Protokoll der Sitzung vom 09.07.2009

Deswegen halten auch wir es für einen richtigen Weg, eine Schulleitung auf Zeit einzurichten. Wir fordern den Landtag auf, gemeinsam mit uns diese Frage so zu bearbeiten, dieser Frage so nachzugehen, dass wir hier eine sinnvolle Lösung erreichen. Denn ein Schulleiter kann dabei prüfen, ob er sich diesen Verwaltungsaufgaben, diesen politischen Herausforderungen gewachsen fühlt, ob er sich im Umgang mit den Kollegien, den Eltern, den Schülern wohlfühlt, ob dies für ihn die richtige Funktion ist.

Natürlich gehen wir davon aus, dass bei einer künftigen Wahl eines Schulleiters oder einer Schulleiterin auch Eltern und das Kollegium entsprechend einbezogen werden.

Zusammenfassend will ich Ihnen fünf Punkte vortragen. Wenn es also darum geht, genügend qualifizierte, selbst denkende Schulleitungen zu bekommen, brauchen wir erstens eine zeitliche Entlastung, also mehr Leitungszeit. Wir brauchen eine Entlastung von Verwaltungsaufgaben. Wir brauchen eine deutliche Aufwertung der Arbeit der Sekretärinnen und Sekretäre, die in der Schule tätig sind. Sie können viel übernehmen, wenn sie auch entsprechend qualifiziert und bezahlt werden.

Wir brauchen zweitens eine leistungsgerechte Bezahlung der Schulleitungen. Wir brauchen drittens vor dem Amtsantritt eine intensive Vorbereitung auf den neuen Beruf. Wir brauchen viertens auch Maßnahmen der Weiterqualifizierung. Wir brauchen fünftens eine professionelle Unterstützung durch die Schulverwaltung statt einer Maulkorbmentalität.

Meine Damen und Herren, namens der SPD-Fraktion bedanke ich mich bei unseren Schulleitungen für ihre Arbeit, die für das Gelingen der Schule sehr wertvoll ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Röhm das Wort.

(Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Der ist befangen! – Heiterkeit)

In jeder Hinsicht. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Zeller, herzlichen Dank, dass Sie auch mich in Ihren Dank einbezogen haben. Ich fühle mich geehrt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Ich glaube nicht, dass er Sie gemeint hat!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Schule zu leiten ist eine schöne, aber auch eine höchst

anspruchsvolle Tätigkeit, die sich natürlich je nach Schulgröße und Schulart ganz unterschiedlich darstellt. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen – so muss es auch sein – die Schülerinnen und Schüler. Kolleginnen und Kollegen bedürfen in ganz unterschiedlichem Maß fachlicher und menschlicher Begleitung. Viele Eltern – ich würde sagen, sogar die meisten – bringen sich engagiert und hilfreich in das Schulleben ein. Einige wenige fordern von der Schule Erziehungsleistungen, die sie selbst nicht zu erbringen bereit sind.

Kurzum: Schulleitungen sind in vielfältiger Weise gefordert und stehen ständig in einem Spannungsfeld widerstreitender Interessen. Wer eine Schulleitungsfunktion übernimmt, muss sich – das ist für mich persönlich sehr wichtig – auch im Klaren darüber sein, dass er im dienstrechtlichen Sinn die Seite wechselt.

Ein Kollegium braucht unabdingbar eine Schulleitung, die ihre Führungsverantwortung in vollem Umfang wahrnimmt. Besonders wichtig für eine gelingende Schulleitung ist die eigenverantwortliche Zuarbeit aller Verantwortungsträger an der jeweiligen Schule, seien es Stellvertreter, Fachabteilungsleiter oder Kolleginnen und Kollegen, die aufgrund von Stellenausschreibungen ganz bewusst besondere Aufgaben übernommen haben.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Das gilt nicht für kleine Grundschulen! Die haben das nicht!)

Schulleitungen müssen ohne Wenn und Aber darauf vertrauen können, dass die Aufgabenteilung innerhalb der Schule funktioniert, damit sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Für mich ist und bleibt das Kerngeschäft primär, für alle am Schulleben Beteiligten Gesprächspartner zu sein.

Die Schulleitungsaufgaben sind – das wurde eben vom Kollegen Zeller angesprochen; da gebe ich ihm recht – in den letzten Jahren umfangreicher geworden; er hat „komplex“ gesagt. Aus diesem Grund wurde die Leitungszeit für Schulleitungsaufgaben entsprechend angepasst. An unserer Schule steht dafür – um ein ganz konkretes Beispiel zu nennen – nicht nur diese eine Stunde zur Verfügung, die bei der Grundzeit erhöht wurde, sondern stehen ab dem kommenden Schuljahr sechs zusätzliche Deputatsstunden zur Verfügung.

