Protokoll der Sitzung vom 25.11.2009

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 78. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württemberg und begrüße Sie.

Urlaub für heute habe ich den Herren Abg. Palm und Rombach erteilt.

Krankgemeldet sind Herr Abg. Braun, Frau Abg. Brunnemer, Frau Abg. Dr. Unold, Frau Abg. Mielich und Herr Minister Stächele.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Minister Professor Dr. Reinhart und Frau Ministerin Dr. Stolz.

Meine Damen und Herren, die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 28. September 2009 mitgeteilt, dass das Mandat des ausgeschiedenen Kollegen Gustav-Adolf Haas auf Herrn Walter Krögner übergegangen ist.

Herr Krögner hat die Wahl angenommen und mit Wirkung vom 6. November 2009 die rechtliche Stellung eines Abgeordneten des 14. Landtags von Baden-Württemberg erworben.

Herr Krögner, ich begrüße Sie mit den besten Wünschen für Ihre neue Tätigkeit herzlich in unseren Reihen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

In unserer Mitte begrüße ich heute besonders herzlich zwei Kollegen, die nach sehr langer bzw. längerer Krankheit heute wieder in unsere Mitte zurückgekehrt sind, nämlich Herrn Kollegen Klaus-Dieter Reichardt und Herrn Kollegen Werner Raab. – Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen Neubeginn Ihrer Arbeit im Parlament und weiterhin gute Genesung.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten damit in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Der Bologna-Prozess und die Auswirkungen auf die Hochschulen und die Studierenden in Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Die Gesamtredezeit für die Aktuelle Debatte beträgt 40 Minuten. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen gilt eine Redezeit von je fünf Minuten, und für die übrigen Sprecher gilt ebenfalls eine Redezeit von je fünf Minuten.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum streiken die Studierenden seit Wochen in einer zweiten Welle? Im Sommer streikten sie schon einmal, und jetzt tun sie es wieder. Wenn man den Geschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Herrn Andreas Richter, fragt, dann sagt er: „Das Bachelorstudium lässt Studierenden kaum eine Möglichkeit, ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln; sie brauchen aber neben fachlichen Kompetenzen auch soziale Fähigkeiten.“ Minister Frankenberg dagegen sagt: „Die Reform ist in weiten Teilen gelungen.“

Fragt man die Trägerin des Landeslehrpreises, die dieses Jahr ausgezeichnet wurde, Professorin Hesse von der PH Freiburg, dann sagt sie, sie könne die Studierenden gut verstehen, „denn diese kommen vor lauter Prüfungen ja gar nicht mehr zum Denken“. Unser Minister Frankenberg dagegen sagt: „Fundamentalopposition.“

Fragt man den Vorsitzenden des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, dann sagt er: „Die Studierenden werden intellektuell zu sehr eingeschränkt.“ Unser Minister Frankenberg dagegen sagt: „Zuständig für das Problem sind die Hochschulen.“

Die Rufe nach grundlegender Kurskorrektur beim Bachelorstudium kommen von allen Seiten, und sie werden immer lauter. Unser Minister Frankenberg war – zumindest bis gestern –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist nicht „unser“ Minister! Wir wollten ihn ablösen!)

beschäftigt mit Abwiegeln, Bagatellisieren und damit, mit dem Finger auf andere zu zeigen, weil diese schuld seien.

(Beifall bei den Grünen)

Jetzt sind die Missstände vielfach beschrieben worden, und ich brauche sie gar nicht zu wiederholen. Die spannende Frage ist aber: Warum sind die Bologna-Reform und deren unbestreitbar richtige Ziele so miserabel umgesetzt worden? Warum ist es heutzutage schwieriger, ein Semester lang im Ausland zu studieren, als es früher gewesen ist, obwohl es ein erklärtes Ziel der Reform war, mehr Mobilität und mehr Internationalität zu erreichen? Warum brechen immer mehr Studierende ihr Studium ab, insbesondere an Fachhochschulen und in den Ingenieurwissenschaften, obwohl es ein erklärtes Ziel der Reform war, die Studienabbrecherquote zu senken?

