Protokoll der Sitzung vom 30.07.2009

Der Innovationsrat hat jetzt dieser Tage – nach eineinhalb Jahren seit seiner Gründung – erste Empfehlungen vorgelegt. Laut einer Pressekonferenz zusammen mit der Landesregierung sind eine Reihe von Vorschlägen von unterschiedlicher Natur und Tragweite gemacht worden:

Man möchte zusätzlich ein landesweites Innovationsforum gründen. Man möchte sich für mehr Technologietransfer einsetzen. Wer wollte das nicht? Man ist auch der Meinung, es

bedürfe in unserem Land mehr Wagniskapitals. Auch das ist richtig.

(Abg. Manfred Groh CDU: Richtig!)

„Gut gebrüllt, Löwe“, kann man da nur sagen. Man möchte bestimmte konkrete Maßnahmen. Z. B. sollte das ZEW in Mannheim ausgebaut werden. Schließlich möchte man ein Sofortprogramm, um die Nachwuchskräfte in den MINT-Bereichen – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – in der jetzigen Krise nicht in ein Loch fallen zu lassen. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel werden wir sie in der Zukunft brauchen. Die Regierung hat gesagt: Das wollen wir schon in nächster Zeit gern konkret aufgreifen.

Das öffentliche Echo auf die Vorschläge war, meine Damen und Herren, beinahe null. Es hat kaum ein öffentliches Echo gegeben.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Wir brauchen aber rasche, konkrete und massiv wirksame Lösungen vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung. Es geht darum, Grundlagenforschung näher an die Produktentwicklung zu bringen. Das ist ein Fundament unserer Industrie in Baden-Württemberg. Davon ist bis jetzt noch nicht sehr viel die Rede.

Ich lasse jetzt einmal dahingestellt, ob die Erwartungen, die wir alle mit der Einsetzung des Innovationsrats verbunden haben, bis jetzt tatsächlich erfüllt worden sind. Vielleicht muss die Regierung einmal darüber nachdenken. Vielleicht ist das Gremium auch ein bisschen groß. Die Erwartungen sind sicherlich nicht zu hoch. Vielleicht wäre es besser, ein spezialisiertes Gremium zu bilden, als eine Gesamtsynode aus allen möglichen bedeutenden Persönlichkeiten des Landes einzurichten. Über all dies wird man nachdenken müssen.

Der Grund, warum wir laut Regierung einen Innovationsrat brauchten, ist, dass wir ausgerechnet bei unseren Stärken seit einigen Jahren – nicht erst in der Krise – zu schwächeln angefangen haben, ja bereits in einem spürbaren Abstieg begriffen sind. Der Innovationsrat kann deswegen nicht nur ein schmückendes Beiwerk sein, um die Regierung im laufenden Geschäft hier und dort ein bisschen zu beraten. Nein, der Innovationsrat sollte von Grund auf neue Ideen bringen, um das alte, ererbte Fundament des Landes, nämlich die Technologiestärke, die die Basis unserer Industriestärke ist, auf zusätzliche, neue Beine zu stellen. Die Regierung hat gespürt – und das ist richtig –, dass es daran bei uns mangelt. Sie selbst ist ratlos gewesen und will sich deswegen diesen Rat einholen.

Um das noch ein bisschen zu verdeutlichen: Das Statistische Landesamt hat vor 14 Tagen einen neuen Bericht herausgebracht, aus dem hervorgeht, dass Baden-Württemberg bei der Existenzgründungsquote Platz 15 unter den 16 Bundesländern einnimmt. Manche haben darauf verwiesen, bei uns sei die Arbeitslosigkeit gering, da werde nicht so viel gegründet. Aber in Bayern ist die Arbeitslosigkeit geringer als bei uns, und Bay ern ist im oberen Drittel dieser Rangliste zu finden, was Gründungen betrifft. Unser anderer Hauptkonkurrent in Bezug auf die Wirtschaftsstärke, der uns schon überholt hat, nämlich Hessen, liegt bei den Gründungsaktivitäten auch ganz weit oben.

Bei Hightechgründungen – dieser spezielle Bereich ist für uns enorm und essenziell wichtig – geht es bei uns steil abwärts. Das wurde unlängst vonseiten der Industrie- und Handelskammern in einer Studie dargestellt. Das ZEW hat in einer sehr ausführlichen Regionalstudie festgestellt: Bei Hightechgründungen nimmt die Region München Platz 1 ein, die Region Stuttgart Platz 28, die Region Karlsruhe übrigens Platz 19. Das ist auch nicht besonders gut, aber besser. Die Region Stuttgart ist noch immer die Technologieregion Nummer 1 in Baden-Württemberg, obwohl sich Karlsruhe – gottlob und glücklicherweise; darüber freuen wir uns sehr – in Szene setzt. Aber das sind keine Daten und Werte, die dem Land BadenWürttemberg angemessen wären.

