Monika Stolz

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schön, dass die antragstellende Fraktion ei nen Mann vorgeschickt hat. Das zeigt das Bewusstsein für die Gleichstellung der Frauen.
Sehr geehrter Herr Schmiedel, mit der Botschaft „Wir ma chen alles besser“ kommt man nicht durch; denn die Zahl ist genannt worden. Wie sieht es mit den Frauen in der Politik aus? Wenn man ein Schattenkabinett vorstellt und dabei nur auf eine Frau in der eigenen Fraktion zurückgreifen kann, dann zeigt das schon, dass die Entwicklung von Frauen bei der SPD offensichtlich keinen Deut besser ist als in den ande ren Fraktionen.
Wir sind uns darüber einig, dass das Thema Gleichstellung – –
Nein; ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen.
Man sollte mich jetzt erst einmal reden lassen.
Ich möchte mit versöhnlichen Worten beginnen.
Das Thema Gleichstellung ist kein einfaches Thema. Frau Lösch hat gesagt, dass es im Schneckentempo vorangeht. Das sehen wir alle so. Ich denke, das Beispiel aus der SPD-Frak tion macht deutlich, dass es beim Thema Frauen überall nicht so einfach ist.
Veränderungen fallen in der Tat nicht vom Himmel. Ich möch te nur deutlich machen, dass Sie es um keinen Deut besser machen und dass es offensichtlich nicht so einfach ist.
Lassen Sie mich jetzt einen herzlichen Dank für das Lob und für das vielfache Zitieren des Gleichstellungsatlasses sagen, der in der Frauenministerkonferenz in der Tat auf Initiative von Baden-Württemberg, auf meine Initiative hin erstellt wur de, wohl wissend, dass er bei den Indikatoren, die dort erho ben wurden, Baden-Württemberg durchaus nicht in allen Po sitionen an der Spitze sieht. Der Verweis auf den Gleichstel lungsatlas – Sie haben ihn zitiert – mag richtig sein. Aber
wenn Sie von „verheerenden Zuständen“ sprechen, dann muss ich darauf hinweisen, dass das Zahlen aus den Jahren 2007 und 2008 sind. Ich hoffe doch, dass die SPD-Fraktion auf der Höhe der Zeit argumentiert und nicht in die Vergangenheit schaut und darauf angewiesen ist, auf alte Zahlen zurückzu greifen.
Sie haben diesen Bericht – neben der Tatsache, dass Sie alte Zahlen genannt haben – sehr unvollständig zitiert; denn Sie haben andere Dinge nicht genannt, nämlich die Arbeitslosen quote bei den Frauen in Baden-Württemberg und den Frauen anteil an den Langzeitarbeitslosen. Das sind im Länderver gleich die niedrigsten Zahlen.
Die Beschäftigungsquote der Frauen ist in Baden-Württem berg vergleichsweise hoch.
Auch die Quote der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kin dern unter drei Jahren liegt im vorderen Drittel. Auch das sind Themen, die angesprochen werden müssen, wenn man schon den Gleichstellungsatlas zitiert und meint, „verheerende Ver hältnisse“ feststellen zu müssen.
Das Problem des Pay Gap wurde genannt. Dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer ist ein Thema, das uns in der Tat alle bewegt. Man muss aber für Baden-Württemberg sol che Zahlen auch ein bisschen differenziert betrachten und darf keine Schwarz-Weiß-Malerei betreiben – auch nicht, wenn Wahlkampf ist. Wir haben hier in Baden-Württemberg in der Tat eine Wirtschaftsstruktur, in der männerdominierte Berufe überwiegen. Die Männer verdienen hier aufgrund unserer Wirtschaftsstruktur sehr viel, und deswegen ist der Pay Gap in Baden-Württemberg vergleichsweise groß. In Berlin ist die se Differenz natürlich kleiner, weil dort auch die Männer we sentlich weniger verdienen.
Ich wünsche mir natürlich – hierzu unternehmen wir ja auch vielfältige Anstrengungen –, dass Frauen verstärkt auch sol che Berufe wählen, die sehr gut bezahlt werden.
Die Frauenquote bei den Führungskräften ist genannt worden. Der Wahrheit halber muss jedoch hinzugefügt werden: Die Quote der weiblichen Führungskräfte in der Privatwirtschaft ist im Gleichstellungsatlas als Indikator nicht genannt. Dass dieser Indikator dort nicht enthalten ist, geht insbesondere auf den Wunsch von Rheinland-Pfalz zurück; denn die Zahlen sind angeblich schlecht vergleichbar.
Es geschah insbesondere auf Wunsch von Ländern, die uns zum Vergleich besonders interessieren würden, weil dort an dere Parteien regieren, dass die Frauenquote bei den Füh rungskräften in der Privatwirtschaft nicht in diesen Gleich stellungsatlas aufgenommen worden ist. Das füge ich der Voll ständigkeit halber hinzu.
Natürlich gibt es auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württem berg eine hohe Zahl von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen.
Aber ich muss auch einmal Folgendes sagen: Das ist – wenn auch sicherlich nicht immer und überall – durchaus von vie len Frauen so gewünscht. Ich kenne viele Frauen, die als Müt ter von zwei oder drei Kindern gern einer Erwerbstätigkeit nachgehen, dies jedoch bevorzugt in Teilzeit.
Gerade unsere Landesverwaltung bietet eine Vielzahl von Teilzeitmöglichkeiten, und es zeigt sich, dass diese Möglich keiten gern in Anspruch genommen werden.
Im Übrigen wurde vorhin bereits gesagt, dass sich zunehmend auch Männer mehr Zeit für die Familie wünschen und flexib le Arbeitszeiten sowie Teilzeitmodelle in Anspruch nehmen möchten. Das ist ein Stück Wahlfreiheit, und wir sollten dies auch nicht schlechtreden, sondern schätzen. Jeder sollte es so handhaben können, wie er meint, es mit seiner Lebensplanung vereinbaren zu können.
Natürlich haben wir einen Fachkräftemangel. Wir können auf die gut ausgebildeten Frauen nicht verzichten. Das ist auch ei ne Herausforderung für die Wirtschaft; da ist die Wirtschaft gefragt, wenn es darum geht, familienfreundliche Arbeitsbe dingungen zu schaffen. Natürlich könnten wir – der Staat – sagen: Jetzt schreiben wir alles vor. Wer sich aber ein biss chen in der Wirtschaft umschaut – ich selbst mache sehr vie le Besuche in Betrieben und Unternehmen –, der stellt fest, dass die Unternehmen, eben weil sie wissen, dass sie auf die se gut ausgebildeten Frauen nicht verzichten können, bereits auf einem sehr guten Weg sind, was familienfreundliche Ar beitsbedingungen betrifft. Gerade die mittelständische Wirt schaft ist zunehmend kreativ, um hier entsprechend wettbe werbsfähig zu sein und auf die gut ausgebildeten Frauen leicht zurückgreifen zu können.
Wir begleiten diese Anstrengungen der Wirtschaft, z. B. durch unser Kompetenzzentrum der Familienforschung „Beruf & Familie“, und beraten vor allem kleine und mittlere Unterneh men dabei, wie familienfreundliche Arbeitsbedingungen ge staltet werden können. Wir fördern dabei natürlich auch das betriebliche Betreuungsangebot.
Damit bin ich beim Thema Betreuung. Das ist in der Tat der Bereich, in dem der Staat seinen Beitrag zu leisten hat, indem er Kinderbetreuungsmöglichkeiten schafft. Dabei kann man natürlich Zahlen der Jahre 2007/2008 aus dem Gleichstel lungsatlas anführen; damit ist man aber nicht auf der Höhe der Zeit. Denn wir haben seit dieser Zeit einen enormen Ausbau der Kleinkindbetreuung bewerkstelligt. Ende des Jahres 2010 haben wir eine Betreuungsquote von 22,4 % erreicht und ent sprechen damit unserer klaren Vereinbarung mit den Kommu nen. Die Kommunen halten diese Vereinbarung ebenfalls ein.
Wir machen das schon ein bisschen fundierter und arbeiten nicht nur mit Schlagworten. Wir haben mit den Kommunen eine klare Vereinbarung getroffen. Allerdings ist durchaus auch damit zu rechnen, dass dieser Bedarf rascher ansteigt,
als es der ursprünglichen Vereinbarung entspricht. Wenn also in diesem Frühjahr vom Deutschen Jugendinstitut die Bedarfs zahlen vorgelegt werden, werden wir erneut in Gespräche mit den Kommunen eintreten und werden die Kommunen bei die ser Aufgabe nicht alleinlassen.
Die Kleinkindbetreuung ist natürlich nicht das alleinige The ma, wenn es um Kinderbetreuung geht. Da geht es natürlich auch um die Ganztagsschulen. Wir haben seit 2004 die An zahl der Ganztagsschulen verdoppelt. Wir haben in BadenWürttemberg einen Anteil von 24 % Ganztagsschülern. Wir liegen damit vor Bayern, vor dem Saarland und – man höre und staune – auch vor Rheinland-Pfalz.
