Protokoll der Sitzung vom 14.04.2010

Aber auch ohne ein leistungsfähiges Autobahn- und Bundes straßennetz hat ein Wirtschaftsstandort keine Zukunft. Frau Kollegin Razavi hat bereits darauf hingewiesen, dass es nicht nur um Landesstraßen geht, sondern auch um Bundesstraßen. Oftmals ist es geradezu so, dass wir als Land dort einspringen müssen, wo der Bund wegen Finanzengpässen nicht handeln kann.

Wir waren übrigens in diesem Haus die erste Fraktion, die nach dem Aufbau Ost – einer notwendigen Voraussetzung für die dortige wirtschaftliche Konsolidierung – den Ausbau West gefordert hat. Wir danken unserem früheren Verkehrsminis

ter Heribert Rech dafür – man möge es ihm ausrichten –, dass er diese Position damals spontan aufgegriffen hat. Mittlerwei le ist sie die offizielle Linie der neuen, von CDU/CSU und FDP gestellten Bundesregierung. Dieser Politik müssen jetzt Taten folgen.

Es ist gut, wie Kollegin Frau Razavi bereits erwähnte – da sind wir uns völlig einig –, dass Verkehrsminister Ramsauer heute Morgen mehr Geld für den Erhalt der Bundesstraßen in Aussicht gestellt hat. Aber auch die neuen Projekte, die Sie nannten – nicht nur den Albaufstieg –, müssen wir zeitnah re alisieren, wenn wir mithalten wollen.

Wir haben übrigens mit Freude gesehen, dass sich die SPD mit den heute behandelten Anträgen für den Erhalt und Aus bau unseres Landesstraßennetzes starkmacht. Dies hebt sie in wohltuender Weise von der Fraktion GRÜNE ab, der bei ih rem Kreuzzug gegen das Automobil jedes Schlagloch und je de Geschwindigkeitsbegrenzung als Beitrag zur Feinstaubre duzierung recht ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben in den vergangenen Jah ren die Mittel für den Erhalt und den Ausbau der Landesstra ßen kontinuierlich gesteigert. Kollegin Razavi hat die Zahlen schon erwähnt, und die Ministerin wird sie sicherlich noch einmal nennen. Wir werden diese Anstrengungen auch in Zu kunft fortsetzen.

Die Stellungnahmen der Landesregierung zu den Anträgen der SPD haben gezeigt, dass noch über 1 500 km Landesstra ßen mit dem Schild „Achtung Straßenschäden“ gekennzeich net werden müssen. Diese Stellungnahmen haben aber auch gezeigt, dass sich der Straßenzustand in den vergangenen Jah ren nicht verschlechtert, sondern – wie ich es verstanden ha be – verbessert hat. Aus Sicht unserer Fraktion wäre es selbst verständlich wünschenswert, schnellstmöglich alle Landes straßen in den Erhaltungszustand „Sehr gut“ zu versetzen. Da sind wir uns mit dem Kollegen Haller einig. Ebenso wün schenswert wäre es, nicht nur die in den Stellungnahmen ge nannten Ausbau- und Neubaumaßnahmen durchzuführen, son dern auch zurückgestellte Maßnahmen sofort zu verwirkli chen und weitere Maßnahmen in das Programm aufzunehmen.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: „Aber“!)

Ich muss Ihnen jedoch nicht erklären, dass die derzeitigen Steuereinnahmen keine Grundlage bieten, um derlei Wünsche erfüllen zu können. Eine verantwortungsvolle Landespolitik setzt auch einen verantwortungsvollen Umgang mit dem zur Verfügung stehenden Geld voraus. Die Opposition hat uns im Rahmen der Haushaltsberatungen ausführlich erklärt, dass das Land zu viele neue Schulden macht. Wir sind bereit gewesen, diese Verschuldung für eine Übergangszeit in Kauf zu neh men. Kurzfristige Sparmaßnahmen hätten nämlich lediglich bedeutet, dass gerade Investitionen wie etwa in den Landes straßenbau hätten gestrichen werden müssen. Dies war und ist mit uns nicht zu machen. Aber diese Koalition hat auch erstmals seit Jahrzehnten in wirtschaftlich guten Zeiten aus geglichene Haushalte realisiert. Dass wir uns jetzt, in wirt schaftlich schwierigen Zeiten, antizyklisch verhalten und wei ter in den Landesstraßenbau investieren, schulden wir unse rem Land. Aber wir sind ehrlich und zeigen den Menschen auch die Grenzen auf.

