Protokoll der Sitzung vom 13.02.2009

Das Wort erteile ich der Ministerin für Arbeit und Soziales, Frau Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Aufstellung des Sozialhaushalts ist ebenfalls von dem erfolgreichen Bemühen geprägt, einen Haushalt aufzustellen, der ohne neue Schulden auskommt. Wir haben unsere Einsparauflagen erfüllt, und ich bin allen dankbar, die dazu beigetragen haben.

Dankbar bin ich auch für die Bemerkung des Kollegen Noll, dass es in der Sozialpolitik natürlich auch auf das Geld ankommt, dass es aber gerade im sozialen Miteinander nicht nur darauf ankommt. Oft ist eine gute Organisation des sozialen Miteinanders effektiver, als es irgendwelche „Gießkannenausgaben“ sind.

Deswegen haben wir auch in diesem Haushalt inhaltliche Akzente und Schwerpunkte gesetzt. Wir sehen aber auch finanzielle Verbesserungen vor, um das soziale Miteinander zu fördern – was ja eine Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte ist. Da sollten wir uns von Landesseite auch nicht überheben wollen; da sind viele gefragt. Wir sind zuständig, in vielen Bereichen sind es aber auch die Kommunen. Wir werden die Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen und begleiten und auch als Land unseren Beitrag leisten.

(Beifall des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Was Schwerpunkte und finanzielle Verbesserungen betrifft, will ich zunächst einmal auf den Ausbau der Kleinkindbetreuung eingehen. Das ist in der Tat ein zentrales Thema – sei es hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sei es hinsichtlich der Kinderarmut oder der Chancengleichheit. Es ist ein ganz wichtiges Thema.

Was die Landesförderung für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren betrifft, die im Jahr 2008 noch 17,8 Millionen € betrug, so konnten wir den Ansatz im Haushalt 2009 jetzt auf 60 Millionen € erhöhen. Das ist mehr als eine Verdreifachung. Zusammen mit den Bundesmitteln stehen den Trägern, den Kommunen 73 Millionen € zur Verfügung.

Diese Mittel werden im Jahr 2014 gemeinsam mit den Bundesmitteln auf 274 Millionen € angewachsen sein. Das heißt, wir können 50 000 zusätzliche Betreuungsplätze schaffen. Das ist keine vom Land festgelegte Quote, sondern beruht auf einem Ausbauplan, der gemeinsam mit den Kommunen vereinbart wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es!)

Wenn es hier heißt, wir würden beim Ausbau hinterherhinken, so gibt es dazu unterschiedliche Stellungnahmen. Der Gemeindetag sagt, er würde den Ausbau gar nicht so schnell schaffen. Wir haben sowohl die Quote als auch den Ausbauplan mit den kommunalen Landesverbänden vereinbart. Ende dieses Jahres werden wir bei einer Betreuungsquote von etwa 17,4 % angelangt sein und damit auch in finanzieller Hinsicht einen großen Schritt getan haben.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Die Verteilung des Geldes werden wir nach dem Grundsatz „Das Geld folgt den Kindern“ auf eine neue Grundlage stellen. Das werden wir in der nächsten Woche auch gesetzlich verankern. Mit dieser Neuregelung wird dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern, was Betreuungseinrichtungen betrifft, noch mehr Genüge getan. Auch der Einrichtung von betrieblichen und gemeindeübergreifenden Kinderbetreuungseinrichtungen wird damit ein leichterer Weg gebahnt. Mit einem kräftigen Batzen Landesunterstützung befinden wir uns dabei auf einem guten Weg.

Wir unterstützen die Kommunen bei vielen Themen. „Kinderland“ und die Schaffung familienfreundlicher Bedingungen sind Themen, die sich vor Ort in unseren Städten und Gemeinden abspielen. Auch hier stehen wir unseren Kommunen zur Seite, etwa mit unserer Initiative „Schritt für Schritt ins Kinderland“, um gute Beispiele für familienfreundliche Kommunen voranzubringen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: „Schritt für Schritt“ ist gut!)

Wir wollen die Eltern bei ihrer wichtigen Erziehungsaufgabe unterstützen. Wir wollen ihnen diese Aufgabe nicht abnehmen, sie aber nach Kräften unterstützen. Mit der Rahmenvereinbarung, die wir zum Programm STÄRKE unterzeichnet haben, ist das Land gegenüber den kommunalen Landesverbänden und einer Vielzahl von Familienbildungsveranstaltern auch die Verpflichtung eingegangen, von 2009 bis 2013 jährlich 4 Millionen € zur Stärkung elterlicher Erziehungskompe

tenz zur Verfügung zu stellen. Die Jugendämter und die Träger vor Ort arbeiten im Moment mit sehr viel Engagement an der Umsetzung des Programms. Wir machen mit einem Gutschein allen Eltern ein Angebot und sorgen dafür, dass sie gerade im ersten Lebensjahr des Kindes Unterstützung finden.

