Ein solches Interesse kann man aber doch nicht gleich mit Wahlmündigkeit gleichsetzen. Wer wählen darf, muss die damit verbundene Verantwortung sehen, verstehen und übernehmen können. Auch wenn die FDP im Moment vielleicht von einer Herabsetzung des Wahlalters profitieren könnte, bleiben wir bei unseren Bedenken gegen den Vorschlag, das Wahlalter in der Landesverfassung von 18 Jahren auf 16 Jahre zu senken. Lassen wir es lieber bei den 18 Jahren.
Wenn es um Strafmündigkeit geht, brechen die Grünen immer eine Lanze für mehr Flexibilität nach oben. Da meint man, auch 30-Jährige müssten noch wie Heranwachsende behandelt werden.
Was ist jetzt der Unterschied? Auch 30-Jährige sind sich manchmal vielleicht nicht über die Tragweite schneller Alltagsentscheidungen über Recht und Unrecht im Klaren. Aber stellt eine politische Wahl nicht auch die Weichen für eine oft sehr schwerwiegende Entscheidung? Ich weiß nicht, ob der Reifungsprozess mit 16 Jahren dafür tatsächlich weit genug abgeschlossen ist.
Mit Aktionen wie dem Europatag, dem Liberalen Jugendtag oder Jugendräten auf kommunaler Ebene kann man doch durchaus eine Beteiligungsmöglichkeit geben. Der Jugendgemeinderat der Stadt Reutlingen hat viele Rechte und Möglichkeiten, und er entsendet auch Sachverständige in den zuständigen Ausschuss, die dann im Gemeinderat zu bestimmten Fragen gehört werden können. Es ist nur die Frage, wie man das ausgestaltet. Das muss man aber jetzt nicht in ein Gesetz hineinschreiben. Denn wenn jede Kommune auf Teufel komm raus einen Jugendgemeinderat einrichten muss, auch wenn gar kein Interesse daran besteht, dann ist das doch wiederum nur ein Papiertiger, der uns nicht weiterhilft.
Studien der Bundeszentrale für politische Bildung belegen, das Jugendliche den Parteien, Mandatsträgern und Wahlen eher ablehnend gegenüberstehen. Ein früherer Zugang zu
Wahlen trifft deshalb nicht unbedingt die Interessen der Jugendlichen. Es ist sinnvoller, die von jungen Menschen favorisierten Elemente direkter Politik auszubauen. Da sind wir dabei.
Insgesamt gibt es in der Bevölkerung eine große Skepsis gegenüber einer Senkung des Wahlalters, und zwar auch bei den Jugendlichen selbst. Je wichtiger die jeweilige Wahl empfunden wird, desto größer ist die Zurückhaltung, da sich die Jugendlichen oft selbst noch nicht zutrauen, solche grundsätzlichen Entscheidungen zu treffen.
Lassen Sie uns deswegen die Erfahrungen anderer Länder abwarten. In Niedersachsen ist das eingeführt worden. Da sind selbst die Grünen enttäuscht von der hohen Wahlenthaltungsquote bei 16-jährigen Erstwählern.
(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Hört, hört! – Abg. Christoph Bayer SPD: Schleswig-Holstein, Sach- sen-Anhalt!)
Wenn wir da etwas ändern, dann dürfen wir das nicht im Hauruckverfahren machen, sondern müssen das sehr sorgfältig überlegen.
Die Grüne Jugend ist, wie der Kollege Bayer, grundsätzlich gegen ein Wahlalter von 16 oder 14 Jahren, weil ihrer Meinung nach das Alter überhaupt keine Rolle mehr spielen soll. Die Nachwuchsorganisation der Grünen will vielmehr eine qualitative Veränderung unseres Wahlsystems. Ich sage Ihnen aber eines: Wer das Wahlrecht beispielsweise vom Bestehen eines Intelligenztests abhängig machen will, der hat das Grundprinzip der Demokratie nicht begriffen. Gleiches Recht und gleiches Stimmrecht für alle. Daran halten wir Liberalen fest.
Die FDP/DVP-Fraktion wird – ich kann noch nicht einmal sagen: leider – alle drei Anträge der Grünen ablehnen, weil sie nicht zielgerichtet sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Zunächst einmal, Herr Präsident, gelobe ich, dass ich mich diesmal an die zehn Minuten Redezeit halten werde.
(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das ist ein schönes Zitat! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das gilt außerhalb der Redezeit! – Weitere Zurufe)
Die Themen sind wirklich nicht neu, wurden schon einige Male diskutiert und kommen seit Jahren ähnlich wiederkehrend in das Parlament. Die Argumente sind immer dieselben, und sie überzeugen nach wie vor nicht. Es ist schon einiges gesagt worden, weswegen ich mich auf wenige wesentliche Aspekte beschränken will.