Das Thema „Familienfreundliche Arbeitsbedingungen“ ist für die Landesregierung ein wichtiges Thema. Wir haben deswe gen ein Programm und Leitsätze entworfen. Wir wollen, dass die Landesregierung Vorbild für Familienfreundlichkeit ist. Deswegen werden in allen Ministerien, in allen Ressorts viel fältige Maßnahmen ergriffen, um die Arbeitsbedingungen für Väter und Mütter familienfreundlich zu gestalten. Das reicht so weit, dass wir auch als Landesverwaltung Betreuungsplät ze zur Verfügung stellen. Wir haben nochmals 500 000 € zur Verfügung gestellt, um betriebsnahe Einrichtungen zu schaf fen, damit wir, wenn wir von der Wirtschaft ihren Anteil ein fordern, auch seitens der Landesregierung entsprechend vor bildhaft sind.
Was den Anteil der Frauen in Führungspositionen betrifft – das wurde jetzt angesprochen –, ist es sicher kein Thema der Landespolitik, ob man eine gesetzliche Quote einführt oder nicht. Ich kenne kein Land – auch kein Land, das von der SPD regiert wird –, das sich hier in irgendeiner Weise gesetzgebe risch eingebracht hätte. Die Diskussion findet auf bundespo litischer Ebene statt.
Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich für die Einführung ei ner Quote bin, weil auch ich sehe, dass es solcher Signale be darf, um etwas schneller vorwärtszukommen. Aber das, was unsere Bundesfamilienministerin jetzt vorschlägt – eine stu fenweise Einführung einer Verpflichtung –, ist, denke ich, ein Weg, mit dem es uns sicher gelingt, auch all diejenigen mit zunehmen, die noch Probleme mit der Quote haben, die Wirt schaft mitzunehmen und auch die Frauen mitzunehmen, die sich mit der Quote noch nicht so richtig angefreundet haben. Ich denke, das ist ein sinnvoller Weg, den wir unterstützen wollen. Im Jahr 2013 werden wir sehen, wie weit wir sind. Dann können wir uns nochmals über das Thema unterhalten. Aber das ist kein Thema der Landespolitik.
Wir in der Landesverwaltung wollen hier Vorbild sein. Da ha ben wir in den letzten Jahren gute Schritte getan. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Politik der Opposition, die sich auf alte Zahlen bezieht und in den eigenen Reihen auch nicht schneller vorwärtskommt, uns in der nächsten Legislatur wei terbringt.
Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die neu konzipierte Einschulungsuntersuchung hat in den letzten beiden Jahren viel Aufmerksamkeit erfah ren. Das zeigt auch die Fülle der Anträge.
Aber ich will noch einmal etwas zu der Frage sagen: Was wollten wir mit dieser Einschulungsuntersuchung? Wir woll ten, dass alle Kinder in einem rechtzeitigen Abstand zum Schulbeginn einmal in Augenschein genommen werden, und zwar unter verschiedenen Blickwinkeln: unter einem medizi nischen Blickwinkel, unter dem Blickwinkel der Eltern – des wegen sind die Eltern einbezogen – und unter dem pädagogi schen Blickwinkel der Erzieherinnen. Wir wollen damit alle Kinder erreichen, auch diejenigen, die eben nicht in den Kin dergarten geschickt wurden; solche Kinder gibt es leider noch immer. Das ist auch ein Thema des Kinderschutzes. Diese ESU hat also viele Aspekte. Wir haben uns da auf den Weg gemacht.
Dass das nicht von heute auf morgen im vollen Ausmaß und in vollendeter Perfektion möglich sein wird, war uns allen klar. Dass das in einem Jahr, in dem erst einmal zwei Jahrgän ge untersucht werden müssen, holprig geht und nicht völlig rund läuft, war auch uns klar. Die Schwierigkeiten, die in den Anträgen genannt sind, haben wir also durchaus sehenden Au ges wahrgenommen. Es ist aber nicht so, dass wir sie ohne Not in Kauf genommen hätten. Uns war klar: Es wird ein schwieriges Jahr sein, aber die Schwierigkeiten werden zu lö sen sein.
Wo stehen wir heute? Im Untersuchungsjahr 2008/2009 sind insgesamt mehr als 110 000 Kinder untersucht worden. 40 000 Kinder wurden nach der alten Konzeption untersucht. Das sind diejenigen Kinder, die im Sommer 2009 eingeschult wur den. Damit ist dieser Übergangsjahrgang ungefähr zur Hälfte untersucht worden. Die eine Hälfte dieses Jahrgangs ist also untersucht worden, die andere nicht.
Weitere 70 000 Kinder des Einschulungsjahrgangs 2010 sind in diesem Jahr nach Schritt 1 der neuen Konzeption untersucht worden. Das entspricht etwa drei Vierteln dieses Jahrgangs.
Dieser Jahrgang ist also auch nicht in vollem Umfang unter sucht worden.
Aber für beide Jahrgänge war angestrebt, vor allem die Kin der zu untersuchen, bei denen sich Eltern, Erzieherinnen und Erzieher oder Lehrkräfte Sorgen um deren Entwicklung ge macht haben. Man hat also schon eine gewisse Auswahl ge troffen, um sicherzustellen, dass Kinder, die diese Untersu chung wirklich brauchen, diese auch bekommen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Das war ein Riesenkraftakt des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Wer die Potenziale des öffentlichen Gesundheitsdienstes kennt – al lein schon die Schwierigkeiten, Ärzte zu gewinnen –, der weiß diese Leistung zu schätzen. Ich möchte an dieser Stelle dem öffentlichen Gesundheitsdienst noch einmal ein ganz herzli ches Dankeschön sagen. Das war ein Riesenkraftakt.
Nach der aktuellen Umfrage bei den Gesundheitsämtern sind im jetzigen Untersuchungszyklus, also dem ersten, bei dem e i n Jahrgang untersucht wird, bis Ende Juni bereits 85 % aller Kinder des Einschulungsjahrgangs 2011 untersucht. Die Sache normalisiert sich also und wird auch handhabbar.
Deswegen hat es sich als sinnvoll herausgestellt, dass wir in diesem schwierigen Jahr keinen Aktionismus an den Tag ge legt haben und auch nicht ganz spontan pausenlos Änderun gen vorgenommen haben. Vielmehr haben wir zunächst Er fahrungen gesammelt; das hat sich letztlich als richtig erwie sen. Viele Probleme, die auch in den Landtagsinitiativen ge nannt wurden, haben sich eigentlich erübrigt. Die erwarteten Anlaufschwierigkeiten sind bei einem solchen Projekt nicht vermeidbar.
Zum Thema Sprachförderung hat sich das Kultusministerium schon geäußert.
Ich will noch auf ein Thema eingehen, das auch in den Anträ gen aufgegriffen wurde. Das ist das Thema Elternbeteiligung. Die Eltern müssen natürlich einbezogen sein. Das ist ein zen trales Element. Deshalb sind die Eltern auch wirklich bei je dem Schritt der Untersuchung einbezogen. Uns ist es gerade ein wichtiges Ziel, die Eltern zu erreichen, also nicht nur die Kinder zu sehen, sondern auch eine Chance zu haben, mit den Eltern ins Gespräch zu kommen. Die Eltern sind auch bei je dem Schritt der Untersuchung einbezogen. Sie sind zur Un tersuchung eingeladen. Falls eine vertiefende ärztliche Unter suchung notwendig ist, ist ihre Anwesenheit sogar Pflicht.
Die im Elternfragebogen gemachten Angaben sind wertvolle Hinweise. Die Eltern sind ja die besten Anwälte ihrer Kinder. Ich gebe aber auch gern zu, dass wir diesen Elternfragebogen nach den Erfahrungen aus den Untersuchungen überarbeiten werden. Wir befinden uns da auch in einem lernenden Sys tem. Es hat sich gezeigt, dass manche Fragen zwar sinnvoll, aber doch letztlich problematisch sind. Wir werden also nicht auf den Elternfragebogen verzichten wollen – er ist wichtig –, aber wir werden ihn überarbeiten.
Alle kinder- und jugendärztlichen Dienste stehen den Eltern für Rückfragen zur Verfügung. Ein Gesprächs- und Beratungs
wunsch der Eltern wird immer positiv beschieden. Unsere Er fahrung aus diesen Untersuchungen zeigt, dass das Gesprächs angebot von den Eltern auch dankbar angenommen wird.
Ganz wichtig bei der ESU ist die Verzahnung zwischen dem medizinischen Blick und dem pädagogischen Wissen zum Wohl des Kindes. Liebe Frau Kollegin Lösch, ich weiß nicht, warum Sie sagen, das Kindeswohl würde zu kurz kommen. Ich hoffe, ich habe Sie falsch verstanden. Es geht wirklich um das Kindeswohl.
Deswegen geht es darum, einen umfassenden Blick auf das Kind zu haben: einen medizinischen, einen pädagogischen und natürlich den Blick der Eltern, der auch ganz wichtig ist.
So können beispielsweise ein Hör- und ein Sehtest oder eine neurologische Untersuchung nicht durch eine Beobachtung ersetzt werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gera de auch Sehschwierigkeiten von den Eltern häufig nicht wahr genommen werden. Dazu gehören einfach objektive Messver fahren. Es geht darum, das Kind umfassend in den Blick zu nehmen. Es kommt auf den Austausch zwischen den beteilig ten Berufsgruppen an. Die Eltern müssen dabei sein.
