert es bei uns auch deshalb, weil wir ja auf diesem Feld schon Erfahrungen gesammelt haben. Wir haben nämlich mit dem Handwerk seit langer Zeit eine Verabredung darüber, dass die einjährige Berufsfachschule, eine Vollzeitschule, in den Ausbildungsberufen des Handwerks als erstes Lehrjahr anerkannt wird. Auch das ist nur in Baden-Württemberg der Fall. In allen anderen Bundesländern ist eine solche Absprache zwischen vollzeitschulischem Bereich und dualem Bereich bis heute unmöglich gewesen.

Ich glaube, dass sich da in der Debatte vieles verhärtet hat. Ich akzeptiere es auch nicht, dass man im Bereich der Kammern sagt, das, was in den Vollzeitberufsschulen geschehe, habe mit der dualen Ausbildung nichts zu tun. Da gibt es viele Dinge, die zueinander passen. Sonst würden sie nachher die 80 % auch nicht in die duale Ausbildung übernehmen.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das stimmt!)

(Minister Helmut Rau)

Das kann also auch andere Gründe haben. Ich will nicht zu weit spekulieren, aber das Durchschnittsalter der Auszubildenden bei uns im Land ist in den letzten 20 Jahren um drei Jahre von etwas über 16 Jahren auf etwas über 19 Jahre gestiegen. Das kann auch damit zu tun haben, dass man mit 19 nicht mehr unter den Jugendarbeitsschutz fällt, dass wir vielleicht Auflagen haben, durch die es für jüngere Schülerinnen und Schüler eher schwieriger wird, Ausbildungsplätze zu finden.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Im Gaststät- tengewerbe ganz extrem!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir allen Grund haben, alle Beteiligten immer wieder an einen Tisch zu bringen. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns gegenseitig Vorhaltungen machen. Wir haben hier einen ganz konkreten Schritt angekündigt, und ich rechne als Gegengeschäft mit den Lehrstellen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aktuelle Debatte unter Tagesordnungspunkt 2 ist damit erledigt.

Meine Damen und Herren, unter den Gästen auf der Zuhörertribüne gilt mein besonderer Gruß Schülerinnen und Schülern sowie Begleitpersonen aus dem Körperbehindertenzentrum Oberschwaben in Weingarten.

(Beifall im ganzen Haus)

Darunter sind zwölf Rollstuhlfahrer. Ich heiße Sie herzlich willkommen und wünsche Ihnen einen interessanten Aufenthalt im Landtag.

Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg – Drucksache 14/28

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Bayer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es scheint ja ein geheimes Thema dieses Vormittags zu sein, Rauch wegzunehmen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Dafür bin ich normalerweise zuständig!)

Jetzt machen wir dieses geheime Thema einmal zu einem offiziellen Thema. Bei dem Gesetzentwurf, der hier zur Abstimmung steht, geht es nämlich darum, möglichst bald möglichst alle Schulen zu rauchfreien Zonen zu machen und dies nicht aus einer falsch verstandenen Autonomie in das Belieben der Schulen zu stellen.

Lassen Sie mich die Notwendigkeit dieses Gesetzentwurfs und die Chancen, die in ihm liegen, stichwortartig begründen:

(Unruhe)

Erstens: Täglich sterben in Deutschland 300 Menschen an durch Tabakkonsum bedingten Krankheiten. Meine Damen und Herren, das sind mehr Todesfälle als durch Aids, Alkohol, illegale Drogen und Selbstmorde zusammengenommen. Zigarettenkonsum stellt dabei das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko dar und ist die zentrale Ursache für frühes Sterben.

(Anhaltende Unruhe – Abg. Ute Vogt SPD: Pst!)

Zweitens: Wenn wir einmal die Studien zum Passivrauchen, und zwar die Studien, die nicht von den Tabakkonzernen bestellt werden, heranziehen, erkennen wir, dass die Ergebnisse eindeutig sind: Passivrauchen ist unstrittig krebserregend. 3 300 Menschen in unserem Land lassen jährlich ihr Leben, weil sie den Qualm von anderen Menschen einatmen müssen – so der „Spiegel“ von dieser Woche.

Drittens: Die Verlaufsdaten zum Tabakkonsum in den letzten Jahrzehnten in Deutschland machen deutlich, dass es nicht gelungen ist,

(Anhaltende Unruhe – Abg. Ute Vogt SPD: Herr Präsident!)

mit herkömmlichen, vorwiegend aufklärerischen Mitteln den Konsum zu verringern.

(Anhaltende Unruhe)