Wer wie die Alchimisten des Mittelalters den Menschen ver spricht, irgendwoher Gold herbeizaubern zu können – Kolle ge Haller, wie Kollege Schüle gerade gesagt hat, warten wir noch auf die Deckungsvorschläge –, wer wie die Alchimisten verspricht, Gold machen zu können, der hat sich an diesem Punkt von seriösen Deckungsvorschlägen für den notwendi gen Ausbau verabschiedet. Wir dagegen, die Koalition in den Landesfarben Schwarz-Gelb, wollen dieses Land mit Vernunft und Augenmaß in die Zukunft führen,

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Oh, oh!)

damit auch spätere Generationen noch von guten Straßen pro fitieren können und die Straßen dann nicht aus Geldmangel vollständig verfallen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Peter Hofelich SPD: Amen!)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Gönner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will an das anknüpfen, was Herr Bachmann ge rade gesagt hat. Es ist tatsächlich so: Eine gut ausgebaute Ver kehrsinfrastruktur ist der Lebensnerv für unsere Wirtschaft und für deren Wettbewerbsfähigkeit. Diese hängt eben auch von der Qualität der Straßeninfrastruktur ab. Dass ein so be deutender Wirtschaftsstandort wie Baden-Württemberg nicht durch eine unzureichende Verkehrsinfrastruktur gefährdet werden darf, versteht sich deshalb von selbst. Dass allerdings genau dies an die Wand gemalt wird, ist in Teilen schon auch verwunderlich.

Es gab in dieser Debatte zumindest bei der Rede des Kolle gen von der SPD auch heftige Widerworte hinsichtlich der Frage, wie es eigentlich im ländlichen Raum aussieht. Ich ha be mich bewusst in die Richtung der SPD gedreht, weil Sie, Herr Haller, vorhin von Pfullendorf gesprochen haben. Ich kann Ihnen sagen: Die Verkehrswege aus Ihrer Heimatgemein de in die Gemeinde Pfullendorf, die zu großen Teilen Landes straßen sind, befinden sich in einem ausgesprochen guten Zu stand.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt!)

So zumindest nehme ich es wahr, wenn ich mit meinem Au to dort fahre.

(Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Das liegt an der gu ten Federung! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mit dem Auto kann man dort gut fahren! Das stimmt!)

Sehen Sie, ich bekomme hierfür die Bestätigung. Das ist al so in Ordnung. Jetzt könnte man sagen, das liege am Einsatz des dortigen Abgeordneten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der fährt mit dem Fahrrad!)

Ich glaube aber, es liegt auch daran, dass wir als Land ein ge meinsames Interesse haben, unsere Landesstraßen in einem entsprechenden Zustand zu halten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, um genau dieses aus reichend leistungsfähige Landesstraßennetz erhalten zu kön nen, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Sonder programme aufgelegt. Mit dieser verbesserten Mittelausstat tung konnten Erhaltungsmaßnahmen ebenso wie Ausbaumaß nahmen umgesetzt werden. Das war ein positives und in vie len Bereichen auch ein wichtiges Signal. Außerdem war das auch im Hinblick auf die Krise in der Bauwirtschaft ein wich tiges Signal.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich fordert der ständig wachsende Anteil des Schwerlastverkehrs seinen Tri but. Bei der Frage, was Unterhaltung und was Erhaltung ist, ist es wichtig und notwendig, darauf zu achten, dass sehr früh zeitig bei der Unterhaltung angesetzt wird. Im Übrigen liegt es in der Hoheit des jeweiligen Kreises, frühzeitig Unterhal tungsmaßnahmen zu ergreifen und nicht auf die Idee zu kom men, Unterhaltungsmaßnahmen zu unterlassen, sodass letzt lich Erhaltungsmaßnahmen notwendig sind. Ich halte das für sehr wichtig; darauf sollte geachtet werden.

