Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Für die CDU-Landtagsfraktion kann ich konstatieren, dass die Regelungen für die Zulassung von Telemedien mit der Rund

funkfreiheit vereinbar sind. Dieser Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag trägt der verfassungsrechtlichen Entwicklungsgarantie unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks Rechnung.

Mit den Bestimmungen zu den Telemedien gestalten wir die künftige Onlinepräsenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten näher aus und sichern deren Teilnahme an den technischen und programmlichen Möglichkeiten im Zeitalter moderner Medienkonvergenz.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Meine Damen und Herren, von so manchem wurde die Begründungspflicht, die die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten künftig haben, wenn sie Onlineangebote servieren wollen, als Last empfunden. Es gab einen großen Aufschrei in vielen Gremien. Allerdings möchte auch ich diesen Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht glorifizieren. Es handelt sich letztendlich um einen großen, einen gigantischen Kompromiss. Die Ausgangslage wurde vom Minister bereits dargestellt.

Aber es stecken auch Chancen darin, nämlich Chancen, den Fragen nachzugehen, wie weit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht, in welchem Umfang das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt und welcher finanzielle Aufwand für diese Onlineangebote erforderlich ist. Diese Fragen sollten wir uns auch in den Rundfunkgremien nicht nur bezüglich der Onlineangebote stellen, sondern verstärkt auch hinsichtlich der anderen Angebote öffentlich-rechtlicher Sender.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Bri- gitte Lösch GRÜNE: Da klatscht niemand von der CDU!)

Meine Damen und Herren, dieser Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist sicherlich kein Beitrag zur Entbürokratisierung, aber er ist letztendlich, wie bereits betont, ein Kompromiss von 16 Ländern. Ich glaube, dass wir die Chancen, die er in sich birgt, auch für ein Umdenken in den einzelnen Gremien durchaus nutzen sollten und auch die Arbeitsweisen effektiver gestalten sollten, um diesen Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Kipfer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Diese Änderung des Rundfunkstaatsvertrags war eine ganz schwere Geburt. Selten waren die Inhalte so umstritten wie diesmal, und das hat seinen ganz bestimmten Grund. Denn nirgendwo in Europa gibt es eine solche in Wellen immer wiederkehrende erbitterte Gegnerschaft der privaten Rundfunkveranstalter gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Sehr richtig! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Umgekehrt!)

Es war der VPRT, also der Verband Privater Rundfunk und Telemedien, der nach Brüssel gegangen ist, um das Beihilfeverfahren überhaupt erst in Gang zu setzen. Den Kompromiss, der dabei herauskam, haben wir jetzt umzusetzen. Dabei ist doch immerhin auch einiges zu diskutieren.

Im Internet gibt es jetzt den dritten Marktteilnehmer, nämlich die Printmedien, die sich ihren Teil vom vermeintlichen Kuchen abschneiden wollen und in ihren Zeitungen bis an die Grenzen des Erträglichen dem Volk klarzumachen versuchen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich längst entbehrlich ist und im Internet schon gleich gar nichts mehr zu suchen hat, es sei denn, er macht Angebote, die sich für Private nicht rechnen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: So ist es!)

Meistens sagen sie – besonders die Kollegen von der FDP –:

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aha!)

Natürlich muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet präsent sein,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber!)

aber nur auf den Feldern, die sich für uns nicht rechnen. Da kann er machen, was er will.

Im Hintergrund macht das die FDP. Ich habe das erst kürzlich live erleben dürfen. Das führt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Nische der Bedeutungslosigkeit.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das wollen sie!)

Ganz im Hintergrund sitzt Herr Ministerpräsident Oettinger, der die Fäden zieht – er ist leider nie bei diesen Debatten im Plenum anwesend –,

(Abg. Jörg Döpper CDU: Aber die Hausspitze ist doch da! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Der spricht zum Fernsehen nur bei Neujahrsempfängen! – Ge- genruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD: Und da zum Programm!)

der nach außen jovial und freundlich gesonnen scheint, aber nach innen knallhart die Interessen der privaten Medienunternehmen vertritt. Wie sonst, meine Damen und Herren, wäre noch kurz vor Ende der Verhandlungen die Forderung der CDU-regierten Länder auf den Tisch gekommen, Unterhaltungsangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet nicht zuzulassen? Das war genau die Forderung des VPRT, und dabei weiß jeder, der sich in diesem Metier bewegt: Wer Unterhaltung nicht mehr anbieten darf, verliert die Masse der Zuschauer und in der Folge die Gebührenakzeptanz. Das ist dann der Anfang vom Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so wie wir ihn kennen.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Totgesagte leben länger!)

An diesem Punkt wären die Verhandlungen der Chefs der Staatskanzleien fast gescheitert.

