Protokoll der Sitzung vom 04.02.2010

(Beifall bei den Grünen – Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Sie brauchen wie viel?)

Sie haben immerhin eines verstanden: Der Klimaschutz ist auch ein Thema für die Landwirtschaft. Das entnehme ich Ihrer Aussage, Sie wollten hinsichtlich der Gefahr von Hagelschlag etwas für die Obstbauern tun. Dann haben Sie sehr freundlich und sehr ausdrucksvoll gesagt: Die CDU

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Regiert hier!)

Fraktion war die einzige Fraktion, die die Obstbauern unterstützt; Sie seien jetzt dafür, dass es einen Zuschlag zur Hagelversicherung gibt, und Sie wollten sogar einen Beitrag von 40 000 € für den Hagelflieger leisten. Dann klopfen Sie sich stolz auf die Schultern und sagen ganz deutlich: Aber die Grünen waren nicht dabei.

Wir waren nicht dabei, weil wir schon zwei Wochen zuvor dort unten gewesen waren und Gespräche geführt hatten.

(Abg. Paul Locherer CDU: Wir waren schon vor euch dort! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Streiten wir uns doch nicht! – Unruhe)

Nein, nein. Wir waren als Allererste dort und hatten die Forderung auch deutlich in den Raum gestellt. Umso mehr freuen wir uns, dass Sie unseren Forderungen jetzt folgen. Da sind wir völlig d’accord.

Der Verbraucherschutz muss auf neue Füße gestellt werden. Das ist ganz klar. Wir brauchen mehr Lebensmittelkontrolle, wir brauchen auch mehr Lebensmittelüberwachung. Die Tierärzte klagen, dass sie ihre Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen können. Es gibt also noch eine ganze Reihe von Baustellen in diesem Agrarhaushalt, die Bedarf aufweisen. Dieser Haushalt hier ist ein „Weiter so!“ und gibt keine Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP trinkt einen Schluck aus dem am Rednerpult stehenden Glas Was- ser. – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Du kannst doch jetzt nicht dem Murschel sein Wasser wegtrin- ken! – Heiterkeit)

Lieber Helmut, daraus hat Herr Murschel nicht getrunken. Außerdem besteht aktive Immunisierung darin, dass man möglichst viel Kontakt mit der Umwelt hat.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Beratung dieses Einzelplans gelten gestaffelte Redezeiten. Ich werde allerdings alles insgesamt abhandeln. Denn ich nehme auch sonst gelegentlich mehr als eine Treppenstufe.

Wenn ich über den Etat des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum spreche, spreche ich nicht über den Etat eines Bauernministers oder eines Bauernministeriums, aber auch nicht darüber, was die große Politik letztendlich vorgibt. Denn Sie wissen ja: Die Agrarpolitik als solche geschieht bei WTO-, bei GATT-Verhandlungen, auf Weltwirtschaftsgipfeln, ob in Brüssel oder in Berlin. Ich spreche dieses Mal gezielt über das Ganze im ländlichen Raum, gerade hier im Hightechland Baden-Württemberg, wo auf die Landwirtschaft überhaupt nicht verzichtet werden kann.

Da insbesondere du, lieber Paul, als einer meiner Vorredner die Landesagrarpolitik sehr eingehend erläutert hast, werde ich schwerpunktmäßig einen Blick in die Zukunft des ländlichen Raums richten und mich mit den Auswirkungen des globalen Marktes befassen. Ich werde Richtiges nicht wiederholen, denn das würde die Aussprache sicherlich nicht bereichern. Ich werde auch nicht auf die Themen und Anmerkungen des Kollegen Murschel eingehen. Ich möchte mich nämlich nicht mit Agrarromantik und Laienspielerdingen auseinandersetzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo!)

Ich werde auch nicht über die Glaubwürdigkeit der Verbraucher sprechen, von denen angeblich 82 % Bioprodukte wollen, jedoch keine 5 % bereit sind, den erforderlichen Mehrpreis dafür zu zahlen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Ich werde auch nicht über Nischen sprechen, denn Nischen sind nur deshalb Nischen, weil entsprechende Tätigkeiten nur von wenigen ausgeübt werden. Ich werde auch nicht darauf eingehen, dass sich 80 % der Bevölkerung, auch im ländlichen Raum, wünschen, dass der ÖPNV verbessert wird, von diesen 80 %, die sich dies wünschen, aber laut Umfrage 50 % ausschließlich mit dem Auto fahren.

Meine Damen und Herren, es gäbe viel zu sagen, auch zu der Entwicklung nach der Agrarreform 2013. Die Teilmärkte Milch, Rindfleisch, Schweine- und Ferkelzucht oder -mast, Geflügel, Getreide, Obst- sowie Wein- oder Gemüsebau sind bereits angesprochen worden. Das gilt auch für den Verbraucherschutz, der bei uns eine große Bedeutung hat. Hier darf ich dem Agrarministerium für die gute Zusammenarbeit mit dem Verbraucherschutzverband danken.

Auch der Tierschutz hat bei uns eine entsprechende Berücksichtigung und eine Aufwertung erfahren. Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass hinter dem Zweck, für den die Regierungsfraktionen gemeinsam eine Aufstockung der Mittel beantragt haben, sehr viel ehrenamtliches Engagement steckt.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Genau!)

