Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten haben wir wirklich bemerkenswerte Auftritte der Opposition erlebt. Herr Kollege Schmid, das Bemerkenswerteste an Ihrer Rede war, dass Sie bei der Aufzählung dessen, was für eine intakte Kommune erforderlich ist, die Kneipe vor der Schule genannt haben.
Das Ganze haben Sie dann noch mit dem Vorschlag garniert, der Ministerpräsident dieses Landes solle beim Christopher Street Day auf dem Bollerwagen mitfahren. Das sind wirklich
Herr Kollege Kretschmann hat beklagt, dieser Ministerpräsident weise nicht in die Zukunft. Er selbst hat aber keine Minute gebraucht, um bei Hans Filbinger anzukommen.
Ich glaube, mit dieser Opposition kommen wir im Land nicht voran. Da halte ich mich lieber an die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, die in einer Zeit der Krise sehr ernsthaft angesetzt hat. Darin wird deutlich, dass die Regierung Mappus – so hoffen wir alle – am Ende einer beispiellosen Wirtschaftskrise, die unser Land erfasst hat, ins Amt kommt.
Ganz am Anfang wurde aber auch deutlich, wie stark das Land in seinen Strukturen ist und wie stark die Wirtschaft dieses Landes ist. Das haben Sie möglicherweise nicht gern gehört. Sie haben alle möglichen Statistiken hervorgekramt, die angeblich belegen, in welchen Bereichen Baden-Württemberg schlecht sei. Die Tatsache jedoch, dass Baden-Württemberg als einziges Bundesland im Februar 2010 – trotz eines Einbruchs des Bruttoinlandsprodukts um 8 % im vergangenen Jahr – keine steigende, sondern eine sinkende Arbeitslosenquote zu verzeichnen hat,
macht deutlich, wie stark dieses Land ist. Außerdem wird dadurch deutlich, wie stark die Wirtschaft dieses Landes vorgesorgt hat. Das sollten wir nicht schlechtreden, meine Damen und Herren.
Wir haben ohne Zweifel in der Krise gegen diese Krise inves tiert. Nachdem wir uns jahrelang darum bemüht haben, den Haushalt zu konsolidieren, und zwei Jahre in Folge keine neuen Schulden aufgenommen haben, haben wir nun in erheblichem Umfang neue Schulden gemacht. Wenn man im März 2010 die Lage der baden-württembergischen Wirtschaft mit der Lage der Wirtschaft in anderen Bundesländern vergleicht, wie es der Ministerpräsident gemacht hat, dann wird deutlich, dass unser Weg der richtige gewesen ist – abgesehen von der Tatsache, dass wir pro Kopf der Bevölkerung wesentlich weniger in die Verschuldung gehen als andere Bundesländer.
Ich habe mich über einen Satz besonders gefreut, der am Ausgang der Krise wichtig ist, der wichtig ist, wenn es darum geht, den Haushalt wieder zu konsolidieren. Das müssen wir in den Blick nehmen. Der Ministerpräsident hat gesagt: „Wir müssen neu darüber nachdenken, was tatsächlich Sache des Staates ist und sein kann.“
Herr Kollege Hauk, gestatten Sie mir den Hinweis: Wenn wir neu darüber nachdenken, darf es auch keine Denkverbote geben.
Dann müssen wir darüber nachdenken, was Aufgabe des Staa tes sein kann, was Aufgabe des Staates sein muss.
Auch hinsichtlich der Universitätskliniken darf es keine Denkverbote geben. Wenn wir neu darüber nachdenken, welche Aufgaben für den Staat unabdingbar notwendig sind, dann werden wir uns über Themen wie die Flurneuordnungs- und die Vermessungsverwaltung wahrscheinlich rasch einig. Wir müssen ferner über Hochbau und Liegenschaften reden. Wir müssen aber auch darüber reden, warum nicht Universitätskliniken beispielsweise in eine freigemeinnützige Trägerschaft überführt werden können. Warum soll das unmöglich sein?
Wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie die Landesbanken – auch unsere eigene – aufgestellt werden. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob es notwendig ist, dass sich das Land weiterhin an der derzeitigen Landesbank beteiligt, oder ob nicht private Modelle an dieser Stelle zielführender sein könnten.
Wir müssen darüber nachdenken, inwieweit wir die Staatsdiener mit einbeziehen. Ich glaube, mit der Dienstrechtsreform ist uns ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung gelungen. Wir müssen auch den Staatsdienern zumuten, dass sie die allgemeine demografische Entwicklung der Gesellschaft mitvollziehen. Wenn der durchschnittliche Bürger bis zum Alter von 67 Jahren arbeitet, muss sich auch die Lebensarbeitszeit der Staatsdiener verlängern; das ist keine Frage. Diese Regierung hat den Einstieg in diese Richtung geschafft.
