Die versteckten Ziele seitens der Landesregierung waren nämlich, das Studium billiger zu machen, die vielen Studierenden, die da kommen, billiger durch ein kürzeres Studium zu jagen. Vonseiten der Hochschulen verfolgten viele das Interesse, dafür zu sorgen, dass man mit den vielen Studierenden möglichst wenig zu tun hat. Auch da ging es also um ein Schneller und Billiger. Das war die wahre Devise, mit der die Bologna-Reformen bisher umgesetzt wurden. Diesen Geist müssen wir durchbrechen.
Schneller und billiger studieren, das ist die alte Misere, die es in unseren Hochschulen gibt: fehlendes Interesse an guter und innovativer Lehre, fehlendes Interesse daran, die Lehre neu zu erfinden, um die Dinge einmal aus der Sicht der Studierenden zu denken. Diese alte Misere der Missachtung der Lehre ist der Grund dafür, warum Bologna bisher so schlecht umgesetzt wurde.
Zur Fortsetzung der alten Misere setzen Sie, Herr Minister Frankenberg, die alten Anreize weiterhin, nämlich – Beispiel Exzellenzinitiative – indem Sie immer wieder mit finanziellen Anreizen dafür sorgen, dass die Lehre das Nebenbei in den Hochschulen bleibt und die Forschung das Wichtige bleibt. Forschung ist der Bereich, mit dem Reputation vermehrt wird,
und der Bereich, mit dem man zusätzliche Mittel in die Hochschulen bekommt. Wenn Sie diesen Kreislauf der Geringschätzung der Lehre nicht durchbrechen, dann wird es auch mit der Reform der Reform nicht klappen.
Erstens: Der Zeitdruck muss heraus aus dem Bachelorstudium. Es gibt keinen Grund zu solcher Eile, nachdem durch das G 8 die Schulzeit für die Schüler ein Jahr kürzer wurde und jetzt sogar eine Verkürzung der Wehrdienstzeit in der Diskussion ist. Dann muss nicht auch noch ein superschnelles Bachelorstudium um jeden Preis in drei Jahren abgeschlossen sein. Die Wirtschaft fängt an, sich zu beschweren, dass sie mit diesen ganz jungen Leuten auf dem Arbeitsmarkt nichts anfangen kann. Also Zeitdruck herausnehmen.
Dafür muss in der Tat der Deckel von zehn Semestern auf Bachelor plus Master, den die Kultusministerkonferenz beschlossen hat – da waren alle Wissenschaftsminister mit von der Partie –, weg.
Zweitens – Sie haben es erwähnt –: die Akkreditierungsverfahren. Die Akkreditierungsverfahren, die über die Kultusministerkonferenz und ihren Akkreditierungsrat eingeläutet wurden, sind bürokratisch. Sie sind teuer – die Hochschulen haben sie aus ihren Mitteln zu zahlen –, sie sind ineffektiv und aufwendig. Deshalb sollte man sie ganz schlicht abschaffen und sich etwas Neues überlegen. Der Akkreditierungsrat soll seine Arbeit einstellen. Vielleicht kommt etwas Besseres dabei heraus, wenn sich der Wissenschaftsrat etwas Neues überlegt. Aber das derzeitige Verfahren sollte man den Hochschulen erlassen. Es hat nicht zur Qualitätssteigerung beigetragen.
Ich möchte auch meine Fragezeichen zu der von Ihnen erwähnten Systemakkreditierung machen. Ich befürchte auch hier, dass es das Alte in neuem Gewand ist. Die Systemakkreditierung hat so viele Voraussetzungen, dass sie für die kleinen Hochschulen gar nicht zu leisten ist. Nach allem, was wir hören, wird die Systemakkreditierung keinen Deut billiger, sondern genauso aufwendig und mindestens genauso teuer kommen. Ich finde, angesichts der finanziellen Belastungen, die die Hochschulen haben, könnten wir einfach einmal sagen: Stopp! Langsam machen! Wir überlegen das Ganze noch einmal neu.
Dritter Punkt: Von der Landesregierung sind finanzielle Anreize dafür zu setzen, dass innovative Lehre stattfindet. Wer neue Formen der Lehre entwickelt, soll dafür finanziell honoriert werden. Dafür kann man Zielvereinbarungen verabschieden. Die Landesregierung selbst kann dafür sorgen, dass nicht alle Energie in die Forschung geht, sondern auch in Neuerfindungen in der Lehre.
Vierter Punkt: Ohne die Mitsprache von Studierenden geht es überhaupt nicht. Deswegen: Sorgen Sie dafür, dass studen
tische Mitsprache institutionell abgesichert wird, gewährleis tet und garantiert wird! Auch wenn Studierende etwas Unbequemes sagen, muss ihre Stimme gehört werden. Das geht nicht ohne institutionelle Rechte der Studierenden. Die Verfasste Studierendenschaft ist der erste Schritt dazu.
