Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Von welchen Studenten sprechen Sie?)

Von denen, die wir haben wollen.

Unsere Hochschullandschaft wird allen Begabungen und Neigungen gerecht. Mit den Berufsakademien, die heute duale Hochschulen sind, haben wir in Baden-Württemberg ein Erfolgsmodell geschaffen, das in vielen Ländern Nachahmer findet. Braucht es einen besseren Qualitätsbeweis?

Mit dem Ausbauprogramm „Hochschule 2012“ werden wir in den nächsten drei Jahren 16 000 neue Studienplätze schaffen. Neue Studiengänge werden eingerichtet, beispielsweise für frühkindliche Pädagogik. Die Tür zum Hochschulstudium wird künftig auch Meistern offen stehen, die kein Abitur und keine Fachhochschulreife haben.

4,2 % unseres Bruttosozialprodukts investieren wir in die Forschung. Das ist ein europäischer Spitzenwert. 11 % unseres Landeshaushalts entfallen auf das Wissenschaftsministerium. Das ist der höchste Anteil im Vergleich aller Bundesländer. Mit dem Solidarpakt II schaffen wir finanzielle Planungssicherheit für unsere Hochschulen bis zum Jahr 2014. Nicht nur die Zahl der Lehrer an unseren Schulen, auch die Zahl der Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter wird in den nächs ten Jahren kontinuierlich steigen und die Betreuungsrelation und damit die Qualität der Ausbildung verbessern.

Aber auch das sei gesagt: Zur Verbesserung von Lehre und Forschung sind Studiengebühren unverzichtbar. Aller ideologischen Kritik zum Trotz sind Studiengebühren weitgehend akzeptiert. Es ist nur gerecht, dass Akademiker einen Teil ihrer Ausbildung selbst zahlen. Auch Studenten aus sozial schwa chen Familien, die BAföG in Anspruch nehmen und Studiengebühren über Darlehen finanzieren, werden für ihre Ausbildung nie mehr als 15 000 € aufwenden müssen. Dieser Betrag ist erst nach Berufsaufnahme in Raten zurückzuzahlen. Für das Geld, für das Äquivalent eines gut bezahlten Berufs, bekommt man gerade einmal einen gebrauchten VW Golf.

Erklären Sie einer Verkäuferin, einem Facharbeiter oder einem Handwerker, dass sie aus ihren Steuergeldern die Ausbildung eines Akademikers bezahlen, aber für die eigene Ausbildung in die eigene Tasche greifen müssen. Auch das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wieso? Soll die Ver- käuferin nicht studieren? Unmöglich! – Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Dr. Löffler, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Auf den Lorbeeren des Exzellenzwettbewerbs werden wir uns nicht ausruhen. Aber wir können stolz darauf sein, dass vier der neun bundesweiten Eliteuniversitäten bei uns im Land forschen und lehren. Mit neun Graduiertenschulen und sieben Exzellenzclustern können sich unsere Hochschulen im internationalen Wettbewerb behaupten. Die Qualität unseres Bildungswesens ist gut. Bildung ist unser bester Standortfaktor und unsere wertvollste Ressource. Wir werden dieses Niveau halten und stetig verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Abg. Rivoir.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bildungsstreik der Schülerinnen und Schüler, der Studentinnen und Studenten ist richtig. Er findet unsere Unterstützung. Er ist richtig in der Beschreibung der Missstände, richtig in der Ursachenanalyse, richtig in den Forderungen und richtig in den Zielen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Wir als SPD-Fraktion sehen uns bestätigt in unserer beständigen Kritik an der Zurichtung der Hochschulen auf den Markt, von dem Sie glauben, er sei das allein selig machende Ordnungsprinzip.

Es wird immer klarer: Bildung funktioniert eben nicht nach Marktprinzipien. Der Markt ist in diesem Bereich blind für die Erfordernisse des Landes und seiner Menschen.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Und warum stehen wir in Baden-Württemberg auf Platz 1?)

