Protokoll der Sitzung vom 10.03.2010

Davon, wie Mittelständler und Unternehmer vor Ort die Krise managen, können wir alle, meine Damen und Herren, viel lernen, etwa von dem Maschinenbauer in Reutlingen, der auf dem Tiefpunkt der Krise ganz bewusst Forschung und Entwicklung verstärkt hat und mit der Produktionstechnologie für Lithium-Ionen-Batterien auf ein neues, wachsendes Geschäftsfeld setzt. Oder von dem Dettinger Autozulieferer, bei dem man die Kurzarbeit im Unternehmen genutzt hat, um die Mitarbeiter in über 80 verschiedenen Programmen weiterzubilden. Hier wird konkret, was es heißt, die Krise als Chance zu begreifen.

Richtig ist: Die Finanzierung vieler mittelständischer Unternehmen steht zurzeit auf tönernen Füßen. 40 % der Unternehmen in Baden-Württemberg klagen laut Ifo-Institut über eine restriktive Kreditvergabe. Ich beobachte dies mit großer Sorge. Viele kerngesunde Betriebe mit profitablen Produkten haben ihre Kapitalreserven in der Krise aufgezehrt und brauchen jetzt an der Schwelle zu einer neuen Wachstumsphase frisches Geld. Hier müssen und hier werden wir etwas tun.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja was? Was denn? – Abg. Martin Rivoir SPD: Aber was?)

Allerdings kann es dabei nur um ökonomisch sinnvolle und zielgenaue Instrumente und nicht um Gießkannenaktionismus gehen.

Das Land hält mit einer ganzen Reihe von Instrumenten effektive Hilfe bereit. Die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft stellt aktuell weit über 1 000 Unternehmen Beteiligungskapital zur Verfügung. Die L-Bank hat einen speziellen Mittelstandsfonds im Portfolio. Das Land unterstützt mittelständische Firmen mit großzügigen Bürgschaften und Förderdarlehen. Parallel dazu stehen im Wirtschaftsfonds Deutschland des Bundes 115 Milliarden € zur Unternehmensfinanzierung bereit. Von diesen Mitteln sind übrigens aktuell noch nicht einmal 10 % abgerufen. Ich bin gern bereit, gemeinsam mit der mittelständischen Wirtschaft sehr kurzfristig darüber nachzudenken, wie wir diese Angebote hier in Baden-Würt temberg weiter optimieren und noch genauer justieren können.

Wir werden mit der L-Bank kurzfristig ein zusätzliches Maßnahmenpaket schnüren, um die Versorgung mit Eigen- und Fremdkapital zu verbessern. Bausteine dieses Pakets sind die Gewährung einer Rückbürgschaft des Landes bei wichtigen Kreditprogrammen der L-Bank, die Aufstockung und der Ausbau der Eigenkapitalprogramme des Landes sowie die Verbesserung der Konditionen vor allem bei Kleinkrediten der L-Bank, um Existenzgründungen zu erleichtern.

Für weit entscheidender aber, meine Damen und Herren, halte ich einen ganz anderen Punkt:

Die Eigenkapitalvorschriften von Basel II können den Druck auf dem Kreditmarkt zulasten vieler Mittelständler gerade in der Krise zusätzlich verschärfen. Ich möchte erreichen, dass wir an den Vorstoß des ehemaligen Bundesfinanzministers Steinbrück anknüpfen und auf eine zumindest zeitlich befris tete Abschwächung der Basel-II-Regeln drängen. Vor allem aber möchte ich, dass wir darauf hinarbeiten, dass zusätzliche krisenverschärfende Elemente bei den jetzt zu planenden Eigenkapitalvorschriften von Basel III ausbleiben.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Die Wirtschaft braucht keine staatliche Finanzierung, sondern sie braucht ausreichend privates Geld von den Banken in Deutschland, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Darum müssen wir uns kümmern. Ich fordere die Banken auf, ihrer Verantwortung endlich gerecht zu werden und gute Unternehmen mit guten Produkten und guter Perspektive auch mit gutem Geld zu versorgen.

Für die mittelständische Kundschaft hat nicht zuletzt das Geschäftsmodell der LBBW in der Krise stabilisierend gewirkt. Mit der Neustrukturierung stellen wir jetzt genau diesen Kern wieder in den Mittelpunkt. Damit ist klar: Die LBBW bleibt die Bank für den Mittelstand in Baden-Württemberg. Wir werden ihren Umbau in enger Abstimmung mit allen anderen LBBW-Trägern noch vor der parlamentarischen Sommerpause zügig umsetzen. Mit Blick auf die weitere Entwicklung der Bankenlandschaft in Deutschland sollten wir uns im Übrigen nicht vorschnellen Tabus unterwerfen, die unsere Möglichkeiten einschränken.