(Beifall bei der SPD)

Baden-Württemberg als stärkstes Industrieland muss sich an seinen eigenen Maßstäben ausrichten, und diese Maßstäbe sind hoch. Wenn wir die hohen Maßstäbe nicht erfüllen, dann ist das nicht gut für unser Land.

Bei den Patenten sind wir gerade noch vorn, aber 90 % der Patente werden von acht oder neun großen Unternehmen angemeldet. Allein Daimler und Bosch – nur diese zwei Unternehmen – stehen für zwei Drittel aller Patentanmeldungen gerade. Und gerade wurde von IHK-Seite darauf hingewiesen, dass beim Mittelstand die Zahl der Patentanmeldungen rückläufig ist – neuerdings sogar stark rückläufig.

Experten sagen zu Stuttgart und Baden-Württemberg: Das ist eine industriestarke Region, das ist ein industriestarkes Land. Aber das gilt für die reifen Technologien – so nennt man das – und nicht für die Zukunftstechnologien. Reife Technologien sind die, die vom Grund her schon lange, weit in der Vergangenheit entwickelt worden sind, die aber eine geringe Wertschöpfung in der Zukunft versprechen. Alle Indikatoren weisen auf dieses Problem hin.

Vielleicht noch ein Punkt, der mir erst kürzlich zu denken gegeben hat: Die Fraunhofer-Institute sind bei uns sehr wichtig – gerade für den Zusammenhang zwischen Forschung und Entwicklung. Es hat in den letzten 25 Jahren 35 Neugründungen von Fraunhofer-Instituten gegeben. Von diesen 35 sind eine ganze Reihe, nämlich gut die Hälfte, in den neuen Bundesländern entstanden. Das ist verständlich und richtig. Gut 15 davon sind in den alten Bundesländern entstanden, aber kein einziges davon in Baden-Württemberg.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Weil wir schon ganz viele haben!)

Die Fraunhofer-Institute werden aber nicht so angesiedelt, dass eine Gleichverteilung im Bundesgebiet entsteht. Das war noch nie so. Deswegen haben wir früher viele bekommen. Aber unsere Fraunhofer-Institute sind vielfach 40, 50 Jahre alt oder noch älter. Im letzten Vierteljahrhundert ist kein neues dazugekommen. Diese Fraunhofer-Institute werden immer in Anlehnung an die Themen der „Forschungsfront“, also an das, was gerade die Speerspitze der neuen Forschung ist, gegründet. Das letzte Fraunhofer-Institut ist bei uns übrigens im Jahr 1981 „ans Netz gegangen“.

Ein anderer Punkt: Gemeinden beginnen jetzt damit, Jugendforschungszentren zu gründen, um Jugendliche für Forschung

zu interessieren. Bislang gibt es vier solcher Zentren in Baden-Württemberg. Eines davon – es ist schon etwas älter – bekommt vom Kultusministerium auch entsprechende Deputate zur Betreuung der Jugendlichen. Bei den drei anderen ist das jedoch nicht der Fall. Das muss schleunigst geändert werden, damit wir die jungen Leute stärker für die Forschung interessieren können.

Zum Thema „Innovations- und Technologiepolitik“ gehört noch vieles dazu. Ich wollte mit meinen Ausführungen jedoch zunächst einmal den Antrag begründen. Er ist zwar schon etwas älter,

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

aber das Anliegen ist noch nicht so weit verwirklicht worden, wie es wünschenswert wäre. Wir müssen da noch eine Menge tun, und ich werde nachher auch noch einiges dazu sagen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler für die Fraktion der CDU.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein sehr guter Mann!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine starke Wirtschaft, exzellente Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind beste Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und globale Wettbewerbsfähigkeit. Unser Land ist da gut aufgestellt. 4,2 % des Bruttoinlandsprodukts investieren Wirtschaft und Staat in Forschung und Entwicklung. Damit stehen wir in Deutschland und Europa in der ersten Startreihe.

Wir schwächeln nicht, Herr Kollege Prewo;

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Doch! Wir schwächeln sogar sehr!)

wir wollen diese Spitzenposition halten und ausbauen. Nur wenn es uns gelingt, die Innovationskraft und Dynamik von Zukunftsmärkten und Zukunftstechnologien zu antizipieren, anzustoßen und zu entwickeln, können wir Wertschöpfungspotenziale freisetzen und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und damit Beschäftigung gewährleisten.

