Protokoll der Sitzung vom 08.10.2009

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist eine richtige Aufbruchstimmung!)

Das zeigt, dass das Projekt bestimmt im Interesse aller und damit im Interesse unseres gesamten Landes ist.

Ich danke Ihnen und bitte Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Bravo! Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetz zur Errichtung und zum Betrieb einer Ethylen-Rohrleitungsanlage in Baden-Württemberg werden die Voraussetzungen für die Gewährung von Wegerechten für einen privaten Betreiber geschaffen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Durch ein Rohrleitungsnetz, das allen offensteht – Common Carrier heißt das auf Neuschwäbisch –, soll Ethylen fließen, das bei der Aufspaltung von Rohbenzin entsteht und ein Grundstoff für die meisten Kunststoffe ist. Der in BadenWürttemberg liegende knapp 190 km lange Teil der Pipeline führt von der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz bis nach Bay ern und berührt dabei etwa 5 800 Grundstücke in unserem Land.

Wir haben es uns in der Tat nicht leicht gemacht, weil wir mit diesem Rohrleitungsgesetz zugunsten eines privaten Unternehmers in das Eigentum unserer Bürger eingreifen. Eigentum ist die Achillesferse, aber auch das Rückgrat unserer Freiheit. Der Staat ist daher gut beraten, nicht jeder Versuchung nachzugeben, die das Grundrecht auf Eigentum einschränkt. Dies passt nicht in unsere Wirtschaftskultur.

Stand heute haben sich fast 90 % der Grundstückseigentümer mit der Firma EPS geeinigt. Ich respektiere, dass Bürger aus unterschiedlichsten Gründen ein Wegerecht ablehnen. Unbestritten ist aber: Die Pipeline hat für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg eine überragende Bedeutung. Mit dieser Pipeline wird nicht nur der Chemiecluster Karlsruhe–Mannheim–Ludwigshafen an einen nordwesteuropäischen EthylenVerbund angeschlossen, sondern sie fördert wie eine Nabelschnur auch in strukturschwächeren Gebieten eine Infrastruktur zur Ansiedlung von Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette Ethylen.

Dies sichert die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Chemie- und Petrochemiestandorte in unserem Land und schafft Tausende neuer und zukunftssicherer Arbeitsplätze. Gleichzeitig wird die Sicherheit der Versorgung mit Kunststoffprodukten erhöht, die im täglichen Leben nicht mehr wegzudenken sind, sei es für die Landwirtschaft, die Medizintechnik oder die Automobilindustrie.

Der Transport durch eine unterirdische Pipeline ist umweltschonender und sicherer als der Transport über Schiene und Straße. Dafür investiert EPS 200 Millionen €, ein privates Konjunkturprogramm, das nachhaltiges Wachstum bei uns verspricht, ohne dass Mittel des Landes fließen. Erwähnt sei nur, dass der Freistaat Bayern diese Rohrleitung sogar mit 45 Millionen € subventioniert hat.

Unser Ministerpräsident hat nie die Enteignungskeule ausgepackt. Er hat vielmehr darauf gedrängt, dass EPS mit den Bürgern und den Kommunen Verhandlungen führt, die Betroffenen aufklärt, sie angemessen entschädigt und Flexibilität und Entgegenkommen bei der Trassenführung zeigt. Das war richtig und hat dem Rechtsfrieden gedient. So haben sich viele Befürchtungen zerschlagen. Über die Rohre, die vor einem Jahr verlegt wurden, wächst heute wieder Mais.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Dafür danke ich den Verantwortlichen bei EPS und verbinde den Dank mit der Aufforderung, in ihren Anstrengungen, sich vertraglich zu einigen, nicht nachzulassen. Die Enteignung bleibt die Ultima Ratio. Nur wenn eine Einigung nicht möglich ist, kann nach diesem Gesetz zwangsweise eine Dienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen werden. Dabei orientieren wir uns an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Boxberg-Urteil, nach dem Eingriffe in das Eigentum möglich sind, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies zwingend erforderlich macht und das Gesetz den Enteignungszweck bindend festlegt und dauerhaft sichert.

Auch mit den Kommunen ist weitgehend Einigung erzielt worden. Die Klagen gegen die Planfeststellungsbeschlüsse sind entweder erledigt oder werden kurzfristig zurückgenommen.

