Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Insofern wird es schwierig, in den nächsten 20 Jahren die Zuwachsziele der Landwirtschaft zur Sicherung der Welternährung bei gleichzeitiger Reduzierung des Einsatzes fossiler Energieträger und damit einhergehender Verteuerung von Ener gieträgern zu erreichen. Aus diesem Kreis ist die Landwirtschaft noch lange nicht herausgekommen; sie ist noch nicht einmal richtig drin.

Immerhin haben wir den Verfall der Milchpreise in einem nicht funktionierenden, asymmetrischen Markt im vergangenen Jahr und auch zuvor schon beobachten können. Wir beobachten die hohe Volatilität des Marktes, das heißt, Märk te und Erzeugerpreise wandern, gehen hin und her und sind von der Landwirtschaft kaum noch beeinflussbar. Das macht für den Landwirt die Investitionsplanung und überhaupt die Planung, was er im nächsten Jahr machen soll, schwierig.

Die EU hat darauf mit Sonderhilfen, u. a. für Milcherzeuger, reagiert. Der Bund hat im Rahmen des Konjunkturprogramms nachgeholfen. Von ca. 91 Millionen € profitieren die Landwirte in Baden-Württemberg – aber diese Mittel kommen von Bund und EU und sind keine eigenen Leistungen.

Allerdings gibt es noch immer das Prinzip Gießkanne. Noch immer werden diese Beträge – und sie werden knapper – nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet. Einzelne strategische Förderungen und Ziele sind nicht ersichtlich, auch nicht in diesem Haushaltsplan.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Ja?)

Man kann das auch einer Äußerung von Minister Hauk entnehmen. Im Wochenblatt „BWagrar“ äußerte er in diesem Jahr:

Nachholbedarf gibt es in der Strukturförderung.

Sehr richtig, Herr Minister. Gut gesagt. Die Analyse stimmt. Aber das Handeln fehlt. Es ist keine Haushaltstherapie ersichtlich.

Sie haben im gleichen Bericht weiter gesagt:

Gemeinsam müssen wir die Kräfte bündeln, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

Gießkanne ist das Gegenteil von Bündeln. „Gestärkt aus der Krise hervorgehen“, das haben wir bei der Haushaltsberatung im Finanzausschuss vor zwei Wochen vom Kollegen Mappus gehört. Das ist ein wohlfeiler Satz, der gar nichts Konkretes beinhaltet. Er soll eigentlich nur eine beruhigende Wirkung haben. Das ist lediglich eine Worthülse. Hier jedoch ist Substanz gefragt.

Angesichts der immer globaleren Märkte spielen die gezielt vermarkteten regionalen Produkte in der Region eine immer größere, eine wachsende Rolle. Für viele Menschen ist es wichtig, zu wissen, woher die Lebensmittel kommen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden, und vor allem sicherzugehen, dass diese nicht um den halben Globus transportiert wurden. Das ist eine wachsende Chance für regionale Produkte, für heimische Produkte. Dahinter steht das verarbeitende Gewerbe mit einem Faktor von annähernd 10, wenn die Produkte bei uns im Land weiterverarbeitet werden.

Im ländlichen Raum wird durch die Wirtschaftskrise deutlich, dass die neuen Medien, Breitbanddatenautobahnen, als Strukturverbesserung immer wichtiger für die Zukunft im ländlichen Raum sind. Die kleinen Gemeinden suchen Partner, suchen Geld, suchen Lösungen. Die Hilfen sind noch immer bescheiden.

Wie innovativ ist dieser Haushaltsplan? Kollege Kübler hat 2009 in seiner Rede zum Haushaltsplan gesagt:

Die Kontinuität der Politik in Förderung und Unterstützung ist Kennzeichen unserer Landwirtschaftspolitik.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Stimmt!)

Das Motto heißt: Im Westen nichts Neues. Ihre Kontinuität verpasst sowohl den Anschluss an die Veränderung der Struktur der Landwirtschaft vor Ort, regional, als auch den Anschluss an die globale Veränderung der Marktstrukturen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es wird also fortgeführt nach dem Motto: Wo es ein Programm gibt und wir Finanzmittel abgreifen können, machen wir das auch. Dabei entsteht trotz dieser Bemühungen ein Förder dschungel, den auch ein Fachmann fast nicht mehr durchschaut. Jeder Geheimdienst würde sich die Zähne ausbau- en – –

(Zurufe: Ausbeißen!)

Jeder Geheimdienst würde sich die Zähne ausbeißen, müsste er Ihr kunstvolles Haushaltskonstrukt dechiffrieren, Herr Minister.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Das ist aber nicht englisch, das ist deutsch! – Abg. Dr. Friedrich Bullin- ger FDP/DVP: Das war fast alemannisch!)

Es ist ungeheuer schwierig, einigermaßen den Überblick über die Vielfalt der Programme zu erhalten, die sich überdecken

und überschneiden und bei denen nicht ersichtlich ist, welchem Zweck sie dienen und ob sie diesen erreichen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

weil bei uns nach wie vor noch immer keine Prüfung über die Verwendung, über die Zielfunktion und die Zielerreichbarkeit von Programmen durchgeführt wird.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Aber nur, wenn man nicht lesen kann!)

Ich nenne Beispiele: erstens Energie aus nachwachsenden Rohstoffen, für viele Landwirte ein Standbein – Biogaserzeugung, Fotovoltaik, trockene Biomasse. Hier vermissen wir besondere Anstrengungen. Hier vermissen wir Zeichen.

Beispiel 2: Gentechnik. Zunehmend wird deutlich, dass die grüne Gentechnik in Europa auf dem Rückzug ist. Den maßlosen Heilsversprechungen und Werbephrasen glauben Landwirte mittlerweile auch nicht mehr. Wir brauchen die Gentechnik nicht. Wir brauchen gentechnikfreie Zonen. Allerdings findet sich im vorliegenden Haushaltsplan nichts zur Unterstützung derjenigen Menschen, die die Gentechnik nicht wollen – kein Wort und schon gar nicht ein einziger Euro.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Beispiel 3: Verbraucherschutz und Kontrollen. Die Situation der Lebensmittelkontrolle wird allmählich entschärft. Das sehen wir so. Aber immerhin: Vier Jahre lang blieben unsere Forderungen ohne Resonanz.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das wird auch die nächsten Jahre so sein!)

Noch immer fordert der Landkreistag mehr Stellen für die Lebensmittelüberwachung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Diese Forderung ist ein gesellschaftliches Anliegen, meine Damen und Herren, an dessen Erfüllung wir überhaupt nicht vorbeikommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Mangel an Veterinären schwächt den Verbraucherschutz. Ob bei Bedarfsgegenständen, Kleidung, technischen Geräten: Was die Kontrollen in den Stadt- und Landkreisen angeht, so wird das erforderliche Pensum nicht mehr erbracht und vielen Vorgaben nicht mehr entsprochen, oder es besteht zumindest die Gefahr, dass es dazu kommt.

Zum Bereich Naturschutz: Leider ist trotz aller Freude über das Biosphärenreservat festzustellen, dass der Naturschutz nicht wirklich vorankommt. Uns erreichen Zuschriften von Umweltverbänden, Initiativen, die darüber aufklären, dass ihnen Mittel, die sie für die allerdringlichsten Maßnahmen zur Umsetzung von Natura 2000 offenbar benötigen, gekürzt wurden. Doch gerade unten, beim praktischen Einsatz für Biotope, brauchen wir diese Mittel, damit der Artenschwund gestoppt und die Vielfalt von Pflanzen und Tieren gesichert werden kann. Wir haben deswegen gefordert, zur Verstärkung zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Million € in den Haushalt ein

zustellen. Leider haben wir uns mit dieser Forderung nicht durchgesetzt.

Eine Bemerkung zum Tierschutz: Der Kollege Locherer hat erwähnt, dass für den Tierschutz, zum Bau von Tierheimen, Mittel eingestellt worden sind.

(Zuruf von der CDU: Jawohl!)

Auf unseren Antrag hin haben Sie das dankenswerterweise gemacht,

(Lachen des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Nein, nein! Das haben wir selbstständig gemacht! – Abg. Paul Locherer CDU: Ihr schmückt euch mit fremden Lorbeeren!)

wenn auch nicht ganz in der Höhe, die wir gefordert haben. Wir waren erfreut darüber, dass wir das bei den Haushaltsberatungen erfahren haben.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Karl-Wilhelm Röhm: Das war eine Sternstunde für euch!)

Das war in Ordnung. Damit sind wir zufrieden,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir auch! Wir sind mit euch zufrieden!)

auch wenn die Mittel nicht ganz in der Höhe eingestellt werden, wie wir sie gefordert hatten. Das ist in Ordnung.

Die Tierschutzvereine haben eine wichtige Aufgabe in unserem Land. Sie erbringen ihre Aufgabe ehrenamtlich, und sie sind überfordert, wenn sie die benötigten Beträge selbst aufbringen müssen. Wir hatten 1,2 Millionen € beantragt. Im Doppelhaushalt wurden, glaube ich, schließlich 1 Million € veranschlagt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt setzt keine Zeichen.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Für uns schon!)