(Lachen des Abg. Stefan Mappus CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die 38 sind noch im- mer 35 plus x!)
Wenn alles so wäre, wie Sie es schildern: Woher kommt es dann eigentlich, dass so wenig Menschen in Baden-Württemberg bedauern, dass der amtierende Ministerpräsident ausscheidet? Das muss doch irgendeinen Grund haben.
Herr Minister Reinhart, Sie haben nicht den Hauch eines Versuchs unternommen, dies zu verstehen. Sie schieben das einfach weg. Sie haben eine Jubelarie vorgetragen. Sie verstecken sich hinter Statistiken und Tabellen,
die den Blick auf die Realität eher verstellen. Ich will Ihnen sagen, was wir erwarten: Baden-Württemberg ist ein starkes Land, ist von der Tradition her das stärkste Bundesland. Wir erwarten, dass Baden-Württemberg nicht irgendwo steht, nicht irgendwo im oberen Drittel, sondern ganz oben steht. Das ist unsere Erwartung.
In der Zwischenzeit – wir waren einmal ganz oben – haben uns aber als Erstes die Bayern und dann die Hessen überholt. In Europa war es die Region um Mailand, die Lombardei. Die se Region war vor zehn Jahren noch weit, weit hinten, und auch diese Region hat uns in der Wirtschaftsleistung überholt. Damit muss man sich doch auseinandersetzen. Man muss sich fragen: Was muss sich ändern, damit wir die Spitze ganz oben erreichen? Das ist unser Anspruch, und da gibt es einiges zu tun.
Jetzt kommen wir einmal zu einem Thema, das Herr Mappus selbst angesprochen hat und zu dem er sagt: Da haben wir Riesendefizite. Es geht um das Thema Verkehrsinfrastruktur, um die Zuweisung von Mitteln des Bundes. Da sagt er: Da muss mehr passieren. Jetzt frage ich Sie: Wo ist denn die Erfolgsbilanz der Regierung Oettinger, dass wir beim Bund mehr erreicht hätten?
(Abg. Stefan Mappus CDU: Das ist doch nicht Ihr Ernst! Herr Schmiedel, jetzt wird es aber ganz arm- selig!)
Im Gegenteil: Für das Land wurden 1 Milliarde € weniger erreicht. Das ist das, was er vorzuweisen hat.
(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Jetzt wird es ganz armselig! Wer war denn Bundesverkehrsminister?)
Jetzt zitiere ich einmal Herrn Oettinger. Herr Oettinger hat hier gestanden und hat gesagt, er hätte sich nicht träumen lassen, dass durch den Eintritt der CDU in die Bundesregierung 1 Milliarde € weniger an Straßenbaumitteln nach BadenWürttemberg kommen. Das waren seine Worte, und da hat er recht.
Entschuldigung, da spricht Regierung mit Regierung. Andere Regierungen sind beim Durchsetzen ihrer Interessen im Bund erfolgreicher. Das ist übrigens nicht erst mit Oettinger passiert; das war auch schon bei Teufel so. Auch da ist das nicht gelungen. Das ist eine Schwäche dieser Regierung insgesamt.
Alle haben doch erwartet, dass durch den Wechsel von Teufel zu Oettinger die Bedeutung des Landes im Bund steigt. Das war doch die Erwartung, das war doch die Rechtfertigung für den Putsch. Und was ist passiert? Das Gegenteil! Die Bedeutung des Landes ist gesunken. Wir müssen erreichen, dass die Bedeutung des Landes endlich wächst.
Sie haben Forderungen von uns vorgelesen. Diese Forderungen beziehen sich bis auf die Forderung zur inneren Sicherheit auf zwei Komplexe. Der eine Teil der Überschriften betrifft die Frage: Wie kommt das Land besser durch die Krise, was ist da notwendig? Der andere betrifft das Thema „Bildung und Betreuung“.
Dass wir in der Krise etwas tun müssen, ist unbestritten. Wir haben hier ja auch gemeinsam das Konjunkturprogramm beschlossen. Wir haben gemeinsam den Bürgschaftsrahmen erhöht. Es fehlt aber noch – da können Sie sich drehen und wenden und die Melodie vom Staat als Eigenkapitalgeber singen – eine Eigenkapitalunterstützung für unsere mittelständische Wirtschaft, und zwar spätestens im nächsten Frühjahr. Damit muss man jetzt anfangen. Man darf nicht warten, bis Betriebe in die Überschuldung kommen. Es muss Sie doch wachrütteln, wenn schon jetzt ganze Belegschaften z. B. von Esslingen nach Stuttgart kommen, und zwar nicht, um für mehr Lohn zu streiken, um für ihre persönlichen Interessen zu streiken, sondern um deutlich zu machen: „Wir wollen, dass ihr etwas tut, damit unser Unternehmen nicht in die Überschuldung kommt; wir sind Weltmarktführer, aber wir haben jetzt Einbrüche zu verzeichnen, die ans Eigenkapital gehen.“ Da sprechen diese Menschen in Stuttgart, jedenfalls bei Ihrer Seite, in den Wind.
