Protokoll der Sitzung vom 04.11.2009

Gehen Sie einmal über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus. Gehen Sie einmal nach Berlin, oder gehen Sie in andere Staaten. Sprechen Sie mit Botschaftern, was ich jeden Tag tue. Was immer an Gesprächswünschen kommt, ist: Können wir Kontakt zu diesem Land Baden-Württemberg aufnehmen? Wir sehen dieses Erfolgsmodell, eine großartige Leistungsbilanz sowohl bei der Bildung als auch in den wichtigen Branchen von Forschung und Entwicklung. Auch hinsichtlich der

Hochschulen wurde eine großartige Bilanz dargestellt – übrigens auch, was Sie angesprochen haben, bei den regenerativen Energien. Die Länder wollen mit baden-württembergischer Forschung zusammenarbeiten, weil dieses Land im Bereich der regenerativen Energien die Nummer 1 ist. Kein anderes Land ist so weit wie Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. An- dreas Stoch SPD: Aber trotz der CDU, nicht wegen ihr!)

Dann haben Sie den Haushalt angesprochen. Natürlich haben wir schwierige Zeiten; das ist doch offenkundig. Während wir in diesem Jahr bundesweit ein Minuswachstum von 5 % haben, wird das Bruttoinlandsprodukt in diesem Land um 8 bis 9 % zurückgehen. Das ist einmalig in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg.

Weil das so ist, ist es, glaube ich, berechtigt, darauf hinzuweisen, dass gerade in dieser schwierigen Zeit die Regierung unter diesem Ministerpräsidenten und mit dieser Fraktion das Schiff sehr verantwortungsvoll gesteuert hat. In dieser schwierigen Zeit haben wir in der Bilanz Zahlen, die zeigen, dass wir gemeinsam mit Bayern die niedrigste Arbeitslosenquote, die geringste Jugendarbeitslosenquote aufweisen.

Natürlich sind wir mit der Brücke der Kurzarbeit weitergekommen. Es gibt auch Punkte, die gut sind und die gemeinsam auf den Weg gebracht wurden – übrigens auch auf der Ebene der Großen Koalition in Berlin. Dazu gehört z. B. die Verlängerung der Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld. Das war ein wichtiger Faktor; das will ich überhaupt nicht verhehlen. Daneben gibt es noch weitere Punkte. Wir sollten das nicht schlechtreden.

Wir sollten hier die vollständige Wahrheit sagen; das ist eine große Herausforderung. Dazu gehört jedoch auch – da kann ich Herrn Kollegen Rülke nur recht geben – die Einsicht, dass wir diesem Land Schaden zufügen würden, wenn wir in einer Situation, in der wir die historische Chance haben, endlich einen direkten Zugang zu einem EU-Kommissar in Brüssel zu finden, diejenigen wären, die Europa herunterreden, die es schlechtreden

(Abg. Norbert Zeller SPD: Es hat doch niemand Eu- ropa schlechtgeredet!)

und die sich nicht darüber freuen.

Ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung als Vorsitzender der Europaministerkonferenz und Vorsitzender des Europaausschus ses des Bundesrats sagen: Alle Länder haben das gemeinsame Interesse, dass sie direkten Kontakt nach Brüssel und nach Straßburg haben, dass sie mit dem Kommissar sprechen können, dass sie die europäischen Fragen – die immer wichtiger werden und die den Bürger direkt vor Ort betreffen – unmittelbar dort besprechen können. Nun haben wir die einmalige Chance, einen direkten Zugang zu bekommen.

