Protokoll der Sitzung vom 23.04.2009

(Unruhe bei der SPD)

Dabei bleibe ich. Das kann man nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn wir uns das System der beruflichen Bildung anschauen, erkennen wir, dass wir in der Tat Probleme mit der Lehrerversorgung haben. Das ist in der Tat richtig. Darüber kann man reden. Aber es gibt durchaus eine ganze Reihe von zusätzlichen Lehrerstellen, die im Bereich der beruflichen Bildung geschaffen wurden. Da können Sie jetzt zu Recht sagen, es seien zu wenig.

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Zu Recht! Dann ist es in Ordnung!)

Da gebe ich Ihnen recht. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt.

(Zurufe von der SPD: Was?)

Das hat mit dem Fachkräftemangel zu tun. – Ja, in diesem Bereich ist der Arbeitsmarkt leergefegt. Ich kann Ihnen auch aus eigener Anschauung sagen: Sie können nicht jeden, der vielleicht in der Industrie scheitert oder der bereit ist, sich von der Industrie weg in den pädagogischen Bereich zu verändern,

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

in die berufliche Bildung schicken. Das geht vielfach schief.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das kann man ja nicht mit anhören!)

Es ist eine langfristige Aufgabe, das Problem zu lösen: Wie können wir den Lehrermangel im Bereich der beruflichen Bildung beheben?

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Darüber können wir diskutieren. Es ist sinnvoll, das Pferd so aufzuzäumen. Aber die langfristigen Debatten sind nicht in Ihrem Sinn, Herr Schmiedel. Denn Sie sind einzig und allein auf Krawall gepolt und wollen den kurzfristigen Ärger, damit Sie medial wahrgenommen werden, um dann vielleicht bei der nächsten Landtagswahl Spitzenkandidat Ihrer Partei werden zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Pfister.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Jetzt kommt die Erhellung!)

Die Kurzarbeit ist in zweierlei Hinsicht ein interessantes und wichtiges Instrument, das ich in dieser Situation nicht missen möchte. Zum einen können wir damit ein Stück weit Krisenbewältigung betreiben. Das heißt: Wir können versuchen, wenn es irgendwie geht, das Schlimmste auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern. Zum anderen ist das Thema Kurzarbeit gewissermaßen ein Beispiel dafür, dass wir jetzt die Startlöcher dafür buddeln müssen, um nach der Krise, die irgendwann zu Ende sein wird, möglichst gut und schnell aus dieser Situation herauszukommen.

Insofern bestand bei mir überhaupt kein Problem, sondern die ganz große Bereitschaft, damals, als die Kurzarbeit eingeführt worden ist, zu sagen: Wir machen den Menschen klar, dass sie die Zeit, die sie gewonnen haben, nicht dafür verwenden sollten, um mehr fernzusehen, sondern sie für mehr berufliche Fortbildung nutzen sollten.

Auf dieser Grundlage war ich in der Bundesrepublik wahrscheinlich der Erste – jedenfalls auf Länderebene; es stimmt, was Sie, Herr Schmiedel, gesagt haben –,

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das stimmt immer!)

der nach Absprache mit den Gewerkschaften, mit denen ich mich unterhalten habe, mit Frau Strobel, mit den Arbeitgeberverbänden und vielen anderen mehr gesagt hat: Ich mache jetzt in Baden-Württemberg ein Programm mit dem Ziel, dass die Leute, die in Kurzarbeit sind, die dadurch gewonnene Zeit dafür nutzen, sich weiterzubilden. Dafür habe ich sogar Geld in die Hand genommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Es sind ESF-Mittel, die ich zur Verfügung habe. Ich hätte sogar Geld zur Verfügung gehabt, um ein solches Programm zu fahren. Es war im Grunde fix und fertig. Ich hätte damit starten können.

Sie werfen mir jetzt in dem Sinn einen Zickzackkurs vor, ich hätte das Programm „wegen mangelnder Nachfrage“ eingestampft, wie ich hier lese. Das ist nicht der Grund. Der Grund ist vielmehr, dass uns der Bund erklärt hat: „Auch wir – Bund, Konjunkturpaket II – haben ESF-Mittel, und es geht nicht, dass der Bund ein Weiterqualifizierungsprogramm für Menschen in Kurzarbeit fährt, während das Land gleichzeitig ein solches Programm macht.“