(Zuruf des Abg. Franz Untersteller GRÜNE)

Warum ist die Zahl der Studierenden, die Hilfe in der psychologischen Beratungsstelle suchen, weil sie mit dem Prü

fungsstress nicht mehr klarkommen, auf mehr als das Doppelte angestiegen, obwohl wir den jungen Menschen doch ein besser strukturiertes Studium bieten wollten?

Und die letzte Frage: Warum bleibt eigentlich keine Zeit mehr, irgendetwas neben dem eigenen Stundenplan zu studieren und über den Tellerrand hinauszuschauen, sich auch einmal zu engagieren, obwohl es doch erklärtes Ziel dieser Reform war, Menschen zu befähigen, als mündige Bürger verantwortlich zu handeln? Warum ist der Bologna-Prozess so miserabel und geradezu konterkariert umgesetzt worden?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Wenn man unsere Ministerin Schavan fragt, dann zeigt sie auf die Länder und sagt: „Die sind schuld.“ Wenn man Herrn Minister Frankenberg fragt, dann zeigt er auf die Hochschulen und sagt: „Die Hochschulen sind schuld; sie sind ja autonom.“ Wenn man die Hochschulleitungen und die Rektoren fragt, dann sagen sie: „Dafür können wir nichts; es waren die Fakultäten.

(Lebhafte Unruhe – Zuruf: Pst!)

Denn da sitzen die Professoren, die die Studiengänge entwickelt haben.“ Fragt man die Professoren, dann sagen sie: „Die Politik war’s. Sie hat uns eine Reform aufgezwungen, die wir nicht wollten, und Geld für den zusätzlichen Aufwand hat sie auch nicht gegeben.“

Damit sind wir wieder am Anfang: Was haben die Studierenden davon? Gar nichts! Ein paar warme Worte, geheucheltes Verständnis, aber keinerlei Unterstützung für ihre Forderung nach besseren Studienbedingungen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich sage Ihnen eines: Man kann sich als Minister nicht mit der Ausrede der Autonomie der Hochschulen aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das machen wir überhaupt nicht!)

Denn Sie – Sie! – sind zuständig.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das ist gut so, dass wir zuständig sind!)

Wenn die Hochschulen in ihrer Autonomie versagen, dann können Sie nicht zuschauen, wie eine gut gemeinte Reform in ihrer Umsetzung gegen die Wand gefahren wird.

(Beifall bei den Grünen)

Gestern hat der Wissenschaftsminister eine Pressekonferenz gegeben und hat angekündigt, dass er am 8. März 2010 eine Bologna-Konferenz macht. Es gibt jetzt einen neuen Button auf der Homepage des Wissenschaftsministeriums. Den kann man anklicken und dann seine Beschwerden eingeben. Das finden wir gut so. Die Reaktion kommt ein bisschen spät, aber sie ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir haben das Gleiche übrigens schon seit Anfang Oktober von Ihnen verlangt. Wir freuen uns, dass Sie sich bewegen. Aber

(Zurufe: Aber!)

zum jetzigen Zeitpunkt muss man auch sagen: Mit schönem Zuhören und warmen Worten ist es nicht mehr getan, für einen Minister allemal nicht. Jetzt müssen Taten folgen.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr richtig!)

Das Bachelorstudium soll zu Handlungsorientierung und zu Problemlösungskompetenz befähigen. Ich finde, die Studierenden dürfen das auch von ihrem Minister erwarten. Wir wollen, dass Sie etwas tun. Korrigieren Sie die Probleme. Sorgen Sie dafür, dass der Bachelor reformiert wird und dass es zu einem grundlegenden Kurswandel in diesem Land kommt.

In der zweiten Runde sage ich Ihnen noch, was die Politik konkret tun muss.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Schwache Re- de!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Schüle.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt kommt wie- der Sachlichkeit in die Diskussion! – Zuruf: Alles wird gut! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Der Hoff- nungsträger!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bologna-Reform, die Umstellung der bisherigen Studiengänge auf Bachelor und Master, ist eine sehr tiefgreifende Reform für unsere Universitäten, wahrscheinlich die am tiefsten gehende der vergangenen Jahrzehnte. Unsere Hochschulen haben wir fit gemacht. Wir haben sie systematisch auf diesen Bologna-Prozess vorbereitet:

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Das ist Wunsch- denken!)