Ferner ist die Frage gestellt worden, was passiert, wenn das Kind motorische Defizite hat. Unsere Erfahrungen gerade auch aus den Pilotkreisen haben gezeigt, dass bei motorischen Defiziten schon das Gespräch mit den Eltern sehr wertvoll war, weil man den Eltern beispielsweise den Rat geben konn te: Schickt euer Kind in den Sportverein. Oder man konnte den Eltern andere Empfehlungen geben. Das ist übrigens auch ein Ratschlag an die Erzieherinnen, hinsichtlich der Kommu nikation mit den Eltern etwas mehr zu tun. Es muss nicht im mer ein großes Programm gefahren werden, sondern das El terngespräch und der Hinweis an die Eltern, dass ein bisschen mehr gemacht werden kann, sind notwendig.
Natürlich steht das Gesundheitssystem dort zur Verfügung, wo medizinischer Handlungsbedarf gesehen wird. Das ist überhaupt kein Problem. Ich könnte mir auch eine Weiterent wicklung dergestalt vorstellen, dass beispielsweise mit den Sportvereinen vor Ort Kooperationen eingegangen werden, sodass für diese Altersklassen wirklich auch Angebote ge macht werden und dass im Kindergarten darauf hingewiesen wird.
Sehen wir das alles nicht so formal. Ich möchte es wirklich als eine Chance für die Kinder und die Eltern sehen,
hier eine zusätzliche Unterstützung durch ein zusätzliches Wissen, das ihnen die ESU bietet, zu erfahren.
Ja.
Ich habe versucht, die Antwort zu geben. Wenn ein Bedarf für eine medizinische Behandlung vorhanden ist, ist das eine Sache des GKV-Systems, also der Krankenkassen. Wenn Logopädie notwendig ist, wenn eine Brille notwendig ist, werden die Kosten nach diesem medizi nischen Blick natürlich vom GKV-System übernommen.
Über die Sprachförderung haben wir schon gesprochen.
Bei der Motorik kommt es auf den Förderbedarf an. Wenn das Kind nur ein bisschen mehr draußen spielen muss, dann stel le ich mir kein großes staatliches Förderprogramm vor. Viel mehr verspreche ich mir viel davon, in solchen Fällen auch einmal mit den Eltern ein zu Wort reden, ihnen einen Tipp zu geben, oder mit der Erzieherin zu reden, damit dann im Kin dergarten im Programm auch einmal verstärkt Bewegungsför derung betrieben wird, wenn ein paar Kinder Bedarf dafür ha ben.
Ich plädiere wirklich dafür: Sehen wir es nicht so formal, son dern fassen wir die Chancen, die ein Kindergarten hat, die ei ne Kommune mit ihren Sportvereinen hat,
einfach zusammen. Sehen wir es ein bisschen positiver, und richten wir den Blick auf die Chancen.
Tun wir vor allem nicht so, als wäre überhaupt nichts da, was man den Eltern anbieten könnte. Ich sehe da eine Fülle von Möglichkeiten.
Zurzeit läuft eine Evaluation der Neukonzeption. Wir werden das System natürlich auch weiterentwickeln. Ich bin jedoch zutiefst davon überzeugt, dass wir mit dieser ESU der Chan cengerechtigkeit für Kinder ein Stück nähergekommen sind. Es ist ein kleines Stück, es ist ein kleiner Baustein, auf den ich aber nicht verzichten möchte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich könnte dies ein guter Tag für die Pfle ge werden. Ich freue mich über so viel grundsätzliche Über einstimmung und würde mich natürlich noch mehr freuen, wenn sich diese grundsätzliche Übereinstimmung auch in ei ner übergreifenden Zustimmung zum Gesetzentwurf äußern würde.
Ich denke aber, es ist so oder so ein guter Tag für die Pflege. Denn wir können mit dem Gesetzentwurf hier vieles errei chen.
Dabei geht es im Wesentlichen um dreierlei: Zum Ersten schaffen wir wichtige Voraussetzungen dafür, dass wir die er forderlichen zusätzlichen ca. 90 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege gewinnen bzw. ausbilden können, die wir in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung brauchen werden. Zum Zweiten sprechen wir nicht nur über die Weiterentwicklung der Berufe in der Pfle ge, sondern wir gestalten diese Weiterentwicklung auch aktiv mit. Zum Dritten machen wir die Berufe in der Pflege attrak tiv, indem wir die Durchlässigkeit bis hin zur Hochschule aus bauen und gleichzeitig auch für junge Leute ohne Hauptschul abschluss neue Chancen schaffen.
Das sind große Chancen und Möglichkeiten, die auch zu ei ner Steigerung der Attraktivität in diesen Berufen führen.
Baden-Württemberg ist mit diesem Gesetzentwurf das erste Bundesland, das in einem Gesamtkonzept die Konsequenzen aus der demografischen Entwicklung und aus der Diskussion über die Weiterentwicklung der Pflegeberufe zieht. Ich sage ganz bewusst: Es ist ein Gesamtkonzept. Es geht dabei dar um, die Kompetenzen, die wir als Landesgesetzgeber haben, wirklich auszuschöpfen.
Die vorliegenden Anträge aber, die sicherlich gut gemeint sind – ich meine das gar nicht negativ –, gehen schlichtweg über die Kompetenzen des Landes hinaus. Man kann darüber re den. Ich verschließe mich dem nicht. Aber hier geht es um ein Landesgesetz, um die Kompetenz, die wir als Land haben. Mit diesem Gesetz schöpfen wir wirklich das aus, was uns als Lan desgesetzgeber möglich ist. Denn weder die Regelung der heilberuflichen Tätigkeit noch Regelungen zur Vergütung lie gen in unserer Kompetenz; dies kann auch nicht in einem Lan desgesetz geregelt werden. Bei diesem Thema muss ich ein fach um Verständnis bitten, wobei ich davon ausgehe, dass diese Diskussion über die Pflegeberufe auch weitergeführt werden muss. Es gibt auch vonseiten der Landesregierung kei ne Scheuklappen, aber eben Begrenzungen in der Kompetenz.
Ich will auf einen Punkt eingehen, der hier angesprochen wur de; das war praktisch der Stein des Anstoßes. Es geht um die Ermächtigungsgrundlage für eine akademische Weiterbildung für Pflegekräfte zur Übernahme von heilberuflichen Tätigkei ten im Rahmen ärztlicher Delegation. Das ist das Thema.
Wir machen mit dem Gesetz und den neuen Möglichkeiten, die wir damit eröffnen, einen ersten Schritt zur Umsetzung der Empfehlungen, die der Sachverständigenrat zur Begutach tung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem Gut achten aus dem Jahr 2007 formuliert hat. Dort wird eine Neu verteilung der Aufgaben innerhalb des Gesundheitswesens ge fordert. Wir wollen mit genau dieser Ermächtigungsgrundla ge unter dem Arbeitstitel „Arztassistent“ – mir ist es wichtig, noch einmal zu sagen: es ist ein Arbeitstitel – einen ersten Ein stieg in diese notwendige Neuverteilung der Aufgaben versu chen.
Ich gebe Ihnen recht: Anknüpfungspunkt ist für uns in der Tat, dass in den Kliniken schon längst Pflegefachkräfte...
... mit der Weiterbildung für den Operationsdienst auch kleinere Eingriffe am Patienten vor nehmen, allerdings unter voller Verantwortung des Arztes auch hinsichtlich der fachlichen Kompetenz.
Dieser Graubereich – so wird er auch im Sachverständigen gutachten genannt – ist für alle Beteiligten unbefriedigend: zum einen für den beteiligten Arzt, weil er die fachliche Kom petenz der Pflegekräfte letztlich nur schwer beurteilen kann, zum anderen aber auch für die betroffenen Pflegekräfte, denn sie werden für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit nicht ange
messen ausgebildet und erfahren auch nicht die ihnen dann eigentlich zustehende Anerkennung und Honorierung.
Der Arbeitstitel „Arztassistent“ soll nicht suggerieren, dass wir hier einen „kleinen Arzt“ haben wollen. Dafür müssen wir noch einen besseren Begriff finden. Wir wollen vielmehr mit diesem Weiterbildungsmodell zur Sicherheit aller Beteiligten Ordnung in diesen Graubereich bringen.
Ich weiß, dass dieses neue Weiterbildungsmodell bei den Be rufsverbänden auch unter verbandspolitischen Gesichtspunk ten ein ungeliebtes Kind ist. Auf der einen Seite will die Ärz teschaft keine Beschneidung ihres Wirkungskreises, und die Pflegeverbände auf der anderen Seite wären zwar bereit, so etwas anzunehmen, wollen es dann aber als eigenständige Aufgabe. Aber das ist letztlich Bundesrecht. Diese Aufgaben verteilung muss der Bund regeln. Wir können hier nicht ein greifen. Ich gebe jedoch gern zu, dass wir mit solchen Geset zesgrundlagen und Möglichkeiten durchaus auch eine Diskus sion auf Bundesebene fördern und für diese Diskussion auf Bundesebene wertvolle Erfahrungen in der Abgrenzung von Aufgaben liefern können. Aber mehr ist im Moment nicht möglich.
Wir wollen gerade in diesem Bereich nach zwei Jahren eine Zwischenbilanz ziehen und dann eventuell nachjustieren, weil wir hier, denke ich, in einem Prozess des Lernens sind. Ich gehe davon aus, dass wir damit eine ausgewogene Lösung ge funden haben.