Darüber hinaus ist uns beim Programm STÄRKE auch die Unterstützung von Familien in besonderen Lebenssituationen ein ganz wichtiges Anliegen. Hier stellen wir 4 Millionen € zur Unterstützung der Kommunen zur Verfügung.

Das Thema Kinderschutz ist in der Tat wichtig. Auch hierbei wollen wir die Familien begleiten und unseren Beitrag leisten. Das ist ein gesellschaftliches Anliegen vieler Kräfte. Es ist aber auch kein neues Thema. Wir haben bereits 1995 die Konzeption der kreisbezogenen Hilfesysteme für misshandelte Kinder entwickelt und auf den Weg gebracht. Mit unserem Projekt „Guter Start ins Kinderleben“ bauen wir auf diesen vorhandenen und sehr guten Vor-Ort-Strukturen weiter auf. Wir wollen Kinder schützen, indem wir bereits die Eltern von Säuglingen und Kleinkindern – also in einer frühen Phase – stärken und ihnen helfen. Das beginnt mit einer Vielzahl von Maßnahmen. Wir werden als neue Maßnahme zu unserem Kinderschutzkonzept eine gesetzliche Verpflichtung zur Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen einführen. Auch das wird Thema unseres Plenartags in der nächsten Woche sein.

Ich bin auch sehr froh, dass mir für die Ergänzung des Kinderschutzkonzepts zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Mit den Mitteln werden wir ein E-Learning-Modul zur Förderung der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften entwickeln. Es ist ein Bedürfnis, dass alle diejenigen, die in vielen Bereichen hinschauen müssen, auch ausreichend qualifiziert sind. Das entspricht einem Wunsch der Fachleute; die Mittel sind nicht etwa ein unnötiger Geldsegen. Auch hier sind wir dabei.

Außerdem werden wir durch ein neues Förderkonzept mit Landesmitteln dazu beitragen, dass im Rahmen eines flächendeckenden Betreuungsangebots durch Familienhebammen die Versorgungsnetze der frühen Hilfen bis zum Jahr 2014 ausgebaut werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Auch hier stehen wir an der Seite der Kommunen. Ich darf mich bei den Kreisen bedanken, die schon an dem Thema Familienhebammen arbeiten. Wir wollen dieses Konzept aber auch in der Fläche verwirklicht sehen und dazu als Land einen unterstützenden Beitrag leisten.

Auch das Thema Jugend ist für uns in diesem Haushalt wichtig. Gerade in schwierigen Zeiten, auch was den Arbeitsmarkt betrifft, wollen wir unseren Beitrag leisten. Die im Juli 2007 von Ministerpräsident Günther Oettinger mit den Landesverbänden der Jugendarbeit und der außerschulischen Jugendbildung abgeschlossene Vereinbarung über ein „Bündnis für die Jugend“ leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Sozialisierung und Bildung von Kindern und Jugendlichen.

Wir wollen uns auch auf das Thema Integration konzentrieren. Im Rahmen der Integrationsoffensive werden wir hier Projekte zur Verbesserung der Situation benachteiligter Kinder und Jugendlicher unterstützen und auch die mobile Ju

gendarbeit fördern, die wichtig ist, um Jugendliche zu erreichen, die durch andere Netze nicht erreicht werden. Hier können wir die Zahl der geförderten Sozialarbeiterstellen in Einrichtungen der mobilen Jugendarbeit landesweit von 120 auf 180 erhöhen. Wir haben hierfür Mittel in Höhe von 1,5 Millionen € in den Haushalt eingestellt.

Die Chancengleichheit ist ebenfalls ein wichtiges Thema unseres Ressorts. Beim Thema Chancengleichheit spielt natürlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wieder eine Rolle. Diese Vereinbarkeit hat viele Facetten, und das ist nicht nur die Facette der Kinderbetreuung. So haben wir im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes ein Kompetenzzentrum „Beruf und Familie“ eingerichtet. Dessen Aufgabe ist es, allen Arbeitgebern Information, Beratung und Unterstützung für praxisnahe Lösungen zu geben und Initiativen zu vernetzen. Denn „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ ist eben auch ein Thema der Arbeitswelt und nicht nur ein alleiniges Thema der Landespolitik. Da brauchen wir die Wirtschaft und die Arbeitswelt. Auch hier wollen wir einen unterstützenden Beitrag leisten.

Dabei geht es nicht nur um die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf, sondern zunehmend auch um die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit mit Aufgaben der Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen. Ich denke, da müssen wir in den nächsten Jahren an verschiedenen Stellen wirklich zu Lösungen und zu Verbesserungen kommen. Denn zwar haben nicht alle Beschäftigten Kinder, aber sie haben eben doch auch Eltern. Aber ohne die Arbeitswelt geht das nicht.

Der Schutz von Opfern häuslicher Gewalt ist schon angesprochen worden. Ich bin sehr dankbar für die Initiative, durch die ein Fonds für die Opfer von Menschenhandel eingerichtet werden konnte. Mit diesem Fonds können wir rasche Hilfe leisten, die die betreffenden Frauen dringend brauchen.

