Protokoll der Sitzung vom 05.11.2009

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Tho- mas Oelmayer GRÜNE: Ja, ja! – Zuruf des Abg. Jür- gen Walter GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ökologische Verkehrspolitik bedeutet, dass neue Verkehrsprojekte menschen- und umweltfreundlich geplant werden müssen. Der Ausbau der Rheintalstrecke ist umweltfreundlich, weil das ökologische Verkehrsmittel Bahn dadurch gestärkt wird. Noch ökologischer ist natürlich die Binnenschifffahrt auf dem Rhein. Wir erwarten deshalb, dass Binnenschifffahrt und Bahn verzahnt werden.

Wichtiger als die Umwelt sind uns Liberalen aber die Menschen. Deshalb setzen wir auf Lärmvermeidung und Lärmbündelung. Dies wird bei Baden-Württemberg 21 in vorbildlicher Weise gelingen. Das Projekt Stuttgart 21 als Teilprojekt wird weitgehend unter der Erde in Tunnels verwirklicht, und anders als bei dem Projekt K 21 des geschätzten Kollegen Wölfle und seiner Fraktion nehmen wir damit Rücksicht auf die Menschen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

In einem Tunnel entstehenden Lärm hört man nämlich über der Erde nicht,

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

wohingegen es bei einem Kopfbahnhof sehr wohl schön laut ist. Auf der übrigen Strecke wird die Trassenführung entlang der A 8 den Lärm bündeln.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wer zahlt es denn?)

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kollegen von den Grünen: Was für Württemberg recht ist, muss für Baden billig sein.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Wir haben uns von Anfang an für Lärmvermeidung und Lärmbündelung auch im Rheintal stark gemacht. Für uns heißt dies konkret, dass im Bereich Offenburg die Tunnellösung Lärm

vermeidet und auf der übrigen Strecke eine autobahnnahe Trassenführung eine Lärmbündelung gewährleistet. Diese Vorschläge, die in erster Linie der IG BOHR zu verdanken sind, haben wir immer unterstützt, unterstützen wir heute und werden sie auch in Zukunft unterstützen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich Innenminister Rech dafür danken, dass er jetzt eine menschen- und umweltfreundliche Planung mit dem Beirat auch auf der Rheintalstrecke zu seinem Anliegen gemacht hat. Wir sind überzeugt, dass die neue Bundesregierung ein offeneres Ohr haben wird, aber wir danken ausdrücklich den Kollegen Drexler und Haller, dass sie sich beim bisherigen Bundesverkehrsminister für die Interessen der Menschen im Rheintal eingesetzt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleibt die Frage nach dem Einsatz von Geld aus unserem Landeshaushalt für dieses Projekt. Was für Württemberg recht ist, sollte für Baden billig sein. Das heißt aber nicht, dass wir als Land bereit sein sollten, für ein Vorziehen des Projekts Geld in die Hand zu nehmen. Bei Baden 21 hat die Bahn ein elementares Interesse an den mit den zusätzlichen Güterzuggleisen verbundenen Einnahmen, und anders als bei Stuttgart 21 hat sie keine Alternativstrecke. Die liegt nämlich auf der anderen Rheinseite und wird von der SNCF betrieben. Anders sieht die Sache im Interesse der betroffenen Menschen bei der Forderung nach einem besseren Lärmschutz aus.

(Beifall des Abg. Dieter Ehret FDP/DVP)

Hier gibt es Licht am Ende des Tunnels. Im Bundestagswahlprogramm der FDP haben wir die Abschaffung des Schienenbonus gefordert. Im Berliner Koalitionsvertrag – Kollege Scheuermann hat das dankenswerterweise schon zitiert, sodass ich das nicht wiederholen muss – findet diese unsere Forderung ihren Niederschlag. In Zukunft sollen für Schienenwege die gleichen Anforderungen wie für Straßen gelten. Wir fordern deshalb, dass die neuen Grenzwerte schon bei der Planung der Rheintalbahn Anwendung finden. Es wäre aus unserer Sicht nicht fair, wenn das Eisenbahn-Bundesamt jetzt noch durch eine rasche Planfeststellung Fakten schaffen würde. Wir setzen darauf, dass die neue Bundesregierung eine andere Trassenführung wählt.

