Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass sich die Länder darauf geeinigt haben, eine gemeinsame Einrichtung in Form einer Stiftung zu schaffen, und hoffen, dass jetzt mehr Ordnung und Übersichtlichkeit in diese Vielfalt kommt.

Wichtig ist uns, dass diese Einrichtung für Hochschulzulassung keine Pflichtveranstaltung ist, sondern dass es sich ausdrücklich um eine Servicestelle handeln soll. Sie muss in Zukunft so attraktiv arbeiten, sie muss ihre Dienste und Beratungsleistungen so attraktiv anbieten, dass die Hochschulen sie auch wirklich nutzen und wahrnehmen und bereit sind, dafür zu bezahlen; so ist das vorgesehen.

Auf diese Freiwilligkeit und den Ansporn, eine leistungsfähige Einrichtung zu werden, hat unser Wissenschaftsminister großen Wert gelegt. Er konnte sich mit diesen Ansprüchen, die für Baden-Württemberg typisch sind, im Konzert der Länder durchsetzen. Dafür sind wir sehr dankbar.

Heute geht es erst einmal darum, dem Staatsvertragsent- wurf zuzustimmen, damit die Stiftung eingerichtet werden kann. Wir hoffen, dass diese Zulassungsstelle im Studienjahr 2011/2012, also dann, wenn der sogenannte doppelte Abitu

rientenjahrgang im Land die Schulen verlässt, funktionstüchtig ist. Das ist ein ehrgeiziges Ziel, denn – wir haben es schon gehört – es muss eine komplexe Software entwickelt und eingerichtet werden. Wir sind aber sehr zuversichtlich, zumal jetzt auch das Fraunhofer-Institut mit im Boot ist.

Wie der Herr Staatssekretär bereits beschrieben hat, wird es drei Etappen geben. Wenn ein Bewerber einen Studienplatz annimmt, muss der zentrale Rechner sofort reagieren, sodass die anderen Plätze, für die sich der Bewerber ebenfalls beworben hatte, wieder freigegeben und damit für andere Bewerber, die auf der Warteliste stehen, zur Verfügung gestellt werden können.

In einer dritten Phase ist nach dem Vorbild der Studienplatzbörse, wie wir sie in Baden-Württemberg übergangsweise schon eingerichtet hatten, bundesweit eine Börse mit den letzten verbliebenen freien Studienplätzen einzurichten.

Die CDU-Fraktion stimmt diesem Staatsvertragsentwurf zu. Wir wünschen dem Vorhaben viel Glück und Erfolg, und wir sind wirklich davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Es geht darum, so viel individuelle Wahlfreiheit wie möglich zu bieten und gleichzeitig eine effiziente, transparente und zügige Abwicklung der bundesweiten Studienplatzvergabe zu garantieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Stober das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! An den baden-württembergischen Universitäten waren im vergangenen Wintersemester 10 % der Studienplätze in zulassungsbeschränkten Studiengängen unbesetzt. Dies ist nicht nur eine unglaubliche Verschwendung von Steuergeldern, sondern nimmt jungen Menschen auch unnötigerweise die Chance, das Studium ihrer Wahl aufzunehmen.

Die Ursache dafür ist das extreme Zulassungschaos. Denn heute vergeben die Hochschulen ihre Studienplätze nicht mehr nur nach Abiturnote und Wartezeit. Vielmehr kann jede einzelne Hochschule ihre eigenen Zulassungskriterien entwickeln. Im Grundsatz ist sicher auch nichts dagegen einzuwenden, den Hochschulen diese Freiheit einzuräumen, sofern die Grundsätze der Chancengleichheit gewahrt werden.

Die logische Konsequenz aus dieser Situation ist jedoch, dass sich fast alle Studierenden gleichzeitig an mehreren Hochschulen bewerben – wir haben es schon gehört –, um ihre Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen. Zum reinen Chaos wurde dies jedoch in den letzten Jahren, weil sich die Hochschulen überhaupt nicht untereinander abgestimmt hatten und jede Hochschule glaubte, ihr eigenes Süppchen kochen zu müssen.