Wir haben eine weitere Anhörung für nicht nötig gehalten, weil wir in der Tat die Ergänzungen, die ergänzenden Anre gungen und die Hinweise auf problematische Felder durch die Verbände wirklich sehr intensiv geprüft und auch das einbe zogen haben, was wir für verantwortlich gehalten haben.
Besonders wichtig ist mir, im Pflegegesetz das Thema Alltags betreuer zu regeln. Es ist eine Chance für die zu Pflegenden, dadurch qualitativ helfende Hände zu bekommen. Es ist auch eine Chance für junge Leute, einen Einstieg in einen Beruf zu bekommen, für den sie dann möglicherweise auch geeignet sind.
Ich verstehe nicht, warum sich der Landespflegerat daran stört, dass der Ausbildungsgang zum Alltagsbetreuer im Landes pflegegesetz geregelt werden soll. Ich verstehe das nicht. Wir haben das Vor- und Umfeld der Pflege schon immer im Lan despflegesetz geregelt. Wir haben hier nichts anderes vor als das, was wir bisher getan haben.
Es gibt den Vorbehalt, dass dieses Bild im Funktionstableau nicht eingeordnet ist. Eine Antwort darauf gibt in der Tat der neue § 27 Abs. 1, in dem u. a. steht, dass die genannten Tätig keitsfelder näher abzugrenzen sind. Es wird Aufgabe der Mo dellprojekte sein, dies aus der praktischen Erfahrung mit den Auszubildenden heraus zu tun. Die Begleitevaluation zeigt, dass das in der Praxis gelingt. Ich bin also zuversichtlich, dass nach den Erfahrungen, die wir machen werden, eine ordent liche Einordnung im Funktionstableau gelingt. Das muss des halb nicht ins Gesetz geschrieben werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich freuen, wenn sich diese große Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf letztlich auch als Zustimmung in der Abstimmung zeigt. Dann
wäre es wirklich ein sehr guter Tag für die Pflege und für die Pflegelandschaft in Baden-Württemberg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung den Gesetz entwurf zur Änderung des Landesheimgesetzes. Das Landes heimgesetz ist seit dem 1. Juli 2008 und damit noch nicht ein mal zwei Jahre in Kraft. Deshalb fragen Sie sich vielleicht, weshalb wir so rasch einen Änderungsgesetzentwurf vorle gen.
Die Änderung dieses Gesetzes ist notwendig geworden, weil der Bund mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz das Heimvertragsrecht aus dem Heimrecht herausgelöst hat. Das widerspricht eindeutig dem, was sich Bund und Länder mit der Föderalismusreform zum Ziel gesetzt hatten. Ziel war, die Regelungskompetenzen auf die Ebene zu übertragen, die den
Sachverhalt am praxisnahesten regeln kann. Beim Heimrecht sind dies die Länder. Das ist eigentlich ganz offensichtlich. Dieses begrüßenswerte Ergebnis der Föderalismusreform wird aber leider durch das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz des Bundes in puncto Heimrecht wieder zurückgenommen.
Mir geht es aber gar nicht um Zuständigkeitsfragen. Auch die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsfrage möchte ich jetzt nicht erörtern. Mir geht es vielmehr um die Menschen in den Einrichtungen, um die Menschen mit Behinderungen, die psy chisch Kranken und die Pflegebedürftigen.
Das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz des Bundes regelt die Rechte von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behin derungen in Einrichtungen auf entscheidende Weise. Schaut man sich die neuen Regelungen einmal an, stellt man fest, dass sie eigentlich verbesserungsfähig sind. Es hapert an Verständ lichkeit und Bürgernähe. Um die Gesetzesinhalte richtig zu erfassen, muss der Leser über eine profunde Kenntnis des SGB XI verfügen. Dies ist aus Verbraucherschutzgründen nicht gerade optimal.
Das entscheidende Problem dieser Regelung ist sozusagen ein Geburtsfehler, der auch durch nachträgliche Korrekturen nicht beseitigt werden kann. Bislang konnten sich Heimbewohner oder deren Angehörige an die Heimaufsicht wenden, wenn sie Probleme mit dem Vertrag hatten oder wenn sie sich unge recht behandelt fühlten. In der Regel hat dann die Heimauf sicht, wenn nötig, eine Beanstandung ausgesprochen, und das Problem konnte unbürokratisch und einfach gelöst werden. Wenn die Verbraucher heute Probleme mit dem Vertrag ha ben, bleibt ihnen nur der Rechtsweg.
Nachdem der Bund das so geregelt hat, müssen wir eine ein deutige Rechtslage schaffen. Ich kann weder den Trägern noch den Bewohnern einen Kompetenzstreit zumuten. Deshalb ha ben wir die bisherigen Regelungen des Heimvertragsrechts aus dem Landesheimgesetz herausgenommen, um einen ein deutigen Rechtszustand herzustellen und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Wir nehmen diese notwendige Änderung zum Anlass, einige weitere Punkte zu regeln. So soll der Qualitätsbericht der Heimaufsicht erst ab dem 1. Januar 2011 veröffentlicht wer den. Wir wollen mehr Transparenz in den Pflegeheimen. Der Qualitätsbericht der Heimaufsicht ist hierbei ein wichtiges In strument. Er soll den Bürgern einen Eindruck über das Leis tungsprofil der Einrichtung geben, aber auch ganz aktuell über die Qualität informieren. Zugrunde liegt die Prüfung der Heimaufsicht. Auch Mängel und Stärken sollen dort vermerkt werden.
Die Veröffentlichung ist freiwillig. Aber eine wesentliche Vo raussetzung für die Veröffentlichung von Prüfergebnissen ist eine einheitliche Arbeitsweise der Heimaufsicht. Bei 44 Stadt- und Landkreisen und etwa 100 Mitarbeiterinnen, die hier ei ne schwierige Aufgabe sehr engagiert bewältigen, ist dies nicht ganz einfach zu gewährleisten. Um diese Mitarbeiterin nen und Mitarbeiter der Heimaufsicht zu unterstützen, haben wir vom Ministerium eine Orientierungshilfe erstellt, die auch von anderen Bundesländern gern genutzt wird.
Der neue Qualitätsbericht, der gefordert ist, setzt aber eine weitere Vereinheitlichung insbesondere der Prüfpraxis voraus.
Deswegen haben wir für alle Heimaufsichten einen ganz kon kreten Prüfleitfaden erarbeitet. Er wird in Kürze veröffentlicht werden. Denn jede Einrichtung soll wissen, was geprüft wird. Er enthält mehrere Module, die flexibel gehandhabt werden können. Er soll aber kein Raster sein, das man abprüft, bei dem man nur Kreuzchen macht und ansonsten nicht nach rechts oder nach links schaut. Vielmehr soll dieser Leitfaden Anhaltspunkte dafür geben, worauf geachtet wird, damit man Probleme aufmerksam wahrnimmt.
Der Prüfleitfaden zeigt, was geprüft werden kann. Aber nicht alles muss bei jeder Prüfung geprüft werden. Es können Schwerpunkte gebildet werden. Die Prüfkriterien im Bereich der Pflege entsprechen weitgehend denen des MDK, sodass die Einrichtungen nicht mit unterschiedlichen Anforderungen konfrontiert werden.
Man darf aber nicht übersehen, dass die Einheitlichkeit der Überprüfungen auch ihre Grenzen hat. Die Prüfungen sollen den Einrichtungen individuell gerecht werden. Starre Sche men helfen nichts. Das zeigt sich gerade bei den Qualitätsbe richten des Medizinischen Dienstes und den Problemen, von denen wir im Moment wissen. Daher werden wir Form und Inhalt der Qualitätsberichte gemeinsam mit den Einrichtungs trägerverbänden erarbeiten. Diese Berichte sollen dann in ein zelnen Einrichtungen erprobt werden, sodass wir dann einen Leitfaden haben, der in der Praxis umgesetzt werden kann.
Eine weitere Änderung in diesem Gesetzentwurf betrifft den Angehörigen- und Betreuerbeirat. Er soll in Zukunft nur in Einrichtungen der Eingliederungshilfe eingerichtet werden. Wir haben den Angehörigen- und Betreuerbeirat mit dem Lan desheimgesetz im Jahr 2008 neu eingeführt. Er soll den Heim beirat unterstützen. Das ist vor allem in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe sinnvoll. Denn beispielsweise Menschen mit geistigen Behinderungen sind ohne Weiteres in der Lage, als Heimbeiräte ihr unmittelbares Lebensumfeld selbst mit zugestalten. Aber sie können z. B. in der Bewertung von Ent gelterhöhungen überfordert sein. Hier kann der Angehörigen- und Betreuerbeirat Unterstützung bieten.
In den Pflegeeinrichtungen ist es häufig schon schwierig, über haupt einen Heimbeirat zu bilden. Hier sind schon jetzt An gehörige und Betreuer als Heimbeiräte tätig. Hier besteht al so kein Bedarf für einen Angehörigen- und Betreuerbeirat.
Meine Damen und Herren, eine der wesentlichen Aufgaben des Heimrechts ist es, den Bewohnern von Heimen den Schutz zu geben, den sie brauchen. Mit dem Heimvertragsrecht hat uns der Bund eine Möglichkeit genommen, hier tätig zu wer den. An uns bleibt es, rechtliche Klarheit für die Verbraucher und Träger zu schaffen. Dieser Gesetzentwurf schafft zum ei nen diese Rechtssicherheit und bringt zum anderen auch die Verbesserungen auf den Weg, die wir in Landesverantwortung regeln können. Daher bitte ich um Ihre Unterstützung für die sen Gesetzentwurf.
Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist jetzt der vierte Einzelplan eines Ressorts, der heute beraten wird. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Beratung dieses Doppelhaushalts wirklich auch im Lichte einer Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgt, die uns alle gefangen hält. Ich will so anfangen wie alle meine Vorredner auch: Es besteht die Notwendigkeit, mit diesem Haushalt zu sparen, zu konsolidieren, die geringeren Mittel, über die wir verfügen, auch sinnvoll einzusetzen.
Wir konnten im Sozialressort zwar einsparen – das ist gut so –, aber trotz dieser Einsparungen ist es nicht zur Kürzung von Leistungen an Bürgerinnen und Bürger sowie an Verbände gekommen. Es sind keine Kürzungen notwendig gewesen. Das verdeutlicht die Notwendigkeit, auch weiterhin zu beachten, dass es nicht immer unbedingt nur um die Menge des Geldes geht. Vielmehr geht es wirklich darum, das Geld, das wir haben, sinnvoll und effizient einzusetzen.
Deswegen sollten wir nicht reflexhaft immer nach mehr Geld rufen und auch nicht reflexhaft reagieren, wenn Effizienz und Effektivität von Maßnahmen überprüft werden, sondern die Zielsetzung bei allem, was wir machen, muss sein, dass die Menschen, die Unterstützung und Hilfe brauchen, diese auch bekommen. Daran müssen wir arbeiten. Effizienz und Effektivität heißt, die Mittel wirklich dort einzusetzen, wo wir Hilfe gewähren wollen. Auf Bundesebene wird sicher darüber diskutiert: Wie gestalten wir das Hartz-IV-System sinnvoll weiter? Wo setzen wir die richtigen Anreize? Wo werden Fehlanreize gesetzt? Das betrifft genauso unser Ressort und die Fragen: Wo stellen wir Hilfen zur Verfügung? Und kommt das Geld wirklich dort an, wo wir es haben wollen?
Das wird auch die Aufgabe der zukünftigen Haushalte sein. So viel nur zum Anfang.
Wir wissen auf der einen Seite, dass wir konsolidieren müssen, aber wir wissen auf der anderen Seite auch, dass wir im Rahmen dieser Wirtschaftskrise nach wie vor stabilisierende und fördernde Maßnahmen durch den Staat brauchen. Wir brauchen in Zeiten der Unterbeschäftigung zielgerichtete Maßnahmen, und wir brauchen die Unterstützung der Unternehmen und die der Bürgerinnen und Bürger.
Dass ein rigoroser Sparkurs in allen Bereichen nicht angezeigt sein kann, belegt schon der Erfolg der Konjunkturprogramme und der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.
Ich wollte eigentlich nicht auf die Konjunkturprogramme eingehen, aber ich muss für unser Ressort einfach sagen: Dieses Konjunkturprogramm hat den Krankenhäusern einen zusätzlichen Schub gegeben. Frau Lösch, von Ihnen kommt immer diese reflexhafte Forderung nach Konzepten. Ich bitte Sie: Schauen Sie sich doch einfach einmal die Dinge richtig an – dann entdecken Sie auch das Konzept –, bevor Sie reflexhaft immer nach Konzepten rufen. Wir haben ein Konzept, das die Krankenhäuser betrifft. Wir haben z. B. eine Schlaganfallversorgung, die in der Bundesrepublik vorbildlich ist, ein beispielhaftes Konzept der abgestuften Versorgung. Es gab erst jetzt eine Untersuchung, die ergab, dass in Baden-Württemberg aufgrund seiner abgestuften Versorgungsstruktur in vorbildlicher Weise 70 % der Schlaganfälle wirklich rechtzeitig und frühzeitig so versorgt werden, wie sie versorgt werden müssen. Einen solchen Anteil erreicht kein anderes Bundesland.
Dahinter steckt ein Konzept.
Es ist schon komisch, dass Baden-Württemberg in den Rankings hinsichtlich der Krankenhausstruktur als vorbildhaft dargestellt wird, was Effizienz und Versorgung betrifft. Sie fragen immer nach dem Konzept. Schauen Sie es sich doch einfach einmal an, bevor Sie reflexhaft solche Forderungen stellen. Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erwähnen.
Mir ist auch in diesen Krisenzeiten wichtig: Wir brauchen auf der einen Seite eine Stärkung der sozialen Sicherungssysteme, und wir brauchen auf der anderen Seite zielgenaue Instrumente zur Abfederung der Krise. Ich will nur zwei Beispiele nennen. Das eine ist das Thema Kurzarbeit. Mit der Kurzarbeit ist es in der Tat gelungen, die Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt wirklich erheblich zu mildern. Ohne Kurzarbeit hätten wir in Baden-Württemberg 75 000 Arbeitslose mehr. Wenn jetzt Überlegungen im Raum stehen, die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld zu verlängern, so werden wir das vom Land Baden-Württemberg auch unterstützen, weil wir wissen: Das hilft unseren Unternehmen, durch die Krise zu kommen, um dann gestärkt wieder loslegen zu können, wenn sich die Konjunktur weiter verbessert hat. Wir werden uns für eine Verlängerung einsetzen.
Ich will auf der anderen Seite den Europäischen Sozialfonds in Baden-Württemberg erwähnen, der kofinanziert wird und einen wesentlichen Beitrag zur regionalen Arbeitsmarktpolitik liefert. Wie Sie wissen, umfasst das Programm in der Förderperiode von 2007 bis 2013 ein Volumen von über 500 Millionen €. Mit diesem Geld erreichen wir pro Jahr rund 30 000 Menschen aller Altersgruppen, die überwiegend zu den Benachteiligten am Arbeitsmarkt zählen.
Das sind zwei wichtige Beispiele für Sozialleistungen, die wir in der jetzigen Zeit brauchen.
Es ist wichtig, dass wir in dieser Zeit an einem Strang ziehen. Ich möchte auch die Anstrengungen hervorheben, die die Beschäftigten, die Unternehmer und die Sozialpartner mit dem Abbau von Arbeitszeitkonten, mit betrieblichen und tariflichen Beschäftigungssicherungsvereinbarungen leisten und schon unternommen haben. Da wurden auch Opfer gebracht mit dem Ergebnis, dass Deutschland und gerade Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen europäischen Ländern für die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise gut gerüstet sind.
Ich will an dieser Stelle einmal sagen: Auch wenn wir viel über Krise reden, ist es kein Zufall, dass es bei uns im internationalen und innerdeutschen Vergleich die wenigsten armen, die gesündesten und die optimistischsten Menschen gibt und dass bei uns die höchste Lebenserwartung besteht.
Baden-Württemberg ist das Land der Chancen, das Land mit einem Höchstmaß an sozialem Ausgleich und sozialem Frieden. Ich glaube, das darf man an dieser Stelle auch einmal feststellen.
So sollte es aber auch bleiben. Damit es so bleibt, müssen wir weiterhin für einen gesellschaftlichen Ausgleich sorgen. Ich verhehle nicht, dass durchaus Zeichen der sozialen Wirklichkeit – gerade in dieser Krisenzeit – im Sinne einer höheren Armutsgefahr und im Sinne von Tendenzen sozialer Ausgrenzung vorhanden sind.
Auch wenn uns diese Phänomene weniger als andere Bundesländer treffen, werden wir gerade bei dieser Diskussion über die Armutsgefährdung auch ein Zeichen setzen. Dazu wird sich das Land im Rahmen des Europäischen Jahres 2010 zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung einbringen. Ich bin den Regierungsfraktionen sehr dankbar dafür, dass sie ein deutliches Zeichen setzen und dass wir in Bezug auf das Thema Armut im Jahr 2010 etwa 550 000 € und im Jahr 2011 – wenn ich die Maßnahmen zusammenrechne, die hier ergriffen werden – etwa 1 Million € zur Verfügung stellen. Wir leisten unseren Beitrag zu einem Thema, das uns nicht unberührt lassen darf.
Wichtig ist – darauf verweist die nationale Strategie der Bundesregierung zur Umsetzung dieses Europäischen Jahres 2010 – die gemeinsame Verantwortung für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Lassen Sie mich zu diesem Thema „Stärkung des sozialen Zusammenhalts“ zwei Punkte ansprechen:
Der erste ist das Thema Familien. Die Familien sind die Kernstrukturen unseres Landes. Sie sind auch die Keimzellen der Solidarität und des Zusammenhalts. Deswegen müssen auch diese Strukturen gestärkt werden.
Liebe Frau Lösch, jetzt zweitens zum Armutsbericht: Wir können Papiere mit Dingen vollschreiben, die wir wissen.
Ich verstehe nur nicht, dass Sie einen Armutsbericht fordern, obwohl wir genau wissen, wo die Armutsrisiken liegen. Sie liegen in der Tat bei Alleinerziehenden, aber besonders eben auch bei Familien mit mehreren Kindern. Wenn Arbeitslosigkeit dazukommt, sind die Risiken noch höher. Deswegen verstehe ich nicht, warum das Landeserziehungsgeld infrage gestellt wird.