Für Entscheidungen im Bildungsbereich sind politische oder auch regionalpolitische Überlegungen und Vorgaben notwendig. In unserem Land aber wurde im Hochschulbereich die unternehmerische Hochschule zum Leitbild der Hochschulreform gemacht. Als Folge dieser Ideologie sind heute die Hochschulen flächendeckend konfusioniert: Bei der Zulassung zum Studium, im Studium selbst, bei den Abschlüssen, in der Finanzierung und bei ihrer Struktur- und Entwicklungsplanung, wie wir gerade in Stuttgart wunderbar beobachten können. Für dieses Chaos, sage ich jetzt, an unseren Hochschulen tragen diese Landesregierung und ihr ideologischer Vordenker, Herr Professor Frankenberg, die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Aus dieser Verantwortung werden wir Sie auch nicht entlassen.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Reden Sie zur Sache!)

Unterfinanzierung und Marktausrichtung, das sind die beiden großen Probleme, die die Hochschulen hier in unserem Land ganz besonders haben.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Und wo sind die „spit- ze“ SPD-Länder? – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das ist die Rede zum 1. Mai! – Gegenruf des Abg. Rein- hold Gall SPD)

Ich werde versuchen, diesen Befund durch einige Beispiele zu belegen.

Zunächst zu den Studiengebühren. Kollege Löffler hat das alles noch einmal verteidigt.

(Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Sie haben die Verantwortung dafür, dass sie eingeführt wurden. Sie wollten zulasten der Haushalte der Eltern, zulasten der Studierenden den Landeshaushalt entlasten. Sie haben ein Stipendiensystem versprochen, aber es ist nicht gekommen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo ist es denn?)

Wo ist es? Nichts ist gekommen. Versprochen, gebrochen!

Sie haben sogenannte Studiendarlehen eingeführt. Eine Nullnummer! Bei einem Zinssatz von 7 % wurden sie nicht angenommen. Auch bei einem Zinssatz von 5,5 % werden sie nicht angenommen.

(Abg. Werner Pfisterer CDU: Sie werden nicht ge- braucht!)

Über kurz oder lang, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ist Ihnen allerdings klar geworden, dass Sie mit diesem Trick der angeblichen Sozialverträglichkeit, mit diesen Studiengebührendarlehen vor dem Bundesverfassungsgericht wohl Probleme bekommen. Deswegen haben Sie ruck, zuck einem deutlichen sozialen Signal zugestimmt – das wollten Sie setzen –, und zwar der sogenannten Geschwisterregelung. Aber diese Geschwisterregelung ist in diesem gan zen Reigen offensichtlich der nächste Rohrkrepierer geworden. Sie kennen die Geschwisterregelung: Das dritte Kind und alle weiteren Kinder sind von den Studiengebühren befreit. Wir haben diese Regelung begrüßt, weil wir sie als Einstieg in den Ausstieg aus den Studiengebühren sehen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! Nur dann macht es Sinn!)

Das war die Begründung, warum wir da mitgemacht haben.

Um es klar zu sagen: Aus unserer Sicht, meine Damen und Herren, ist es sozial gerecht, wenn das dritte und alle weiteren Kinder von den Studiengebühren befreit werden. Aus unserer Sicht gehören alle Kinder von den Studiengebühren befreit.

(Beifall bei der SPD – Abg. Werner Pfisterer CDU: Und wer bezahlt’s?)

Herr Kollege Bachmann, Ihr dreistes Zahnarztbeispiel, das Sie hier immer so gern anführen, wird dadurch endgültig ad absurdum geführt.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Aber heute nicht mehr! Spitzenmanager- und Zahnarztbeispiele sind heute unfair!)

Sie haben mit dem Vergleich zwischen dem Zahnarzt, der über die Studiengebühren für sein Kind zur Finanzierung des Studiums herangezogen werden muss, und der Lidl-Kassiererin, die ohne Studiengebühren mit ihren Steuern – wenn sie überhaupt noch welche zahlt – das Studium des Zahnarztkindes mitfinanziere, immer nur eine Rechtfertigung für Ihr Studiengebührenmodell gesucht. Mit dieser Interpretation ist jetzt endgültig Schluss. Umgekehrt wird jetzt nämlich ein Schuh daraus: Jetzt reden wir von der alleinerziehenden Lidl-Verkäuferin, deren einziges Kind Studiengebühren bezahlen muss, während die dritten und weiteren Kinder der Zahnärzte von Studiengebühren freigestellt sind.

