Wenn Sie nächste Woche nicht sowieso mit dem Kabinett Oettinger insgesamt zurücktreten müssten, dann wäre Ihr Rücktritt heute fällig.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Tschüs! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Also, der Dienst- wagen in der nächsten Wahlperiode ist nicht si- cher!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Oettinger, wenige Tage, bevor Sie aus dem Amt ausscheiden, hat Sie eine veritable Affäre eingeholt. Es geht bei dem Integrierten Rheinprogramm um ein gigantisches Projekt. Es ist sehr wichtig für den Hochwasserschutz – das hat Herr Kollege Schmiedel ge
rade dargestellt –, es ist aber auch ein riesiges Bauprojekt, und es geht um über 50 Millionen t Kies.
Dass die örtlichen Kiesunternehmen ein großes Interesse haben, da mit am Ball zu sein, und dass da riesige Geschäfte winken, kann niemanden verwundern. Wir wissen ja, wie das läuft. Man geht zu den CDU-Größen vor Ort und sagt: „Könnt ihr da nicht etwas für uns tun?“ Diese Kiesunternehmen tätigen Spenden an die Regierungsparteien.
In einer solchen Situation muss es doch Ihr Ehrgeiz sein, Herr Ministerpräsident – die Opposition hat dazu in zwei Anträgen die notwendigen Fragen gestellt –, dass die Fragen nicht erst, wie es die Geschäftsordnung erlaubt, in spätestens drei Wochen beantwortet werden, sondern dass die Antworten spätes tens am kommenden Montag auf dem Tisch liegen.
Es muss doch Ihr Interesse sein – das ist eigentlich Ihre Pflicht; unsere ist es sowieso –, dass die Angelegenheit geklärt wird und die Sachen auf dem Tisch liegen, bevor Sie aus dem Amt scheiden. Dazu kann ich Sie nur ganz dringend auffordern.
Wir wollen sofortige Akteneinsicht und wollen nicht darauf warten, bis wir das über die Zeitung peu à peu zugespielt bekommen. Auf den Tisch mit allem, was diese Affäre betrifft!
Wir wissen, dass Herr Staatssekretär Fleischer schon frühzeitig gegen das Integrierte Rheinprogramm und gegen die eigene Regierung gekämpft hat, als es z. B. um die ökologischen Flutungen ging.
Er hat seine Bürgermeister vor Ort in Stellung gebracht. Er hat bei diesem Projekt noch nie eine positive Rolle gespielt.
Heute wissen wir jedenfalls sicher, dass er dieses wichtige Projekt mindestens zwei Jahre lang blockiert hat.
Was das an Gefahren für die Menschen bedeutet, ist gesagt worden. Es bedeutet aber auch viel im Hinblick auf die Frage, wie hier mit dem Geld des Landes umgegangen wird – und das sogar von einem Finanzstaatssekretär.
Das, was wir schon sicher wissen, nämlich dass Briefe des Bundesverkehrsministeriums hier liegen geblieben sind, spricht für sich. Sie gehen in einer solch wichtigen Frage, bei der es um dreistellige Millionenbeträge geht, mit Schreiben
von Verfassungsorganen des Bundes offensichtlich so um, als hätte Ihnen irgendein Querulant geschrieben.
Offensichtlich ist das Ihr Umgang damit. Wie wollen Sie bitte der Bevölkerung erklären, dass Sie so etwas einfach liegen lassen und Sachen verschleppt werden?
Herr Fleischer ist jetzt offensichtlich Herr des Verfahrens. Sie haben einen Zusammenhang zwischen den Spenden und Ihrem Handeln strikt zurückgewiesen.
Darauf kommt es aber nicht an. Weder können wir einfach sagen, es gebe einen Zusammenhang, noch können Sie sagen, es gebe keinen.
Die entscheidende Frage ist, ob die Verfahren korrekt gelaufen sind, sodass das von vornherein ausgeschlossen ist. Nur das kann jemanden von dem Vorwurf der Einflussnahme auf das Verfahren freisprechen. Das ist das alleinige Kriterium.
Es wäre allein schon eine politische Stilfrage gewesen, den Staatssekretär, in dessen Region diese Kiesunternehmen liegen, nicht zum Herrn des Verfahrens zu machen. Alle anderen Ministerien haben heftige Kritik daran geübt. Man sollte vielmehr jemand anderen zum Herrn des Verfahrens machen und nicht den, der gerade davon betroffen ist.
Das alles stimmt hier von vorn bis hinten nicht. Das müssen Sie aufklären, Herr Ministerpräsident. Meiner Ansicht nach müssen Sie es aufklären, bevor Sie aus dem Amt scheiden. Sie sind es dem Land, seiner Bürgerschaft, dem Landtag und Ihrer eigenen Fraktion schuldig, dass Sie das noch machen, bevor Ihr Nachfolger ins Amt kommt.
Herr Finanzminister Stächele, ich fordere Sie wirklich auf, unmissverständlich klarzulegen, wann Sie von der Verschleppung erfahren haben und warum Sie sie nicht beendet haben.
Das wollen wir wirklich klipp und klar wissen. Jedenfalls lassen wir uns hier mit solchen Sottisen und Späßen – der eine
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Franz Untersteller GRÜNE und Hans-Martin Haller SPD)
Bei dem Abriss eines Prellbocks, dem großen Fest zu Stutt gart 21, haben Sie, Herr Oettinger, den Spruch losgelassen: „Dieses Projekt ist alternativlos.“
Dass man in einer freiheitlichen Demokratie überhaupt einen solchen Spruch ablässt, finde ich schon schlimm genug. Denn es macht ja eigentlich die freiheitliche Demokratie aus, dass in ihr Alternativen zutage kommen.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Aber dazu ge- hört auch, dass jeder seine Meinung sagen kann! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie zeigen ja nicht ein- mal Alternativen auf!)
Das ist bei Stuttgart 21 besonders grotesk, weil die Alternativen auf dem Tisch liegen, auch wenn sie der Goliath-Koalition nicht gefallen.