Die Kulturministerkonferenz brauchte bis 2007, um sich auf einen Entwurf zu verständigen. Hier ist wirklich viel Zeit verloren gegangen, Zeit, die effektiver hätte genutzt werden müssen. Dann ist im Hinblick auf den Staatsvertrag leider von den Finanzministern gebremst worden. Schließlich gab es vor einem Jahr noch einmal ein Riesentheater, als sich die Hochschulen weigerten, sich auf dieses neue Verfahren einzulassen.
Als das Chaos, das ich schon angesprochen habe, endgültig ausgebrochen war, gab es allerdings die normative Kraft des Faktischen. Als man dann gemerkt hat, dass es so nicht weitergehen kann, ist man endlich vernünftig geworden und hat sich auf das jetzt vorgesehene Verfahren, auf die Einrichtung dieser Servicestelle eingelassen. Es musste erst der Nachweis erbracht werden, dass das, was viele Fachleute prophezeit haben – dass es nämlich, wenn wir keine zentrale Stelle haben, zu einem Chaos kommt –, tatsächlich eintritt. Es gab verspä
tet ergehende Zulassungsbescheide, Nachrückverfahren lange nach Vorlesungsbeginn, und 10 bis 15 % der Studienplätze wurden gar nicht besetzt. So konnte es tatsächlich nicht weitergehen.
Es wäre nun vermessen, zu sagen, dass die jetzt vorgesehene Serviceeinrichtung alle Probleme lösen würde. Aber sie ist ein deutlicher Fortschritt für die Hochschulen, vor allem auch für die Studienbewerberinnen und Studienbewerber. Sie führt zu mehr Koordination, sie bringt mehr Standards in die Bewerbungsverfahren, sie führt zu mehr Transparenz und mehr Verlässlichkeit. Hoffentlich, Herr Kollege Bachmann, verringert sie auch den bürokratischen Aufwand und die Kosten. In dieser Frage waren wir uns ausnahmsweise auch mit Ihnen einig.
Wir freuen uns auf jeden Fall über die späte Einsicht und sind sicher, dass manches demnächst in das Haus der Geschichte kommt. Aber das wird nicht die ZVS neu sein, sondern das werden eher die Sprüche der FDP sein.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzetle! Jetzt or- dentlich zur Sache! Jetzt kommt ein politischer Vor- trag!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Stober, wir haben die ZVS nicht denunziert; unser Bundesvorsitzender hat sie immer am 6. Januar – ein Haus weiter – „angemessen gewürdigt“, und zwar als Bürokratiemonster. Wir haben es gar nicht nötig, uns in irgendwelchen Hinterzimmern als Denunzianten zu betätigen. Wir äußern so etwas ganz offen. Wir haben damit ja heute auch Erfolg.
Denn die „Studenten-Landverschickung“, die wir heute abschaffen und endgültig zu Grabe tragen – das hat Ihnen die Kollegin Kurtz zutreffend geschildert –, dieser Unsinn, dass Menschen nicht entscheiden dürfen, wo sie studieren, und Hochschulen nicht entscheiden dürfen, wen sie aufnehmen, findet heute endgültig ein Ende.
Davon ist ohnehin wenig übrig geblieben. Im Zuge einer langen Geschichte – seit in den Siebzigerjahren andere dieses Bürokratiemonster geschaffen haben –, ist die ZVS alt zunehmend ausgedünnt worden. Darauf hat Kollegin Kurtz völlig zu Recht hingewiesen. Wir sind verfassungsrechtlich gehalten, einen Restbestand zu erhalten, damit dort, wo Mangel herrscht, die Mangelverwaltung ordnungsgemäß abgewickelt werden kann. Dafür brauchen wir das, was heute von der ZVS in die neue Stiftung überführt wird. Ansonsten verschwindet mit der ZVS, mit dem Namen eben auch die „Studenten-Landverschickung“.
(Abg. Johannes Stober SPD: Es bleibt doch genau gleich! Es sind genau die gleichen Absätze wie im Staatsvertrag zur ZVS!)
Lieber Herr Kollege Walter, Sie haben es zutreffend geschildert: Ab der Billigung des Staatsvertrags ist es schlicht und ergreifend so, dass die ZVS in ihrer neuen Funktion als Servicestelle ganz unterschiedliche Dienstleistungen anbietet. Da ist zunächst einmal die von uns von vornherein auch als notwendig erkannte Funktion des Abgleichens zu nennen. Wie man diese Funktion wahrnimmt, ob man dafür eine große Behörde braucht, ist eine andere Frage. Ich danke dem Staatssekretär ausdrücklich für den Hinweis, dass wir gemeinsam versuchen werden, mit allen Ländern – das geht ja nur im Konsens – weiterhin Personal und Aufgaben zurückzuführen. Das ist sogar Ihnen, lieber Herr Kollege Walter, ein Anliegen. Das müssen wir versuchen.
