Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

Wissen Sie, meine Damen und Herren, was das erfolgreichste Element der Innovationsgutscheine ist? Das erfolgreichste Element ist, dass etwa 70 % der rund 1 100 Anträge auf Innovationsgutscheine von kleinen Unternehmen stammen, die in der Vergangenheit noch nie etwas mit Forschung und Entwicklung zu tun hatten und erst aufgrund der Innovationsgutscheine an Forschungseinrichtungen herangeführt worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Genau das ist unser Ziel, und dies müssen wir auch in Zukunft verfolgen.

Wir haben Investitionen zu tätigen; ich habe es gesagt. Wir werden das auch über diesen Haushalt tun. Ich brauche das jetzt nicht im Einzelnen zu wiederholen. Führen Sie sich beispielsweise nur einmal die Städtebauförderung im Umfang von allein jeweils rund 175 Millionen € vor Augen, und denken Sie daran, welche Folgewirkungen es hat, welche Inves titionen ausgelöst werden, wenn Landesmittel im Umfang von 175 Millionen € eingesetzt werden.

Ich nenne die Förderung der kommunalen Tourismusinfrastruktur, für die in unverändertem Umfang Mittel zur Verfügung stehen. Ich nenne die Denkmalpflege, für deren Förderung die Mittel deutlich erhöht worden sind. Vieles andere mehr ließe sich anführen. An diesen wenigen Beispielen sehen Sie, dass wir auch in einer schwierigen Situation das Thema Investitionen nicht vergessen haben; ganz im Gegenteil.

Wir haben ein Problem – das ist angesprochen worden – beim Wohnungsbau. Ich habe nicht beim Wohnungsbau gekürzt, meine Damen und Herren. Wenn Sie sich die Entwicklung der Fördermittel des Landes und des Bundes in diesem Bereich in den vergangenen zehn Jahren anschauen, dann werden Sie feststellen, dass das Mittelvolumen immer zwischen 48 Millionen € und 50 Millionen € lag. Ich habe nicht gekürzt.

Der Grund für den Rückgang ist, dass die sogenannten Restmittel, die uns der Bund bereitgestellt hat – das sind Mittel, die im Sinne des Wohnungsbaus beantragt worden sind, aber aus irgendwelchen Gründen nicht abgerufen worden sind –, im vergangenen Jahr ausgegeben worden sind und daher in

diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies gilt ebenso für die Mittel aus den Konjunkturprogrammen. Ich habe diese Mittel nicht gekürzt.

Natürlich sind die Mittel in diesem Jahr geringer als im vergangenen Jahr. Wir müssen uns vor allem schon heute damit beschäftigen, dass der Bund angekündigt hat – Stichwort Föderalismusreform –, ab dem Jahr 2013 den Ländern überhaupt keine Mittel mehr für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Das ist natürlich eine Situation, auf die wir reagieren müssen.

In der Tat werden in Bayern mehr Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Trotzdem ist auch in Bayern die Zahl der Wohnungen, die gebaut worden sind, deutlich nach unten gegangen.

Meine persönliche Meinung ist, dass wir dem Rat der Fachleute folgen müssen. Alle Fachleute sagen uns: Wenn ihr etwas für den Wohnungsbau tun wollt, wenn ihr den Wohnungsbau beflügeln wollt, dann müsst ihr zweierlei tun: Zunächst einmal müsst ihr an der steuerlichen Front bei den Abschreibungsmöglichkeiten wieder etwas positiv gestalten. Das ist der wichtigste Aspekt. Wenn ihr darüber hinaus wollt, dass auch im Mietwohnungsbau etwas passiert, dann solltet ihr die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ein Stück weit liberalisieren und Anreize dafür schaffen, dass in Zukunft überhaupt wieder jemand auf die Idee kommt, Mietwohnungsbau zu betreiben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es!)

Dann kommen die alten Kamellen zur Deckung der Forderungen, die von der Opposition gestellt worden sind. Das ist der alte Wanderpokal des Verkaufs von Darlehensforderungen. Ich kann Ihnen nur sagen: Zunächst einmal sollten Sie daran denken – darauf wurde schon hingewiesen –, dass ein solcher Forderungsverkauf europaweit ausgeschrieben werden müsste. Wer diese Forderungen letzten Endes kauft, weiß kein Mensch.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja und?)

Ob dies im Interesse der Darlehensnehmer ist, weiß auch kein Mensch. Sicherlich ist richtig – auch darauf wurde schon hingewiesen –, dass der Verkauf von Darlehensforderungen im Grunde nichts anderes bedeuten würde, als dass Haushaltsmittel vervespert würden und für zukünftige Haushalte nicht mehr zur Verfügung stünden.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Wer auf der einen Seite fordert, man solle den Haushalt in Ordnung bringen, und auf der anderen Seite einen Wechsel auf die Zukunft ausstellt und damit zukünftige Haushalte so gravierend belastet, der hat für mich jeglichen Anspruch auf Seriosität in der Haushaltspolitik verloren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! So ist es!)

Ich möchte noch den Punkt Liquidität aufgreifen. Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass das Thema Liquidität auch unter dem Blickwinkel der Eigenkapitalschwäche der badenwürttembergischen Firmen insbesondere im Jahr 2010 gesehen werden muss. Das kann man nicht abstreiten. Insofern geht es darum, dass wir auch in Zukunft Kredite vergeben können. Es geht auch darum, dass diese Kredite verbürgt werden sollen. Natürlich ist es gut, dass 99,5 % aller Bürgschaften, die das Land übernommen hat, an kleine und mittlere Unternehmen gegangen sind. Diese Zahlen zeigen eindeutig, dass wir auf dem richtigen Weg sind und vieles erreicht haben, um diese Liquidität sicherzustellen.