Die weiterhin geltende Unterrichtsverpflichtung für Schulleitungen im Umfang von mindestens vier Unterrichtswochenstunden bleibt sinnvollerweise erhalten. Wer Kolleginnen und Kollegen sowie Lehramtsbewerber fachlich beurteilen muss, der muss auch in der Lage sein, zu zeigen, dass er fortwährend, zeitlich überdauernd selbst eine ordentliche Unterrichtsleistung erbringt und seiner Vorbildfunktion gerecht wird.

Im Übrigen habe ich den Eindruck – das gilt nicht nur für mich, sondern für die meisten Kolleginnen und Kollegen, die eine Schulleitungsfunktion wahrnehmen –, dass den Schulleitern der Unterricht nach wie vor Spaß macht. Schließlich sind sie aus diesem Grund Lehrer geworden.

Zur Frage der Qualifizierung von Lehrkräften für Funktionsstellen: Zukünftig werden wieder Vorbereitungs- und Auswahlseminare angeboten, um Schulleitungsfunktionen mit besonders qualifizierten, besonders engagierten und natürlich auch besonders motivierten Lehrkräften zu besetzen. Dafür sind vier Seminare mit folgenden Inhalten vorgesehen: Ers

tens: Lust auf Führung. Das ist für mich die entscheidende Frage. Zweitens: Prozess- und Projektmanagement. Drittens: Kommunikation. Viertens: Schule und Organisation. Hinzu kommt die Organisation von Schulprojekten, von Praktika, die für den Einzelnen Leitungshandeln erfahrbar machen, und die kollegiale Fallberatung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Weichen sind richtig und zukunftweisend gestellt. Wir setzen in Zukunft vor allem auf Leitungsteams, die zum Wohl unserer Schulen konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten. So kann Schulleitung gelingen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt wissen wir es!)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Lehmann das Wort.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Hoffentlich wird es wieder politisch!)

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Ich versuche, die Diskussion wieder auf den Antrag zurückzuführen, Herr Röhm. Bemerkenswert ist, dass in der Stellungnahme der Landesregierung steht, dass eine Datenbasis vorhanden ist. Die muss man nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern diesen Zahlen müssen auch Handlungen folgen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Das haben Sie nicht erwähnt; ich möchte es noch einmal ansprechen. Es scheint mir doch wichtig zu sein, über den eigentlichen Kern zu diskutieren.

So wichtig es ist, über diese Handlungsempfehlungen zu reden: Wir müssen auch feststellen – da gebe ich Ihnen und Herrn Zeller recht –, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Schule und die Anforderungen massiv verändert haben. Das ist mit ein Grund dafür, dass Schulleitung und Lehrerberuf schwieriger geworden sind. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.

Für mich war es schon bemerkenswert, dass sich die Vermutung – ich komme ebenfalls aus dem Schulbereich –, bei den Schulleiterstellenbesetzungen funktioniere etwas nicht, auch in diesen Zahlen niederschlägt. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, warum wir für jede zweite Schulleiterstellenbesetzung nur eine Bewerbung haben. Das muss uns doch zu denken geben; da stimmt doch im gesamten Verfahren etwas nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Hier muss in der Frage, warum viele Kollegen sich nicht dazu bereit erklären, für eine Leitungsposition zu kandidieren, Ursachenforschung betrieben werden.

Es muss auch zu denken geben, dass jedes 20. Ausschreibungsverfahren für die Katz ist, weil gar kein Bewerber oder keine geeigneten Bewerbungen da sind. Man muss das gesamte Verfahren noch einmal neu durchführen. Auch das muss dazu führen, endlich Änderungen vorzunehmen.

Ein dritter Punkt, den man aus den Zahlen sehr gut ablesen konnte, ist für mich bemerkenswert: Jedes 14. Besetzungsverfahren für eine Schulleiterstelle ist gegen den erklärten Willen der Schulkonferenz erfolgt. Das Ministerium ordnet an. Wenn man noch die negativen Voten der Schulträger hinzunimmt, ist jede zehnte Schulleiterstelle gegen das Votum der Schulkonferenz oder des Schulträgers besetzt worden.