Und ein Letztes: Ich bin mir sicher, wenn wir die Reform der Reform durchführen und zum Erfolg bringen wollen, dann brauchen die Hochschulen dafür richtig viel Zeit. Sie müssen sich neu zusammensetzen und müssen ihre BA-Studiengänge systematisch überarbeiten. Das ist nicht nebenbei zu machen. Deswegen sollte das Ministerium diese Zeit gewähren und die Hochschulen nicht dazu zwingen, jetzt gleich die zweite Großbaustelle anzugehen. Denn anstatt den Bachelor zu verbessern, sitzen unsere Hochschulleitungen in Wirklichkeit doch schon an der neuen Baustelle und bereiten gegen ihren Willen die flächendeckenden Aufnahmeprüfungen vor, die sie ab dem Jahr 2011 machen müssen. Ersparen Sie den Hochschulen diesen Zinnober und diesen Aufwand. Keiner will ihn, keiner braucht ihn. Geben Sie den Hochschulen die Zeit, die Bachelorstudiengänge zu reformieren. Dann haben wir alle etwas davon, und Geld gespart ist auch noch.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zwei Punkte ansprechen. Ers tens das Thema „Finanzierung der Hochschulen“: Herr Kollege Rivoir, Sie haben die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Frau Wintermantel, mit der Aussage zitiert, Hochschulen seien unterfinanziert. Was Sie nicht gesagt haben: Frau Wintermantel ist ausdrücklich für Studiengebühren. Nun kann man natürlich sagen: Wir sind gegen – –
(Abg. Johannes Stober SPD: Sie hat nicht immer recht! – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Sie muss sie auch nicht bezahlen! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich muss sie zahlen und bin trotzdem dafür!)
Es kann sein, dass man der Auffassung ist, dass man keine Studiengebühren braucht. Aber wenn man die Abschaffung von Studiengebühren und gleichzeitig mehr Mittel für die Hochschulen fordert, dann, so finde ich, gehört es dazu, dass man hier sagt, woher das Geld konkret kommen soll. Sonst ist man in dieser Frage nicht glaubwürdig.
(Zuruf des Abg. Johannes Stober SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das, was alle machen! Schauen Sie einmal nach Hessen! – Abg. Martin Rivoir SPD: In Hessen geht es auch! Überall geht es! – Abg. There- sia Bauer GRÜNE: Akkreditierung!)
Der zweite Punkt: Frau Wintermantel selbst hat das Thema „Finanzierung der Hochschulen“ bei der Tagung in Leipzig angesprochen.
Da gab es interessante Aussagen von einzelnen Rektoren. Ich darf – mit Genehmigung des Herrn Präsidenten – die „Welt“ vom 25. November 2009, also von heute, zitieren:
Der Rektor der Universität Leipzig, Franz Häuser, sagte, die Rektoren der sächsischen Universitäten hätten sich in diesem Zusammenhang
an die Abgeordneten des Landtags gewandt. Dabei hätten sie bemängelt, dass den sächsischen Universitäten nur etwa 50 % der Mittel pro Student zur Verfügung stünden, wie sie etwa bei der Ludwig-Maximilians-Universität in München aufgewendet würden.
Jetzt sage ich: Noch glaubwürdiger und noch besser wäre es gewesen, wenn Herr Häuser Baden-Württemberg zitiert hätte. Denn in Bayern werden pro Studierendem 11 900 € ausgegeben, in Baden-Württemberg 13 700 €. Bevor Sie hier ohne Deckungsvorschlag antreten und behaupten, wir würden unsere Hochschulen unterfinanzieren, sage ich Ihnen: Sorgen Sie erst einmal in Rheinland-Pfalz – dort sind es 9 000 € pro Studierendem – oder wo auch immer Sie regieren dafür,
Wir statten unsere Hochschulen in Baden-Württemberg mit den notwendigen Mitteln aus. Deswegen werden wir auch Erfolg haben.
(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Deckungsvorschlag! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jetzt kommt der Deckungsvorschlag!)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie von CDU und FDP für die geplanten Steuersenkungen auf Bundesebene so viele Deckungsvorschläge machen würden, wie wir sie hier bei der letzten Haushaltsberatung gemacht
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oje! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sie weichen aus! – Weitere Zurufe – Unruhe)
und gestern bei der Fraktionssitzung für die nächste Haushaltsberatung erarbeitet haben, wenn Sie einmal so seriöse Deckungsvorschläge machen würden wie wir, dann wären wir in diesem Land schon viel weiter.
Man kann von der früheren baden-württembergischen Bildungsministerin und unserer jetzigen Bundesbildungsministe
rin, Frau Schavan, sicherlich nicht sagen, dass sie in Sachen Bologna-Prozess immer eine konsistente Linie vertreten hat. Eines muss man aber anerkennen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich dass sie offenbar lernfähig ist. Sie hat am 7. Juli dieses Jahres im Lichte der Studentenproteste im Sommer den Vertretern des damaligen Aktionsbündnisses zugesagt, fünf Punkte auf den Weg zu bringen. Diese sind in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des vhw nachzulesen. Ich möchte diese Punkte vortragen.
Punkt 1: „Die Strukturreform muss verbunden werden mit der Erneuerung der Curricula.“ Das ist eine Sache, die natürlich zuvörderst – nicht nur, aber zuvörderst – von den Hochschulen selbst zu leisten ist.
Punkt 2: „Für die Länge des Bachelorstudiums brauchen wir mehr Flexibilität. Es kann auch erforderlich sein, statt sechs auch sieben oder acht Semester im Bachelorstudiengang zu studieren.“ Ich denke, es ist positiv, dass wir uns heute hier darin einig sind, dass wir die Obergrenze von fünf Jahren für Bachelor und Master zusammen, die im Augenblick nach unserem eigenen Landeshochschulgesetz gilt, so nicht lassen können. Eines muss man dann aber auch ganz klar sagen: Das steht in unserem Landeshochschulgesetz. Die Verantwortung dafür, dieses zu ändern, liegt bei uns.
Ich habe es heute so vernommen, dass alle Fraktionen, die Grünen genauso wie die Regierungsfraktionen, das so sehen. Lassen Sie uns das also möglichst zügig angehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.