Das bürgerschaftliche Engagement ist ebenfalls schon angesprochen worden. Es ist ein Herzstück unseres Landes und auch des sozialen Miteinanders. In keinem anderen Land gibt es mehr bürgerschaftlich und ehrenamtlich engagierte Menschen als in Baden-Württemberg.

Teil dieses bürgerschaftlichen Engagements sind auch die Freiwilligendienste, z. B. das freiwillige soziale Jahr und der Freiwilligendienst aller Generationen. Mit diesem Freiwilligendienst aller Generationen sollen z. B. arbeitslose Menschen oder Migrantinnen und Migranten, aber auch noch mehr ältere Menschen für ein freiwilliges Engagement gewonnen werden. Deshalb werden wir das Programm des Bundes auch mit Landesmitteln in Höhe von 300 000 € jährlich begleiten.

Wir können – auch dank der Initiative der Regierungsfraktionen – auch mehr Stellen beim freiwilligen sozialen Jahr fördern.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Wir können jetzt 5 350 FSJ-Stellen im Land unterstützen. Das ist im Ländervergleich – auch wenn Sie das nicht gern hören – spitze.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nach dem Motto „Plätze statt Sätze“!)

Ich sehe das aber auch als Dank an die Träger, die solche Plätze zur Verfügung stellen, denn die brauchen wir auch.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Genau! – Abg. Werner Raab CDU: So ist es! – Abg. Ursula Hauß- mann SPD: Ich könnte mir aber vorstellen, die Trä- ger waren anderer Meinung, Frau Ministerin! – Ge- genruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Nicht die Sätze erhöhen, wie ihr es wolltet, sondern die Zahl der Plätze!)

Ich will noch ein Thema ansprechen, nämlich die Gefährdetenhilfe, bei der wir auch einen zusätzlichen Beitrag leisten. Im Jahr 2007 wurden erstmals bestehende Angebote und Versorgungsstrukturen von kommunaler Seite erhoben und auch in einer Angebotslandkarte dargestellt. Bei der Versorgung wohnungsloser Frauen wurde ein ergänzender Bedarf deutlich. Wir haben sofort reagiert und ein einmaliges Sonderinvestitionsprogramm in Höhe von 1 Million € auf den Weg gebracht, mit dem auch diese Hilfen ausgebaut werden können.

Es ist mir ein Anliegen, auch auf das Thema Behindertenhilfe einzugehen.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

In Baden-Württemberg leben über 750 000 schwerbehinderte Menschen. Eine tragende Säule der Sozialpolitik der Landesregierung ist es, Menschen mit Behinderungen eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da müssen wir aber noch Gas geben!)

Dabei ist der Beauftragte der Landesregierung für die Belange behinderter Menschen, Herr Staatssekretär Hillebrand, diesen und ihren Angehörigen und allen Selbsthilfeverbänden in allen Fragen ein Ansprechpartner und Fürsprecher. Ich darf ihm an dieser Stelle für seine Arbeit danken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Mit den von ihm im Jahr 2008 gemeinsam mit den Verbänden und Organisationen durchgeführten Tagen der Menschen mit Behinderungen wurde das Thema „Selbstbestimmte Teilhabe“ in über 300 Veranstaltungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da würden wir gern auch einmal ein paar barrierefreie Wohnungen sehen und nicht nur Sprüche hören!)

Dabei gibt es noch zu viele Barrieren,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, eben! Wo sind denn die barrierefreien Wohnungen? – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wo war denn Herr Schmie del?)

nicht nur an Bordsteinen und nicht nur an Bahnsteigen, sondern auch in den Köpfen, Herr Kollege Schmiedel. Barrierefreiheit ist daher die Zielvorgabe für alle Lebensbereiche. Im Einzelfall geht es da auch um ganz konkrete Teilhabe, z. B.

um die Übernahme von Kosten für Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Eltern im Kontakt mit der Schule, um Möglichkeiten der Befreiung von Hochschulgebühren für behinderte Studierende und um die Förderung der Barrierefreiheit im Wohnungsbau.

Ein wichtiger Meilenstein ist hierbei, dass es auch aufgrund des persönlichen Einsatzes des Behindertenbeauftragten gelungen ist, in allen 44 Stadt- und Landkreisen Behindertenbeauftragte und besondere Ansprechpartner einzusetzen. Auch im Landesforum „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg“ sitzen die verschiedenen Reha-Träger, die kommunale Seite, die Leistungserbringer gemeinsam mit den betroffenen Menschen an einem Tisch. Ich denke, das ist auch in Zukunft der Schlüssel für gelebte Integration.

Das Thema Pflege ist natürlich auch eine Herausforderung für die Zukunft – mit verschiedenen Facetten. Hierbei spielt die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung eine große Rolle. Es ist uns mit einer Bundesratsinitiative gelungen, das bürgerschaftliche Engagement in der Pflege nachhaltig zu stärken.