Am Ende durfte der Unterhaltungsauftrag bleiben, aber dafür wurde den Anstalten auferlegt, nicht nur die neuen, sondern

auch die teilweise schon seit Jahren bestehenden Telemedienangebote diesem berühmten Dreistufentest zu unterziehen. Es ist das Ärgerliche an diesem Staatsvertrag, dass er in diesem Interessenkampf, der mit harten Bandagen ausgetragen wird, mit der Einführung des Dreistufentests monströse bürokratische und zudem noch teure Auflagen schafft, die auch weit über das hinausgehen, was Brüssel gefordert hat.

Die SPD ist für einen fairen Interessenausgleich zwischen den privaten Medien, auch den Printmedien, und dem öffentlichrechtlichen Rundfunk. Aber das hätte man auch ohne diesen bürokratischen Aufwand erreichen können, auch über gemeinsame Verabredungen, zumal allen Beteiligten inzwischen bewusst ist, dass der eigentliche Konkurrent auf dem Markt global agiert und Google heißt.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Genau!)

Das haben nicht wir, sondern das hat Herr Döpfner zuallererst gesagt, und dann hat der VPRT ihn sehr schnell zurückgepfiffen, weil ihm das nicht in den Kram gepasst hat. So ist es aber in der Tat.

Ärgerlich ist auch, dass die nonlinearen Programmteile, also die auf Abruf eingestellten Programmteile, die ja längst vom Gebührenzahler bezahlt wurden und damit Eigentum der Allgemeinheit geworden sind, nach sieben Tagen gelöscht werden müssen.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Wie lange heben Sie Tageszeitungen auf?)

Die Sternstunden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind nach sieben Tagen weg. Das ist bedauerlich und entspricht eigentlich nicht der Logik des ganzen Internets.

Aber es gibt auch Positives zu vermelden, und das ist nach Lage der Dinge nicht gering zu schätzen. So werden sämtliche bereits bestehenden Programme und auch die digitalen Fernsehkanäle im Wege der Ermächtigung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk endlich auch als Auftrag zugestanden. Vorbei sind also hoffentlich die Zeiten wie damals, als Herr Biedenkopf und Herr Stoiber Programme zusammenlegen wollten und überhaupt abschmelzen wollten. Das ist eine freudige Botschaft für die Gesellschaft.

Der Staatsvertrag erlaubt die lineare Verbreitung der Programme im Internet, er erlaubt ein neues digitales Hörfunkprogramm für das Deutschlandradio und unterstützt damit den Eintritt in das digitale Hörfunkzeitalter.

Positiv ist auch, dass die binnenplurale Aufsicht durch die Gremien der Rundfunkanstalten – da stimme ich Ihnen zu, Herr Minister – erhalten bleibt. Wer die Kompetenz und die Unabhängigkeit dieser Gremien immer wieder anzweifelt, der wird, denke ich, noch sein blaues Wunder erleben.

(Zuruf: Blau-gelbes!)

Die Zusammensetzung der Gremien in ihrer Vielfalt bietet die beste Chance dafür, dass einseitige Interessen nicht zum Durchbruch kommen. Das kann in einer Form der Außenkontrolle, z. B. durch eine Medienanstalt, durchaus auch anders sein.

Frau Kollegin Kipfer, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wozu brauchen wir den öffentlichrechtlichen Rundfunk, Herr Präsident?

(Heiterkeit – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das war eine gute Antwort! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Jetzt beginnt das Grundsatzreferat erst!)

So ähnlich titelte vor Monaten ein gewisser Herr Hanfeld in der FAZ am Ende einer langen Zeitungskampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir brauchen ihn, um im Prozess der freien Meinungsbildung diesen Rundfunk für Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung zu haben. Wir brauchen ihn, weil er im weltweiten Vergleich das beste Sys tem ist, und wir wollen, dass das so bleibt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Walter das Wort.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jetzt sind wir aber ge- spannt! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Der von der Vogelweide?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat ist die wichtigste Frage bei diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Welche Möglichkeiten hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft? Zwar wurde dieser Vertrag – der Herr Minister hat darauf hingewiesen – erst im Dezember letzten Jahres abgeschlossen, und trotzdem basiert er auf einer Diskussion, die längst veraltet ist, Herr Minister.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aha!)

Die Kollegin Kipfer hat dies bereits erwähnt. Es wird von diesen überzeugten Kämpfern der Gerechtigkeit, die da immer nach Brüssel ziehen – in einer Aggressivität, wie sie sonst in keinem anderen Land vorkommt; das muss man hier wirklich nochmals betonen –, so getan, als ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch immer der eigentliche Gegner im Netz wäre. Es gibt wenige Ehrliche in dieser Branche. Einer davon ist beispielsweise der Chefredakteur von „Zeit online“. Er hat gesagt: „Das Netz selbst ist der Gegner im Netz.“ Das ist doch logisch: Wenn Google, Yahoo und alle anderen selbst ihre Portale anbieten, dann geht es doch nicht mehr um „Öffentlichrechtlicher Rundfunk gegen private Anbieter“, sondern die Konkurrenten sitzen ganz woanders. Trotzdem wird dieser Kulturkampf – der letztendlich kein Kulturkampf, sondern ein Monetenkampf ist – in einer Weise geführt, die nicht mehr nachvollziehbar ist.