Protokoll der Sitzung vom 18.02.2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich kann es eigentlich kurz machen

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Ja! – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Wir bitten darum!)

und mich meinen Vorrednern weitgehend anschließen.

Vorneweg danke auch ich dem Rechnungshof für seine Arbeit, für sein wachsames Auge, für die kritischen Prüfungen auch der Aktivitäten der Fraktionen. Ich finde, die Beratende Äußerung zeugt von einer großen Akribie, Detailreichtum, guten, wohlüberlegten Argumenten und vielen Anregungen, mit denen wir auch viel anfangen können. Das möchte ich vorneweg feststellen.

Dennoch stimmt auch die Grünen-Fraktion nicht mit allen der hier gemachten Bemerkungen und Anregungen überein. Aber die Übereinstimmung ist gar nicht so gering. Lassen Sie mich das noch einmal zusammenfassen.

Am Ende der Beratenden Äußerung, die ganz schön voluminös ist, stehen sieben Punkte, deren Berücksichtigung der Rechnungshof den Fraktionen ans Herz legt. Von diesen sieben Punkten können wir – das habe ich gerade einmal durchgesehen – eigentlich drei bis vier ohne größere Probleme unterschreiben und sagen: Da sind wir ganz nah beieinander.

Der erste Punkt bezieht sich auf die Funktionszulagen. Wir stimmen mit Ihnen voll und ganz darin überein: Wir brauchen eine gesetzliche Regelung der Funktionszulagen, die deren Umfang der Höhe und der Menge nach beschränkt und dabei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt.

Zweitens: Wir sind ganz eng beieinander, wenn es darum geht, weiterhin dafür zu sorgen, dass keine Mischfinanzierungen von Parteiarbeit und Wahlkampfunterstützung mit Fraktionsgeldern betrieben werden. Da ist unsere Sichtweise des Problems dieselbe wie die von Ihnen.

Drittens besteht zwischen uns keine Differenz, was den Umstand angeht, dass wir für eine höchstmögliche Transparenz bei der Verausgabung der Fraktionsgelder sorgen müssen. Auch sollen wir mit internen Repräsentationsausgaben sehr sorgsam und sehr sparsam umgehen.

Bei den anderen Punkten allerdings stimmen wir als GrünenFraktion auch nicht mit den Empfehlungen überein. Mein Eindruck ist, dass sich die Differenzen zwischen unseren Auffassungen im Kern eigentlich um die Frage drehen: Wie können, dürfen, sollen Fraktionen Öffentlichkeitsarbeit betreiben?

Ich sage dem Rechnungshof jetzt einfach einmal, wie ich es empfunden habe, als ich das Ganze gelesen habe. Ich hatte den Eindruck: Ihre Betrachtungsweise ist zwar sehr redlich, Sie argumentieren gut, aber Ihre Auffassung ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Sie hat die Veränderung des Parlamentarismus nicht rezipiert. Sie geht von einem Bild von Parlamentsarbeit aus, das es heute so nicht mehr gibt.

Wir sprechen ja immer gern davon, das Parlament sei das Schaufenster der Demokratie. Ich glaube, dass dies in den Fünfzigerjahren gestimmt hat; es stimmt auch heute noch. Aber wir alle erleben, dass dieses Schaufenster sozusagen nicht mehr in der Innenstadt steht und die Leute daran vorbeiflanieren. Vielmehr ist es so, als wären wir an den Rand des Stadtgeschehens gewandert.

Wenn wir uns nicht aktiv herausbewegen, nicht aktiv Übersetzungs- und Vermittlungsarbeit leisten und nicht aktiv Interesse an dem wecken, worüber wir hier diskutieren und was wir entscheiden, dann werden wir von unserer eigenen Bevölkerung immer weniger wahrgenommen. Wir alle miteinander erleben das tagtäglich.

Das muss bedeuten, dass sich unsere Öffentlichkeitsarbeit verändert. Wir können nicht einfach nur darstellen, was wir hier im Parlament betreiben, und meinen, unser Wahlvolk werde es schon mitbekommen. Das stimmt mit den heutigen Realitäten einfach nicht mehr überein. Deswegen müssen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit offensiver und näher an den Leuten anlegen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur noch einen Punkt aufgreifen. Es gab ja auch eine Kritik hinsichtlich der Frage: Wie dürfen Fraktionen im Internet agieren? Sie schlagen vor, wir sollten unser Internetangebot darauf begrenzen, auf der Fraktionshomepage Sachinformationen einzustellen.

(Zurufe der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE, Reinhold Gall SPD und Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ja, genau: Das bedeutet, wenn man es ernst nimmt: keine dialogischen und kommunikativen Elemente. Wir würden in jedem Ranking, in jeder Begutachtung, die es inzwischen gibt, glatt durchfallen. Wenn wir so etwas machen würden, wären wir sozusagen die letzten Heuler, und kein Mensch würde auf diese Homepage schauen wollen. Dass man dialogorientiert, diskussionsorientiert an die Sache herangeht, ist das Mindeste, was wir brauchen. Wir müssen uns engagiert einmischen und unsere Konzepte, Beiträge und Ideen aktiv in unsere Internet auftritte einstellen. Das gehört heute eigentlich dazu.