Auch hier muss – andere Bundesländer haben in diesem Bereich schon Änderungen eingeleitet – eine Änderung erfolgen. Wir können sonst nicht operative Eigenständigkeit fordern und die Übertragung von mehr Verantwortung auf die Kommunen verlangen und sagen: „Ihr müsst die Verantwortung auch übernehmen.“ Wir schaffen Bildungsregionen und was weiß ich noch alles, aber wenn es darum geht, hier echte Mitentscheidungs- und Mitspracherechte zu vergeben, sagt man: „Nein, das machen wir nicht.“ Da entscheidet man aus dem Ministerium heraus. Ich denke, so darf man eine moderne Schule heute nicht mehr führen und erst recht keine moderne Bildungspolitik machen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Die Arbeitsbelastungen sind gestiegen. Das wissen wir alle. Jeder, der an einer Schule ist – egal, ob als Lehrer oder ob er Führungsverantwortung zu tragen hat –, weiß, dass vieles auf die Schulen heruntergebrochen wird, weil man eben auch in der Schulverwaltung Ressourcen einsparen möchte. Das ist ein Problem. Es gibt zu wenig Ressourcen. Es gibt zu wenig Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Nicht erst wenn die Kollegen sich in diesem Amt befinden, sondern schon vorher muss wirklich eine viel stärkere Fortbildung in diesem Bereich erfolgen. Dafür müssen natürlich Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Ich kenne es von Schulen, dass dort von den Schulleitungen an die Lehrerkollegien delegiert wird. Es wird einfach delegiert, weil es sonst einfach nicht mehr geht. Es gibt aber keine entsprechenden Ressourcen für die Kollegen, die diese Aufgaben übernehmen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat in einer Untersuchung zwei wesentliche Gründe festgestellt, warum die Besetzungsverfahren so schwierig sind. Es hat zunächst bei einer Analyse der gesamten Verfahren bundesweit festgestellt, dass Formalia bei der Besetzung der Schulleiterstellen beherrschend sind. Es geht also weniger darum, welche Anforderungen heute an Schulleitungen gestellt werden. Man besetzt Schulleiterstellen heute in der Regel noch immer so, wie es vor 20 Jahren war. Die Rahmenbedingungen haben sich aber geändert.

Es gab eine zweite Feststellung, die für uns auch zutrifft: Das Besetzungsproblem ist ein Indiz für mangelnde Führungskräfteentwicklung in den Schulverwaltungen und den Schulen. Das sollte uns auch zu denken geben. Wir brauchen also neue Instrumente der Führung. Wir brauchen Führung auf Zeit. Wir brauchen eine angemessene Bezahlung für eine entsprechend qualifizierte Arbeit, die geleistet wird. Wer nimmt heute in der Wirtschaft eine Führungsaufgabe wahr, wenn er dafür nur 170 € brutto mehr bekommt, aber den ganzen Ärger am Hals hat, den so eine Führung beinhaltet? Herr Röhm, da muss ich Sie einmal fragen, ob Sie das machen würden, ob Sie an einer Hauptschule oder einer Grundschule für 170 € mehr diese Führungsaufgabe wahrnehmen würden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So viel mehr macht es am Gymnasium auch nicht aus!)

Das Finanzamt „besteuert“ einem das Ganze noch weg.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Eben!)

Dann würden Sie doch sagen: Da bleibe ich doch lieber Lehrer.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Also Steuern runter! – Gegenruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE: „Steuern runter“, sonst kennt ihr nichts! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Unruhe)

Deswegen meine Bitte: Nehmen Sie diese Zahlen ernst. Erkennen Sie die Problemlage an. Leiten Sie entsprechende Maßnahmen ein, dass es wirklich wieder attraktiv wird, eine Schulleitung zu übernehmen, und auch den Kolleginnen und Kollegen an der Schule die ganze Arbeit wieder richtig Spaß macht.

(Beifall bei den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Frau Abg. Dr. Arnold das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dank der wirklich guten Vorreden meiner verehrten Vorredner kann ich mich vergleichsweise kurz fassen. Das große Aufgabenspektrum von Schulleitern und die große Bedeutung, die sie für ihre Schule haben, sind schon ausreichend gewürdigt worden. Das ist in der Tat eine wichtige Gelenkstelle für Schulentwicklung und für die Qualität des Unterrichts. Das sehen wir genauso.

Ich möchte das noch durch einen Blick auf die Aufgaben ergänzen, die die Schulleitungen heute vor allem in der Personalbewirtschaftung haben. Es gibt heute schulbezogene Stellenausschreibungen, die zu Bewerbungsverfahren führen. Es gibt den Einsatz von Lehrbeauftragten, von Pädagogischen Assistenten an der Hauptschule. All das erhöht natürlich das Aufgabenspektrum von Schulleitungen und macht sie deshalb auch so wichtig.

Herr Lehmann, Sie haben die Situation im Markt der Schulleiter deutlich herausgestellt. Auch wir machen uns große Sorgen, dass sich auf viele Stellen nur noch ein Schulleiter bewirbt, dass man im Grunde genommen keine echte Auswahl hat. Wir sehen das wie Sie. Wir müssen uns hier wirklich intensiv Gedanken machen. Aber wir haben uns auch Gedanken gemacht, und wir haben gehandelt.

Sie wissen, dass wir im Rahmen der Qualitätsoffensive Bildung – das wurde von Herrn Röhm schon angesprochen – zwei Maßnahmen auf den Weg gebracht haben