Übrig bleibt die Aufgabe, den Universitäten und den Studierenden zu signalisieren, wann ein Studienplatz besetzt ist. Das stellt auch nicht das Verfahren infrage, das wir haben – dass nämlich die Studierenden ihre Hochschule selbst und die Hochschulen ihre Studierenden aussuchen dürfen –, sondern das ist lediglich eine vereinfachte Form des Abgleichs, den wir notwendigerweise brauchen.
Die neue Stiftung wird weitere Funktionen haben. So mag es durchaus sein – wir halten das auch für sinnvoll –, dass dort z. B. Testverfahren entwickelt werden. Wir kennen das vom TOEFL-Test für Englisch und von anderen Tests: Es ist nicht sinnvoll, wenn jeder seine eigenen Tests entwickelt und jeder andere Tests durchführt.
Bei vielen Tests ist eine gewisse Standardisierung notwendig und sinnvoll; z. B. ist unser baden-württembergischer Medizinertest bundesweit auf Anerkennung gestoßen. Warum sollen wir nicht die in der ZVS noch vorhandene Kompetenz für solche Dinge nutzen, wenn wir schon diesen Beamtenapparat nach dem Königsteiner Schlüssel weiter finanzieren müssen?
Bleibt das restliche Angebot. Die ZVS bietet nämlich an – wir sind froh, dass die Hochschulen frei darüber entscheiden können, ob sie so etwas annehmen oder nicht –, von der Einreichung einer Bewerbung für einen Studienplatz bis zum Versand der Immatrikulationsunterlagen alles zu übernehmen. Das ist also nicht nur die ZVS alt, sondern auch die Servicestelle, die mit diesem Programm eine vollständige Universitätsverwaltung ersetzen würde, lieber Kollege Stober.
Das ist Gott sei Dank freiwillig. Sie wollen ja Zwang einführen, während wir immer für Freiwilligkeit sind.
Dieses Verfahren birgt die Gefahr, dass wieder ein bürokratisches Monster geschaffen wird, dass von der Wiege bis zur Bahre, von der Erstbewerbung der Studierenden bis zur Zuteilung eines Studienplatzes
alles zentral von Dortmund aus erfolgt. Wir wollen das nicht. Wir sind Minister Frankenberg außerordentlich dankbar dafür, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen; denn wir wollen Exzellenz. Exzellenz entsteht nur durch Freiheit, durch die Freiheit der Studierenden, sich auszusuchen, wo sie studieren wollen, und durch die Freiheit der Hochschulen, sich auszusuchen, wer zu ihrem ganz spezifischen Angebot passt.
Kollegin Kurtz hat darauf hingewiesen: Die Studiengänge sind doch nicht mehr dieselben wie unter der alten Einheitsbreiausbildung, die Sie, lieber Kollege Stober, offenbar wieder wollen; sie sind doch nicht mehr wie früher. Sie sind sehr individuell; sie sind ganz unterschiedlich. Deswegen können wir sie auch nicht wie Einheitsbrei verteilen.
Diese Freiheit zu erhalten, sicherzustellen, dass Hochschulen und Studierende die gesamte Wahlfreiheit haben, ist unser Ziel. Wir werden in den Ausschussberatungen noch gemeinsam darüber nachdenken, wie wir sicherstellen, dass mit den Berichten auch tatsächlich eine vernünftige Evaluierung stattfinden kann. Ich bin dem Staatssekretär dankbar, dass er hier Flexibilität angekündigt hat. Wir werden sicher noch darüber sprechen, ob das erst nach fünf Jahren sein muss. Aber jährlich? Herr Kollege Stober, so schön das Thema ist: Wollen Sie wirklich jedes Jahr darüber reden? Doch nicht ernsthaft.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wurde vorgeschlagen, den Gesetzentwurf Drucksache 14/5170 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu überweisen. – Sie stimmen der Überweisung zu.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Errichtung und zum Betrieb einer EthylenRohrleitungsanlage in Baden-Württemberg (Baden- Württembergisches Ethylen-Rohrleitungsgesetz) – Drucksache 14/5171
Das Präsidium hat Folgendes festgelegt: Nach der Begründung durch die Regierung erfolgt eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Der vom Ministerrat am 29. September 2009 beschlossene Gesetzentwurf zur Errichtung und zum Betrieb einer Ethylen-Rohrleitungsanlage in unserem Land ist ein wichtiger Schritt zur Realisierung eines bedeutenden Infrastrukturprojekts der Firma Ethylen-Pipeline Süd.
