Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Deshalb, lieber Kollege Wölfle: Geben Sie sich doch einfach einen Ruck! Kommen Sie als Grüner in den Kreis der Unterstützer! Sie hätten die besten Gründe. Stuttgart 21 sichert die Einbindung unseres Landes in das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz und nützt damit der Wirtschaft. Stuttgart 21 senkt den Flächenverbrauch und hilft damit dem Klimaschutz; es nützt der Umwelt. Stuttgart 21 gibt den Menschen neue Räume, ihre Lust auf Stadt auszuleben; es ist menschlich. Und Stuttgart 21 schafft Arbeitsplätze, also ist es sozial.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Stuttgart 21 nützt Wirtschaft und Umwelt, ist menschlich und sozial. Kurz: Es ist ein echtes „WUMS“-Projekt.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP)

Es wird Zeit, dass Sie die Plakate Ihres Bundesverbands der Grünen ernst nehmen und es auch bei den Stuttgarter Grünen endlich einmal „WUMS“ macht. Aber Sie schwätzen nur von Zukunft, während wir die Zukunft gestalten. Und wir gestalten sie mit einem kräftigen „WUMS“.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rech.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es zu diesem Thema ein Argument gibt, das in diesem Hohen Haus noch nicht ausgetauscht wurde.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Keines!)

Deswegen will ich mich auf die Inhalte der Finanzierungsverträge beschränken, die wir am 2. April unterschrieben und jetzt, wie vereinbart, auch vorgelegt haben.

Herr Kollege Bachmann, ich glaube nicht, dass wir jetzt hoffen dürfen, dass die Grünen, zumal der Kollege Wölfle, noch mit ins Boot kommen. Dazu ist es jetzt zu spät

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Man darf die Hoffnung nie aufgeben!)

und zu kurz vor den Kommunalwahlen.

Übrigens, Herr Wölfle, zur Kommunalwahl: Ich bin neulich mit einer jungen Frau durch den Stuttgarter Westen gefahren.

(Zurufe: Oi!)

Da sagte sie: „Das ist doch ein sympatisches Plakat!“ Als ich dann auf dieses Plakat schaute, sah ich den Kollegen Wölfle und dachte: „Hoppla, in der Tat.“ Ich habe dann zu ihr gesagt: „Das ist auch ein vernünftiger Mann. Er hat nur einen Webfehler: Er ist gegen Stuttgart 21.“ Ob er es wirklich so fundamental ernst meint, bin ich mir nicht ganz sicher; dazu ist er zu vernünftig. Aber natürlich sind 20 % derjenigen, die immer gegen alles sind, ein beachtliches Wählerpotenzial. Aber zum Plakat, Herr Wölfle: A la bonne heure, es ist gelungen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ist das ein Gesichtspla- kat?)

Ich hoffe nur, dass die Wähler Sie wiedererkennen, wenn sie Sie auf der Straße sehen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, weil Herr Kollege Scheuermann die Beteiligten gelobt hat, will ich das auch tun – in umgekehrter Richtung. Ich will Ihnen danken, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, der FDP/DVP und der SPD. Sie waren in allen Phasen dieses Projekts wirklich verlässliche Part

ner. Es ist ja wirklich ein sehr mächtiges Projekt, und ich will behaupten, ohne Ihre geschlossene Haltung

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

hätten wir den Durchbruch nicht geschafft. Das gilt auch für die Unterstützung unserer Partner: der Stadt, der Region und des Flughafens. Herr Kollege Scheuermann hat es schon gesagt; auch ihnen gilt mein Dank.

Wir haben einen langen Atem gebraucht, aber wir werden sehen – die Zukunft wird es zeigen –, dass wir auf das richtige Pferd gesetzt haben.

Der Schiene, meine Damen und Herren, kommt nicht nur his torisch, sondern auch für die Gegenwart und für die Zukunft eine immense Bedeutung zu: für den Nahverkehr, den Regionalverkehr, den Frachtverkehr, den Fernverkehr und den Schnellverkehr. Die Schiene ist sicher umweltfreundlich und kundenfreundlich – zumindest meistens kundenfreundlich –, und wir wollen im Rahmen unserer Möglichkeiten alles dafür tun, dass die Schiene gewinnt. Was dazu zu sagen ist, wurde bereits gesagt. Der Standort Baden-Württemberg wird gewinnen. Wachstum und Beschäftigung werden auch gewinnen.

