Wenn wir alles zusammennehmen, meine Damen und Herren, dann wird deutlich, dass dieser Haushalt verantwortungsvoll ist. Er trägt eine Verschuldung, die wir uns keineswegs so vorgestellt haben, die aber aufgrund der Wirtschaftskrise und aufgrund der Strukturen des Landeshaushalts gar nicht zu verhindern ist. Er macht deutlich, dass wir den starken Konsolidierungsbedarf in der Zukunft erkannt haben und dass wir
auch bereit sind, diesem starken Konsolidierungsbedarf in der Zukunft gerecht zu werden. Aber er macht auch deutlich, dass wir in den Bereichen Bildung, innere Sicherheit, Energieversorgung und Infrastruktur Schwerpunkte haben und dass wir auch erkannt haben, dass wir ökologische Zukunftsindustrien in Baden-Württemberg haben, die wir fördern müssen.
Unter dem Strich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, handelt es sich um einen Haushalt, der verantwortlich ist, der für den Landtag von Baden-Württemberg auch mit Blick auf die künftigen Generationen verantwortbar ist, und einen Haushalt, der sich im Ländervergleich allemal sehen lassen kann.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Interesse habe ich den grundsätzlichen Reden der vier Fraktionsvorsitzenden zugehört. Mein Dank gilt zunächst einmal dem Kollegen Mappus und der CDU-Fraktion sowie dem Kollegen Rülke und der Fraktion der FDP/DVP für die Mitwirkung an der Haushaltsaufstellung und für die Unterstützung bei den parlamentarischen Beratungen heute und in den nächsten Tagen über einen Doppelhaushalt für die Jahre 2010 und 2011. Ich danke aber auch dem Kollegen Schmiedel und dem Kollegen Kretschmann für eine sachlich orientierte Kritik an meiner Arbeit und für Gedanken, die sich mit der aktuellen Tagesordnung der Landes- und Bundespolitik befassen. Ich glaube, dass die Aussprache heute Morgen durchaus dem Anspruch einer Grundsatzaussprache gerecht geworden ist.
Zwei entscheidende Faktoren prägen erstmalig die politische Situation. Ich gehöre dem Landtag von Baden-Württemberg jetzt bald 26 Jahre an. Ich habe beide Faktoren bisher nicht annähernd in dieser Ausprägung erlebt.
Der erste Faktor ist: Die Wirtschaft in Baden-Württemberg ist im letzten Jahr um sage und schreibe 8 % geschrumpft. Wir haben in den letzten Jahrzehnten zweimal, dreimal eine Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung gehabt. Ansonsten hatten wir Wirtschaftswachstum, und der Streit ging maximal um die Frage, wie ein Wachstum der Wirtschaft gerecht an die Bürger weitergegeben werden kann. Im letzten Jahr gab es ein Minus um 8 %.
Ich sage ganz offen: Darauf sind wir als Verantwortliche für die Aufgaben und Ausgaben der öffentlichen Hand mit unseren Instrumenten und Mitteln schlecht vorbereitet. Dies gilt für die Bundesebene, dies gilt für die sozialen Systeme, dies gilt für die Länderebene, und es gilt auch für die kommunale Selbstverwaltung.
Man könnte auch sagen: Unsere Aufgaben sind unverändert, und die Ausgaben sind sauber im Plan. Alle Diäten werden gezahlt, mein Gehalt wird gezahlt, die Klassen bleiben gleich klein oder werden kleiner, die innere Sicherheit hat dieselbe Priorität. Kurzum: Nichts schrumpft. Weder Ihr Gehalt noch mein Gehalt
schrumpft um 8 % noch das, was wir an Dienstleistungen erbringen, noch das, was an Erwartungen der Bürger uns gegenüber besteht. Das heißt, die eine Seite unseres Budgets – Aufgaben und Ausgaben – wird 1 : 1 erfüllt.