Das heißt: Erstens wurden die Zulassungstermine nicht miteinander abgestimmt, und zweitens haben viele Bewerberinnen und Bewerber mit der Annahme oder Absage eines Studienplatzes logischerweise zumeist so lange wie möglich gewartet, in der Hoffnung, doch noch ein besseres Studienplatz

angebot zu bekommen. Die Folge war, dass Studienplätze über lange Zeiträume hinweg nicht besetzt waren und es darauf aufbauend Nachrückverfahren gab, die unter solch relativ chao tischen Umständen natürlich auch nicht richtig funktionieren konnten.

Bisher hatte man im Wesentlichen versucht, dieses Problem mit Appellen an die Hochschulen und eher halbherzigen Maßnahmen wie Studienplatzbörsen und Ähnlichem in den Griff zu bekommen. Doch alle Appelle haben bislang nicht oder nur wenig gefruchtet. Es gibt daher für uns nur einen Weg: Das ist der Ausbau der bisherigen ZVS zu einer Servicestelle für Hochschulzulassung,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: So ist es!)

wie es nun auf der Basis des vorliegenden Staatsvertrags geplant ist.

Richtig ist auch, dass die neue Servicestelle die Aufgaben der bisherigen ZVS vollumfänglich übernimmt und für die zentrale Vergabe der Studienplätze in den Fächern zuständig bleibt, in denen die Zahl der Bewerber die Zahl der angebotenen Studienplätze bundesweit übersteigt. Das heißt, in den Studiengängen Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin, Pharmazie und Psychologie, die derzeit im zentralen Vergabeverfahren sind, übernimmt die nun neu zu gründende Einrichtung quasi als Länder-ZVS diese Aufgabe.

Von der Abschaffung der ZVS, wie sie insbesondere von der FDP immer propagiert wurde, kann daher beim besten Willen keine Rede sein.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das kommt ja noch!)

Im Gegenteil: Die realen Verhältnisse zwingen die FDP dazu, der von ihr ewig als Bürokratiemonster denunzierten Einrichtung nun neues Leben einzuhauchen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Genau so ist es!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist nun aber, dass diese neue Länder-ZVS ihre eigentlichen Aufgaben übernehmen kann. Dazu müssen unseres Erachtens jedoch zwei Voraussetzungen zwingend erfüllt sein.

Erstens – der Herr Staatssekretär hat es bereits angesprochen –: Das geplante Onlineportal muss so schnell wie möglich fertig werden. Es ist für 2011 geplant. Sie haben gesagt, das Pflichtenheft stehe mehr oder weniger. Wir wünschen uns, dass es möglichst zügig eingerichtet wird. Ich darf als Informatiker, der in seinem Berufsleben durchaus mit Problemen dieser Komplexität zu tun hatte, sagen: Für mich sind diese zwei Jahre eigentlich eine lange Zeit. Man kann nichts erzwingen, aber ich wünsche mir, dass das Ganze möglichst zügig eingerichtet wird und möglichst stabil läuft, damit es im Interesse von uns allen anlaufen kann.

Das Zweite, was aber natürlich auch wichtig ist: Die Hochschulen müssen sich an diesem Verfahren beteiligen, und zwar alle. Ansonsten macht dieses Verfahren keinen Sinn.

Sorge haben wir dabei insbesondere, dass diese letzte Forderung nicht oder nur zum Teil erfüllt wird. Denn auf einen Antrag der Grünen hin hat Minister Frankenberg zuletzt erklärt,

das jetzt konzipierte Modell eines Serviceverfahrens dürfte so attraktiv sein, dass es von den Hochschulen genutzt wird. Das können wir zwar hoffen; eine Sicherheit dafür haben wir aber beim besten Willen nicht. Die Gefahr, dass jede Hochschule wieder macht, was sie will, wie z. B. die Universität Mannheim im Hinblick auf den Semesterbeginn, lässt uns ernsthaft zweifeln, ob auch wirklich alle Hochschulen dabei sein werden.

(Abg. Fritz Buschle SPD: Ja!)

Ohne klare Fristen für die Hochschulen zum Erlassen der Zulassungsbescheide und ohne die absolute Akzeptanz dieser Spielregeln wird die neue Länder-ZVS ihrer neuen Dienstleis tungsaufgabe, wie sie in Artikel 4 des Staatsvertrags vorgesehen ist, insbesondere dem Abgleich der Mehrfachzulassungen, niemals gerecht werden können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind optimistisch, dass mit dem neuen Staatsvertrag ein bedeutsamer Schritt in die richtige Richtung getan wird, um das Ziel zu erreichen, die Hochschulzulassungsverfahren zu „entchaotisieren“. Eine konkrete Messgröße wird dabei für uns sein, ob es gelingt, den relativ hohen Anteil an nicht besetzten Studienplätzen in zulassungsbeschränkten Studiengängen von derzeit 10 % deutlich zu senken.