Wir alle kennen die lange Geschichte, die dieses Projekt hinter sich hat. Ich will sie nicht noch einmal darstellen. Ich will nur sagen, dass wir mit unserem Engagement, vor allem auch mit dem finanziellen Engagement, sicherstellen, dass wir im Jahr 2019 eine funktionsfähige Hochgeschwindigkeitsstrecke von Stuttgart nach Ulm haben und damit auch die Magistrale Paris–Bratislava durch Baden-Württemberg führt und eben nicht darum herum. Wir stellen durch unser Engagement sicher – auch das will ich noch einmal betonen –, dass der Bund die Neubaustrecke zeitgleich mit Stuttgart 21 fertigstellt. Die se Durchfinanzierung ist bereits heute durch Verpflichtungsermächtigungen im Bundeshaushalt abgesichert. Allein das ist ein großer Erfolg; darauf will ich hinweisen. Nur mit Stuttgart 21 – dies sei an die Adresse der Grünen gesagt – können wir gerade auch im Regionalverkehr durch die Schaffung von durchgebundenen Linien Verbesserungen erzielen.

Wir sind momentan dabei, ein Angebotskonzept 2020 für den Nahverkehr zu entwickeln. Das wird die Möglichkeiten der neuen Infrastruktur optimal nutzen. Wir wollen auch die wirtschaftlichen Effekte aus der Realisierung dieser Produkte genauer erfassen, weshalb wir ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, dessen Ergebnisse Ihnen bereits vorgestellt wurden.

Nur ganz wenige Zahlen dazu: Die dauerhafte Erhöhung der Bruttowertschöpfung im Land durch die verbesserte Erreichbarkeit wird auf 500 Millionen € pro Jahr beziffert. Es werden 8 000 bis 9 500 Dauerarbeitsplätze im Land geschaffen. Es entstehen große bauzeitliche Effekte mit mehr als 5 000 zusätzlichen Vollerwerbsstellen. Es entsteht eine dauerhafte Bruttowertschöpfung im Land durch hochwertige städtebauliche Nutzungen. Die Immobilienwerte in Baden-Württemberg werden allein aufgrund der besseren Erreichbarkeit um geschätzt 1,2 Milliarden € steigen, und es werden – darauf wurde schon hingewiesen – positive Umwelteffekte erzielt. Allein ca. 1 Milliarde Pkw-Kilometer werden pro Jahr vermieden. Das entspricht einer Einsparung von über 175 000 t

CO2 im Jahr. Meine Damen und Herren, diese positiven Effekte entstehen nicht nur in der Region, sondern im ganzen Land.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Allein mir fehlt der Glaube! – Heiterkeit des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Die Gutachter sagen, negative Aspekte könnten sie eigentlich in keiner Region erkennen. Bei diesem Bahnprojekt werden alle gewinnen. Es gibt keine Verlierer.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Mit Ausnah- me der Grünen!)

Natürlich reagieren die Grünen – ja, Sie sagen es – wie immer mit einem Gegengutachten. Ich will zu diesen Untersuchungen nicht noch einmal Stellung nehmen. Ich will nur sagen: Zu dem, was ich da lese, fällt mir nur ein Wort ein: unseriös. Es ist von A bis Z unseriös. Natürlich haben sie beispielsweise doppelt so hohe Investitionskosten angegeben. Dies hat zwar überhaupt keine Auswirkungen auf den volkswirtschaftlichen Nutzen, weil sich dieser aus der besseren Erreichbarkeit ergibt, aber das alles stört sie offensichtlich nicht.