Wir legen unseren Beurteilungen ganz bewusst objektive Kri terien des Straßenzustands zugrunde. Wir führen seit vielen Jahren standardisierte Zustandserfassungen und -bewertun gen durch. Die letzte haben wir im Jahr 2008 durchgeführt. Diese hat ergeben, dass rund 17 % der Landesstraßen in ei nem sehr schlechten Zustand und 27 % in einem schlechten Zustand sind. Sie können davon ausgehen, dass mich jeder Prozentpunkt schmerzt und dass das sicher auch für uns un befriedigend ist. Auf der anderen Seite muss man aber auch berücksichtigen, dass sich der weit überwiegende Teil unse rer Straßen in einem guten Zustand befindet.

Wir haben allerdings – das will ich auch sagen – auf die Er hebung im Jahr 2008 bewusst reagiert, indem wir zusätzliche Mittel aus dem Landesinfrastrukturprogramm für Erhaltungs maßnahmen in den Jahren 2009 und 2010 bereitgestellt ha ben. Im Jahr 2009 konnten wir 85 Millionen € in den Erhalt investieren. Für dieses Jahr sind 70 Millionen € vorgesehen.

In diesem Jahr stehen wir vor besonderen Herausforderungen mit Blick auf die Erhaltung, weil die in diesem Winter ver stärkt aufgetretenen Frostschäden natürlich einen erheblichen Aufwand bedeuten. Nach den derzeitigen Erhebungen gehen wir von einem zusätzlichen Aufwand für die Landesstraßen von rund 15 Millionen € aus.

Wir freuen uns darüber – Frau Kollegin Razavi hat es ange sprochen –, dass der Bundesminister angekündigt hat, den Ländern 100 Millionen € für den Erhalt der Bundesstraßen und insbesondere die Beseitigung der Frostschäden an den Bundesstraßen zur Verfügung zu stellen. Das hilft uns sicher. Darüber sind wir auch froh. Ich pflege immer zu sagen: Für gewöhnlich ist man für mehr Mittel unbegrenzt belastbar. Auf der anderen Seite muss das aber natürlich in einem entspre chenden Rahmen erfolgen.

Wir wollen die Erhaltung der Landesstraßen stärken. Das hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung am 10. März betont. Ich bin der Überzeugung und auch die De batte zeigt, dass wir uns hinsichtlich dieser Zielsetzung in die sem Haus sicher schnell einig sind.

Ich möchte noch eines sagen, weil es hierzu auch einen Be richt des Landesrechnungshofs gibt. Ich finde es spannend,

dass in den Debatten, bei denen ich hier vorn stehe, zweimal der Landesrechnungshof Erwähnung findet. In beiden Fällen hat der Landesrechnungshof erklärt, wofür man mehr Geld ausgeben müsse.

Bis heute habe ich gedacht, dass der Rechnungshof die Auf gabe hat, Einsparpotenziale zu erschließen. Ich muss meine Meinung revidieren. An dem einen oder anderen Punkt bin ich aber natürlich auch etwas erstaunt. Solche Forderungen nehme ich natürlich gern hin. Ich bin mir aber nicht sicher, ob uns das hilft; denn letztlich müssen wir zusehen, dass das im Rahmen eines Gesamthaushalts, der nicht über Schulden fi nanziert wird, darstellbar ist.

Noch einmal: Ich bin für zusätzliche Mittel unbegrenzt belast bar. Ich glaube, wir haben im Rahmen der Umsetzung der Konjunkturprogramme gezeigt, dass wir in der Lage sind, dies entsprechend umzusetzen. Klar ist für uns natürlich auch, dass wir die Erhaltung vorantreiben müssen.

Lieber Herr Wölfle, Sie haben mich direkt angesprochen, in dem Sie gesagt haben, Erhaltung müsse vor Ausbau und Neu bau gehen. Außerdem sagten Sie, Sie wünschten sich, dass ich das angehe. Dabei haben Sie sich auf die Fortschreibung des Generalverkehrsplans bezogen. Herr Haller, auch Sie haben sich darauf bezogen, indem Sie in etwa sagten, Sie wünsch ten mir die Kraft, Prioritäten zu setzen.