Noch im März hat die SPD in diesem Haus dicke Backen gemacht und der Regierung nassforsch vorgeworfen, sie würde nichts tun, die Hände in den Schoß legen

(Abg. Johannes Stober SPD: Es hat lange gedau- ert!)

und die Dringlichkeit dieses Projekts verkennen, und dies, obwohl Sie gewusst haben oder es hätten wissen können, dass

in den Niederungen sozialdemokratischer Kommunalpolitik die Bestandskraft der Planfeststellungsbeschlüsse und damit auch die Anwendbarkeit dieses Rohrleitungsgesetzes verhindert werden sollten. Es gibt mir schon zu denken, wenn ein SPD-Bürgermeister gegen die Planfeststellung Sturm läuft,

(Oh-Rufe von der SPD)

obwohl in seiner Gemeinde mehrere Betriebe ansässig sind, die auf Ethylen basierende Produkte verarbeiten.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Gut, in einer großen Volkspartei gibt es immer unterschiedliche Auffassungen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Welche? – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Die werden immer kleiner! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die Pro- bleme werden immer geringer!)

Aber Politik aus einem Guss sieht anders aus. – Das sollte eigentlich ein satirischer Kommentar sein.

(Zurufe: Ach so!)

Die baden-württembergische Rohrleitung als Teil einer nutzeroffenen europäischen Ethylen-Pipelineinfrastruktur ist unverzichtbar. Würde das Projekt scheitern, wäre das mit großen Nachteilen für unser Land verbunden. Deshalb sollten wir jetzt zügig vorangehen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Überlegt vorangehen, nicht zügig!)

Die Vorteile übersteigen bei Weitem die privaten Interessen der Betreibergesellschaft und fördern nachhaltig die volkswirtschaftliche Entwicklung der chemischen Industrie und verwandter Sektoren in unserem Land. Die CDU spricht sich daher für dieses Gesetz aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke und Dietmar Bachmann FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Prewo für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es hier schlicht und einfach mit einer Leitung, einer Rohrleitung zu tun. Wir haben viele solcher Leitungen im Land. Das ganze Land ist voll von solchen Leitungen –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Manche sind ziemlich lang! – Heiterkeit)

zwar nicht für Ethylen, aber für Gas, für Breitbandnetze – sowie von Straßen, Autobahnen und Schienenwegen; all das sind Leitungsnetze oder Leitungsbänder. Man braucht einfach einen sauberen Ordnungsrahmen, wenn man das herstellen will und dabei private Grundstücke berührt.

Die große industriepolitische Bedeutung dieser Pipeline ist unbestritten. Wir haben immer darauf hingewiesen. Enthalten

muss dieser Ordnungsrahmen erstens die zwingenden Gründe, warum private Grundstücke in Anspruch genommen werden, zweitens die Verpflichtung, dass stets der jeweils schonendste Eingriff vorgesehen wird, und zwar unter Berücksichtigung und Prüfung der Alternativen, drittens eine Verpflichtung zum fairen und wertgerechten Ausgleich und viertens eine Pflicht zu einem konsensorientierten und transparenten Verfahren. Das gehört zu diesem Ordnungsrahmen dazu.

Die SPD hat nie die Position vertreten, dass zu irgendeinem frühen Zeitpunkt enteignet werden muss – nie und nimmer.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Natürlich! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hoi, hoi, hoi! Ihr wollt doch alles enteignen! – Gegenruf von der SPD: Sicher nicht!)

Nein. Für uns ist Enteignung immer die Ultima Ratio, wie es gesagt worden ist. Aber von Anfang des Verfahrens an muss ein Ordnungsrahmen für alle Beteiligten da sein, damit sie eine berechenbare Grundlage haben, an der sie sich orientieren können, und damit sie wissen, wo die Messlatte ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist entscheidend, und das gehört zum alten liberalen Staatsverständnis.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Davon verstehen Sie nichts!)

Herr Kollege Kluck, darüber können wir uns gern einmal näher unterhalten.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wenn er ein- mal viel Zeit hat!)

Wenn er einmal etwas Zeit hat, können wir das tun oder auch nicht. Er braucht es ja nicht, aber er versteht offensichtlich nicht besonders viel davon.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das hat mir noch nie- mand gesagt!)

Was wir hier erlebt haben, ist ein ganz, ganz schlechtes Management der Regierung.

(Abg. Winfried Mack CDU: Was?)

Die Regierung hat sich monatelang geweigert, diesen Ordnungsrahmen zu schaffen.