Deshalb, Kollege Drexler, hätten wir bei Ziffer 2 Ihres Entschließungsantrags eigentlich mitmachen können. Wir sehen den Antrag aber als Einheit und halten es zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht richtig, schon zu sagen, ob wir vielleicht Landesgeld einsetzen müssen und, wenn ja, wie viel. Denn wenn es aus Lärmschutzgründen dank des Berliner Koalitionsvertrags eine neue Trasse gibt, dann muss sie in erster Linie einmal von Bund und Bahn bezahlt werden. Erst dann kommt die Frage, ob wir für zusätzlichen Lärmschutz – Kollege Scheuermann hat es angedeutet – im Interesse der Menschen als Land im Verbund mit den betroffenen Kommunen sozusagen als Schlussstein – der Wirtschaftsminister, unser vorheriger Fraktionsvorsitzender Noll und auch das Staatsministerium haben das gesagt – Geld bereitstellen sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht nur das dritte und vierte Gleis am Rhein bauen, sondern wir wollen dabei vor allem Lärm vermeiden und bündeln, damit sich die betroffenen Menschen auch in Zukunft in ihrer Heimat wohlfühlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Innenminister Rech.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Ausgangssituation ist klar. Ich denke, wir alle sind uns darüber einig. Das ist ein wichtiges Projekt mit landesweiter, bundespolitischer und sogar europäischer Bedeutung. Über die Sinnhaftigkeit besteht kein Zweifel.

Bei der Umsetzung vor Ort – auch das will ich noch einmal deutlich sagen – dürfen die berechtigten Sorgen der Bevölkerung nicht außen vor bleiben. Deswegen ist eine Planung unerlässlich, die in gebotener Weise Rücksicht auf Mensch und Umwelt nimmt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Die Landesregierung hat von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen – ich will das heute noch einmal unterstreichen –, dass wir die regionalen Kernforderungen unterstützen, die genau an dieser Stelle ansetzen, nämlich die nach einem verbesserten Lärmschutz. Dadurch wird die regionale Akzeptanz des Vorhabens überhaupt erst hergestellt und damit dessen Realisierbarkeit ermöglicht.

Drei Punkte möchte ich ansprechen: Wo stehen wir augenblicklich? Was haben wir erreicht? Wie soll es weitergehen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Errichtung des Projektbeirats zur Rheintalbahn ein großer Erfolg und zugleich eine hervorragende Chance ist. Vielen Dank, Herr Kollege Drexler, für Ihre anerkennenden Bemerkungen hierzu. Alle Akteure sitzen an einem Tisch. Es ist aus meiner Sicht ein wichtiger Fortschritt, dass der Bund jetzt im Projektbeirat viel intensiver, als dies bisher der Fall war, in die Gespräche eingebunden und damit auch in die Verantwortung genommen ist.

Der bisherige Bundesverkehrsminister hat sich bei der Rheintalbahn sehr zurückgehalten. Ich will aber gleichzeitig sagen: Bei der konstituierenden Sitzung des Projektbeirats am 5. Oktober in Berlin war eine sehr konstruktive Atmosphäre zu verspüren. Wir sind dort – mit „wir“ meine ich alle Beteiligten aus Baden-Württemberg – sehr konzentriert aufgetreten. Deswegen konnten wir mit Bund und Bahn eine Verfahrensvereinbarung treffen, die lautet: Alle Verfahrensbeteiligten sind sich einig, dass kein Planfeststellungsbeschluss ergehen und keine Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn geschlossen werden darf, bevor der Projektbeirat die einzelnen Abschnitte abschließend beraten hat.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Jesses!)

Damit wird verhindert, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden. Der Kollege Bachmann hat genau dies gesagt.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das Rheintal liegt aber nicht in Bayern!)