Die Pipeline soll auf einer Länge von insgesamt 364 km das bayerische Chemiedreieck bei Burghausen mit der BASF in Ludwigshafen verbinden. Sie verläuft 186 km über badenwürttembergisches Landesgebiet. Die Pipeline dient dem sicheren und umweltfreundlichen Transport von Ethylen, einem wichtigen Grundstoff für die Herstellung von Kunststoffen. Im transeuropäischen Ethylen-Pipelinenetz schließt sie eine Lücke zwischen Westeuropa und Mittel- und Osteuropa. Der Pipeline kommt somit eine zukunftweisende Funktion in einem europaweiten Ethylen-Pipelinenetz zu.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Investitionen von privater Seite besonders wertvoll. Hier handelt es sich um eine Investition in dreistelliger Millionenhöhe. Dies ist eine Investition, die in Baden-Württemberg zunächst direkte Inves titionen in Höhe von 70 Millionen € nach sich ziehen wird. Nutznießer sind beispielsweise das Baugewerbe, Materialzulieferer, Maschinenverleiher und weitere Dienstleistungsunternehmen.
Während der Bauzeit sind 200 Menschen eingebunden. Auch mittel- und langfristig werden für unseren Wirtschaftsstandort positive Impulse gesetzt. Konkret trägt die Pipeline zu Folgendem bei: zum Ausbau und zur Stärkung des Chemie- und Petrochemiestandorts Baden-Württemberg, insbesondere durch die langfristige Sicherung der MiRO in Karlsruhe und der mit ihr zusammenhängenden 1 600 Arbeitsplätze, zur Sicherung und Erweiterung von Arbeitsplätzen im Chemie cluster Karlsruhe–Mannheim–Ludwigshafen, zur möglichen Ansiedlung neuer Unternehmen entlang der Pipeline, zur langfristigen Sicherstellung der Kunststoffversorgung für die baden-württembergische Industrie und zum mit Abstand umweltfreundlichsten und sichersten Transport von Ethylen.
Meine Damen und Herren, zur Realisierung des Projekts sind entlang der Trasse über unser Landesgebiet mit den Eigentümern und Bewirtschaftern von 5 762 Flurstücken Gestattungsverträge abzuschließen und Bauerlaubnisse einzuholen. Die Landesregierung hat im bisherigen Verlauf des Projekts immer klar zum Ausdruck gebracht, dass anstehende Verhandlungen auf freiwilliger Basis mit für alle Seiten tragfähigen Ergebnissen zu erfolgen haben. Ein Wegerechtsgesetz war für die Landesregierung immer die Ultima Ratio.
Mittlerweile liegen für rund 88 % der Fälle die erforderlichen Verträge auf freiwilliger Basis vor. Es hat sich gezeigt, dass trotz intensiver Verhandlungen seitens des Projektträgers der Erwerb aller für den Bau und den Betrieb erforderlichen Grundstücke nicht zu erwarten ist. Damit verbunden wächst aber auch die Gefahr eines Scheiterns dieses wichtigen Projekts.
Die Landesregierung will aus diesem Blickwinkel heraus mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nunmehr den Weg frei machen, um Wegerechtsverfahren einzuleiten – dies aber ausdrücklich weiterhin nur in den Fällen, bei denen der freiwillige Erwerb der benötigten Grundstücke trotz intensiver Verhandlungen nicht gelingt. Das ist im Gesetz ausdrücklich so vorgesehen.
Dabei geht es um die Belastung von Grundstücken mit persönlichen Dienstbarkeiten gegen Entschädigung. Grund und Boden verbleiben in Privateigentum und sind im Wesentlichen wieder im vorherigen Umfang nutzbar.
Die Landesregierung hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, da es sich ein um privatwirtschaftliches Projekt handelt. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Hürden und vor dem Hintergrund des Boxberg-Urteils haben wir die Verfassungsmäßigkeit eines entsprechenden Gesetzes sehr sorgfältig geprüft.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist schon einmal gut!)
Die Landesregierung ist zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Gesetz zur Errichtung und zum Betrieb einer Ethylen-Rohrleitungsanlage in Baden-Württemberg grundsätzlich zulässig ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend anmerken, dass ich die grundsätzlich positive Haltung aller Fraktionen des Landtags zum Projekt Ethylen-Pipeline Süd mit Freude zur Kenntnis nehme.