Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

Witzig finde ich allmählich, dass man sich noch rechtfertigen muss, wenn man in einem Bereich einmal zur Verfügung stehende knappe Mittel zusätzlich ausgibt. Ein Stück weit, liebe Kollegin Wonnay, ist das für mich dann schon ein Ausspielen der Verbände gegeneinander. Aber wir kommen noch dazu.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Aber Sie wissen schon, über welche Beträge wir reden, Herr Kollege! Das Dreifache ist das!)

Das Thema Demografie – das hat der Kollege Klenk auch angesprochen – beinhaltet immer zwei Aspekte. Der eine Aspekt ist die finanzielle Situation von Familien. Da muss ich schon noch einmal sagen, dass unter Rot-Grün und auch noch unter der schwarz-roten Bundesregierung Kinder- und Familienarmut nachweislich zugenommen hat. Das heißt, dass Sie bei den Transferleistungen die Entlastungen und die Zuschüsse offensichtlich nicht entsprechend angepasst haben. Deswegen lassen Sie mich noch einmal klipp und klar sagen: Der Hauptbrocken der Entlastung, die wir mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossen haben, ist die Entlastung von Familien.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Freibeträge für die Besserverdienen- den!)

Danke für den Zuruf „Freibeträge“. Lieber Herr Schmiedel, Sie wissen vielleicht nicht, wie hoch der Anteil ist, der über das Kindergeld an Familien fließt. Sie wissen, Kindergeld erhält der, der nicht besonders viel verdient, denn sonst könnte er Freibeträge nutzen. Die Zahl lautet 4,2 Milliarden €. Sie fließen an Familien, die kindergeldbezugsberechtigt sind, und 400 Millionen € – also 10 % – gehen an solche, für die der Freibetrag günstiger ist. Da soll mir noch jemand erzählen, das sei eine besondere Klientel.

Da darf ich schon noch einmal den Vergleich zu Ihrem Konjunkturprogramm ziehen. Gerade die 4 Milliarden € können wir einmal herausgreifen. 4 Milliarden € über die Jahre, aber mit einer dauerhaften, zuverlässigen monatlichen Zahlung an die Familien sind mir allemal lieber als ein Jahr lang 4 Milliarden € für eine Abwrackprämie.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Und was haben Sie für die Kinder gemacht?

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Jawohl!)

Für die Kinder haben Sie eine Einmalzahlung in Höhe von 100 € beschlossen.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Das ist doch ein Witz. Das war eine soziale Schieflage.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das, was wir jetzt angedacht haben, wird den Familien tatsächlich helfen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde jetzt gern einmal am Stück argumentieren.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje!)

Nein. Gut.

Wenn der Präsident wieder ganz scharf auf die Zeit schaut, dann lasse ich eine Nachfrage zu. Dazu gibt es später Gelegenheit.

(Heiterkeit des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass es schon aus demografischen Gründen wichtig ist, dass Kinder nicht zum Armutsrisiko werden. Deswegen wird übrigens auch die Leistung des Bundes für Hartz-IV-Empfänger angepasst werden müssen. Dazu hätten Sie viel Zeit gehabt. Diese Anpassung haben Sie nicht vorgenommen. Jetzt muss man auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts warten.

Aber das andere – dabei sind vorrangig das Land und die Kommunen zuständig – ist die Frage, die viele Familien und vor allem die Frauen beschäftigt: Wie kann ich die Erziehung eines Kindes mit meinem beruflichen Fortkommen vereinbaren? Es geht also um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Genau da müssen wir auch im Land Baden-Württemberg Schwerpunkte setzen. Das werden wir auch tun.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was machen Sie denn konkret? Null machen Sie!)

Dazu haben Sie jetzt Änderungsanträge gestellt. Weil Sie sagen, das Land gebe zu wenig Geld, darf ich, liebe Ulla Haußmann, noch einmal daran erinnern: Ich lobe die frühere Bundesregierung ja dafür, dass sie da auch zusätzliches Geld aus erhöhten Umsatzsteueranteilen gibt. Das Land Baden-Würt temberg gibt etwas dazu. Die Hauptlast tragen natürlich die Kommunen.