Die Einnahmen hingegen brechen weg. Wenn die Wirtschaft um 8 % schrumpft, dann schrumpfen die Steuereinnahmen eher stärker, weil die Steuereinnahmen nicht nur auf Umsatz – 8 % Rückgang –, sondern auch auf Gewinnen aufgebaut sind und die Gewinne der Firmen bei 8 % Schrumpfung der Wirtschaft oftmals um 100 % wegbrechen.
Der zweite Faktor, der erstmalig und einmalig ist, ist die Entwicklung der Steuereinnahmen. Im Jahr 2010, also in dem Haushalt, den wir jetzt zu verantworten haben, werden wir 1,76 Milliarden € weniger an Steuern einnehmen, als es im Jahr 2008 der Fall war. Das heißt, im Jahr 2008, das längst abgerechnet ist, aber noch nicht lange zurückliegt, hatten wir sage und schreibe – nach dem Finanzausgleich, also netto – 1,76 Milliarden € mehr Einnahmen, als für dieses Jahr vorhergesagt worden sind.
Parallel dazu haben wir Ausgabesteigerungen. Herr Kollege Kretschmann hat das Thema „Öffentlicher Dienst, Angestellte, Arbeiter und Beamte sowie Pensionäre“ erwähnt. Aber so einfach ist die Sache nicht. Natürlich hatten wir im letzten Jahr und haben wir in diesem Jahr nennenswerte Gehaltssteigerungen. Aber wir hatten auch nennenswerten Nachholbedarf im öffentlichen Dienst. Der öffentliche Dienst hat in den Jahren von 2005 bis 2007 praktisch keine Gehaltssteigerungen gehabt, und darauf haben wir dann mit einer maßvollen zweistufigen Tarifsteigerung reagiert.
Übrigens steht Herr Bsirske Ihnen vermutlich näher als uns. Herr Salomon ist federführend bei den Tarifverhandlungen für den Bund und die Kommunen. Sie glauben doch nicht, dass bei 5 % Forderung von Bsirske am Ende 0 % herauskommen.
Das heißt, ich halte diese Tarifsteigerungen zum einen für legitim, für angezeigt, und ich glaube, dass uns andererseits bewusst gewesen sein muss: Bei über 40 % direkten und weiteren 10 % indirekten Personalausgaben im Landeshaushalt kann eine Entwicklung, in der die Wirtschaft um 8 % schrumpft und die Steuereinnahmen um mehr als 8 % zurückgehen, nicht von jetzt auf nachher über die Personalausgaben ausgeglichen werden. Das heißt, im Grunde genommen sind wir von einer Entwicklung betroffen, auf die wir alle nicht vorbereitet gewesen sind – in keinem Land, in keinem Rathaus, nicht in Baden-Württemberg und nicht im Bund.
Jetzt haben wir in diesem Jahr eine leichte Erholung. Kollege Mappus hat sie erwähnt. 1,5 % oder auch 2 % Wirtschaftswachstum sind wahrscheinlich erreichbar. Aber bei minus 8 % im letzten Jahr holen wir selbst mit 2 % Wachstum nur ein Viertel auf. Also werden wir erleben, dass es drei bis fünf Jahre dauern wird, bis wir wieder dort sind, wo wir vor der Krise gewesen sind. Aber auch vor dieser Annahme warne ich. Ich behaupte: Es wird nach der Krise nie mehr so sein, wie es vor der Krise war.
Wir – wir alle! – haben in der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung in den Jahren 2006 und 2007 goldene, gute Jahre ge
habt, Jahre mit starkem Wirtschaftswachstum, mit bestem Arbeitsmarkt, mit hohen Sozialeinnahmen durch Beiträge aufgrund dieser hohen Beschäftigung. Auch die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um drei Prozentpunkte – eine Zumutung für die Bürger – hat entsprechende Mehreinnahmen für Bund und Länder gebracht.
