Protokoll der Sitzung vom 17.12.2009

Meine Fraktion hat in der seinerzeitigen Debatte anerkannt – keine Frage –, dass der Rechnungshof formuliert hat, dass politische Aktivitäten von Fraktionen nicht umfassend aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden dürfen. Diese Formulierung allerdings – „nicht umfassend“ – lässt genau den verfassungsrechtlichen Spielraum für die politischen Aktivitäten, die wir jetzt in ein neues Fraktionsgesetz gießen.

Meine Damen und Herren, es gehört zu unserem Selbstverständnis als Fraktion – ich glaube, das sollten wir alle zu unserem Selbstverständnis machen –, dass wir als Teil des Landtags natürlich unmittelbarer Adressat auch der politischen Willensbildung seitens der Bürgerinnen und Bürger unseres Lan des und ebenso natürlich und grundsätzlich Teil der politischparlamentarischen Willensbildung hier im Landtag sind. Alles andere, glaube ich, wäre im 21. Jahrhundert ziemlich weltfremd.

Diese Prozesse – der Kollege Rüeck hat das damals, glaube ich, in der Debatte gesagt – enden nicht an der Innenseite der Pforte des Landtags von Baden-Württemberg. Denn wenn dies so wäre, dann wären wir ein bürgerfernes, ein abgehobenes und ein vom Volk distanziertes Parlament. Das wollen wir ganz gewiss nicht sein.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Ich bin überzeugt: Auch die Bürgerinnen und Bürger im Land wollen dies nicht. Deshalb schaffen wir mit diesem neuen Gesetz jetzt die Möglichkeit, Transparenz zu schaffen und natür

lich auch öffentlich zu machen, was sich hier im Parlament abspielt. Dies formulieren wir jetzt, wie gesagt, in einem neuen Gesetz.

Nebenbei bemerkt geht es hierbei auch darum, dass wir uns als Parlament auf Augenhöhe zur Regierung präsentieren können. Das gilt im Besonderen – keine Frage – natürlich für die Oppositionsfraktionen. Denn auch der Rechnungshof erkennt in seiner seinerzeitigen Beratenden Äußerung an, dass in der Gewaltenteilung längst nicht mehr das Gesamtparlament der Regierung gegenübersteht, sondern ausschließlich die Oppositionsfraktionen, da die Regierung und die Mehrheitsfraktionen im Landtag de facto eine politische Einheit bilden. In Baden-Württemberg ist dies allemal so.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gerade deshalb, weil sich dies im Lauf der Zeit so gewandelt hat, hat auch das Bundesverfassungsgericht diesen Wandel in der Parlamentsarbeit eindeutig anerkannt und die Zuordnung z. B. von reinen Parlamentsrechten hin zu Fraktionen wie auch die Finanzierung der Fraktionen aus öffentlichen Mitteln ausdrücklich begrüßt und im Prinzip als verfassungskonform bezeichnet.

Dass dies natürlich im Rahmen einer korrekten Mittelverwendung geschehen muss, steht in diesem Haus außer Zweifel. Diesbezügliche Beanstandungen, die der Rechnungshof in der Vergangenheit immer wieder einmal aussprechen musste, stehen hier, wie gesagt, nicht zur Diskussion. Das akzeptieren wir. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass dies in diesem Haus – für unsere Fraktion will ich das ausdrücklich sagen – je strittig gewesen wäre. Wenn Beanstandungen erfolgt sind, haben wir diese Mittel zurückerstattet.

Damit die Fraktionen dies in dem vorgesehenen Wandel auch zukünftig korrekt handhaben können, präzisieren wir nun unser Fraktionsgesetz, indem wir, wie schon gesagt, klar zum Ausdruck bringen, dass wir Adressat der politischen Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger sein möchten. Natürlich möchten auch wir die Erforderlichkeit der Wahrnehmung dieser politischen Aufgabe nicht eingeschränkt sehen. Deshalb möchten wir diese klaren Formulierungen im neuen Gesetz.

Unser Handwerkszeug – es kann gar nicht anders sein –, um diesen politischen Diskurs auch öffentlich zu machen, sind natürlich hauptsächlich die Öffentlichkeit und die Möglichkeiten, die wir zur Öffentlichkeitsarbeit, zur Unterrichtung von Bürgerinnen und Bürgern, zur Unterrichtung von Interessengruppen, zur Unterrichtung von Verbänden und zum Dialog mit diesen von mir genannten Gruppen haben.