Das ist das ureigene Instrument des Landes Baden-Württemberg, durch das wir das deutliche Zeichen setzen, dass wir dort, wo wirklich ein Armutsrisiko besteht, Gelder hinfließen lassen. Ihre Haltung ist mir unverständlich.
Das Landeserziehungsgeld erreicht und unterstützt zielgenau Eltern, deren Kinder durch geringes Einkommen am ehesten von Kinderarmut betroffen sind. Die Einkommensgrenzen werden erhöht, sodass noch mehr Familien in den Genuss dieser Leistung kommen. Ich sage ganz offen: Ich möchte auf dieses deutliche Zeichen, dass wir die Familien auch beim Thema Armut unterstützen, nicht verzichten.
Lassen Sie mich erst einmal zu Ende reden.
Vielleicht beantwortet es sich, wenn ich weiterrede.
Das Thema „Unterstützung und Begleitung von Familien“ ist mir wichtig, wenn es darum geht, die Strukturen des sozialen Zusammenhalts in diesem Land zu stärken. Dazu gehört natürlich auch die Kinderbetreuung. Die Anstrengung, die die Kommunen und das Land gemeinsam mit dem Bund hier unternehmen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass wir das tun, was notwendig ist.
In diesen Haushalt sind für das Jahr 2010 108 Millionen € für die Kinderbetreuung eingestellt. Für das Jahr 2011 sind es 151 Millionen €. Es besteht eine klare Vereinbarung mit den Kommunen, was entlang des Bedarfs, der entsteht, leistbar ist. Ich verstehe nicht, warum man diese Vereinbarung mit den Kommunen, wie wir zu einer Bedarfsdeckung kommen, immer wieder infrage stellt.
Die Kommunen sagen uns – wir sehen das an den Investitionsfördermitteln, die abfließen –, dass sie dieses Tempo auch meistern müssen. Da hilft es nicht, 30 Millionen € mehr einzustellen, wenn dieses Tempo gar nicht eingehalten werden kann. Ich würde also einfach darum bitten, zu berücksichtigen: Es gibt eine klare Vereinbarung mit den Kommunen darüber, was wir wollen – darüber, dass wir diese Betreuung ausbauen wollen, gibt es überhaupt keine Diskussion mehr – und wie wir das gemeinsam mit den Kommunen schaffen wollen. Die Mittel, die hier eingestellt werden, sind auch ein deutliches Zeichen.
Ich sage es noch einmal: Wenn wir über Familien reden, ist die Kinderbetreuung eine ganz wichtige Leistung, um die Familien in ihrem Erziehungsauftrag zu unterstützen. Aber Familie findet eben zum größten Teil außerhalb dieser Betreuungszeiten statt. Familie findet nicht nur als Betreuung in Einrichtungen statt. Deswegen müssen wir die Familien auch anderweitig unterstützen und dürfen nicht nur eine begleitende Betreuung anbieten. Deswegen ist mir das Programm STÄRKE auch wichtig.
Ich will noch einmal deutlich sagen: Familie findet wirklich mehr außerhalb der Kinderbetreuung statt. Sie findet am Abend statt, sie findet am Wochenende statt, und da muss die Familie den Auftrag leisten, der für das Kind – ich sage es einmal so – noch wesentlich bestimmender ist.
Deswegen ist es mir wichtig, dass das Programm STÄRKE weiterläuft. Es befindet sich auf einem guten Weg. Das ist ein Programm, das eine gewisse Vorlaufzeit erfordert und auch wachsen muss. Die Programmumsetzung in den Kreisen ist in der Tat unterschiedlich. Da gibt es sehr engagierte Kreise,
da gibt es Kreise, die auch noch ein bisschen abwarten. Aber die Erfahrungen zeigen, dass diese Landesmittel gut angelegt sind und dass aufgrund dieses Konzepts die Planungs- und Vernetzungsarbeit vor Ort wesentlich verbessert wurde.
Auch die Anzahl der geplanten Kurse für besondere Lebenssituationen, also für besonders belastete Familien, ist 2009 sprunghaft gestiegen. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier noch mehr erreichen.
Besonders erfreulich ist auch die Steigerung der Familienbildungsarbeit durch Fachleute für physische und psychische Gesundheit von Kindern. Wichtig dabei ist, dass verschiedene Einrichtungen wie Kindergärten und Kirchengemeindehäuser diese Veranstaltungen ebenfalls anbieten.
Das Programm STÄRKE bietet nicht nur eine Unterstützung der Familien bei ihrer ureigenen Erziehungsarbeit, sondern es ist auch eine wesentliche Maßnahme des Kinderschutzes.
Auch der Kinderschutz erfährt in diesem Haushalt eine Stärkung. Wir haben zusätzlich 160 000 € eingestellt, um das Projekt „Guter Start ins Kinderleben“ weiterführen zu können. Wir wollen keine Strohfeuer, sondern wir wollen sinnvolle, effektive Maßnahmen und diese dann auch weiterführen.
Lassen Sie mich noch eine andere Struktur ansprechen, die mir wichtig ist, wenn es um den sozialen Frieden und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft geht, und die auch dieses Land Baden-Württemberg prägt. Es ist das bürgerschaftliche Engagement. Wir brauchen Bürger, die zusammenhalten, die sich verantwortlich fühlen, die in diesen Zeiten auch Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen.
Wir haben hier in Baden-Württemberg hervorragende Strukturen des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements. Aber ich meine, wir müssen hier noch mehr Kreise einbeziehen. Wir müssen auch diejenigen erreichen, die vielleicht mehr außen vor stehen, die Arbeitslosen, auch die Menschen mit Migrationshintergrund. Es gilt, diese noch mehr in das bürgerschaftliche und ehrenamtliche Engagement einzubeziehen, weil dieses Engagement Verantwortung, Selbstbestätigung, aber auch ein Mitarbeiten an der gemeinsamen Solidarität mit sich bringt.
Wenn ich zusammenrechne, komme ich auf fast 3 Millionen €, die wir in diesem Haushalt für die Strukturen des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements, für das Stützen dieser Tätigkeit durch die Menschen in unserem Land zur Verfügung stellen. Ich bin davon überzeugt, dass gerade dieses hohe Engagement im Land Baden-Württemberg auch ein Baustein ist, wenn davon die Rede ist, dass die Menschen in Baden-Württemberg, was die Lebensqualität betrifft, ihr Land im Ranking ganz oben sehen. Das ist ein Stück dieser gesellschaftlichen Solidarität, die natürlich auch von uns gefördert wird, sehr wertgeschätzt wird und weiter ausgebaut werden soll. Dazu gehört eben auch das Engagement unserer jungen Leute im freiwilligen sozialen Jahr,
für das die Mittel auch aufgestockt wurden.
Meine Damen und Herren, ich habe einige Beispiele genannt, die zeigen sollen, dass die Landesregierung gerade auch in Zeiten der Krise eine verlässliche Politik betreibt und die Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nimmt. Wir wollen zielgerichtet und wirksam Maßnahmen ergreifen, aber den Blick für das finanziell Machbare auch nicht verlieren. Ebenso wenig wollen wir den Blick für geteilte Verantwortlichkeiten in unserem Staat verlieren.
Ich bin davon überzeugt, dass der von uns vorgelegte Haushalt eine gute Grundlage für diese Politik ist.
Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Wichtigste vorweg: Baden-Württemberg wird diesen Gesetzesantrag morgen im Bundesrat nicht unterstützen.
Ich muss dazusagen, dass ich in dieser Debatte keine Argumente gehört habe, die die Regierung dazu bewegen könnten, diesem Gesetzesantrag zuzustimmen; im Gegenteil.
Ich glaube, alle Argumente sind ausgetauscht. Wir müssen schon einmal sehen: Zum einen geht es jetzt nicht darum, irgendwelche schönen, gefälligen Botschaften zu verteilen, sondern hier geht es um langfristige, nachhaltige Arbeitsmarktpolitik. Da müssen wir auch einmal ein nüchternes Fazit dessen, was bisher gelaufen ist, ziehen. Zum Zweiten müssen wir den Mut haben, etwas längerfristiger zu denken, gerade was den Arbeitsmarkt betrifft,
um von den Sonntagsreden zur demografischen Entwicklung dann wirklich zu konkreter Politik, auch mutiger Politik zu kommen.
Die nüchternen Fakten sind genannt worden, was die Altersteilzeit betrifft. Sie hat nicht dazu beigetragen, dass es zu einem geregelten, ja leichten Übergang in den Ruhestand kommen konnte. 90 % der Personen in Altersteilzeit haben das Blockmodell gewählt. Die Zahlen sind alle genannt. Diese Möglichkeit wurde vor allem von Personen in Büroberufen genutzt und weniger von Personen in Berufen mit körperlicher Belastung,
was doch eigentlich der Grundgedanke dieses Modells war. Vor allem große Betriebe haben diese Möglichkeit genutzt. Für die kleinen Betriebe war dies viel zu teuer.
Die Kosten – was die Bundesagentur betrifft – sind auch schon genannt worden. Wir rechnen damit, dass im Fall einer Verlängerung Kosten in Höhe von 3,6 Milliarden € auf die Bundesagentur zukommen. Sie wissen, dass die Bundesagentur für das Jahr 2010 mit einem Defizit von 18 Milliarden € rechnet. Das Defizit wird auch nicht einfach verschwinden; es würde vielmehr noch einmal vergrößert durch eine Maßnahme, die als Konjunkturmaßnahme völlig ungeeignet ist und, wie wir auch in der Diskussion gehört haben, eigentlich die Ziele gar nicht erreichen lässt, die mit dieser Altersteilzeit erreicht werden sollten.
