Protokoll der Sitzung vom 14.04.2010

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Warum ha ben Sie das denn schon gestern aufgeschrieben?)

Ich frage mich nur: Was will die FDP/DVP eigentlich? Für wen haben Sie sich all diese schönen Worte überlegt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie damit auch nur ein einziges Un ternehmen in diesem Land überzeugen konnten. Unterneh men, die sich seit Monaten in einer schwierigen Situation be finden, die massive Auftrags- und Umsatzrückgänge haben, können sich von diesen Worten sicherlich nichts abschneiden.

Sie widersprechen sich auch selbst, Herr Rülke. In der heuti gen Ausgabe der „Stuttgarter Zeitung“ ist ein Artikel mit der Überschrift zu finden: „Das Hohelied auf den Mittelstand“. Darin steht, dass die FDP/DVP, also Sie, Herr Rülke, und der Wirtschaftsminister bei zwei verschiedenen Veranstaltungen dieses Hohelied gesungen haben.

(Zuruf des Ministers Ernst Pfister)

Ja, „Stuttgarter Zeitung“ von heute. Ich lese die „Stuttgar ter Zeitung“, obwohl ich nicht aus Stuttgart bin.

Herr Rülke, Sie haben gerade gesagt, die Wirtschaftspolitik des Landes sei bei der Überwindung der Krise erfolgreich ge wesen. In diesem Artikel wird Ihr Eingeständnis zitiert, die Landespolitik sei überfordert, die Wirtschaft aus der Krise zu führen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ich habe ge sagt: die Landespolitik allein!)

Ich zitiere nur.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie dürfen nicht alles glauben, was in der Zeitung steht! Haben Sie das noch nicht gemerkt?)

Die Landespolitik sei überfordert, die Wirtschaft aus der Kri se zu führen. „Wir können lediglich Hilfestellung leisten, die zumindest nicht hinderlich ist.“ Das ist doch ziemlich wenig, Herr Kollege. Das heißt, Sie können nur versuchen, keinen größeren Schaden anzurichten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das machen die leider permanent!)

Das ist die ehrgeizige Politik der FDP/DVP.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Sie sagen, Sie müssten die Wirtschaftspolitik des Landes nicht infrage stellen. Gerade dieses Nicht-Infragestellen und dieses „Weiter so!“, das Sie postulieren, haben dazu geführt, dass Sie wichtige Entwicklungen, die für Baden-Württemberg existen ziell sind, verschlafen haben.

Ich erinnere Sie an das Thema Elektromobilität. Da musste die Landesregierung zum Jagen getragen werden, um über haupt aktiv zu werden. Sie haben dann nach viel Kritik end lich eine Landesinitiative Elektromobilität auf den Weg ge bracht, und wir lesen jetzt, im Juni soll die Landesagentur end lich ihre Tätigkeit aufnehmen. Aber alle Anzeichen deuten doch darauf hin, dass Baden-Württemberg bei dieser wichti gen Entwicklung für eine umweltverträglichere Mobilität und für die Automobilbranche schon längst abgehängt ist.

Ich muss Ihnen nicht sagen, dass Daimler kürzlich angekün digt hat, das Forschungszentrum für Elektromobilität nach Berlin zu verlegen. Es wird nicht in Baden-Württemberg an gesiedelt werden. Das liegt an Ihrer Politik. Sie sagen: „Wir machen weiter so.“

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! Verschlafen! – Gegenruf des Ministerpräsidenten Stefan Mappus: Blödsinn! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Ruhe auf der Regierungsbank!)

Sie haben sich gerade damit gebrüstet, dass in Baden-Würt temberg 4,4 % des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben würden. Das ist richtig, und das ist auch gut so. Allerdings müssen wir doch der Wahrheit halber hinzufügen, dass der Großteil dieser 4,4 % nicht vom Land, sondern von den Unternehmen in diesem Land kommt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ein größe res Kompliment könnte es für die Regierung nicht geben!)

Die Unternehmen in diesem Land verdienen Lob und Unter stützung dafür, dass sie gerade in schwierigen Zeiten weiter in Forschung und Entwicklung investieren.

(Minister Ernst Pfister: So ist es!)

Mit einer erfolgreichen Politik der FDP hat das wahrlich nichts zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Doch! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Mit der Opposition noch weniger!)