In diesem Jahr haben wir 2,6 Milliarden € neue Schulden im Haushaltsentwurf. Das ist ein unglaublich hoher Verschuldungswert. Aber trotzdem ist die Frage, wie viel das ist, relativ zu sehen. Ich behaupte – ich sage dies auch unseren Bürgern im Land –: Diese 2,6 Milliarden € zeichnen sich im Vergleich zu anderen öffentlichen Haushalten, z. B. den Haushalten anderer Länder und des Bundes, als sehr, sehr maßvolle Verschuldung aus.
Nochmals: Wir haben in diesem Jahr 1,76 Milliarden € Steuereinnahmen weniger als im Jahr 2008, und der Differenzbetrag auf 2,6 Milliarden € kommt durch die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst zustande. Das heißt, unsere Haushaltsstruktur ist in guten Jahren für die schwarze Null gut. Aber in schlechten Jahren gleichen wir dies nicht durch Kürzungen oder andere Maßnahmen aus.
In diesem Jahr haben wir eine Nettoneuverschuldung von 2,6 Milliarden €. Zeitgleich sieht Hessen, ein Geberland, ein wirtschaftsstarkes Land, bei nur sechs Millionen Einwohnern 3,4 Milliarden € neue Schulden vor. Das heißt, bei weit weniger Einwohnern werden weit mehr neue Schulden aufgenommen. Zum gleichen Zeitpunkt sieht Niedersachsen mit weit weniger Einwohnern 2,4 Milliarden € neue Schulden vor, und Rheinland-Pfalz mit nur vier Millionen Einwohnern, ein kleines Nachbarland, macht in diesem Jahr ebenfalls 2,4 Milliarden € neue Schulden. Bundesweit gehen wir in diesem Jahr von 150 Milliarden € neuen Schulden aller öffentlichen Hände aus. Unsere 2,6 Milliarden € sind dabei ein durchaus vertretbarer geringer Wert.
Das Nachbarland Bayern, das ich ebenfalls ansprechen will, macht in diesem Jahr vermutlich keine neuen Schulden, aber nur deswegen, weil Bayern durch Aktienverkäufe – Aktien vom Bayernwerk, von Viag und anderen – milliardenhohe Rücklagen aufgebaut hat. In diesem Jahr entnimmt Bayern 2,9 Milliarden € aus den Rücklagen. Nur dadurch wird dort vielleicht der Ausgleich des Haushalts möglich sein.
Ich bekenne mich zu diesem Etat, und ich glaube, dass das, was wir Ihnen hier an Strukturen vorlegen, im Vergleich zu anderen Ländern beachtlich und sehenswert ist.
Was haben wir in den letzten Jahren strukturell für den Haushalt getan? Das heißt: Was haben wir erreicht, damit die Verschuldung langjährig nicht mehr notwendig bleibt? Ich darf erwähnen, dass das 13. Gehalt, das Weihnachtsgeld der Beamten, das noch vor wenigen Jahren bei 90 % eines Monatsgehalts lag, für aktive Beamte auf 50 % und für Pensionäre auf 30 % gekürzt und in das Gehalt integriert worden ist.
Kollege Kretschmann sagt: Ihr hättet mehr kürzen können. Das mag sein. Aber eine Reduzierung auf 30 % für Pensionäre und 50 % für aktive Beamte ist eine nennenswerte Leis tung, ein nennenswerter Beitrag des öffentlichen Dienstes.
Ein zweiter Punkt: Wir haben die Arbeitszeit unserer Beamten auf 41 Stunden erhöht. Die Bayern hatten 42 Stunden; da ging es auf 40 Stunden zurück. Mir ist nicht ganz erklärbar, warum die Regierung in München dies macht. Wir behalten die 41 Stunden bei und haben die Mehrarbeit in Stellenstreichungen umgemünzt, damit die Arbeitsstunden gleich bleiben und dies dem Haushalt strukturell zugutekommt.