Es wurde schon darauf hingewiesen: Altersteilzeit ist auch weiterhin möglich. Die Tarifparteien können das so ausgestalten, wenn sie das denn wollen. Altersteilzeit ist weiterhin möglich; nur die Förderung soll eben wegfallen. Das ist sinnvoll.
Jetzt komme ich zum langfristigen Denken. Die demografische Entwicklung ist angesprochen worden. Ich will nicht
zu sehr auf die Situation im Jahr 2060 eingehen, wobei auch hierzu Zahlen vorliegen. Um die Dramatik einmal aufzuzeigen: Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter wird von derzeit 50 Millionen auf 33 bis 36 Millionen im Jahr 2060 absinken.
Aber so weit müssen wir gar nicht schauen. Betrachten wir einmal die Entwicklung in den nächsten zehn Jahren, also im kommenden Jahrzehnt. Aus der Gruppe der 20- bis 64-Jährigen werden im Jahr 2020 etwa 40 % im Alter zwischen 50 und 64 Jahren sein. Es wird also eine immer kleiner werdende Gruppe von Erwerbspersonen unsere sozialen Sicherungssys teme tragen müssen. Da müssen einfach einmal deutliche Zeichen gesetzt werden – vom Fachkräftemangel, der schon Fakt ist, gar nicht weiter zu reden.
Wir können es uns nicht leisten, auf die älteren Arbeitnehmer zu verzichten; das ist schon mehrfach gesagt worden. Wir brauchen die Kompetenz dieser Menschen. Wir brauchen hier mehr. Da dürfen wir keine falschen Signale setzen. Die Altersteilzeit ist bei dem Thema „Bewältigung des demografischen Wandels“ ein absolut kontraproduktives Signal.
Zum Schluss will ich noch sagen: Natürlich liegen uns die jungen Menschen am Herzen. Aber mit der angesprochenen Regelung, bei der noch nicht einmal bewiesen werden kann, ob sie denn wirklich zu einer verstärkten Einstellung von jungen Menschen führt, werden wir nicht weiterkommen. Wir setzen da mehr auf andere Zeichen der Politik: Strukturpolitik, Bildungspolitik,
Wachstumspolitik, Steuerpolitik und andere Maßnahmen der BA, die bei der Eingliederung der jungen Menschen wesentlich wirksamer sind.
Ganz zum Schluss, Herr Hausmann: Mit dem Schreckgespenst einer „Hochrisikoregion Baden-Württemberg“ in die Weihnachtsferien zu gehen,
dagegen würde ich mich heftigst wehren. Sie wissen genau, dass dieser Begriff auch ein Spiegelbild hat, nämlich „Hochchancenregion Baden-Württemberg“. Wenn wir die Konjunkturkrise überwunden haben – dafür gibt es Zeichen; das wird besser werden –, dann sind wir nämlich das Hochchancenland dieser Republik.
Daran arbeiten wir weiter und setzen nicht mit einer Frühverrentungsmentalität völlig falsche Zeichen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht muss man die Sache etwas nüchterner betrachten. Ich verstehe die Euphorie des Kollegen Noll. In der Tat beinhaltet der Koalitionsvertrag Botschaften, die in die richtige Richtung gehen. Die Botschaften sind für uns Baden-Württemberger wichtig: weg vom Zentralismus,
weg von der Nivellierung, mehr Regionalität, mehr Kassenvielfalt und mehr Wettbewerb. Das sind gute Botschaften. Allerdings sind jetzt zunächst einmal die Koalitionäre gefragt, die Vorgaben des Koalitionsvertrags auch zu konkretisieren.
Vielleicht führen wir diese Debatte ein bisschen zu früh, weil diese Konkretisierung wirklich noch aussteht, sich aber letztlich erst in der Konkretisierung zeigt, wer davon profitiert. Ich würde heute noch nicht wagen, zu sagen, wer davon profitiert. Aber die Zielrichtung muss klar sein. Wir müssen uns bei allem, was wir tun, fragen: Was kommt bei den Menschen, bei den Patienten an? Sind sie gut versorgt? Sind sie genauso gut versorgt wie vorher? Können wir sie mit den neuen Regelungen besser versorgen als vorher? Das muss bei dem, was wir jetzt tun, über allem stehen.
Wir haben viele positive Programmsätze in diesem Koalitionsvertrag, die allerdings mit Leben erfüllt werden müssen. Ein Programmsatz „Unnötige Ausgaben sind zu vermeiden“ ist ein guter Satz. Das muss konkretisiert werden. Dann wird es darauf ankommen: Was kommt beim Patienten an, und was macht die Sache besser? Wir haben viele Programmsätze. Die Freiberuflichkeit des Arztes, die Therapiefreiheit und die freie
Arztwahl müssen erhalten bleiben. Das ist ganz wichtig. Wir wollen ein einfaches und verständliches vertragsärztliches Vergütungssystem aufbauen. Das ist wichtig.
Die Diskussion, die wir in den letzten Monaten mit den ärztlichen Kollegen geführt haben, sollte so nicht weitergehen. Die Ärzte sollten sich um die Versorgung der Menschen kümmern und nicht jahrelang um die Komplexität ihrer Vergütung streiten. Das muss klarer und verständlicher werden. Das ist ein guter Programmsatz.
MVZs müssen überprüft und zugelassen werden, aber auch von Ärzten geleitet werden.
Wir müssen die Instrumente zur Regulierung der Arzneimittelversorgung effizient neu ordnen. Das ist auch richtig und wichtig. Da kann sicher noch einiges getan werden. Da kann sicher auch noch einiges eingespart werden.
Wir müssen die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln praktikabel und transparent gestalten. Auch da besteht Handlungsbedarf, richtig. Wir müssen Hospiz- und Palliativversorgung zügig umsetzen und nötigenfalls verbessern. Auch das ist richtig; ein ganz wichtiges Thema. Die Prävention muss gestärkt werden. Hier – so sagt der Koalitionsvertrag – haben regionale Angebote Vorrang.
Auch das ist richtig. Wir müssen sehen, dass die regionalen Versorgungsstrukturen gestärkt werden, weil die Verantwortlichen vor Ort meist besser wissen, was zu tun ist.
Der Weg zur Einheitskasse muss gestoppt werden. Der Morbi-RSA muss überarbeitet werden. All das sind ganz richtige Sätze, die aber noch konkretisiert werden müssen; das ist die Aufgabe der Koalitionäre.
Kurzfristig – das muss man sagen; das gebietet die Wahrheit – werden wir in Baden-Württemberg keine spürbaren Verbesserungen feststellen können. Denn im Jahr 2010 werden wir aufgrund der Konvergenzregel weiterhin zusätzlich 100 Millionen € in den Risikostrukturausgleich einzahlen müssen. Das heißt, dass wir Baden-Württemberger letztlich 2,2 Milliarden € als Solidarbeitrag des Landes aufbringen müssen. Wir müssen, wenn ein Defizit von 7,5 Milliarden € gefüllt werden muss, schauen, was das für die Krankenkassen bedeutet. Es kommt hier sicher zu einer massiven Gefährdung weiterer Krankenkassen.
Das sind die Probleme, die uns im Jahr 2010 beschäftigen werden. Ich gehe jedoch davon aus, dass wir ab 2011 vielleicht noch einen Gesundheitsfonds haben, aber sicher nicht mehr den Gesundheitsfonds, wie wir ihn heute haben.
Darum geht es.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es macht wenig Sinn, heute im Detail und ideologisch einen Rundumschlag bezüglich der Gesundheitspolitik zu betreiben. Ich gehe davon aus, dass der Koalitionsvertrag Möglichkeiten eröffnet, die flächendeckende, qualitätsorientierte Versorgung in den Ländern zu erhalten und zu stärken. Das Thema „Regionalität, regionale Freiräume“ hat einen wesentlichen Raum in diesem Koalitionsvertrag. Das ist gut, und das müssen wir mit Leben erfüllen.
Wir werden uns als Baden-Württemberger auch gern da einbringen, und wir werden uns in dem Sinn einbringen, dass wir darauf achten, dass eine Sonderbelastung Baden-Württembergs ausgeräumt werden muss. Wir werden uns so einbringen, dass wir keine Klientelpolitik befürworten werden.
Wir werden uns so einbringen, dass ein sozialer Ausgleich gewährleistet ist. Über allem muss stehen: Wichtig ist, was bei den Patienten innerhalb unserer Versorgungsstrukturen in Baden-Württemberg ankommt. Da werden wir uns einbringen; das verspreche ich Ihnen.
Ich denke, die nächsten Debatten werden, wenn wir Konkreteres wissen, sinnvoller sein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin zunächst einmal sehr davon überzeugt, dass mit diesem Gesetz die richtigen Weichen gestellt wurden, damit wir das hohe Versorgungsniveau, das wir schon bisher bei unserer notärztlichen Versorgung haben, auch weiterhin sicherstellen können.
Worum geht es bei dieser Novellierung? Es geht darum, dass wir zunächst einmal auf ein ganz aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg reagieren mussten. Die Novellierung hat zum Ziel, dass wir zeitnah eine Gesetzeslücke im Bereich der Notarztgestellung schließen und damit auch die Notarztversorgung sicherstellen können. Das ist ein Baustein unter vielen Maßnahmen, die zur Lebensrettung notwendig sind.