Ich glaube – da kann ich wohl auch für die anderen Fraktionen sprechen –, wir sollten an diesem Punkt wirklich im Gespräch bleiben. Es geht darum, die Veränderungen zu rezipieren und den Begriff der Öffentlichkeitsarbeit zu verändern.

Wir schlagen darüber hinaus vor, auch das Fraktionsgesetz zu verändern, um die gesetzliche Grundlage dafür zu erneuern, indem wir im Fraktionsgesetz festlegen, dass Öffentlichkeitsarbeit auch eine ureigene Aufgabe von Fraktionen ist. Vielleicht können wir uns auch darüber mit dem Rechnungshof noch einmal neu ins Benehmen setzen.

In diesem Sinne glaube ich: Wir sind gar nicht so weit voneinander weg. Wir haben das große Anliegen, das Thema „Abgrenzung der Fraktionsarbeit von Partei und Wahlkampf“ hochzuhalten. Wir haben ein großes Interesse daran, strenge Transparenz gegenüber Wählerinnen und Wählern einzuhalten. Außerdem haben wir ein großes Interesse daran, beim Thema Funktionszulagen endlich eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die tragfähig für die Zukunft ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Berroth.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann den Ausführungen aller Vorredner ausdrücklich zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Andreas Hoffmann CDU: Sehr gut! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Gut!)

Ich beziehe mich auch auf Abschnitt I der Beschlussempfehlung des Präsidiums, der aussagt, dass „die Zuschüsse und Leistungen … überwiegend bestimmungsgemäß und wirtschaftlich verwendet wurden“. Ich muss dazu sagen, dass nach meiner Kenntnis die wenigen unsere Fraktion betreffenden Positionen im Text des Rechnungshofs inzwischen zur allseitigen Zufriedenheit vollends geklärt worden sind.

(Unruhe)

Allerdings halten auch wir es für wichtig, dass der Landtag entsprechend Abschnitt II der Beschlussempfehlung eine zeitgemäße Beschreibung der Fraktionsarbeit vorzubereiten hat. Wir stimmen zwar dem ersten Satz der Schlussbemerkung des Rechnungshofs auf Seite 49 der Mitteilung des Rechnungshofs, Drucksache 14/3531, ausdrücklich zu, dass eine „eindeutige Trennung der Fraktionsaufgaben von anderen, insbesondere von Parteiaufgaben“ wichtig ist. Noch klarer: Eine verdeckte Parteienfinanzierung darf nicht sein. Das ist bei uns schon immer Prinzip und wird es auch künftig sein.

Allerdings erinnert mich der Tenor der Beratenden Äußerung in manchen Punkten doch sehr an Franz Josef Degenhardt:

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Oh!)

„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“, hat er gesungen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder“!)

Ich frage mich schon: Was ist das für eine Auffassung und welches Signal gibt es nach außen, wenn Partei plötzlich „bäh“ sein soll?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: „Bäh“?)

Ja, „bäh“, nicht gut. – Dieses Bild verträgt sich überhaupt nicht mit den Aufgaben, die das Grundgesetz den Parteien zuordnet.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Ha- gen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Die Parteien stellen u. a. Wahllisten auf, damit Parlamentarier gewählt werden, die dann in Fraktionen zusammenarbeiten. Nach der Wahl sollen sie sich dann plötzlich von der Partei möglichst fern halten? Wie ist sonst der folgende Satz zu verstehen?

Es ist nicht Aufgabe der Fraktion, den politischen Diskurs außerhalb des Parlaments zu führen und auf die politische Willensbildung innerhalb der Partei einzuwirken.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Aber nicht im Parla- ment! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist welt- fremd!)

Müssen sich jetzt Psychiater mit der daraus entstehenden Schizophrenie der Abgeordnetenpersönlichkeit befassen?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: 18. Jahrhundert!)

Man muss jedes Mal, wenn man irgendwo den Mund aufmacht, überlegen, als welcher Mensch man gerade spricht. Nein, ich glaube, wir sollten die Kirche wirklich im Dorf lassen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

Ein vernünftiger Austausch mit der Partei ist im Gegenteil unserer Ansicht nach ein ganz wichtiger Bestandteil guter demokratischer politischer Kultur.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Jetzt will ich eines dazusagen: Gerade bei kleinen Parteien entstehen auch Reisekosten. Wir haben nicht in jedem Wahlkreis einen Abgeordneten.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Woran das wohl liegt?)

Aber auch Parteigliederungen in Kreisen, die hier im Landtag nicht mit Abgeordneten vertreten sind, haben das Recht, von Parlamentariern darüber informiert zu werden, was hier im Landtag passiert. Das hat aus unserer Sicht sehr wohl mit Fraktionsarbeit zu tun. Solche Reisen sind eben nicht mit den auf den Wahlkreis und die Wahlkreisarbeit bezogenen Pauschalen abgedeckt.

Im Übrigen unterscheiden Bürgerinnen und Bürger in keiner Weise zwischen Partei und Fraktion.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)