sie bedeutet ja, dass z. B. die drei Kinder eines Chefarztes ge nauso in den Genuss der Gebührenbefreiung kommen – eines von den drei Kindern – wie die Kinder einer Verkäuferin. Mit Sozialverträglichkeit hat das nichts zu tun.
(Abg. Werner Pfisterer CDU: Man kann alles herun terreden! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Einen Haufen Bürokratie!)
Selbst familienpolitisch ist eine solche Maßnahme weder son derlich sinnhaft noch sonderlich zielgerichtet. Man kann auch nicht behaupten, dass Familien, die aufgrund der Ausbildungs kosten für ihre Kinder finanziell besonders belastet sind, ge zielt gefördert worden seien. Denn nach der Geschwisterre gelung hierzulande können die Geschwister inzwischen auch über 50 Jahre alt sein und lange im Berufsleben stehen und dennoch berücksichtigt werden. Wer zwei Geschwister hat – egal, wie alt und wie erfolgreich sie im Leben sind –, kann sich auf die Befreiungsregelung berufen. Auch eine solche Re gelung ist zumindest einmal Murks und hat mit Sozialverträg lichkeit und Familienfreundlichkeit nichts zu tun, sondern mit ungezieltem Ausgeben von Geldern.
Hätten Sie eine sozial verträgliche Regelung machen wollen, hätten Sie es viel einfacher haben können. Entweder hätten Sie es wie in Bayern machen können, wo man sagt, Familien mit Kindern, die Kindergeld beziehen, deren Kinder also in der Ausbildung stehen, werden befreit – was einen Sinn ge macht hätte –, oder Sie hätten – noch viel besser – schlicht und einfach sagen können: Alle Studierenden, die BAföG be ziehen, werden von den Gebühren freigestellt. Dann wären Sie die ganze Debatte um die Frage der sozial verträglichen Studiengebühren los. Das wäre ein klares Signal gewesen.
Das wäre ein zielgerichtetes Signal an diejenigen gewesen, die wirklich aus einkommensschwachen Familien kommen. Damit hätten Sie auch einen gescheiten Ausstiegsplan. Die sen lege ich Ihnen heute noch einmal ans Herz – mit dem An liegen der SPD, mit dem ich konform gehe: Machen Sie ei nen Plan zum Ausstieg aus dem Studiengebührenmodell. Der beste erste Schritt zum Ausstieg wäre, die Studiengebühren für BAföG-Bezieher sofort zu streichen. Dann würden Sie sich auf einem richtigen Pfad bewegen.
Die Leute, die BAföG beziehen, müssten lediglich ihren BAföG-Nachweis bei der Immatrikulation vorlegen
und wären damit ohne weiteren bürokratischen Aufwand von Studiengebühren freigestellt. Das ginge ganz einfach und ver ursachte keinen zusätzlichen Prüfaufwand.
Zwei Gedanken zum Thema „Verwendung von Studiengebüh ren“. Ich weiß nicht, wie oft es der Minister bei der Einfüh
rung versprochen hat; auch auf dem alten Flyer stand es. Stu diengebühren sind den Studierenden und den Hochschulen immer verkauft worden als das zusätzliche Element, um die Studienbedingungen und die Qualität des Studiums weiter zu verbessern.
Inzwischen zeigt der Blick ins Gesetz: Die Zusätzlichkeit ist kein hartes Kriterium, sondern die Studiengebühren müssen lediglich für Studium und Lehre verwendet werden. Inzwi schen wissen wir und kennen mehrere Beispiele, dass die Mit tel zunehmend schlicht zur Finanzierung der ganz normalen, grundständigen Lehre eingesetzt werden. Es gibt Bereiche, in denen die Lehre zusammenbrechen würde, wenn man die Mit tel aus Studiengebühren herausziehen würde.