(Beifall bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich! Die Lidl-Verkäuferin zahlt für den Zahnarzt! Das ist der Gipfel! – Gegenrufe der Abg. Werner Pfisterer und Dr. Reinhard Löffler CDU)

Der Gipfel des Ganzen ist die Tatsache, dass Sie von den Regierungsfraktionen sich beharrlich weigern, den Hochschulen die durch diese Geschwisterregelung entstandenen Mindereinnahmen aus Landesmitteln zu ersetzen. Immerhin handelt es sich um bis zu 50 % des bisherigen Aufkommens an Studiengebühren. Unsere entsprechenden Anträge bei den Haushaltsberatungen im Januar dieses Jahres wurden abgelehnt.

Wir sehen das so: Wenn der Landtag auf Vorschlag der Regierung ein Gesetz mit solch massiven Folgen für die Hochschulen beschließt, dann ist es nur recht und billig, dass dieser

Landtag auch dafür sorgt, dass der finanzielle Verlust wieder ausgeglichen wird.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es abgelehnt. Sie haben die Hochschulen in diesen Jahren im finanziellen Chaos alleingelassen. Nach unserer Ansicht haben die Hochschulen sogar ein vertragliches Recht auf Ausgleich. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, in den Solidarpakt II hineinzuschauen. Dieser Solidarpakt – Sie wissen es – gibt den Hochschulen finanzielle Planungssicherheit bis ins Jahr 2014. Unter Punkt 2 dieses Solidarpakts ist ausdrücklich ausgeführt, dass für die Studiengebühren das Landeshochschulgebührengesetz in der Fassung des Jahres 2005 gilt. Das ist die Grundlage des Pakts.

Jetzt hat der Landtag mit der Einführung der Geschwisterregelung dieses Landeshochschulgebührengesetz massiv verändert und somit einseitig den Vertrag mit den Hochschulen gebrochen.

Wir fordern die Hochschulen ausdrücklich auf, sich zu wehren, auf die Barrikaden zu gehen und auf die Einhaltung der Geschäftsgrundlage des Solidarpakts zu pochen. Schließlich erbringen sie auch ihren Teil des Solidarpakts mit der Umstellung auf Bachelor und Master und einem Studienplatzaufbau im Rahmen des Programms „Hochschule 2012“.

Eigentlich sollte man erwarten, dass die Rektoren an den Hochschulen in unserem Land angesichts dieser Umstände, dieses Bruchs des Solidarpakts an der Seite der Protestierenden stehen und ebenfalls streiken. Die HRK-Präsidentin Professor Wintermantel hat sich ja unlängst im Fernsehen solidarisch erklärt. Ich frage mich nun: Warum halten sich die Rektoren der einzelnen Hochschulen so vornehm zurück? Warum solidarisieren sie sich nicht offen mit ihren Studierenden, obwohl sie deren Analysen und Forderungen weitgehend teilen?

Wir wissen aus Gesprächen mit den Rektoren und wir lesen es in den Zeitungen, wie sehr sie und die Hochschulleitungen unter der Hochschulpolitik leiden, wie unplanbar die Finanzierung geworden ist und wie beliebig die Entscheidungen fallen. Warum stehen die Rektoren nicht öffentlich zu ihrer Meinung und zu ihren nicht öffentlich auch Ihnen gegenüber ausgesprochenen Worten?

Ich bin der Meinung, sie verhalten sich so, weil sie wissen, dass sie für eine öffentliche Beschreibung der tatsächlichen Verhältnisse, und sei sie noch so wahr, Sanktionen aus dem Hause Frankenberg befürchten müssen. Schließlich ist man bei der Bewilligung von Ausstattungsmitteln, bei der zügigen Abwicklung von Berufungsverfahren oder bei der Entscheidung über Baumaßmahnen angesichts vieler, vieler Konkurrierender deutlich abhängig von Minister und Ministerium.