(Zuruf der Abg. Rita Haller-Haid SPD)

Wir haben gemeinsam mit den Kommunen den stufenweisen Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren beschlossen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das könnte schneller gehen. Es geht aber nicht deswegen nicht schneller, weil das Geld nicht käme. Vielmehr kann man nachweisen, dass das Geld zeitgerecht fließt, aber die Kommunen mit dem Ausbau der Betreuungsplätze nicht nachkommen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: So ist es, Frau Wonnay! Zuhören!)

Ich kann Ihnen die Zahlen und die Antwort auf das, wonach Herr Wetzel gefragt hat, gern zur Verfügung stellen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Reden Sie einmal mit dem Städtetagspräsidenten! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Uns war klar, dass sich auch diese Betreuungsquoten im Land deutlich unterscheiden. Es gibt Universitätsstädte, die weit über dem angestrebten Ziel sind. Aber es gibt auch andere Gemeinden, die noch weit darunter sind, u. a. auch deshalb, weil der Bedarf regional möglicherweise sehr unterschiedlich ist.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Bri- gitte Lösch GRÜNE: Weil sie kein Geld haben!)

Nein, das stimmt eben nicht. Ich habe doch gerade gesagt, dass das Geld bereitgestellt wird.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Liebe Brigitte Lösch, ich kann die Unterlagen nachher gern zur Verfügung stellen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Jetzt komme ich zu einem Punkt, den ich auch noch einmal hervorheben will. Das ist nämlich genau ein Punkt, bei dem wir als Fraktion aus den Mitteln, mit denen wir noch Schwerpunkte setzen können, etwas Zusätzliches getan haben. Das ist der Bereich der Tagespflege. Sie wissen: Es war auch Teil der Vereinbarung zwischen den Kommunen und dem Land, dass wir nicht ausschließlich Institutionen – also Kindertages einrichtungen –, sondern eben auch die Tagespflege fördern wollen. Sie ist gerade in ländlichen Gebieten, aber nicht nur dort, eine besonders flexible Möglichkeit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren, übrigens natürlich auch von Kindern über drei Jahren.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Deswegen konnten wir für den Landesverband der Tagesmütter-Vereine noch Geld drauflegen. Das ist eine überschaubare Summe von jeweils 25 000 €. Ich muss Ihnen einfach sagen: Die Aufgaben, die dieser Landesverband gegenüber den Kreisverbänden zu erfüllen hat, sind mit der Pflichtfortbildung und mit der Gewinnung von Tagesmüttern, um eben den Ausbau vornehmen zu können, so deutlich gestiegen, dass man – er wird auch ehrenamtlich geführt; da steht übrigens wohl auch irgendwann ein Generationswechsel an – schlicht und einfach vielleicht gar niemanden findet, der einen solchen Verband ehrenamtlich führt, wenn man ihn finanziell nicht so ausstattet, dass es dann auch einigermaßen auskömmlich ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nun zu dem „Täglich-grüßt-das-Murmeltier“-Antrag, nämlich zu dem Antrag, das Landeserziehungsgeld abzuschaffen.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Dicke Bretter boh- ren!)

Das hat von der FDP/DVP-Fraktion übrigens niemand gefordert. Dabei ist offensichtlich etwas missverständlich herübergekommen. Die Frage ist doch, ob wir nicht ohne großen ideologischen Streit gemeinsam überlegen sollten, ob es nicht sinnvoll ist, das, was Frau von der Leyen angekündigt hat – – Wie heißt ihre Amtsnachfolgerin noch?

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Köhler!)

Danke. Frau Köhler. Man hört noch so wenig von ihr.

Man sollte einmal überprüfen, ob unsere etwa 150 Familienleistungen – wenn es so viele sind; ich habe sie nicht nachgezählt – effizient ausgestaltet sind. Das darf man durchaus einmal hinterfragen.

Ich nenne nur ein Beispiel, das auch im Landeshaushalt nachzulesen ist: Bei der Auszahlung des Bundeselterngelds – das ist inzwischen eine Lohnersatzleistung;

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Im Gegensatz zum Landeserziehungsgeld!)

es wird einem sofort klar, dass man dabei vieles überprüfen muss, im Gegensatz zum Landeserziehungsgeld, bei dem man aber auch viel überprüfen muss – muss das Land BadenWürttemberg 20 Millionen € an Verwaltungskosten tragen. Der Bund beschließt, und wir tragen die Verwaltungskosten.