Es geht bei der Novellierung des Fraktionsgesetzes um nicht mehr als um die Nutzung dieses Handwerkszeugs Öffentlichkeitsarbeit. Dass sich dies auch zukünftig in einem finanziellen Rahmen abspielt, innerhalb dessen wir das Ganze schon bisher praktiziert haben, mag deutlich machen, dass es uns nicht um mehr Geld geht,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

sondern ausschließlich um die Wahrnehmung unserer Rechte, wie wir sie verstehen.

Kollege Scheffold hat klar und deutlich zum Ausdruck gebracht: Auch nach dieser Änderung wird der Landtag von Ba

den-Württemberg das kostengünstigste Parlament in ganz Deutschland sein. Es geht ausschließlich um die Klarstellung, um die Absicherung dessen, was wir – die Fraktionen und das Parlament insgesamt – als unsere Aufgabe betrachten, das heißt dialogorientiert mit den Bürgerinnen und Bürgern im Land zu kommunizieren und unsere parlamentarische Arbeit mit einem Höchstmaß an Transparenz – dies kann nur durch Öffentlichkeit geschehen – zu versehen.

In diesem Sinn bitten wir um die Unterstützung des Gesetzentwurfs durch das gesamte Haus.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Bauer das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns hier im Haus darüber einig: Die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen muss zeitgemäß erfolgen. Die Öffentlichkeitsarbeit und der direkte Kontakt zu Bürgerinnen und Bürgern sind wichtige Aufgaben, die wir zu erledigen haben.

Die Öffentlichkeitsarbeit unserer Fraktionen kann heute nicht mehr so aussehen, wie sie vor 50 Jahren ausgesehen hat. Wir haben uns den Veränderungen der Gesellschaft zu stellen, wir haben uns den Veränderungen der Demokratie zu stellen, wir haben uns den Veränderungen durch die Mediendemokratie zu stellen, und wir müssen insbesondere darauf reagieren, dass sich die Nähe zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Parlamentariern in letzter Zeit nicht gerade verstärkt hat.

Wir sind in einer Situation, in der wir nach neuen, kreativen Wegen suchen müssen, wie wir in Austausch, in Auseinandersetzung, in Dialog mit der Öffentlichkeit kommen. Dafür müssen wir auch Wege beschreiten, die es vielleicht vor 30 Jahren in dieser Form nicht gegeben hat.

Deswegen sind auch wir als Fraktion GRÜNE fest davon überzeugt: Heutige Öffentlichkeitsarbeit besteht nicht nur in der Erzeugung von bedrucktem Papier, das man unten im Foyer auslegt. Heutige Öffentlichkeitsarbeit findet z. B. auch im Internet statt. Heutige Öffentlichkeitsarbeit kann sich nicht nur in den Räumen dieses Gebäudes abspielen. Vielmehr müssen wir auf die Leute zugehen und uns deswegen auch auf die Straße begeben und uns dort, wo die Leute unterwegs sind, auch zeigen.

Heutige Öffentlichkeitsarbeit ist auch nicht nur die Rundreise mit dem Auto. Vielmehr kann man sogar etwa auch zu Fuß, bei einer Wanderung, bei den Leuten sein.

Ich nenne all diese Beispiele, weil es sich dabei um vom Rechnungshof kritisierte Beispiele in Bezug auf die Frage handelte: Was ist legitime Öffentlichkeitsarbeit den Fraktionen?

Wir stehen voll und ganz hinter dem Anliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs, dass für unsere Öffentlichkeitsarbeit Möglichkeiten bestehen müssen, uns kreativ und anders vorzuzeigen, als es früher der Fall war. Deswegen ist es richtig, diese gesetzliche Präzisierung vorzunehmen. Denn wenn ich die Kritik durch den Rechnungshof richtig verstanden habe, ging es ihm nicht darum, ob die Fraktionen effizient, wirtschaftlich und sparsam gewirtschaftet haben. Vielmehr drehte

sich die Kritik des Rechnungshofs um die Frage: Welche Art der Öffentlichkeitsarbeit ist angemessen? Ich bin mir sicher: Wir brauchen deswegen die gesetzliche Präzisierung und die Öffnung unserer Möglichkeiten, weil wir auf den alten Kommunikationswegen nicht vorankommen.

Dennoch sind wir Grünen nicht Mitunterzeichner dieses Gesetzentwurfs. Dies möchte ich noch kurz erläutern.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir tragen das Thema in der Sache mit. Unsere Kritik bezieht sich also nicht auf das, was in dem Gesetzentwurf steht, sondern auf das, was nicht darin steht. Denn wir haben in diesem Haus miteinander verabredet, dass wir im Rahmen der Parlamentsreform in dieser Legislaturperiode die Funktionszulagen für Abgeordnete neu fassen, auf eine gesetzliche Grundlage stellen, sie in ihrer Höhe begrenzen und verfassungskonform regeln.