Wir kennen inzwischen Beispiele, wonach Studiengebühren dafür verwendet werden, die undichten Dächer und die zu sammenfallenden Bauten auszubessern. In die Bereiche Re novierung und Instandhaltung sowie Neubau fließen Studien gebühren ein. Im weitesten Sinn ist es natürlich in der Tat bes ser für die Lehre, wenn es nicht aus der Decke im Hörsaal tropft.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Es kommt auf das Dach an! – Abg. Werner Pfisterer CDU: Immer nur Negatives!)
Trotzdem kann man doch nicht behaupten, dass dieses Geld zur Verbesserung der Studienbedingungen verwendet wird. Sie verwenden das Geld inzwischen nachgewiesenermaßen schlicht dafür, um Haushaltslücken zu schließen. Da geht es nicht um Zusätzlichkeit.
Studierende, die sich dagegen wehren, können lange das Wort erheben und die Mittelverwendung kritisieren – am Ende hat der Rektor das letzte Wort. Deswegen werden die Studieren den auch müde, das Wort zu erheben, weil sie nämlich nicht verbindlich mitentscheiden können und ihr Wort und ihre Kri tik letztlich nicht zählen.
Deswegen bin ich fest davon überzeugt: Studiengebühren müssen dafür herhalten, die Haushaltslücken in den Hoch schulen zu schließen. Schlimmer, als es die Haushaltslücken sind, ist aber die riesengroße Glaubwürdigkeitslücke, die Sie in der Hochschulpolitik haben.
zukommen: Es ist der richtige Weg, einen Ausstiegsplan zu verabreden und über nachhaltige Hochschulfinanzierung zu reden, die die Hochschulen entlastet.
Zweitens: Den Hochschulen wird die Verpflichtung zur Ak kreditierung von Studiengebühren erlassen, zumindest so lan ge, bis das Akkreditierungswesen auf neue Füße gestellt ist.
Drittens: Erlassen Sie den Hochschulen die Pflicht zur Durch führung von Aufnahmeprüfungen. Damit sparen die Hoch schulen und die Studienbewerber viel Zeit und viel Geld. Da mit wäre für die Hochschulen konkret etwas gewonnen.
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Bei so viel Ausstieg – ich sa ge es Ihnen ganz ehrlich – wäre uns einmal wieder der Ein stieg lieber. Denn sonst geht nichts voran. Sonst wird gar nichts mehr.
Am 4. November 1982, also vor über einem Vierteljahrhun dert, brachte der wissenschaftspolitische Sprecher und Vorsit zende der FDP/DVP-Fraktion Hinrich Enderlein einen Antrag ein, der sich u. a. mit Studiengebühren befasste. Sie sollten nachlaufend sein, also erst zwei Jahre nach Studienende ge zahlt werden, und sie sollten sozial verträglich zurückgezahlt werden, also nur dann, wenn man in einem festen Berufsver hältnis steht. Ferner sollten sie der Gesellschaftsgerechtigkeit Rechnung tragen; gut verdienende Akademiker sollten eltern unabhängig in größerem Umfang zur Finanzierung ihrer Aus bildung beitragen. Sie sehen, meine Damen und Herren, wie sozial FDP/DVP-Politik schon damals war.
Heute, ein Vierteljahrhundert später, hat unser Koalitionspart ner mit uns genau diesen Ansatz verwirklicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein sehr sozialer An satz. Gerade die SPD müsste als soziale Partei doch dafür ein treten,
dass nicht die Kassiererin an der Supermarktkasse oder die Kollegin Haußmann über ihre Steuern das Studium der spä teren Vorstände
ihres Konzerns finanziert. Gerade die SPD müsste doch for dern, dass die soziale Umverteilung von unten nach oben, die in einem ausschließlich steuerfinanzierten Studium liegt, ge stoppt wird.
Gerade die SPD müsste doch ein Modell nachlaufender und damit elternunabhängiger Studiengebühren – das ist Ihnen doch immer ein Anliegen – fordern.