Zentraler Regelungsschwerpunkt ist insbesondere, dass die notärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt wird. Viele unserer Krankenhäuser können den Bedarf an Notärzten künftig nicht mehr im notwendigen Umfang aus dem eigenen Bestand decken. Derzeit sind 150 Krankenhäuser daran beteiligt, Notärzte zu stellen. 150 Krankenhäuser stellen etwa 2 000 Notärzte für den Notarztdienst bereit. Statistisch heißt das, dass von jedem Krankenhaus durchschnittlich etwa 13 Notärzte gestellt werden. Das ist eine hohe Belastung für die Krankenhäuser, und das zeigt letztlich auch den Handlungsbedarf, den wir in diesem Bereich haben.
Deswegen hat dieser Gesetzentwurf zwei Ziele. Das erste Ziel besteht darin, das notfallmedizinische Versorgungsniveau für alle Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Das heißt, wir müssen mehr Notärzte gewinnen. Das zweite Ziel besteht darin, die 150 Krankenhäuser, die bisher die Last der Notarztgestellung tragen, zu entlasten und den Kreis der Krankenhäuser, die Notärzte zur Verfügung stellen müssen, zu erweitern.
Das bisherige Kriterium der Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser entfällt, weil es in der Hauptsache darauf ankommt, dass die Ärzte, die in den Krankenhäusern tätig sind, für den Notarztdienst qualifiziert sind, und es weniger wichtig ist, welches Leistungsportfolio die Krankenhäuser im Einzelnen haben.
Wir verlangen nichts Unmögliches. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist schon angesprochen worden. Sie muss natürlich gewahrt werden. Dort, wo es für ein Krankenhaus völlig unverhältnismäßig ist, kann die Gestellung von Notärzten auch nicht verlangt werden.
Wir können mit dieser gesetzlichen Regelung künftig weitere 125 Krankenhäuser in die Notarztgestellung einbeziehen. Das heißt, die Zahl der Krankenhäuser, die Notärzte stellen müssen, können wir fast verdoppeln. Bei den neu hinzugekommenen 125 Krankenhäusern bestehen gute Chancen, dass bei einer Notarztgestellung fachliche und wirtschaftliche Synergieeffekte zwischen Notarztbetrieb und Krankenhausbetrieb entstehen.
Im Gegenzug zu dieser Verpflichtung verbessern wir die Rahmenbedingungen für die Krankenhäuser. Das ist wichtig. Sie haben einen Anspruch auf einen Kostenausgleich für die Weiterbildung der Notärzte und auch für den Aufwand, den sie als Krankenhaus betreiben. Mit dieser ganz klaren Verpflichtung der Krankenhäuser, aber auch mit der Kostenerstattung für ihren Aufwand können wir sachgerecht und verhältnismäßig weitere Krankenhäuser und Rehaeinrichtungen in das Notarztsystem einbeziehen. Das wird uns eine große Hilfestellung für die Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger vor allem im ländlichen Raum sein.
Das war das Wichtigste bei dieser Novellierung. Es ging nicht darum, unser Rettungssystem als solches auf den Kopf zu stellen und umzustrukturieren. Dazu besteht überhaupt keine Notwendigkeit; denn dieses System funktioniert gut. Es muss nur auch dem Handlungsbedarf der Zukunft angepasst werden. Mit diesem Gesetz wird ein ganz wichtiger Schritt dazu getan.
Ja. – Von Ihnen immer, Herr Kollege.
Ich glaube, das habe ich schon beantwortet. Es ging bei dieser Novellierung um das schnelle Schließen einer Gesetzeslücke. Das Schließen dieser Gesetzeslücke ermöglicht uns, möglichst rasch weitere Krankenhäuser zur Notarztgestellung heranzuziehen. Das war das wichtige Thema. Es ging nicht um Einzelheiten unserer Rettungsversorgung, auch nicht im ehrenamtlichen Bereich. Das ist etwas anderes. Darüber können wir diskutieren. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Hier geht es aber um die Notärzte, die wir dringend brauchen, damit die Verpflichtung, dass in 15 Minuten Rettung da sein muss, eingehalten werden kann. Das hat erst einmal nichts mit Defibrillatoren zu tun. Wir können darüber reden, aber in dieser Gesetzesnovelle ging es um eine rasch umsetzbare Möglichkeit, mehr Notärzte zu bekommen.
Das ist ganz wichtig, weil wir beizeiten unseren hohen Anforderungen gerecht werden wollen. Wer eine solche Frist setzt, muss auch dafür sorgen, dass sie eingehalten wird.
Das Thema Qualität ist angesprochen worden. Da gebe ich Ihnen recht, Qualitätssicherung ist ein ganz wichtiges Thema. Es geht um den Schutz von Leben und Gesundheit. Deswegen ist eine umfassende Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung im Rettungsdienst wichtig. Da sind wir uns alle einig. Daher hat sich der Landesausschuss für den Rettungsdienst klar für eine trägerübergreifende Qualitätssicherung im Rahmen der Selbstverwaltung ausgesprochen und die Einrichtung einer unabhängigen Stelle für die Qualitätssicherung beschlossen. In Umsetzung dieser Beschlusslage haben die Kos ten- und Leistungsträger, also die Träger der Selbstverwaltung, aktuell den Auftrag, ein trägerübergreifendes Konzept der Qualitätssicherung zu erarbeiten.
Bevor wir eine gesetzliche Regelung treffen – das ist, denke ich, auch eine sinnvolle Politik –, sollten wir zunächst der Selbstverwaltung – damit meine ich die Fachleute und Praktiker vor Ort – die Möglichkeit geben, ein Konzept der Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung in Verantwortung für unsere Bürgerinnen und Bürger zu erarbeiten.
Die ersten Ergebnisse dieses Auftrags sollen dann in der nächs ten Sitzung des Landesausschusses für den Rettungsdienst im Dezember 2009 vorgestellt werden. Wir arbeiten an der Qualitätssicherung – sie ist wichtig –, aber es kommt darauf an, wie man das ordnungspolitisch einbringt. Wir wollen das in
der Selbstverwaltung regeln und zunächst einmal diesen Weg gehen.
Es ist auch gefordert worden, den Ärztlichen Leiter für den Rettungsdienst gesetzlich zu verankern. Hierzu muss ich deutlich herausstellen: Ein weisungsbefugter Ärztlicher Leiter Rettungsdienst passt nicht in unser System der Selbstverwaltung. Wir haben stattdessen den Leitenden Notarzt im Bereichsausschuss. Dieser hat die Aufgabe, das Qualitätsmanagement im Bereichsausschuss vor Ort als unabhängige Person zwischen Leistungs- und Kostenträgern zu regeln.
Wir wollen uns jetzt nicht über Begriffe streiten. Aber die Aufgabe dieses Leitenden Notarztes ist so festgelegt, dass er hier die Verantwortung für das Qualitätsmanagement trägt, weil er auch vor Ort sieht, was läuft, und vor Ort auch mit den – –
Eine Weisungsbefugnis passt nicht in eine Struktur der Selbstverwaltung, sondern in eine Struktur, in der der Rettungsdienst in der Verantwortung der Kommunen liegt. Da kann der weisungsbefugte ärztliche Leiter als Vorgesetzter fungieren. Aber in unsere Struktur der Selbstverwaltung durch einen paritätisch besetzten Bereichsausschuss passt ein weisungsbefugter ärztlicher Leiter nicht hinein. Die Aufgaben, die er zu erledigen hat, obliegen bei uns dem Leitenden Notarzt im Bereichsausschuss. Die Aufgabe ist also vergeben. Sie wird nicht vernachlässigt. Sie wird nur in einer anderen Struktur gelöst.
Es ist noch ein anderes Thema angesprochen worden: die bereichsübergreifenden Integrierten Leitstellen. Integrierte Leitstellen sind gesetzlich vorgeschrieben. Da gibt es kein Wenn und Aber. Die sind so einzurichten. Wenn es sinnvoll ist und ein Bedürfnis danach besteht, ist es auch möglich, bereichs übergreifende Integrierte Leitstellen einzurichten. Wir machen das auf freiwilliger Basis möglich. Es gibt solche bereichs übergreifenden Integrierten Leitstellen, und zwar dort, wo es gut klappt und wo es sinnvoll ist. Wir gehen durchaus davon aus, dass dieser Weg auch in Zukunft verstärkt gegangen wird. Wir halten es nicht für notwendig, das auch gesetzlich festzulegen, weil die Menschen durch die Arbeit der Bereichsausschüsse – so, wie sie auch vor Ort organisiert sind – wissen, was Sache ist, und wissen, was wie vor Ort möglich ist.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dieser kleinen Novelle, die nicht zum Ziel hat, unser Rettungssystem auf den Kopf zu stellen, sondern zum Ziel hat, die Notarztversorgung sicherzustellen, einen wesentlichen Schritt dafür tun, unser gutes System zu erhalten und weiterzuentwickeln. Ich bitte um Zustimmung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag, der vor über einem Jahr gestellt wurde. Zwischenzeitlich wurden viele Organisationsmodelle in verschiedenen Kreisen diskutiert und immer wieder verworfen.