Im Gegenzug wünsche ich mir von der Opposition – in die sem Fall hauptsächlich von der SPD – die Kraft, dass in dem Fall, dass wir Priorisierungen vornehmen müssten, nicht für jeden Wahlkreis gesondert eine Anfrage hinsichtlich der Pri orisierung von Straßen gestellt wird.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Diese Kraft wünsche ich mir von Ihnen. Dann schauen wir einmal, ob wir diese Kraft für Priorisierungen aufbringen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Herr Wölfle, Sie sagen, Erhaltung solle vor Aus- und Neubau gehen –

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Hat er nicht recht?)

ich sage ganz bewusst Aus- und Neubau –, und verknüpfen dies auch ganz bewusst mit ökologischen Gründen. Ich glau be schon, dass man auch darauf achten muss – ich kann sa gen: ich kenne mich beim Thema Feinstaub, das Sie auch an gesprochen haben, auch in den feinen Verästelungen halbwegs aus –, dass es Kommunen gibt, die über die Einführung einer Umweltzone nicht begeistert sind, dass es aber auch andere gibt, die in der Hoffnung, dass sie dann eine gewünschte Um fahrung möglicherweise schneller bekommen, darum bitten, dass wir Messpunkte einrichten. Das war für mich interessant.

Jetzt könnte man natürlich trefflich darüber streiten – gerade im Landesstraßenbau sind viele der Ausbau- und Neubaumaß nahmen auch Umfahrungsmaßnahmen –, ob auch die Frage der Lärmminderung und der Luftreinhaltung an dem einen oder anderen Punkt gerade unter ökologischen, aber auch un ter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten ein Grund dafür ist, warum ich eben ganz bewusst nicht nur sagen kann: allein

Erhaltung und keine weiteren Ausbau- und Neubaumaßnah men. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich an diesem Punkt eine solche Lösung wenig hilfreich finde, son dern dass wir im Einzelfall ganz bewusst unterscheiden müs sen.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Im Prinzip hat er schon recht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für den Aus- und Neubau der Landesstraßen stehen uns für das Jahr 2010 rund 69 Millionen € zur Verfügung. Im Jahr 2011 sind es rund 65 Millionen €. Lieber Herr Haller, diese erhöhten Mittel sind dafür vorgesehen, dass 21 Projekte des laufenden Baupro gramms realisiert werden können. Ich war vorhin etwas er schrocken, weil Sie von 61 Projekten gesprochen haben; 21 sind es. Sie haben einfach mein Alter draufgeschlagen.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das finde ich nicht wirklich nett. Aber es ist okay. Diese 21 Maßnahmen werden entsprechend in Angriff genommen.

Man muss aber auch wissen, dass natürlich die eine oder an dere Verzögerung dieses Landesstraßenbauprogramms des Jahres 2008/2009 auch dadurch gegeben war – jetzt kommen wir wieder zu dem Thema von vorhin –, dass sich nicht jede Planung immer sofort in der Weise entwickelt, wie man es sich wünscht. Ich bin der Überzeugung, dass wir dort entspre chend vorankommen.

Ich will mit folgendem Satz enden: Verkehrspolitik ist Stand ortpolitik. Baden-Württemberg ist ein starker Standort. Ba den-Württemberg will ein starker Standort bleiben. Die Lan desregierung hat, insbesondere was das Thema Landesstra ßenbau angeht, die klare Zielsetzung, dafür Sorge zu tragen, dass dies auch in Zukunft möglich ist. Wir werden uns im Rahmen dessen, was mit Blick auf die Haushaltsmittel mög lich ist, genau dafür einsetzen. Da weiß ich mich der Unter stützung der Regierungsfraktionen sicher, weil wir wissen, dass das notwendig ist, weil wir wissen, dass das ein Wirt schaftsfaktor ist. Das wollen wir auch weiter so angehen.

Herzlichen Dank.