Selbstverständlich – ich hoffe, daran besteht kein Zweifel – befürworte auch ich es nachdrücklich, wenn sich der Frauenanteil in den kommunalen Gremien deutlich erhöht. Allerdings sind die hier vorliegenden Gesetzentwürfe der falsche Weg.
Herr Kollege Heiler, ich will auf die Redezeit achten. – Ich kann nur nochmals betonen, dass eine gesetzliche Regelung der falsche Weg und im Übrigen auch verfassungsmäßig problematisch ist. Darauf muss ich hinweisen.
Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit gilt bereits im Vorfeld der Wahl für die Bewerberaufstellung. Eine gesetzliche Quotenvorgabe würde die Gleichheit und die Freiheit der innerparteilichen Kandidatenwahl beeinträchtigen und zudem – anders als eine satzungsrechtliche Quote – auch in die Rechts stellung der Parteien eingreifen.
Deshalb ist aus meiner Sicht eine gesetzliche Regelung, die eine geschlechtsspezifische Begünstigung zum Inhalt hat, kein gangbarer Weg. Das ist – ich sage es noch einmal – verfassungsrechtlich höchst problematisch. Die von den Grünen angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betrafen andere, nicht vergleichbare Sachverhalte. Die Frage, mit der wir uns hier konkret befassen müssen, wurde vom Bundesverfassungsgericht noch nicht ausdrücklich geklärt.
Ich halte darüber hinaus eine derartige Regelung auch politisch nicht für sinnvoll. Ich will das ganz offen sagen. Die Parteien sollen im Rahmen der Parteienfreiheit selbst entscheiden können, ob sie bevorzugt Frauen oder Männer oder gar ausschließlich Frauen oder Männer
auch das wäre satzungsrechtlich möglich – aufstellen. Derartige innerparteiliche Regelungen werfen verfassungsrechtlich überhaupt keine Probleme auf.
Ich habe erfreut zur Kenntnis genommen, dass sich die SPD, Herr Kollege Bayer, in den Beratungen von einer gesetzlichen Quotenvorgabe mehr oder minder verabschiedet hat. Das halte ich auch für richtig und, wie gesagt, für verfassungsrechtlich geboten.
Jetzt haben wir das gemeinsame Ziel – das wollen wir jetzt nicht zerreden –, mehr Frauen in die kommunalen Gremien zu bekommen. Um das zu erreichen, wird es in der Praxis entscheidend sein, dass grundsätzlich die Bereitschaft, Frauen zu wählen, größer wird
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Dazu braucht man auch gute Beispiele!)
Wenn wir dies erreichen wollen, dann nützt eine gesetzliche Vorgabe nichts. Dann müssen wir beispielsweise schon sehr viel früher überlegen, was wir noch tun könnten, um eine noch bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Da geht es in vielen Fällen – zumal bei jungen Frauen – schon los. Da ist schon mehr Kreativität und mehr Handlung gefordert, als einfach nur zu sagen, dass wir das gesetzlich vorgeben. Ich halte das nicht für den richtigen Weg.
Kollege Rau hat mich vorhin darüber unterrichtet – Herr Kollege Rau, so habe ich Sie verstanden –, dass derzeit bei über 50 % der Besetzungen von Schulleiterstellen Frauen zum Zuge kommen. Auch dieses Beispiel zeigt, was wir auf allen Ebenen tun können, um die Frauen hier in diesem Land und in diesem Staat voranzubringen. Dazu bedarf es keiner gesetzlichen Vorgabe. Ich glaube nicht, dass der Kollege Rau sich qua Gesetz zwingen lassen würde, eine ungeeignete Schulleiterin zu benennen, nur weil es eine Schulleiterin sein muss.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Da gibt es aber einige! – Abg. Christoph Bayer SPD: Das ist alles ganz allein freiwillig!)
Bei der CDU werden Frauen gewählt, weil sie gut sind, und nicht, weil dies einer Quote entspräche. Das sollte in anderen Parteien auch so sein.
Die anderen Forderungen der Fraktion GRÜNE wären rechtlich zwar zulässig; darüber ist aber im Wege der politischen Diskussion zu entscheiden. Ich halte es politisch nach wie vor nicht für sinnvoll, das Wahlalter vom Erreichen der Volljährigkeit abzukoppeln. Herr Kollege Bayer, Sie haben gesagt, die Grenze von 18 Jahren, also das Volljährigkeitsalter, sei willkürlich.