Zurück zu den Verträgen. Dann will ich auch schon zum Ende kommen, Frau Präsidentin. Die Verträge stellen einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen der Vertragsparteien dar. Drei Punkte sind es im Wesentlichen:

Das Erste ist die gemeinsame Erklärung zur Realisierung des Projekts Stuttgart 21 und der Neubaustrecke. Diese Vereinbarung bildet sozusagen den Rahmen für die einzelnen Finanzierungsprojekte. Darin bekräftigen die Parteien ihren Willen, den Baubeginn der Neubaustrecke auf das Jahr 2010 vorzuziehen. Damit wird das Ziel verfolgt, zu einem abgestimmten Vorhaben am Ende des Jahres 2019 zu kommen, das heißt, im Jahr 2019 gemeinsam in Betrieb zu gehen. In der gemeinsamen Erklärung sind die Grundzüge der Kosten- und Risikoverteilung festgehalten.

Um diese gleichzeitige Realisierung zu erreichen, leistet das Land zu den Baukosten der Neubaustrecke einen Zuschuss in Höhe von 950 Millionen €. Ab dem Jahr 2016 wird die Neubaustrecke durch den Bund finanziert. Das Risiko eventueller Kostensteigerungen der Neubaustrecke liegt also ausschließlich – ausschließlich! – beim Bund.

Zweitens: Der Finanzierungsvertrag Stuttgart 21 regelt die Durchführung und die Finanzierung von Planung und Bau des Projekts Stuttgart 21. Er berücksichtigt dabei auch das Gesamtprojekt mit der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit der Deutschen Bahn AG für die Regelfinanzierung feste Finanzierungsraten vereinbart. Der Zugriff auf die vereinbarte Risikovorsorge bedarf der vorherigen Zustimmung des Lenkungskreises. Darin ist das Land eingebunden. Deswegen stehen uns umfassende Kontroll- und Prüfungsrechte zu. Diese werden wir auch wahrnehmen.

Drittens geht es um die Vereinbarung zur Abwicklung des Landeszuschusses. Nachdem klar ist, dass Stuttgart 21 und

die Neubaustrecke nur als einheitliches Projekt verwirklicht werden können, beteiligt sich das Land aus diesem Grund auch an der Finanzierung der Neubaustrecke. Nur so können wir erreichen, dass beide Teilprojekte gleichzeitig in Betrieb gehen, und zwar zeitnah. Die Vereinbarung regelt die Auszahlung der Landeszuschüsse für die Neubaustrecke in Höhe von 950 Millionen €.

Meine Damen und Herren, die Arbeiten an dem Projekt gehen voran. Das Projekt ist aufs Gleis gesetzt. Es gibt kein Zurück mehr und kein Mäkeln, Sie werden sehen, wir werden zügig vorankommen. Da bin ich ganz sicher, denn die Probebohrungen laufen. Gleichzeitig trifft die Bahn derzeit Vorbereitungen für die Anpassung des Gleisvorfelds. Ich gehe davon aus, dass die Planfeststellungsverfahren für das gesamte Projekt bis zum Ende des Jahres 2010 vorliegen werden.

Deswegen nochmals und abschließend: Das Projekt bringt allen Regionen im Land Vorteile. In vielen Regionen sind die Vorteile sogar noch sehr viel größer als hier in der Region Stuttgart. Geschichte und Wirtschaftsentwicklung eines Lan des waren immer eng mit der Entwicklung der Verkehrswege verbunden. Wir realisieren das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm, damit die Menschen in Baden-Württemberg auch zukünftig nicht von der Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung abgehängt werden.

Das Projekt steht schlechthin für Innovation und die Zukunftsfähigkeit des Landes. Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, der FDP/DVP und der SPD, dass Sie und damit eine breite Mehrheit in diesem Haus dem Projekt und den Verträgen zustimmen.

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Natürlich wäre es noch schöner – um auf den Anfangssatz zurückzukommen –, wenn auch die Fraktion GRÜNE über ihren Schatten springen

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Man kann nicht alles haben! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Noch heute! – Unruhe)

und auf diese Weise die zukunftsorientierte Schienenpolitik der Landesregierung unterstützen würde. Aber, wie gesagt, das wäre noch schöner. Es ist auch so schön genug. Ich danke für Ihre Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Gern geschehen, Herr Minister!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen nun zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge.