Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

Wir müssen in Kindergärten und Schulen damit anfangen. Das ist völlig richtig; denn hier gilt: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Wir sollten auch daran denken, dass im Musizieren und in der Musik Potenziale für die Integration von ausländischen Schülerinnen und Schülern liegen.

Richtig ist auch, dass wir seit den Zeiten, als Gerhard MayerVorfelder Kultusminister war, viel für die Musik in den Schulen getan haben. Einen eindrucksvollen Überblick darüber gewinnen wir in der vorliegenden Stellungnahme der Landesregierung. Daran müssen wir weiterarbeiten.

In allererster Linie sollte das gelten, was immer gegolten hat, nämlich: Musizieren in Form von Singen ist bei Kindern zunächst einmal das Allerbeste. Dazu müssen wir Singanlässe schaffen, nicht nur in der Schule, sondern auch außerhalb der Schule. Auch in diesem Fall gilt: Die Lieder sollten auswendig gelernt werden, damit sie auch außerhalb der Schule und ohne Gesangbuch gesungen werden können.

(Zuruf des Abg. Jörg Döpper CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Da gibt es doch so ein Lieder- buch!)

Ich kenne es nicht.

Wir sollten – das habe ich schon öfter vorgeschlagen – Wettbewerbe für Grundschüler veranstalten, z. B. für Volkslieder. Wenn Menschen Volkslieder nicht im Kindesalter lernen, dann lernen sie sie nie mehr. Deshalb ist dies die geeignete Zeit. Das möchte ich dem Ministerium noch einmal ans Herz legen. Ich glaube, das wäre eine gute Sache.

(Beifall der Abg. Jörg Döpper und Friedlinde Gurr- Hirsch CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Singen mit Kindern!)

Der in der Stellungnahme zum Antrag Drucksache 14/2711 enthaltene Appell des Ministeriums, „dass das a k t i v e Singen und Musizieren in nahezu allen Grundschulfächern... praktiziert werden soll“, reicht nicht aus. Diesem Appell muss mehr Nachdruck verliehen werden. Man kann nicht gerade sagen, dass die Grundschulseminare und die Pädagogischen Hochschulen von einem hingebungsvollen Einsatz gekennzeichnet wären, was diese Aufgabe betrifft. Das haben sie wohl eher unter den Tisch fallen lassen. Deshalb sollte darauf gedrungen werden, dass das auch tatsächlich geschieht und in der Ausbildung eingebracht wird.

Zum Musizieren: Die Kooperation der Musikschulen und der allgemeinbildenden Schulen muss unterstützt werden. Wir müssen Möglichkeiten finden, um die Musikschulen in die Betreuungszeiten und in den Ganztagsbetrieb der Schulen einzubinden. Auch hierfür müssen wir die Finanzierung sichern. Das muss aber solide geschehen.

Ich glaube, unsere Grundschulen geben Kindern sehr viele Anregungen, ein Instrument zu lernen. Altersgerechte Instrumente werden auch dort eingeführt. Somit haben die Schüler einen Anhaltspunkt, um mit dem Erlernen eines Instruments zu beginnen. Dies müssen sie aber privat weiterführen, weil es in der Tat keine Aufgabe der Schule ist.

Meine Damen und Herren, es gilt, diese Kooperation mit den Musikschulen zu unterstützen. Das wollen wir in Zukunft noch verstärken. Wir sind schon dabei und haben in dieser Hinsicht schon viel geleistet und werden noch weiter daran arbeiten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Zur Begründung brauche ich, glaube ich, gar nichts mehr zu sagen. Die ausführliche Begründung der Grünen sei ausdrücklich angesprochen. Aber lassen Sie mich darauf hinweisen, dass dieses Thema nicht nur seit den Spitzers und den Pfeiffers dieser Welt bekannt ist. Schauen Sie sich einmal die Reformpädagogik der Weimarer Republik an. Wenn Sie da unter dem Kapitel „Bildung und Erziehung“ einmal in die Bücher schauen, dann sehen Sie meist junge Menschen in Sportkleidung, die in synchroner Bewegung irgendwo im Grünen stehen. Das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass man damals stärker zur Natur zurückwollte, sondern auch damit, dass man eine Beschäftigung mit Musik als Vorbereitung für soziales Lernen und für Bildung aller Art verstanden hat.