Es gibt noch einen weiteren Punkt. Wir haben bisher Zentralisten, und zwar sowohl in Brüssel als auch in Berlin. Ich sage Ihnen eines – das wurde bislang überhaupt nicht angesprochen –: Was mich darüber hinaus freut, ist, dass ein Vertreter des Föderalismus nach Brüssel kommt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Denn wir wollen ein Europa der Regionen haben. Das große Thema ist doch – das haben wir immer wieder gesagt –: Nicht alles in Europa ist auch eine Angelegenheit für Europa. Jetzt haben wir auf der Basis des Lissabon-Vertrags endlich die Chance – deshalb sehe ich den heutigen Tag auch als ein his torisches Datum an; er ist der Tag 1 nach der Unterzeichnung nun auch durch den letzten aller 27 EU-Staaten –, eine Subsidiaritätsrüge auszusprechen, eine Subsidiaritätsklage auf der Basis der neuen Verfassung zu erheben. Da ist es mir zehnmal lieber, als einzigen deutschen Kommissar in Brüssel einen Vertreter des föderalistischen Systems zu haben als einen Zentralisten aus Berlin. Das will ich Ihnen auch sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Ich will nun nur noch stichwortartig und kurz das ansprechen, was im Grunde die Bilanz sein wird, die wir alle miteinander zu beleuchten haben.

Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt erreicht. Die Nullneuverschuldung wurde zwei Jahre lang ohne Kahlschläge realisiert. Ich nenne weiter die Einführung des Versorgungsfonds. Ich nenne das Thema „Kinderland“ und hierbei stellvertretend die Tatsache, dass die Zahl der Betreuungsplätze im Land allein bis zum Jahr 2013 wird verdreifacht werden können. Im Zeitraum von 2006 bis 2008 stieg die Kleinkindbetreuungsquote in Baden-Württemberg bereits von 8 auf 15 %. Ich frage Sie: Ist das nichts?

(Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Dazu kam kein Wort von Ihnen. Das ist eine Bilanz, die diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen auszeichnet.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Unglaublich!)

Deshalb sollten Sie nicht von „Glanzlosigkeit“ sprechen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Al- fred Winkler SPD: Sie wiederholen nur!)

Nehmen Sie die Stärkung der Hochschul- und der Forschungslandschaft. Sie wissen es: Außerhalb Baden-Württembergs erleben wir doch etwas ganz anderes. Hier kommt der Faktor Neid ins Spiel. Denn in diesem Bereich, bei der Exzellenz initiative, ist man neidisch auf Baden-Württemberg. Genauso ist es bei den Bildungsergebnissen und bei den Rankings.

Insofern sollten wir die Stärken betonen, die mit dieser Regierung und damit auch mit diesem Regierungschef zusammenhängen. Bis zum Jahr 2012 werden wir 16 000 neue Studienplätze geschaffen haben. In diesem Land sind drei neue Hochschulstandorte eingerichtet worden. Zudem kennen Sie alle die Ergebnisse der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder, bei der wir führend sind.

Ich nenne – das will ich als Wegbegleiter in Berlin sagen – die Föderalismusreform II. Diese stand auf der Kippe. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle, wenn wir diesem Parlament nicht mehr angehören, diese im Rückblick als einen Meilenstein in der Geschichte der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland bewerten, eine Reform, mit der die Einführung der Schuldenbremse und damit der Name Günther Oettinger zusammenhängen. Herr Kretschmann und Herr Drexler, Sie haben

mitgearbeitet, Sie sind Zeitzeugen dieser Bilanz, die wir bei der Föderalismusreform II in Berlin erzielt haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Natürlich wird in den nächsten Wochen und Monaten auch die Wirtschaftskrise zu bewältigen sein. Zu dieser Bewältigung gehört aber auch, dass dem Land und den Kommunen durch Konjunkturprogramme und Landesinfrastrukturprogramme über 2 Milliarden € zur Verfügung gestellt worden sind.

Ich nenne außerdem die Qualitätsoffensive Bildung. Auch das ist ein Meilenstein; denn durch sie werden 3 200 neue Lehrerstellen geschaffen. Das ist Einsatz für Bildung. Die Rohstoffe Geist und Grips sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit. Diese Regierung und diese Regierungsfraktionen sehen die Zukunft des Landes und damit die Investitionen in die Zukunft als wichtig an. Das sind entscheidende Beiträge dazu.