Aber wir müssen auch darüber reden, dass es uns mit der Dienstrechtsreform beispielsweise gelingt, den einfachen Dienst wegfallen zu lassen und bessere Aufstiegschancen im mittleren und im gehobenen Dienst zu schaffen. Daher ist es falsch, wenn der Kollege Schmid den Eindruck erweckt, das Land würde seiner Fürsorgepflicht für die Staatsdiener im öffentlichen Dienst nicht gerecht. Denn die Dienstrechtsreform schafft für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes sehr wohl Aufstiegsperspektiven und bietet ihnen die Möglichkeit, ihre Familien zu ernähren. Das sollten wir nicht schlechtreden, meine Damen und Herren.
Ich wundere mich sehr über die Kritik beider Oppositionsfraktionen an den Vorstößen des Ministerpräsidenten und der Regierungskoalition in Richtung Länderfinanzausgleich. Das muss man schon sagen. Denn wir sind hier gewählt, um die Interessen des Landes Baden-Württemberg zu vertreten.
Wenn ich mir vergegenwärtige, dass wir in einer solch beispiellosen Krise mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um 8 % noch immer 1 600 Millionen € in den Länderfinanzausgleich einbezahlen, meine Damen und Herren, dann
muss ich sagen: Sie vertreten nicht die Interessen des Landes Baden-Württemberg, wenn Sie den Länderfinanzausgleich, wie er im Moment existiert, gutheißen.
Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass Sie sich darüber freuen, dass dort, wo Ihre Genossinnen und Genossen Regierungsverantwortung tragen, auf Kosten des baden-württembergischen Steuerzahlers beispielsweise die Studiengebühren abgeschafft werden können.
Diese Initiativen müssen zielgerichtet sein, meine Damen und Herren. Deshalb sage ich ganz klar: Es wird wahrscheinlich nicht ausreichen, wenn wir an der Seite von Hessen und Bay ern in Verhandlungen eintreten. Vielmehr müssen wir auch bereit sein, eine neue Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ins Auge zu fassen.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Aha! Jetzt wird es interessant! – Gegenruf des Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Konkret!)
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Da bin ich gespannt, wann Sie das machen! – Abg. Claus Schmie del SPD: Wann liegt die Klageschrift vor?)
Es ist auch richtig, die Gewerbesteuer auf den Prüfstand zu stellen, meine Damen und Herren, und zwar wohlverstanden im Sinne der Kommunen. Wenn man durch das Land kommt, stellt man durchaus fest – vielleicht nicht bei den Selbstverwaltungsorganisationen, aber zunehmend vor Ort –, dass die Kritik an der Gewerbesteuer wächst, weil unsere Kommunen zunehmend feststellen, dass die Gewerbesteuereinnahmen unberechenbar sind und nicht mehr die berechenbare Grundlage für die Finanzierung darstellen, die sie brauchen.
Ich sage aber auch deutlich: Eine höhere Beteiligung der Kommunen am Umsatzsteueraufkommen bzw. ein mögliches eigenes Heberecht auf die Einkommensteuer muss so gestaltet sein, dass die Kommunen nicht weniger Einnahmen als bisher haben dürfen. Nur: Das Ganze muss berechenbar werden.
Ich glaube, es ist durchaus der richtige Weg, die Gewerbesteuer auf den Prüfstand zu stellen. Nichts anderes ist der Auftrag
der Berliner Kommission zur Reform der Gemeindefinanzierung, die dann auch die Ausgabeseite in den Blick nimmt. Es ist keine Frage, dass wir in diesem Zusammenhang auch über die Sozialausgaben im Sinne der Kommunen nachzudenken haben.
Wenn der Ministerpräsident sagt, derjenige, der aufsteht, müsse mehr haben als derjenige, der morgens liegen bleibt, hat er die volle Unterstützung der FDP/DVP-Fraktion; das ist überhaupt keine Frage. Wir haben erlebt, dass die Politik, die in Berlin gemacht wird, die von vielen Seiten schlechtgeredet wird, richtig ist, meine Damen und Herren. Wenn eine vierköpfige Familie im Jahr 2010 im Durchschnitt 1 062 € netto mehr hat als im Jahr 2009, dann ist das nicht nichts.
Wenn wir das einfachere und gerechtere Steuersystem, das im Koalitionsvertrag verankert ist, umsetzen, dann wird das den Familien nutzen, dann wird das den Kommunen nutzen, und dann wird es letztlich auch dem Land Baden-Württemberg nutzen, meine Damen und Herren.