(Beifall bei den Grünen)

Um die Funktionszulagen neu zu regeln, müssen wir das Fraktionsgesetz und das Abgeordnetengesetz ändern. Nun haben wir in dieser Legislaturperiode gerade noch ein gutes Jahr vor uns. Es macht doch einfach keinen Sinn, jetzt am Fraktionsgesetz ein Detail zu ändern und in einem halben Jahr wieder Änderungen vorzunehmen. Es ist eine gute Tradition in diesem Haus: Wenn man ein Gesetz ändert, dann nimmt man alle Änderungen zusammen vor. Deswegen wollten wir bei der Novellierung des Fraktionsgesetzes jetzt das Thema Funktionszulagen mit geregelt haben. Weil wir uns hierauf nicht verständigen konnten, haben wir der Initiative für diesen interfraktionellen Gesetzentwurf nicht zustimmen können.

Wir werden unsere Vorstellungen in den Beratungsprozess einbringen. Das werden Formulierungsvorschläge dazu sein – sie sind schon lange im Gespräch –, wie die Funktionszulagen begrenzt und verfassungskonform geregelt werden können. Wir hoffen sehr, dass wir in dieser Hinsicht mit den Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen noch übereinkommen.

Aber unsere Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf hängt nun einmal davon ab, dass wir unserer gemeinsamen Verabredung, in dieser Legislaturperiode die Funktionszulagen gesetzlich zu regeln, nachkommen. In diesem Sinn hoffe ich, dass wir bei den Ausschussberatungen zu einer Verständigung darüber kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Kluck das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Bauer, auch wir hätten gern noch manchen Wunsch in den Gesetzentwurf eingebracht. Das gilt beispielsweise für eine deutliche Personalhoheit der Fraktionen in dem Sinn, dass sie nicht immer starr an die Tarifverträge im öffentlichen Dienst gebunden sind, und Ähnliches. Aber uns war der Konsens wichtiger. Deshalb haben wir solche Punkte zunächst einmal hintangestellt.

Daran sehen Sie auch, Herr Kollege Gall, dass es nicht so ist, wie Sie behauptet haben, dass die Regierungsfraktionen mit der Regierung gleichzusetzen seien.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das sagt sogar das Bun- desverfassungsgericht!)

Nein, sowohl die CDU-Fraktion als auch die FDP/DVP-Fraktion sind eigenständige Fraktionen, die auch nicht immer mit allem, was die Regierung macht, einverstanden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Das bringen sie hier im Parlament auch zum Ausdruck.

Diese Gesetzesänderung, meine Damen und Herren, ist erforderlich, damit die Fraktionen ihre Arbeit machen können. Im Gegensatz zum Parlamentsbetrieb des 19. Jahrhunderts findet diese Arbeit nicht nur in den Debatten und Diskussionen hier in diesem Hohen Haus statt.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Vielmehr müssen wir Informationen, den Informationsfluss zwischen Bürgerschaft und Parlament ermöglichen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass die Abgeordneten das Gespräch mit ihnen suchen. Das heißt, das ist keine Holschuld der Bürgerinnen und Bürger,

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

sondern eine Bringschuld auch des Parlaments, der Parlamentsfraktionen und der Abgeordneten. Deswegen ist es wichtig, dass es darüber nicht immer wieder Streit mit dem Rechnungshof gibt, sondern dass wir das Ganze jetzt gesetzlich so klar regeln, dass auch der Rechnungshof weiß, worauf er sich bei der Prüfung konzentrieren muss.

Bisher gab es immer das Ritual: Der Rechnungshof hat gerügt, und das Präsidium des Landtags hat daraufhin bestimmte Rügen zurückgewiesen. Dann war es doch so, wie es war. Jetzt machen wir alles einfach besser. Dieses Ritual können wir uns künftig ersparen. Wir werden eine klare gesetzliche Grundlage haben, wenn das Gesetz nach den Ausschussberatungen und der Zweiten Beratung im Plenum so beschlossen wird.

Künftig entscheiden die Fraktionen selbst über die ihnen geeignet erscheinenden Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit. Frau Kollegin Bauer hat schon darauf hingewiesen, dass wir in einer Mediendemokratie leben. Das heißt, wir müssen uns darstellen, wir müssen die neuen Wege und Möglichkeiten nutzen. Das wollen wir tun. Deswegen kann es auch keine thematische oder auch zeitliche Begrenzung der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen geben.