Habe ich Bayern gesagt?

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Nein, aber der neue Verkehrsminister kommt aus Bayern!)

Ach so. Ach, Herr Kollege, so sehr um die Ecke denke ich nicht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein Ulmer müsste gegenüber Bayern aufgeschlossen sein!)

Dieses Projekt ist wichtig für Bund und Bahn, und der Bund hat sich schließlich auch vertraglich verpflichtet.

Wir wollen die Gespräche zügig voranbringen. Es ist die Einrichtung von thematisch gegliederten Arbeitsgruppen vereinbart. Diese werden unter Einbeziehung von örtlichem Sachverstand dem Projektbeirat berichten. In einem ersten Prüfungsschritt müssen die unterschiedlichen Varianten im Hinblick auf alle fachplanerischen Belange unvoreingenommen auf Herz und Nieren geprüft werden. Das gilt ganz besonders für die Belange von Mensch und Umwelt. Die Ergebnisse dieses ersten Prüfschritts müssen dann umfassend bewertet werden. Erst in einem Folgeschritt sollte sich der Beirat mit Fragen der Kosten und schließlich der Finanzierung befassen.

Zunächst ist also der Projektbeirat am Zug. Sie können sicher sein, dass die Vertreter von Land und Region dort zügig und zielgerichtet um die besten Lösungen ringen werden.

Die Landesregierung hat wiederholt betont – ich tue dies auch heute wieder –, dass die Rheintalbahn und das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm für sie gleich wichtig sind. Man kann diesen beiden Infrastrukturgroßprojekten allerdings in der Finanzierungsfrage nicht einfach das gleiche Schema überstülpen. Dazu sind die beiden Projekte zu unterschiedlich. Lassen Sie mich das mit wenigen Sätzen noch sagen.

Der Ausbau der Rheintalbahn ist vollständig ein Bedarfsplanvorhaben des Bundes, das die Deutsche Bahn AG im Auftrag des Bundes mit Bundesmitteln realisiert. Zudem hat sich der Bund 1996 im Vertrag von Lugano gegenüber der Schweiz verpflichtet, die Rheintalbahn abgestimmt mit der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale auszubauen. Meine Damen und Herren, das Land hat bei diesem Vertragsschluss nicht mit am Tisch gesessen. Das ist der erste Unterschied. Kollege Scheuermann hat zu Recht darauf hingewiesen.

Die Fertigstellung des Gotthardtunnels ist nach jetzigem Stand bis zum Jahr 2017 zu erwarten. Bis dahin müsste der Ausbau der Rheintalbahn eigentlich zumindest im Wesentlichen abgeschlossen sein. Durch diesen Vertrag ist der Bund in der Pflicht, die Finanzierung zeitgerecht sicherzustellen. Es ist auch seine Pflicht, die Maßnahme in einer für Mensch und Umwelt verträglichen Weise durchzuführen.

Und schließlich – auch darauf habe ich in einem Schreiben hingewiesen – sind die betroffenen Einwohner Baden-Würt tembergs für den Bund auch seine eigenen Bundesbürger, de

nen er Schutz und Unterstützung zu gewähren hat. Da mache ich keinen Unterschied zwischen Badenern und Württembergern.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das wollen wir auch hoffen! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Da nicht, aber sonst schon!)

Auch die Badener sind Bundesbürger, und deswegen ist der Bund auch zur Fürsorge verpflichtet.

Meine Damen und Herren, bei dem ersten Gespräch auf Spitzenebene am 10. Juli in Berlin – darauf will ich schon jetzt hinweisen, damit Sie wissen, dass Ihr Antrag im Kern nicht auf taube Ohren stößt – hat die Landesregierung eine rechtlich abgesicherte und begrenzte Förderung zur Ermöglichung sinnvoller, aber rechtlich nicht zwingender Maßnahmen nicht ausgeschlossen. Darum geht es.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Kollege Drexler hat den Unterschied deutlich gemacht, zu was die Bahn verpflichtet ist und zu was nicht.