Im Zusammenhang mit der Infrastruktur möchte ich auch Baden-Württemberg 21 erwähnen. Baden-Württemberg 21 wird mit diesem Parlament, mit dieser Regierung, mit diesem Regierungschef und mit diesen Regierungsfraktionen in Verbindung gebracht, wenn man irgendwann in 26 Minuten vom Flughafen Stuttgart nach Ulm fährt. Wenn wir uns dann treffen und auf die Zeit im Parlament zurückblicken, werden Sie sagen: Donnerwetter, heute sind wir froh, dass wir das geschafft haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Es geht darum, dass wir das Zukunftsland sind. Dazu gehört auch, dass wir das Industrie- und Mittelstandsland sind. Der Mittelstand ist das Herzstück und das Rückgrat gleichermaßen.

Herr Kollege Kretschmann und Herr Kollege Schmiedel, abschließend möchte ich Ihnen sagen: Ich glaube, ich kann beurteilen, was der Einsatz eines Ministerpräsidenten in diesem Land gerade in Krisenzeiten bedeutet hat. Wir sind das Mittelstandsland Nummer 1. 80 % der Ausbildungsplätze, 70 % der Arbeitsplätze, 50 % der Wertschöpfung, 80 % des gewerblichen Steueraufkommens, das leistet unser Mittelstand. Wenn einer tagtäglich – sieben Tage pro Woche und 20 Stunden täglich – für die Industrie und für den Mittelstand unterwegs war, dann war es dieser Ministerpräsident, lieber Herr Kretschmann und lieber Herr Schmiedel.

In einer solchen Stunde sollte auch einmal anerkannt werden – das will ich auch dem zukünftigen Ministerpräsidenten voraussagen –, was es an Entbehrung, an Einsatz und an Leis tungsbereitschaft bedeutet, wenn man dieses Amt annimmt und die Verantwortung so wahrnimmt, wie sie wahrgenommen wurde.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Der Schmiedel weiß das nicht!)

Zum Abschluss möchte ich Ihnen ein kleines Zitat mit auf den Weg geben. Vielleicht kennen Sie denjenigen, der es ausgesprochen hat.

(Abg. Walter Heiler SPD: Rätselraten!)

Ich zitiere:

Die SPD erlebt ohne Zweifel eine Glaubwürdigkeitskrise. Das hat nach meiner Auffassung viel mit dem Bild der Zerstrittenheit zu tun, mit dem … Verfall der Führungskultur … und damit zusammenhängend die … Relativierung von Positionen und Entscheidungen. Das liefert der Bevölkerung kein Bild der Verlässlichkeit und Beständigkeit.

Das hat Peer Steinbrück gesagt, meiner Kenntnis nach ein SPD-Finanzminister in Berlin.

(Zurufe: A. D.!)

A. D. – Deshalb: Wir werden auch in Zukunft genau das Gegenteil davon aufbieten, so, wie wir es bereits in den vergangenen Jahren durch diese Regierung gemacht haben. Wir arbeiten für Verlässlichkeit, wir wollen Beständigkeit. Denn das wollen die Baden-Württembergerinnen und Baden-Würt temberger. Deshalb gelten unser Einsatz und unsere Verantwortung zuerst dem Land.

Ich glaube, wir haben eine gute Bilanz aufzuweisen. Deshalb danken wir dem Ministerpräsidenten und wünschen auch der zukünftigen Führung unter Stefan Mappus alles Gute, weil wir davon überzeugt sind, dass wir in den letzten Tagen geschlossen, entschlossen und verantwortungsvoll für dieses Land gehandelt haben.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schmiedel.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Der macht jetzt wieder alles kaputt! Der Schmid müsste doch jetzt reden! – Weitere Zurufe von der CDU)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Ihnen, Herr Rülke: Wir brauchen da keine Belehrung. Wir wissen schon selbst, dass wir ein unbefriedigendes Wahlergebnis haben.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Aber was wir schon gar nicht brauchen, sind Ratschläge von den Wahlhelden von Pforzheim.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Sie waren doch zu zweit

(Zuruf des Abg. Stefan Mappus CDU)