Das muss Sie doch wachrütteln. Lassen Sie uns deshalb vernünftig darüber reden. Es sind nicht wir allein, sondern es sind auch die Vertreter der Wirtschaft und die Gewerkschaften, die das zu Recht einfordern. Wenn wir unsere Spitzenstellung wieder erreichen wollen, dann brauchen wir die Weltmarktführerschaft im Maschinenbau, dann brauchen wir die Zulieferindustrie in Baden-Württemberg. Das ist das Rückgrat unseres Wohlstands. Das ist das Rückgrat für Arbeitsplätze in der Zukunft. Deshalb brauchen wir an dieser Stelle keine ideo logischen Floskeln, sondern tatkräftige Hilfe.
An Ihrer Aufzählung ist eines deutlich geworden: Das alles kostet Geld, und dies in einer Zeit, in der es eh an Steuerein
nahmen fehlt. Zusätzlich wollen Sie Steuern senken. Das ist übrigens sowieso witzig. Sie sagen, die Unternehmen brauch ten, um aus der Krise herauszukommen, steuerliche Erleichterungen. Gehen Sie doch mit mir einmal zur Firma INDEX oder zu anderen, die Auftragseinbrüche um 60 bis 70 % haben.
Wenn es aber hinten und vorn fehlt und Sie zusätzlich noch die Steuern senken, dann gibt es zwei logische Folgen. Die eine ist, zusätzlich in die Schulden gehen zu müssen, und die andere ist, Leistungen des Staates einzusparen. Dann kommen Sie in die Zwickmühle. Dann entsteht genau das, was Sie zitiert haben. Sie haben uns vorgeworfen, dass wir für die Umsetzung des Orientierungsplans eintreten. Wer war denn auf dieses Papier stolz?
Wir haben gesagt: Endlich passiert im Vorschulbereich etwas, was Hand und Fuß hat. Dann muss man es aber auch konsequent und flächendeckend umsetzen.
Allein mit dem, was den Kommunen durch die Steuerpolitik der neuen Regierung in Berlin fehlt, allein damit könnten wir spielend den gesamten Orientierungsplan umsetzen. Das sind die Zusammenhänge, auf die wir aufmerksam machen.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Denen fehlt gar nichts! – Gegenruf des Abg. Walter Heiler SPD: Herr Kluck, jetzt ein wenig ruhig da vorn!)
Herr Reinhart, Sie weisen darauf hin, dass andere Länder zu uns kommen und in der Forschung mit uns zusammenarbeiten wollen. Habe ich das bestritten? Wir haben das ZSW, MaxPlanck-Institute, Fraunhofer-Institute. Wir sind in der Forschung spitze. Es fehlt an Transfer unserer Forschungsergebnisse in Wachstum und Wohlstand in unserem Land. Man kann doch nicht damit zufrieden sein, dass andere Länder zu uns kommen und das abgreifen. Wir wollen, dass es hier umgesetzt wird, damit hier Arbeitsplätze entstehen. Dafür muss man aber eine klare Strategie verfolgen.
Deshalb bleiben wir dabei: Ihre Lobhudelei – immer mit Statistiken rauf und runter zu sagen: wir sind die Schönsten, die Besten, die Klügsten – verstellt den Blick auf die Themen, bei denen wir besser werden müssen. Das ist übrigens auch der Sinn einer Diskussion im Parlament, dass man sich auseinan
dersetzt, diskutiert und am Ende zu dem Ergebnis kommt: Es gibt Punkte, bei denen es Handlungsbedarf gibt. Das wird doch niemand abstreiten. Aber wenn man sich immer hinter Statistiken verschanzt und sagt: „Wir sind sowieso die Tolls ten“ und es geradezu als Majestätsbeleidigung ansieht, wenn jemand irgendetwas kritisch anmerkt, dann verstellt man sich selbst den Blick auf die Realität im Land.
Herr Reinhart, kein Mensch, weder Herr Kretschmann noch ich, hat Europa kritisiert. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen. Ich habe nicht einmal etwas zu der Rolle von Herrn Oettinger in einer Kommission gesagt.