Wir haben mit den Gruppen der Gesellschaft, den Kirchen, dem Sport, der Kultur und anderen über vier Jahre hinweg Solidarpakte eingeführt. Beim Sport sind die Mittel, die wir in diesem Jahr ausgeben, genauso hoch wie im Jahr 2006. Ich glaube daher, dass diese Regierung viel zur Ordnung der Haushaltsstruktur getan hat; es war wohl nicht genügend – auf eine Schrumpfung um 8 % waren und sind wir nicht vorbereitet –, aber mehr als die Mehrzahl der Nachbarländer zur gleichen Zeit gemacht haben.
Jetzt kam der Vorwurf des Kollegen Schmiedel, wir hätten die Haushaltsberatungen verzögert. Diesen Vorwurf weise ich in aller sportlichen Freundschaft zurück. Solange ich mich erinnern kann, tagte der Finanzausschuss zu den Haushaltsberatungen – auch in der Großen Koalition – immer im Januar. Noch unter Beerstecher, noch unter Puchta und anderen war das so. Mit Verlaub: Noch bestimmt das Präsidium des Landtags von Baden-Württemberg, wann der Haushalt beraten wird
und die Verabschiedung des Haushalts war immer Anfang Februar. Dieser Doppelhaushalt wird genauso spät, genauso rechtzeitig beraten und verabschiedet, wie es dieses Haus seit Jahren und Jahrzehnten kennt. Deswegen nochmals: Der Vorwurf der Verzögerung ist eine falsche Kritik, die meines Erachtens nicht angezeigt ist.
Der Finanzausschussvorsitzende weiß sehr wohl, dass im Januar hier gearbeitet wird und dies noch nie im Dezember aufgerufen worden ist.
Noch ein Satz zur Haushaltsstruktur. Mit den 150 Milliarden € neuen Schulden der öffentlichen Hand in diesem Jahr erreichen wir, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, einen Schuldenrekord, eine Defizitquote von 6 %. Das heißt, von etwa 2 500 Milliarden € Wertschöpfung – Händearbeit, Kopfarbeit und anderes mehr – gehen wir in diesem Jahr mit 6 % in die Verschuldung hinein: 150 Milliarden € bundesweit, in BadenWürttemberg 2,6 Milliarden €.
Wenn wir jetzt die 150 Milliarden €, die 6 %, auf das übertragen, was gesamtstaatlich dem Bund an Schuldenrechten zusteht, was den Ländern zusteht, was Baden-Württemberg zusteht, was uns und was den Kommunen zusteht, und dann einen Anteil für das Land herausrechnen, dann entspricht das, was wir an neuen Schulden machen, gerade einmal einer Quote von 3,1 %. Das heißt, wir tragen zu den 6 %, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, gerade einmal die Hälfte dessen bei, was uns eigentlich zusteht. Daher kann gesagt werden: Baden-Württemberg hält die strengen Währungskriterien auch in ökonomisch denkbar schlechter Zeit ein.
Was sind die Schwerpunkte, die uns und mir wichtig sind? Der entscheidende Schwerpunkt heißt Bildung, Forschung und Wissenschaft, Betreuung und Erziehung.
Meine Damen und Herren, dass wir mit diesem Haushalt ernst machen und der Klassenteiler im Einvernehmen mit den beiden Regierungsfraktionen von maximal 33 Kindern auf 28 Kinder abgesenkt wird, ist eine historische Entwicklung.
Genau daran macht sich auch das „Kinderland“ Baden-Würt temberg fest. Was Sie, Kollege Schmiedel, hier vorgetragen haben, war Spiegelfechterei. Mit diesen Titeln für Personalaufwand, Dienstleistungen und sonstige Ausgaben – unterm Strich 170 000 € – werden nicht mehr und nicht weniger als Regionalkonferenzen, der Weltkindertag 2010 und ein Kongress „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ finanziert. Das heißt, mit Ihren Nullen haben Sie im Grunde genommen das Parlament zu täuschen versucht, aber die Täuschung nicht erreicht.