Ein Schlüssel dafür ist, dass wir die facettenreichen Prozesse der Diffusion und Verbreitung von Technologien zur wirtschaftlichen Nutzbarmachung fördern. Die kürzer werdenden Halbwertszeiten von Technologien und des zugehörigen Know-hows durch immer kürzere Produktlebenszyklen stellen immer höhere Anforderungen an den komplexen Mechanismus eines effizienten Technologietransfers. Transfer heißt nicht Einbahnstraße; auch Industrie und Mittelstand sind gefordert, Impulse zu setzen. Wir wollen einen wechselseitigen und interaktiven Transferprozess; wir wollen Technologietransfer auf horizontaler und vertikaler Ebene.

(Abg. Ute Vogt SPD: Das klingt ja gescheit, aber da- hinter steckt leider nichts!)

Doch. Die Potenziale sind da; jetzt gilt es, sie zu nutzen. Auf der Klaviatur des Instruments Technologietransfer kann und soll die Politik nicht alleine spielen, Kollege Prewo. Richtig ist, dass die Mitspieler nicht nur aus den Reihen der Naturwissenschaftler und Professoren kommen, und richtig ist auch, dass Technologietransfer als interdisziplinäre Aufgabe einer interdisziplinären Vernetzung bedarf, die bei hoch kompetenten Akteuren aus Unternehmen, Wirtschaftsverbänden, Kammern, Kommunen, Gewerkschaften, Betriebsräten, aber auch aus Kirche und Kultur in besten Händen liegt.

Ein solches Gremium ist der Innovationsrat. Seine Aufgabe ist es, die Regierung darin zu beraten, Handlungsfelder für Innovationspotenziale auszuweisen und Prioritäten dafür festzulegen, Strategien und Umsetzungskonzepte für Innovationsanreize zu entwickeln und Vorschläge zu unterbreiten, wie wir unsere wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten verbessern und Innovationshemmnisse abbauen können.

Aufgabe der Politik ist es dann, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Also los!)

Mir ist nicht klar, ob die SPD das Potenzial von Innovationen und Technologietransfer vollumfänglich erkannt hat.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Sie kritisiert in einer Pressemitteilung, der Innovationsrat schaffe widersprüchliche Strukturen, und die Regierung berate sich selbst.

Wir wollen mit den Adlern fliegen; die SPD will mit den Hühnern scharren. Das unterscheidet uns. Es geht nicht nur darum, junge, innovative Firmen bei ihrer Wachstumsfinanzierung zu unterstützen, sondern auch darum, mit dem Innovationsrat ein Modul im Innovationskonzept der Landesregierung zu verankern, das sich mit strategischen Innovations- und Transferkonzepten beschäftigt, die auf allen gesellschaftlichen Ebenen Wirkung entfalten.

Nur so steigern wir unser Wirtschaftswachstum und den Wohlstand der Bürger.

Seit der letzten Woche liegt die erste Zwischenbilanz des Innovationsrats vor. Der Rat schlägt vor, das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung zu stärken und auszubauen, weitere Forschungskooperationen nach dem Modell „Industry on Campus“ zu gründen, einen Kreativitäts- und Innovationsring zu gründen und zu ermitteln, wie die Kooperationsprojekte zu finanzieren sind. Wir werden diese Vorschläge analysieren und umsetzen.

Weil die Zahl der Hochschulabsolventen in den MINT-Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik bis zum Jahr 2020 nicht ausreichen wird, um den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt zu decken, jetzt aber wegen der aktuellen Krise der Fachkräftemangel temporär überdeckt ist, schlägt der Innovationsrat vor, für MINT-Absolventen – es geht um etwa 500 – vorübergehend Beschäftigungsmöglichkeiten an den Hochschulen anzubieten. Die Industrie will auch diese Maßnahmen kofinanzieren. Die Grünen haben das natürlich gleich kritisiert

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Nein! Wir haben es begrüßt!)

und fordern, diese Beschäftigungsmöglichkeiten müssten allen Studenten aller Fachrichtungen offenstehen. Der Abwerbedruck auf MINT-Absolventen ist aber ungleich höher als auf Geisteswissenschaftler. Uns ist wichtig, qualifizierte Naturwissenschaftler im Land zu halten, damit sie beim wirtschaftlichen Aufschwung sukzessive in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Bei diesem Vorschlag geht es nicht um Beschäftigungspolitik, sondern um Wirtschaftsförderung.

Bevor der Innovationsrat im Herbst 2010 seinen Abschlussbericht vorlegt, wird er sich mit den Themen Ökologie und Ökonomie sowie mit der Steigerung der Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen befassen. Seine Erkenntnisse sind ein Gewinn für unser Land. Meine Fraktion spricht allen Mitgliedern des Innovationsrats Dank und Anerkennung für diese wichtige, zeitintensive und wertvolle Hilfe aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitzmann für die Fraktion GRÜNE.