Meine Vorredner haben das Thema „Finanzierung von Unter nehmen“ angesprochen. Wir sind sehr dafür, alles zu tun, da mit die Unternehmen in diesem Land, die gut aufgestellt sind und die durch diese schwere Krise in finanzielle Schwierig keiten geraten sind, unterstützt werden. Wir brauchen Bürg schaften; wir brauchen Finanzierungsprogramme, um das Ei genkapital zu stärken. Mittlerweile wurde bei den Angeboten, die es von Landesseite aus gibt, mehrfach nachjustiert. Dage gen haben wir nichts; das ist richtig. Allerdings muss ich be tonen, dass sich der der FDP angehörende Wirtschaftsminis ter bis Mitte Dezember des letzten Jahres geweigert hat, über haupt zur Kenntnis zu nehmen, dass es ein Finanzierungspro blem dieser Unternehmen gibt. Insofern ist schon einmal ein

Fortschritt eingetreten; das begrüßen wir. Aber auch hier wä re ein Infragestellen, eine Neuausrichtung besser gewesen als das übliche „Weiter so!“ dieser Landesregierung.

Lassen Sie mich noch zu einem Teil dieses Maßnahmenpa kets kommen, der mir sehr wichtig ist. Geplant ist ja auch, dass die Grenze für die Bürgschaften, die die L-Bank verge ben kann, von 5 auf 10 Millionen € erhöht wird. Das, meine Damen und Herren, wurde mit der Begründung vorgeschla gen, dann ginge alles schneller und effizienter. Im Umkehr schluss heißt das quasi, dass man dann, wenn man den Land tag, den Wirtschaftsausschuss, die demokratisch legitimierten Organe nicht beteiligt, wenn man undemokratisch verfährt, schneller vorankommt. In der Konsequenz hieße das, dass man diese Organe wohl am besten abschafft.

Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Ein solches Vor gehen ist für uns völlig inakzeptabel. Denn schließlich haftet doch das Land bei Bürgschaftsausfällen, und zwar mit Steu ergeldern des Landes. Es geht also auch um die Verantwor tung für den Landeshaushalt. Wir sollten nach wie vor bei al len Bürgschaften, deren Volumen 5 Millionen € übersteigt, das letzte Wort haben. Der Wirtschaftsausschuss sollte hier entscheiden. Ich gehe davon aus, meine Damen und Herren, dass die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss das genau so sehen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Rainer Prewo SPD)

Das Wort erhält Herr Wirtschafts minister Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Dr. Prewo hat vor hin darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftsleistung des Lan des Baden-Württemberg unter der des Landes Bayern liege.

(Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Ja!)

Er hat vergessen, hinzuzufügen, dass das Überholen Bayerns gegenüber Baden-Württemberg in Bezug auf die Wirtschafts leistung laut Statistik zum ersten Mal im Jahr 1993 stattge funden hat. Ich stelle also fest: Dieter Spöri, Ihr Wirtschafts minister, hat damals den Vorsprung verspielt, und unsere Auf gabe wird es sein, dies wieder gutzumachen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Lachen bei der SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Fällt Ihnen nichts Besseres ein? – Abg. Reinhold Gall SPD: In 18 Jahren kein Stück vorangekommen! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wie viel Jahrzehnte wol len Sie an Bayern dranbleiben? – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir bleiben immer dran! – Abg. Dr. Rainer Prewo SPD: Hessen war noch frü her vorn!)

Die Frage ist, meine Damen und Herren: Welche Startlöcher müssen gebuddelt werden? Was ist notwendig, damit diese Spitzenposition, die Baden-Württemberg in der Vergangen heit stets hatte und auch in Zukunft haben will, auch in der Zukunft wieder gehalten werden kann?

Ich komme gerade von der Eröffnung eines europäischen In novationskongresses in der Stuttgarter Liederhalle mit 400 Teilnehmern aus 25 europäischen Nationen. Dieser europäi sche Kongress beschäftigt sich mit dem Thema Innovation. Ich darf Ihnen sagen, dass heute Morgen von niemandem auch nur annäherungsweise infrage gestellt worden ist – dies bele gen übrigens auch die Statistiken –, dass das Land BadenWürttemberg die europäische Technologie- und Innovations region Nummer 1 ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Dr. Prewo, das ist genau das Saatgut, das wir in Zukunft ausbringen müssen, um unsere starke wirtschaftliche Positi on zu verteidigen – wohlgemerkt nach einer Wirtschaftskrise, die Baden-Württemberg in besonderer Weise getroffen hat. Was im Jahr 2009 passiert ist, können Sie mit einem Autofah rer vergleichen, der mit Tempo 100 auf der Autobahn fährt und plötzlich den Rückwärtsgang einlegt. Verzeihen Sie, aber ich hätte Sie für verrückt erklärt, wenn Sie mir vor 15 Mona ten von einer Schrumpfung der Wirtschaftsleistung in BadenWürttemberg um 7,5 % erzählt hätten. Es ist aber nun einmal so gekommen. Die Wirtschaftsleistung ist bundesweit um 5 % und in Baden-Württemberg um 7,5 % zurückgegangen. Die Gründe hierfür sind bekannt.