Leider hat es nach dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung aller Protagonisten dieser modernen Ausrichtung von Bildungspolitik fast 50 Jahre gedauert, bis man in Deutschland wieder darüber diskutiert. Im Jahr 2000 wurden ja einzelne Modellklassen an den Grundschulen in Baden-Würt temberg eingerichtet, um Musik wieder stärker zum Thema zu machen. Da ist das passiert, was Frau Rastätter schon beschrieben hat: Dahinter standen dann nicht die Eltern der Kinder, die einen besonderen Förderbedarf haben und die diese Klassen dann besucht hätten, sondern es waren die Eltern, denen jede zusätzliche musikalische Erziehung wichtig war. Ich hätte den Schulplatz, den ich damals für meine Kinder hatte, wahrscheinlich unter Erzielung erheblicher Einnahmen im Internet versteigern können, wenn ich das bei all den Eltern, die mich um diesen Platz beneidet haben, entsprechend bekannt gegeben hätte.

Es gibt vier Baustellen, um die wir uns kümmern müssen. Das wird aus den beiden Vorlagen, über die wir heute diskutieren, deutlich. Ich möchte in die Betrachtung dieser vier Baustellen noch zwei weitere Anträge einbeziehen: den Antrag der Abg. Christa Vossschulte u. a. CDU und der Abg. Dr. Birgit Arnold u. a. FDP/DVP – Musik in Kindergärten und Grundschulen –, Drucksache 14/3445, vom letzten Oktober und den Antrag der Abg. Andreas Hoffmann u. a. CDU – Musikalische Früherziehung als Bildungsaufgabe –, Drucksache 14/2309, vom Januar 2008. Ich lasse jetzt einmal alles weg, bei dem wir uns einig sind. Dann bleiben vier Punkte übrig.

Der erste Punkt ist: Es gibt noch immer eine große Kritik an dem derzeitigen Orientierungsplan und der Vorbereitung der Erzieherinnen und Erzieher hierauf. Da kann ich aus der Sitzung des Schulausschusses vom März 2008 zitieren:

Die Antragsteller hätten die Sorge, dass die Musik in der Frühpädagogik sukzessive immer mehr vernachlässigt werde.... Im derzeitigen Orientierungsplan sei die Musik nicht fest verortet.... Ein zentrales Anliegen sei ihm, dass die Überarbeitung der Lehrpläne für die Erzieherausbildung...

Dann geht das so weiter; es geht darum, dass man sich besser um die Musik kümmern solle.

Die derzeitige Situation in der musikalischen Früherziehung sei in Baden-Württemberg zwar besser als in vielen anderen Bundesländern, jedoch dürfe dies die Politik nicht zufriedenstellen.

Dem schließen wir uns an. Das waren die Ausführungen des Kollegen Hoffmann im Schulausschuss.

Sieben Monate später lässt ein weiterer Antrag der CDU Kritik erkennen. Da heißt es, das Fach Musik solle über das Maß einer Querschnittsaufgabe und über einen unverbindlichen Charakter hinaus endlich im Orientierungsplan festgeschrieben werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns schauen, ob das bei der Überarbeitung so ist. Wenn nicht, lassen Sie uns das hier mehrheitlich durchsetzen. Tun Sie das, was Sie schon als richtig erkannt haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo bleibt der Applaus der CDU?)

Ein zweiter Punkt ist: Wir haben Musik als grundsätzliches pädagogisches Instrument. Das ist in der Grundschule und in der Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen gut verankert. Wir haben aber auch das Fach Musik. Das Fach Musik ist in der Grundschule im Fächerverbund „Mensch, Natur und Kultur“ aufgegangen. Abgekürzt heißt das MeNuK. Es gibt jetzt unterschiedliche Einschätzungen, ob das der Musik hilft.

Das Ministerium führt aus, dass es dadurch möglich ist, dass über die eine Stunde Musik hinaus, die es bisher gab, Musik nun einen breiteren Raum einnimmt. Wir wissen aber von Grundschulen auch, dass, wenn dort keine eigene musikalische Fachkompetenz vorhanden ist, eher die anderen Bestandteile dieses Fächerverbunds den Vorzug bekommen. Deswegen wäre meine Forderung an dieser Stelle: Weg mit den Fächerverbünden! Sie verschleiern, dass es mitunter nicht genügend Lehrkräfte für die einzelnen Bereiche gibt. Wir brauchen ein ehrliches Bekenntnis dazu, dass wir neben Musik als pädagogischem Instrument in allen Fächern zusätzlich auch noch einen Fachunterricht für Musik in den Grundschulen brauchen. Auch das hat die CDU erkannt, Frau Vossschulte, und hat im Oktober gefordert,

... darauf hinzuwirken, dass möglichst an jeder Grundschule mindestens eine ausgebildete Musiklehrkraft... unterrichtet.