Meine Damen und Herren, schon heute steht fest: Die Krise hat die globale Wirtschaft verändert. Industriebereiche bauen sich um, Märkte richten sich neu aus, ganze Wertschöpfungsketten reorganisieren sich. Im neuen Jahrzehnt werden sich die globalen ökonomischen Gewichte verschieben.

Auch unsere Wirtschaft hier im Land steht unter diesem Anpassungsdruck. Nicht nur die großen Konzerne, auch die mittelständischen Weltmarkt- und Technologieführer überall in Baden-Württemberg haben Kunden in aller Welt. Sie sind es, die die Marke Baden-Württemberg als Tüftlerland von Weltgeltung prägen. Auch nach der Krise werden baden-württembergische Hightechprodukte und Investitionsgüter zu den bes ten der Welt gehören und rund um den Globus gefragt sein.

Neben den großen Märkten China und Indien sehe ich besonders in der ASEAN-Region noch erhebliche Chancen. Ich werde deshalb noch in diesem Jahr eine große Wirtschaftsdelegation in einige dieser aufstrebenden Staaten führen. Als Exportland im Herzen Europas braucht Baden-Württemberg auch in Zukunft offene Märkte und einen fairen internationalen Wettbewerb.

Im vergangenen Jahr hat die Weltbank aber bei 17 der G-20Staaten konkrete protektionistische Schritte festgestellt. Doch die Abschottung nationaler Märkte kann nicht die Lehre aus der Krise sein. Wir werden deshalb im Interesse des Erhalts unserer Arbeitsplätze bei der Bundesregierung und der EU darauf drängen, dass sie zusammen mit unseren internationalen

Partnern schnellstmöglich verbindliche und vor allem wirksame Regeln gegen Protektionismus auf den Weg bringen.

Baden-Württemberg ist in der Vergangenheit zum Gewinner der Globalisierung geworden. Eine freie und intakte globale Handelsordnung ist deshalb für uns von zentralem Interesse. Darauf werden wir gegenüber dem Bund, aber auch bei unserer eigenen Europapolitik verstärkt achten.

Meine Damen und Herren, zu den klassischen Stärken BadenWürttembergs gehört neben der soliden und kreativen Wirtschaft auch der faire Ausgleich zwischen Stadt und Land. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in dem es keine strukturschwachen Gebiete gibt. In Zukunft wird es Kernziel und Selbstverständnis auch dieser Regierung sein, dass Chancen und Entwicklung in den Zentren und in der Fläche gleichermaßen zu Hause sind. Wir werden es auch in Zeiten knapper Ressourcen nicht zulassen, dass Städte und ländliche Räume gegeneinander ausgespielt werden.

Unsere Verantwortung gilt dem ganzen Land Baden-Würt temberg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir werden dafür sorgen, dass die Menschen auf dem Land Anschluss an Wohlstand und Wachstum im neuen Jahrzehnt halten können. Dazu setzen wir außer auf unsere erfolgreichen Strukturförderprogramme auch auf eine flächendeckende Anbindung an das schnelle Breitbandnetz.

Wir werden unsere mustergültig integrierte Agrar- und Strukturpolitik fortentwickeln und unsere Spitzenposition im Agrarumweltbereich festigen.

Wir sind Partner der bäuerlichen Familienbetriebe im Land, die qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugen und vor allem unsere Kulturlandschaften bewahren. Sie haben deshalb Anspruch auf einen verlässlichen Ausgleich für ihre Arbeit. Auch das ist für uns eine Frage der Fairness, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Sehr gut!)

Baden-Württemberg ist seit jeher eines der sichersten Länder Deutschlands. Auch das ist eine unserer klassischen Stärken. In Baden-Württemberg gibt es keine Toleranz für Extremismus – weder für Extremismus von der rechten noch von der linken Seite.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es gibt gleichfalls keinerlei Toleranz gegenüber Gewalt und rechtsfreien Räumen.

Wir setzen auf eine echte Sicherheitspartnerschaft zwischen Bürgern und Polizei. Die Bürgerinnen und Bürger im Land erwarten von Politik und Behörden, dass sie sicher leben können. Wir müssen deshalb unserer Polizei weiterhin die notwendigen Ressourcen an die Hand geben, um diese Erwartung einzulösen.

