Protokoll der Sitzung vom 27.07.2006

len können als wir, dann ist das für mich ein weiterer Beleg für die Schieflage des derzeitigen Systems, und der bittere Beigeschmack verstärkt sich.

(Abg. Ute Vogt und Abg. Reinhold Gall SPD: Än- dern Sie es!)

Dies nur am Rande; aber das gehört dazu, wenn man die Finanzen in diese Debatte grundsätzlich mit einbezieht.

(Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Der Länderfinanzausgleich ist ein anderes Thema, das aber auf der Agenda der Landespolitik bleiben muss und in solchen Debatten wie heute eben konkret wird.

Trotz dieses schmerzlichen Einschnitts kann von einem Kahlschlag, meine Damen und Herren, bei den Volkshochschulen keine Rede sein. Natürlich kann ich Auswirkungen und Konsequenzen nicht im Detail prognostizieren. Die Weiterbildungsträger sind autonom und sind nicht verpflichtet, gegenüber der Landesregierung präzise darzulegen, welche konkreten Auswirkungen sich in den Haushalten der jeweiligen Weiterbildungsträger abspielen. Wir haben allerdings auch keine konkreten Erkenntnisse darüber, ob durch diese Kürzung der Landesförderung Schließungen anstehen. Tatsache ist, dass sich der Fördersatz pro förderfähiger Unterrichtseinheit, der im Vorjahr 3,67 € betrug, jetzt nach der Kürzung auf 3,32 € beläuft, also um 35 Cent pro Unterrichtseinheit gesunken ist. Ich glaube nicht, dass das Wohl und Wehe unserer Weiterbildungsträger ausschließlich von dieser Kürzung abhängt.

(Abg. Ute Vogt SPD schüttelt den Kopf.)

Bei einem Anteil von rund 6,4 %, die die Landesförderung bei den Volkshochschulen ausmacht, kann die Kürzung schon von dieser Größenordnung her das Fundament der Weiterbildung nicht entscheidend erschüttern. Man muss hier von einem bescheidenen Anteil sprechen, und es ist zu Recht darauf verwiesen worden, dass wir in den letzten Jahren aufgrund der Haushaltslage verschiedene Kürzungen im Weiterbildungsbereich vornehmen mussten. Die Beschreibung als „Kahlschlag“ ist aus Verbandssicht zwar eine verständliche und auch legitime, gleichwohl aber wenig überzeugende und nicht realistische Sichtweise.

Wir dürfen die Situation dennoch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir müssen die Entwicklung sehr sorgfältig im Auge behalten, und ich bin der Letzte, der riskieren wollte, dass die Erwachsenenbildung ins Mark getroffen wird und existenziell Not leidet.

Das Kultusministerium hat unmittelbar nach der Festlegung der Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe die Gesamtsumme der Weiterbildungsförderung des Jahres 2006 für die rund 290 Träger im Land an die Regierungspräsidien überwiesen. Diese wurden gebeten, die Bewilligungen so rasch wie möglich auszusprechen und sofort 75 % der Fördermittel für die ersten drei Quartale über die Dachverbände an die Einrichtungen weiterzugeben. Die restlichen 25 % werden die Träger im vierten Quartal erhalten. Verwaltungsmäßig wurde also sofort alles getan, um die Situation zu entspannen und den Fortgang der Arbeiten zu gewährleisten.

(Staatssekretär Georg Wacker)

Meine Damen und Herren, wir müssen natürlich – lassen Sie mich das zum Schluss dieser Aussprache sagen – neben der regulären Landesförderung für die Weiterbildungsträger, die im Kultusressort angesiedelt sind – ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen, dass die Weiterbildungslandschaft in Baden-Württemberg vielfältig ist; wir haben den großen Bereich der beruflichen Weiterbildung, angesiedelt bei den Förderinstrumenten des Wirtschaftsministeriums, und haben auch in den anderen Ressorts Erwachsenenbildung und Weiterbildungsmaßnahmen –, auch Instrumente entwickeln, wie wir den Weiterbildungsträgern zusätzliche Perspektiven eröffnen.

(Glocke der Präsidentin)

Heute darf ich nur noch Stichworte erwähnen – die Stichworte darf ich bitte zu Ende führen –, bevor ich gern eine abschließende Zwischenfrage zulasse, Frau Präsidentin.

Zunächst einmal haben wir das Instrument der Landesstiftung. Gerade in Zeiten knapper Haushalte bewährt sich die Landesstiftung, gerade für solche wichtigen Bildungsziele in der Förderlandschaft, als haushaltspolitisch unabhängiges Instrument.

(Zurufe von der SPD, u. a. des Abg. Norbert Zel- ler)

Nächste Bemerkung: Was den Stellenwert, Kollege Zeller, betrifft, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten,

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Nein, nein, gemein- sam nicht!)

weil wir jetzt eine ganz interessante Baustelle betreten. Wir haben interessanterweise eine Umstrukturierung der Förderlandschaft auf EU-Ebene. Die Weiterbildung hat dort einen zunehmenden Stellenwert. Es wird unsere Aufgabe sein, neben den bestehenden Maßnahmen des Landes, neben den bestehenden Programmen, die auch noch auf Bundesebene laufen, neue Fördertöpfe auf EU-Ebene zu erschließen, damit wir in Baden-Württemberg sukzessive eine vielfältige Förderstruktur aufbauen.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Na dann los! Viel Spaß!)