Dem können wir uns anschließen. Bringen Sie das hier ein, dann machen wir das so. Dann muss Herr Wacker das umsetzen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Herr Scheffold, auf!)

Den dritten Punkt habe ich damit schon erledigt, nämlich die Tatsache, dass hier und dort noch ausgebildete Fachlehrer fehlen.

Dann komme ich zum vierten Punkt und dem Antrag der Grünen. Wenn es stimmt, dass auch das Erlernen eines Instru

ments ein Wert an sich ist – weil diese Form des Musikaus übens nicht nur eine Unterstützung für alle Entwicklungsbereiche darstellt, sondern auch noch einen eigenen Stellenwert hat; das haben wir alle unterstrichen, Herr Wacker –,

(Abg. Helen Heberer SPD: Venezuela!)

dann können wir es nicht der sozialen Auslese – Elternhaus, Musikschule, Geldbeutel und was auch immer – überlassen, ob und welche Kinder die Chance bekommen, ein solches Instrument zu erfahren und sich dann zu entscheiden, es auch zu erlernen.

Daher, Frau Rastätter, werden wir Ihrem Antrag zustimmen, weil wir das für ein wichtiges Signal halten. Ob das jetzt in der Grundschule so organisiert werden muss, wie Sie es vorschlagen, oder ob man nicht bei manchen Instrumenten eher an die dritte, vierte Klasse oder gar an die weiterführenden Schulen denken muss, darüber kann man sich noch einigen, Frau Vossschulte. Auch der Finanzierung brauchen wir uns erst im nächsten Haushaltsjahr zu stellen, denn wir alle glauben nicht, dass Sie und wir das bis zum Ende des Jahres flächendeckend hinbekommen. Aber das Signal ist an dieser Stelle richtig.

Es hilft auch nicht, Herr Wacker, wenn Sie in Ihrer Stellungnahme schreiben, dass es bei allen solchen Pilotprojekten dazu komme, dass 30 % der Kinder das wahrnähmen und das ja die 30 % seien, die in Baden-Württemberg sowieso schon eine Musikschule besuchten.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Eben!)

Die 30 %, die in Baden-Württemberg in die Musikschulen gehen, gehören zum Bildungsbürgertum. Dort, wo es solche Projekte gab – Frau Rastätter hat das Beispiel des türkischen Mädchens von der Integrierten Gesamtschule in Mannheim erwähnt –, haben jedoch Kinder teilgenommen, die vom Elternhaus her nicht den Zugang zu solchen Instrumenten bekommen hätten. Daher ist es unter der Überschrift „Bessere Bildung für alle“ unerlässlich, solche Chancen in unserem Schulsystem zu schaffen und dann die Kinder, wenn wir ihre Talente entdeckt haben, auf ihrem Weg zu begleiten.

Insofern Zustimmung als Auftakt in eine ganz wichtige Weiterentwicklung unseres Schulsystems.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich außerordentlich darüber, dass Musik einen solchen besonderen Stellenwert bei einer Parlamentsdebatte hat.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Man sieht es!)

Das unterstreicht, dass das gesamte Haus die Auffassung vertritt, dass musikalische Bildung ein unverzichtbarer Teil der Allgemeinbildung sowohl in unserem schulischen Bildungs

wesen als auch in den vielen Angeboten außerhalb der Schule bei außerschulischen Bildungsträgern ist.

(Beifall bei der CDU)

Die musikalische Bildung in Baden-Württemberg hat traditionsgemäß in den letzten Jahrzehnten auch im Ländervergleich in Deutschland einen besonders großen Stellenwert, beginnend bei der Basisarbeit, beginnend bei der Förderung der Laienmusik über die musikalische Bildung in unseren Schulen, über die Förderung der Musikschulen. Es ließe sich noch vieles aufzählen. Bis hin zur Talentförderung ist Baden-Würt temberg das Musikland Nummer 1 in Deutschland. Darauf können wir nach wie vor stolz sein.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dieter Kleinmann FDP/ DVP: Sehr richtig! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wieso stellt dann die CDU lauter Defizite fest und will sie beheben? – Gegenrufe von der CDU)

Ich glaube, darüber sind wir uns, Herr Schmiedel, auch einig. Es geht ja nicht nur um das Erlernen eines Instruments oder um die musikalische Bildung,