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das geht nicht, und das war wirklich der einzige Grund, lieber Kollege Schmiedel, aus dem ich gesagt habe: Dann kann ich dieses Programm in der Form, wie ich es konzipiert hatte, in Baden-Württemberg eben nicht fahren. Der Bund soll es fahren. Ich werde dann in Baden-Württemberg das Geld, das ich gewissermaßen eingespart habe, dafür verwenden, um für dieses Programm des Bundes zu werben und den Menschen klarzumachen, dass es gut für sie ist, wenn sie diese Maßnahme annehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenige Beispiele: Nachdem ich noch einmal entsprechende Schreiben an die Bundesagentur, die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände gerichtet habe, wird es in den nächsten Wochen ein konkretes Programm mit ESF-Mitteln des Landes geben. Dabei mache ich nichts anderes, als in einer Art Kampagne, wenn Sie so wollen, auf die Menschen, die Unternehmen, die Betriebe zuzugehen und sie darauf aufmerksam zu machen, welche Möglichkeiten, auch welche finanziellen Möglichkeiten es gibt. Ich werde dieses Geld zur Finanzierung von Beratungskosten, die anfallen, in die Hand nehmen und mit einer solchen Kampagne versuchen, diese Möglichkeiten, die die Bundesagentur jetzt bietet – Weiterqualifizierung für Kurzarbeiter –, so populär zu machen, dass sie tatsächlich auch angenommen werden. So viel zum ersten Punkt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Zweiter Punkt: Im Land Baden-Württemberg gibt es flächendeckend eine ganze Reihe von Regionalbüros für die berufliche Weiterbildung. Diese sind beim Wirtschaftsministerium angesiedelt. Kürzlich gab es einen Parlamentarischen Abend. Einige von Ihnen waren dabei und haben sich das angeschaut. Diese Regionalbüros haben in erster Linie den klaren Auftrag, ebenfalls auf diese Möglichkeiten aufmerksam zu machen.

Dritter Punkt: Wie Sie wissen, hat es vor wenigen Wochen eine Auftaktveranstaltung bei der Firma Trumpf mit den Gewerkschaften, mit den Arbeitgeberverbänden, mit dem Minis terpräsidenten und mit vielen anderen gegeben. Einziges Ziel dieser großen Auftaktveranstaltung war, die Menschen im Land auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Sie wissen, dass ich seit dem vergangenen Jahr jeden Monat zusammen mit den Kammern und mit anderen Partnern das Land im Sinne einer Qualifizierungsoffensive durchpflüge, um auf die se Art und Weise Werbung für diese Möglichkeit zu machen.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP – Abg. Gunter Kaufmann SPD meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Augenblick. – Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass ich den Vorwurf nicht fair finde, ich würde einen Zickzackkurs fahren, Herr Kollege Schmiedel. Ich hätte dieses Programm gern gemacht, und zwar mit eigenen Mitteln und in eigener Regie. Es war alles fix und fertig. Ich habe mich mit den Vorsitzenden des DGB und der IG Metall unterhalten. Wir waren uns darin einig. Ich hätte es starten können.

(Zuruf des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Dass ich es nicht gestartet habe, hängt wirklich nur damit zusammen, dass der Bund die Geschichte im Grunde übernommen hat. Das sollten Sie fairerweise zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das führt natürlich nicht über die eigentliche Problematik hinweg, vor der wir stehen. Manche Leute sind der Meinung: Haben die Politik, die Regierung, die Opposition, das ganze Parlament in einer Zeit, in der es um Arbeitslosigkeit geht, ei

gentlich nichts anderes im Kopf, als sich darüber Gedanken zu machen, wie man zusätzliche Qualifizierung schafft, und einen Fachkräftemangel zu beklagen?

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wie bitte?)

Ich halte das für eine falsche Überlegung. Ich bin der Meinung, dass der Fachkräftemangel kein konjunkturelles Problem, sondern ein Strukturproblem ist.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Gunter Kaufmann SPD: Das ist richtig! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Dann müssen Sie dort hinüberschauen, nicht zu uns schauen!)

Wenn es darum geht, Startlöcher zu buddeln, um aus dieser Krise gut herauszukommen, dann muss das Thema Fachkräftemangel ganz oben auf der Agenda stehen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir haben keine Chance, im nächsten Jahr aus dieser Krise herauszukommen, wenn wir gewissermaßen mutwillig auf dieses Fachkräftepotenzial verzichten würden. Deshalb wird es darauf ankommen, alle Möglichkeiten zu nutzen – das Thema Kurzarbeit habe ich dargestellt –, aber auch nicht nachzulassen, etwa was die Ausbildungsbereitschaft unserer Wirtschaft angeht. Das heißt, wir dürfen bei der Ausbildung junger Menschen nicht nachlassen. Warum ist das so?

Eine IHK-Studie, die in Zusammenarbeit mit der Universität Darmstadt für Baden-Württemberg erstellt worden ist, ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Von heute an gerechnet bis zum Jahr 2020 werden in Baden-Württemberg 530 000 Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, davon 70 % qualifizierte und hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Es werden also nicht nur Akademiker fehlen, sondern auch qualifizierte Leute wie Gesellen, Meister und Techniker, die aus der dualen Ausbildung kommen.

Das heißt im Klartext: Wenn es richtig ist, dass das Land Baden-Württemberg nur dann auch in Zukunft eine Chance hat, wenn es auf die Qualität seiner Produkte sowie auf die Qualität der Ausbildung und Weiterbildung setzt, und wenn das Land Baden-Württemberg diese Chance in Zukunft weiter nutzen will, dann müssen wir alle Qualifikationen, die es gibt, gewissermaßen zusammenkratzen, regelrecht zusammenkratzen, und zwar allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb bin ich froh, meine Damen und Herren, dass wir im letzten Ausbildungsjahr – dafür sollte man einfach dankbar sein; das sollte man auch nicht nur immer wieder hämisch kritisieren –