An dieser Stelle danke ich auch den vielen Landwirtschaftsfamilien dafür, dass wir einen so reichlich gedeckten Tisch

mit den hochwertigsten Nahrungsmitteln, die es je gab, haben. Ich danke unseren Bauernfamilien, die mit Fleiß und Können unsere Kulturlandschaft pflegen. Sie sind ein unschätzbarer Reichtum unseres Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Der ländliche Raum hat vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nur dann eine Perspektive, wenn er dauerhaft auch für junge Menschen und Familien attraktiv bleibt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die gemeinschaftliche Politik der EU für ländliche Räume hat auch etwas Verführerisches an sich. Das Zauberwort heißt Kofinanzierung. Die Versuchung, aus 1 € über Kofinanzierung 2 € oder 3 € zu machen, ist groß. Es wird oft nur kurz darüber nachgedacht, ob die Programme auch wirklich immer bei uns passen. Schlimmer noch: EU-Programme werden beschlossen und müssen umgesetzt werden. Das gilt für die FFH-Richtlinie, Natura 2000, die Wasserrahmenrichtlinie oder andere EU-Programme, die über Jahrzehnte Hunderte von Millionen Euro verschlingen und damit jeglichen finanziellen Spielraum des Landes beschränken.

Aber das Land beugt sich der Pflicht, kassiert und setzt auch um. Von Subsidiarität habe ich allerdings andere Vorstellungen, nämlich mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort. Eigene Programme für die Kür, also für Maßnahmen von lokaler Bedeutung im Bereich der Landschaftspflegeverbände und im freiwilligen Naturschutz, wären hier natürlich oft besser.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Die Finanznot wird uns aber zukünftig dazu zwingen, diese Programme zu bündeln, zu straffen und das eine oder andere Mal auch nicht in Anspruch zu nehmen.

Blüht die Industrie, blühen die Dienstleistungen, nähren sie Mensch und Vieh. Was will ich damit sagen? Wir müssen den ländlichen Raum als Wirtschaftsraum mit der Landwirtschaft und mit den Arbeitsplätzen in Industrie, Handwerk und Dienstleistungen als Ganzes, und zwar vor Ort, betrachten. Die Wirtschaftskraft des ländlichen Raums beruht neben der klassischen Agrarwirtschaft weitgehend auf den Leistungen mittelständischer Unternehmen. Land- und Forstwirtschaft, Dienstleistungsgewerbe und Handwerk bilden das Rückgrat der ländlichen Räume. Diese gilt es – vor allem auch unter verlässlichen Rahmenbedingungen – weiterhin zu fördern und zu unterstützen.

Gemeinsam stehen jedoch alle – das ist wichtig – im internationalen Wettbewerb. Wir sind keine Insel der Seligen. Diese Betriebe brauchen daher faire Wettbewerbsbedingungen, Rahmenbedingungen, verlässliche politische Entscheidungen, so, wie dies in diesem Land über Jahrzehnte erfolgt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, weiterhin brauchen wir auch eine Entlastung von Bürokratie. Herr Minister, hier sind vor allem die Behörden vor Ort in den Landratsämtern mit der Landwirtschafts- und Forstverwaltung, in den Gemeinden, aber auch die Regierungspräsidien und das Ministerium gefordert. Wir brauchen weniger Fesseln und weniger bürokratische Hürden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch im Landtag unsere Aufgabe, für weniger Vorschriften und weniger Gesetze zu sorgen. Ein guter Landtag macht möglichst wenig Gesetze und achtet darauf, dass die Regierung möglichst nur bürgerfreundliche Vorschriften erlässt.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, deshalb achten wir von der FDP/ DVP-Fraktion darauf, dass EU-Regeln 1 : 1 in nationales Recht umgesetzt und nationale Sonderwege vermieden werden.

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Subsidiarität!)

Ein Draufsatteln darf es nicht geben.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr richtig!)

Das Land hat auch für gleiche Bildungschancen in ländlichen Räumen – dies ist ein ganz wichtiger Punkt – und für eine intakte Verkehrsinfrastruktur zu sorgen. Meine Damen und Herren, Verkehrsadern in ländlichen Räumen sind Wirtschaftsadern.

Was die Autobahnen für den Straßenverkehr sind, ist für eine moderne Volkswirtschaft – gerade auch im ländlichen Raum – die schnelle Internetverbindung. Der Konstruktionsingenieur in Gaildorf, in Amtzell, im Odenwald, im Jagsttal

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Salem!)

muss weltweit mit Wirtschaftspartnern und Kollegen korres pondieren können. Er muss über IT mit Japan, mit Ostasien korrespondieren können, wenn er seinen Arbeitsplatz vor Ort erhalten möchte.

Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade auch im Bereich der Breitbandversorgung weiter vorwärtsgehen und möglichst flächendeckend die beste Ausrüstung bekommen, um diese wichtigen Dienstleistungs- und Zukunftsarbeitsplätze in ländlichen Räumen zu sichern, damit unsere jungen Leute nach dem Studium – sofern sie ihr Wahlfach nicht vor Ort an einer der vielen Fachhochschulen und Berufsakademien absolvieren können – auch gern wieder zurückkommen

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

und das vorfinden, was sie brauchen, um den ländlichen Raum als Wirtschaftsraum zu stabilisieren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Schutzgebiete und Biotope, Biosphärengebiete im ländlichen Raum gilt es auch weiterhin zu unterstützen; das ist natürlich klar. Auch diese tragen zum Wohl des gesamten Landes bei und sichern vor allem den Tourismusstandort Baden-Württemberg.