Wenn es in Krisenzeiten mit dem Export in Europa nicht funk tioniert hat, dann konnte ein Exportland wie Baden-Württem berg in die USA exportieren. Wenn der Export in die USA nicht funktioniert hat, konnte man nach Asien exportieren. In einer Weltwirtschaftskrise aber bricht das alles zusammen.

Es stimmt: Die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg ist besonders schnell in den Keller gefallen. Es stimmt aber auch – darauf weist jetzt alles hin –, dass sie besonders schnell wie der aus dem Keller herauskommt.

(Beifall der Abg. Hagen Kluck und Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Im Jahr 2010 wird das Wirtschaftswachstum in Baden-Würt temberg höher als im Bundesdurchschnitt ausfallen. Wir stel len fest, dass im März beispielsweise die Zahl der exportori entierten Aufträge in Baden-Württemberg um 45 % gestiegen ist, also weit überdurchschnittlich im Vergleich zum Bundes durchschnitt.

Der Geschäftserwartungsindex und die Arbeitslosenzahlen sind bereits angesprochen worden. Ich will das alles jetzt nicht wiederholen, sondern nur zusammenfassend sagen: Die An zahl der konjunkturpolitischen Schwalben in Baden-Württem berg hat deutlich zugenommen. Die Wirtschaftsleistung in Ba den-Württemberg ist zwar besonders schnell in den Keller ge fallen, aber vieles spricht dafür, dass sie auch besonders schnell wieder aus dem Keller herauskommen wird.

Voraussetzung dafür ist, dass wir gerade jetzt, nach der Kri se, die richtigen Maßnahmen ergreifen. Ich habe die Themen Innovationspolitik und Technologiepolitik angesprochen. Mei ne Damen und Herren, im vergangenen Jahr – mitten in der Krise – ist wie in jedem Jahr der Innovationspreis an die 100 besten Mittelständler in Deutschland verliehen worden, die in besonderer Weise Innovationspolitik betrieben haben. Von die sen 100 Unternehmen kommen sage und schreibe 44 aus Ba den-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wer nun behauptet, Baden-Württemberg sei nicht gut aufge stellt, der versündigt sich an der Stärke des Landes BadenWürttemberg und an den Interessen dieses Landes.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe: Ja wohl! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sünder!)

6 % aller Unternehmer in Deutschland und 15 % aller Unter nehmer in Baden-Württemberg schaffen es, innerhalb von 18 Monaten ein völlig neues Produkt bzw. eine völlig neue Dienstleistung auf den Markt zu bringen. Daran wird die In novationskraft und die Innovationsgeschwindigkeit der ba den-württembergischen Wirtschaft deutlich.

Trotz aller Sparmaßnahmen werden wir den technologischen Dreisprung – wie ich dies immer bezeichne – finanziell unter stützen. Technologischer Dreisprung bedeutet nichts anderes, als Geld in die Hand zu nehmen, daraus Wissen zu generie ren und – erst dann ist der Kreislauf geschlossen – aus diesem Wissen wieder Geld zu machen, also marktfähige Produkte zu entwickeln.

Baden-Württemberg ist nicht nur deshalb gut aufgestellt, weil wir eine glänzende Hochschullandschaft haben. Es ist un bestritten, dass wir, qualitativ und quantitativ gesehen, die reichste Hochschullandschaft in Deutschland haben. Aber wir haben daneben noch 30 wirtschaftsnahe Forschungsinstitute, die genau diesen Technologietransfer, das heißt vom Grund lagenwissen zu Produkten zu kommen, organisieren. Das sind beispielsweise die Fraunhofer-Institute. In keinem anderen Land gibt es so viele Fraunhofer-Institute wie in Baden-Würt temberg. 25 % aller Beschäftigten der Fraunhofer-Institute ar beiten in Baden-Württemberg. Welchen Beweis wollen Sie ei gentlich noch für die technologische Stärke, für die Innovati onsstärke des Landes Baden-Württemberg als den,

(Unruhe)