Wir müssen auch dafür sorgen, dass der Polizeiberuf attraktiv bleibt. Deshalb werden wir die Besoldungsstrukturen ver

bessern, zusätzliche Aufstiegsmöglichkeiten für unsere Polizeibeamten schaffen und vor allem die Ausrüstung sowie das Arbeitsumfeld der Polizei weiter modernisieren.

Wir stehen für eine Kultur des Hinschauens und nicht des Wegschauens. Das gilt vor allem für Gewalt im öffentlichen Raum, die wir konsequent bekämpfen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Dazu gehört für mich, dass wir zukünftig eine Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung öffentlicher Gebäude schaffen und dass in Nahverkehrszügen – vor allem abends – Zugbegleiter für Sicherheit sorgen; das werden wir bei künftigen Neuausschreibungen zur Bedingung machen.

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Auch die Gewaltprävention bleibt eine polizeiliche Kernaufgabe. Die Polizei wird weitere Präventionsprojekte initiieren und aktiv daran mitwirken.

Sicherheit ist ein messbarer Wettbewerbsvorteil und ein Merkmal unserer Lebensqualität. Das müssen wir uns gerade im neuen Jahrzehnt erhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho- mas Blenke CDU: Sehr gut!)

Eine weitere typische baden-württembergische Stärke ist das freiwillige Engagement unzähliger Menschen. Dieses Engagement ist der wahre große Reichtum unseres Landes, und zwar jenseits der Erwerbswirtschaft. Fast jeder zweite BadenWürttemberger bringt sich ehrenamtlich ein; das ist die höchs te Quote in Deutschland. Sie alle leisten Wertvolles für diese Gesellschaft, und sie machen vor allem deutlich: In einem starken Land ist eine starke Wirtschaft längst nicht alles.

Bei der Erziehung unserer Kinder, bei der Pflege älterer Menschen, in Kirchen, Vereinen, Gewerkschaften und Parteien – überall widmen Menschen dem Zusammenhalt im Land ihre Kraft und ihre Zeit. Ihnen gilt unser ganz besonderer Respekt.

Ich bin stolz darauf, dass es diese große Einsatzbereitschaft in Baden-Württemberg gibt. Deshalb werden wir unsere anerkannten Initiativen zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements fortsetzen und ausbauen, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ebenso wie das Ehrenamt prägen Kunst und Kultur die Identität unseres Landes. Sie sind kein Luxus, sondern Ausdruck und Spiegel eines schöpferischen und innovationsfähigen Gemeinwesens.

Wir werden bis zur parlamentarischen Sommerpause die mittlerweile 20 Jahre alte Kunstkonzeption fortschreiben und kulturpolitische Schwerpunkte für das neue Jahrzehnt benennen. Künstlerische Vielfalt und kreatives kulturelles Leben sind für eine offene und selbstbewusste Gesellschaft elementar, gerade hier und heute in Baden-Württemberg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die ganz besondere klassische Stärke Baden-Württembergs liegt schließlich in seiner beispiellosen Innovationskraft. Wir haben eine traditionelle, äußerst wertvolle Innovationskultur in diesem Land. Es ist unsere unverwechselbare Kernkompetenz, aus guten Ideen noch mehr neue gute Ideen zu machen. Das ist der baden-württembergische Erfindergeist, der ganz zu Recht unser Selbstbewusstsein prägt und unser Handeln antreibt.

Baden-Württemberg ist Heimat mit Zukunft. Wir haben konkurrenzlose Innovationsvoraussetzungen und -potenziale. Wir sind bei den Wachstumsbranchen der Zukunft am breitesten und am offensivsten aufgestellt.

Wir haben die reichste Forschungslandschaft, die besten Universitäten und vor allem die profiliertesten Innovationskerne. Bei der Forschungsintensität liegt Baden-Württemberg mit einem Anteil der Forschungsausgaben an der Wirtschaftsleis tung von 4,4 % an der Spitze in ganz Europa. Selbst oder gerade im Krisenjahr 2009 konnte Baden-Württemberg seine Spitzenposition bei den Patentanmeldungen noch einmal ausbauen. Allein bei Bosch sind an jedem einzelnen Arbeitstag 15 neue Patente entstanden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Vom Karlsruher Institut für Technologie über die zahlreichen Spitzencluster bis hin zum mittelständischen Tüftler – überall leisten Forscher und Ingenieure in diesem Land bahnbrechende Pionierarbeit.