Nicht nachvollziehbar ist für uns aber, warum die Landesregierung dem Landtag erst nach fünf Jahren einen Bericht über die Erfahrungen mit dem neuen Serviceverfahren vorzulegen haben soll. Dies hat nach unserer festen Überzeugung jährlich zu erfolgen, wenn die Studierendenzahlen für das aktuelle Wintersemester vorliegen. Schließlich kann eine kontinuierliche Evaluation dem Erfolg des neuen Serviceverfahrens nur guttun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE darf ich Herrn Abg. Walter das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die heutige Debatte ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was wir in den nächsten Monaten, vielleicht auch Jahren in Deutschland erleben werden. Die FDP muss von ihren großen Versprechungen weit abrücken. Die Maulhelden werden ganz kleinlaut werden.

Ich erinnere nur daran, was uns der Kollege Bachmann seit Jahren versprochen hat.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Ihnen sicher nichts!)

Nein, Sie haben mir persönlich nichts versprochen. Das ist mir auch ganz recht so.

Der Kollege Bachmann hat hier im November 2006 einmal gesagt:

Die ZVS gehört ebenso in das Haus der Geschichte wie die Kultusministerkonferenz und das Bundesbildungsministerium.

In vier Wochen, meine Damen und Herren, wenn der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb in Berlin vorliegen wird, werden wir einmal sehen, was aus diesen drei Einrichtungen – eine ist ja aus Ihrer Sicht schon reanimiert worden – letztlich wird.

(Zuruf des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Die anderen werden auch weiter bestehen. – Herr Kollege Bachmann, als Prophet sind Sie schon jetzt gnadenlos gescheitert.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD)

Auf jeden Fall werden wir mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis nehmen, dass Herr Kollege Bachmann und alle anderen, die hier jahrelang gegen die ZVS polemisiert haben, einem Staatsvertrag zustimmen, dem sie nach dem, was wir jahrelang von Ihnen gehört haben, eigentlich nie hätten zustimmen dürfen.

Uns wundert allerdings – da wir wissen, dass der Herr Minis terpräsident dem Staatsvertrag zu dieser neuen Serviceeinrichtung schon im Juni 2008 zugestimmt hat –, warum es dann bis Oktober 2009 dauert, bis wir unsere Zustimmung zu dem Staatsvertrag erteilen sollen. Etwas mehr Schnelligkeit kann man in diesem Sinn doch wohl erwarten. Wir sind im Prinzip für Entschleunigung, aber in diesem Fall war das sicherlich nicht der richtige Weg.

Ich möchte daran erinnern, meine Damen und Herren, dass meine Kollegin Bauer schon im Jahr 2003 hier und auch mit einem Antrag gefordert hat, die ZVS umzubauen, weg von einer bürokratischen Verteilerinstanz – so weit waren wir uns einig, Herr Kollege Bachmann – hin zu einer bundesweiten Serviceeinrichtung. Das ist genau das, was wir jetzt bekommen. Es geht um ein besseres Zulassungs- und ein besseres Auswahlverfahren.

Wir waren schon lange der Überzeugung, dass auch der dezentrale Hochschulzugang nicht ohne bundesweite Abstimmung und Koordination erfolgen kann. Das, was Kollege Stober angesprochen hat, nämlich das Chaos, das jahrelang herrschte, weil man glaubte, das sei allein durch die Hochschulen zu lösen, wird nun endlich beseitigt.

Die Kulturministerkonferenz brauchte bis 2007, um sich auf einen Entwurf zu verständigen. Hier ist wirklich viel Zeit verloren gegangen, Zeit, die effektiver hätte genutzt werden müssen. Dann ist im Hinblick auf den Staatsvertrag leider von den Finanzministern gebremst worden. Schließlich gab es vor einem Jahr noch einmal ein Riesentheater, als sich die Hochschulen weigerten, sich auf dieses neue Verfahren einzulassen.