Herr Abg. Palmer, Sie erhalten das Wort für Ihre Nachfrage.

Herr Staatssekretär, wenn Sie gerade selbst ausführen, dass man Zeit braucht, um neue Strukturen zu schaffen, um das Angebot in der Weiterbildung in seiner Qualität zu erhalten, warum kürzen Sie dann die Zuschüsse in einer Art und Weise, die den Trägern der Weiterbildung keine Möglichkeit einer sinnvollen Reaktion lässt, und was ist so überraschend an der Haushaltslage, dass Sie diese Kürzung so unangekündigt durchführen müssen? Das hat sich mir nicht erschlossen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Weil wir eine Beschlusslage der Landesregierung haben, die lautet, dass wir 70 Millionen € – –

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Dr. Nils Schmid: Das haben Sie doch beschlossen!)

Ja, klar. Natürlich! Weil wir, lieber Kollege, verantwortungsbewusst Haushaltspolitik gestalten, und zwar nicht nur bei der Haushaltsaufstellung, sondern auch während des Haushaltsvollzugs.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD – Abg. Christine Rudolf SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke der Präsidentin)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie – –

(Staatssekretär Georg Wacker begibt sich zu sei- nem Platz.)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen – –

(Abg. Christoph Bayer SPD meldet sich zu Wort.)

Herr Abg. Bayer, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon relativ schwer erträglich, hier mit anzuhören, dass uns Weiterbildung lieb und teuer sei, und gleichzeitig zu erleben, wie das im Feld draußen aussieht.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: So ist das Leben, Herr Bayer!)

Ich habe vor noch nicht allzu langer Zeit ein Gespräch mit mehreren Volkshochschulleiterinnen und -leitern geführt, und da hört sich das völlig anders an. Da heißt es: Dieser Vorgang ist im Stil und im Inhalt inakzeptabel. Mindestens am Stil hätte man ja auch arbeiten können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Wenn Sie sagen, diese Kürzungen seien verkraftbar und vertretbar, dann schallt uns aus dem Feld etwas ganz anderes entgegen. Da heißt es: „Wir werden ausgequetscht wie Zitronen. Seit Jahren geben wir einen Sparbeitrag. Jetzt ist Schluss.“ Oder es wird ein anderes Bild bemüht: Man kann die Schraube nur so lange andrehen, bis sie irgendwann einmal abbricht. Dieser Zustand scheint offensichtlich erreicht zu sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Sie müssen doch auch sehen, dass die Volkshochschulen in der vorherrschenden Situation, für die sie Verpflichtungen eingegangen sind, jetzt Defizite in den laufenden Haushalten erwirtschaften. Was ist mit diesen Defiziten zu tun? Sie landen bei den Kommunen, zumindest bei den Kommunen, die bereit sind, diese Defizite zu übernehmen. Oder die Volkshochschulen müssen am freien Kapitalmarkt schauen, wie sie an das Geld kommen. Dann kann ich nur sagen:

Prost Mahlzeit! Was haben sie anzubieten? Das sind etwa Verträge mit Dozenten bzw. Dozentinnen und angemietete Räume. Da gibt es keinerlei Sicherheiten. Ich weiß nicht, wie sie zu Geld kommen wollen.

Was Sie hier betreiben, ist ein Eingriff in laufende Haushalte. Das ist nicht nur ein Angriff auf die vielen Einrichtungen. Die Größenordnung, dass 10 % der Weiterbildungseinrichtungen über den Jordan gehen und 10 % zusätzlich davon bedroht sind, ist ja auch ganz erklecklich. Das ist nicht nur ein Angriff auf diese Einrichtungen, sondern auch auf die Dozentinnen und Dozenten und letztendlich auch auf die 2 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen glaube ich – das ist nicht nur zur Aktualität gesprochen –, dass wir mittelfristig eine Grundsatzdebatte über den Stellenwert von Weiterbildung brauchen. Wir brauchen einen deutlich ausgeweiteten Bildungsbegriff. Er beginnt im Vorschulalter und hört mit der Schule nicht auf, sondern muss den gesamten Bereich der Weiterbildung mit einbeziehen.

Das hat natürlich auch Konsequenzen. Wir müssen uns mittelfristig über die Verteilung von Finanzierungslasten verständigen. Aber so, wie Sie dies gegenwärtig tun, geht es nicht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Deswegen fordern wir Sie noch einmal auf, unserem Antrag zuzustimmen, die in den laufenden Haushalt eingestellten Personalkostenzuschüsse an die Weiterbildungsträger auszubezahlen. Jeder und jede Einzelne von Ihnen bekommt jetzt in einer namentlichen Abstimmung die Gelegenheit, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir stehen zu der Entscheidung! Kein Problem!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Abschnitt I des Antrags Drucksache 14/61 ist ein Berichtsantrag und durch die Aussprache erledigt.

Es ist eine namentliche Abstimmung zu Abschnitt II beantragt. Ich gehe davon aus, dass die dafür notwendige Unterstützung durch fünf Abgeordnete gegeben ist. – Danke schön.