Es geht aber auch um Eigenkapital. Hierzu will ich hervorheben – ich glaube, der Herr Ministerpräsident hat schon darauf hingewiesen –: Wenn wir alle Möglichkeiten zusammennehmen, z. B. Beteiligungskapital, stille Beteiligungen und Genussrechte, dann haben wir in Baden-Württemberg derzeit mindestens 1 Milliarde € auf dem Markt, um die Eigenkapitalbasis unserer Unternehmen zu verbessern. Deshalb tun wir gut daran, dafür zu werben – auch aktiv zu werben, auch als Wirtschaftsministerium –, dass diese Möglichkeiten für stille Beteiligungen auch wirklich genutzt werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf darum bitten, die Unterhaltungen nach außerhalb des Plenarsaals zu verlegen.

Solange diese Möglichkeiten nicht ausreichend genutzt werden, brauchen wir keinen neuen Topf, brauchen wir keinen Fonds. Der ist in der Tat unnötig wie ein Kropf.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Einen letzten Punkt will ich in aller Kürze noch ansprechen, weil er ein Schlüsselbereich ist: berufliche Bildung und Fachkräftesicherung. Sie haben gesagt, auch hier täten wir nichts, würden wir keine Impulse setzen. Doch, wir setzen Impulse, weil wir ganz genau wissen, was auf uns zukommt.

Ich habe Ihnen schon von dieser Prognos-Studie erzählt; Sie kennen sie. Prognos hat zum Jahreswechsel gemeldet, dass in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2015 demografisch bedingt 280 000 Beschäftigte nicht mehr zur Verfügung stehen. Zehn Jahre später werden es bereits 500 000 Beschäftigte sein, die uns nicht mehr zur Verfügung stehen – 70 % davon entweder mit dualer Ausbildung oder auch mit akademischer Ausbildung, also jedenfalls qualifizierte Leute.

Das ist die Entwicklung, von der wir im Augenblick ausgehen. Deshalb muss doch alles getan werden, was wir überhaupt tun können, um schon heute die Startlöcher dafür zu buddeln, dass diese für das Land, für die Wirtschaftsstruktur des Landes so wichtige Qualifikation auch in der Zukunft vorhanden sein wird.

Ich will nur an ein paar Beispielen aufzeigen, was wir tun. Wir werden wohl nicht verhindern können, dass es im Jahr 2010 Insolvenzen in Baden-Württemberg gibt, vielleicht sogar mehr

als im vergangenen Jahr. Das kann niemand ausschließen. Aber wir wollen nicht, dass ein junger Mensch, den wir in dieser Gesellschaft brauchen, wegen der Insolvenz eines Unternehmens auf der Straße steht. Um dies zu verhindern, haben wir die Mittel deutlich aufgestockt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP zur SPD: Und Sie sind dagegen! – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Ich sage das nur deshalb, weil Sie uns vorwerfen, wir täten nichts, um die Wirtschaft in Baden-Württemberg auf dem Laufenden zu halten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nicht mehr als die Pflicht!)

Wir machen das übrigens genauso bei den jungen Leuten, die in Betrieben mit Kurzarbeit beschäftigt sind. Auch hier wird dafür Sorge getragen, dass diese jungen Leute ausgebildet werden können. Wir tun das in unserem eigenen Interesse.

Drittens – um das Thema Frauen anzusprechen – setzen wir zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Baden-Würt temberg das Programm Kontaktstellen „Frau und Beruf“ flächendeckend um. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes gibt es die Kontaktstellen „Frau und Beruf“ flächendeckend in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf: Bravo!)

Das ist eine hervorragende Möglichkeit, um zu erreichen, dass die Menschen endlich einsehen, dass ohne Frauen kein Staat zu machen ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Aber wir müssen angesichts dieser Situation allmählich auch begreifen: Ohne Frauen ist auch keine Wirtschaft zu machen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das haben doch wir mit Herrn Spöri ins Leben gerufen! Das ist ein Uraltzopf! Der kommt aus dem letzten Jahrhundert! – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lehmann?

Gern.

Herr Minister, ich habe jetzt sehr wohl gehört, welche Maßnahmen Sie vor dem Hintergrund der Aussagen der Prognos-Studie vorschlagen. Aber das, was Sie jetzt hier vorgeschlagen haben, geht diese Problematik im Kern überhaupt nicht an. Was macht die Landesregierung eigentlich, um dem sich in naher Zukunft sehr verschärfenden Problem, nämlich dem Fachkräftemangel, wirklich zu begegnen?

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nichts!)

Die Frage ist absolut berechtigt. Ich sehe das genauso wie Sie, Herr Kollege. Wir ste

hen gewissermaßen vor einem Paradigmenwechsel. In der Vergangenheit war es so, dass wir uns anstrengen mussten, um genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen und damit die jungen Leute unterzubringen. Das war die Aufgabe der letzten zehn Jahre. Der Paradigmenwechsel bedeutet, dass wir in den nächsten zehn, 15, 20 Jahren eine ganz andere Aufgabe haben: Wir müssen schauen, dass wir die Köpfe haben, die jungen Leute haben,

(Abg. Thomas Knapp SPD: Die muss man ausbilden!)

die Menschen insgesamt haben, die eine entsprechende Ausbildung machen.

(Zurufe, u. a. Abg. Claus Schmiedel SPD: Und jetzt?)

Deshalb habe ich gesagt, dass ich an zwei, drei Punkten ansetzen will. Das geht übrigens aus dem Haushalt hervor; wir sprechen ja über den Haushalt. Ich will erstens an dem Punkt ansetzen, dass kein einziger junger Mann, keine einzige junge Frau ohne eine adäquate Ausbildung ins Berufsleben entlassen werden soll.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Davon sind wir aber noch weit, weit weg!)