Protokoll der Sitzung vom 05.05.2010

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dietmar Bach mann FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Winkler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die mit dem vorliegenden Antrag angestrebte, eigent lich harmlos klingende Änderung bzw. Ergänzung des Lan desjagdgesetzes hat es in sich. Sie ist gar nicht so harmlos, wie sie sich liest.

(Abg. Reinhold Pix GRÜNE: Wir haben nie behaup tet, dass wir harmlos sind!)

Als einzige Kategorie für eine Entschädigung für Wildschä den steht dort als Zusatz der Weinbau. Ansonsten ist alles im

Bundesjagdgesetz ausführlich geregelt. Nun sollen nach dem Wort „Weinbergen“ die Worte „Obstanlagen und Streuobst wiesen“ eingefügt werden. Das ist ganz schwierig, weil es enorme Auswirkungen beispielsweise auf die Schadensersatz forderungen bei Sonderkulturen haben würde, die bisher zu Recht extra geschützt werden mussten – im Gegensatz zur freien Landschaft und zur normalen Landwirtschaft.

(Abg. Fritz Buschle SPD: Genau!)

Wir sind deshalb der Meinung, dass wir dies, auch im Hin blick auf die Veränderungen bei der Jagd, nicht machen müs sen. Wir haben nicht die Feudalstrukturen, die noch vor eini gen Hundert Jahren für die Jagd galten.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Die wollen die Grü nen wieder zurückhaben!)

Wir haben auch keine Neu- oder Altreichen, die Jagd betrei ben, sondern wir haben engagierte Naturschützer, die sich heu te in der Jagd betätigen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Die Jägerschaft, meine Damen und Herren, ist überaltert. Sie hat Nachwuchsprobleme. Nachwuchs wäre genau das, was sie eigentlich bräuchte. Sie reguliert den Wildbestand, und die Landwirtschaft würde stark darunter leiden, wenn wir keine Jägerschaft hätten, die den Wildbestand in der Natur reguliert. Das tut sie sicherlich auch nicht immer optimal; wir wissen, dass die Situation in Bezug auf den Schwarzwildbestand schon seit Längerem aus dem Ruder läuft.

Der Naturraum Wald und Forst wird von der Jägerschaft in wichtiger Art und Weise bearbeitet. Deswegen müssen wir aufpassen, wenn wir die Verlagerung von Kosten einfach von der einen auf die andere Gruppe vornehmen, so, wie es der Antrag der Grünen zur Folge hätte.

(Beifall des Abg. Fritz Buschle SPD)

Wir wollen die Angelegenheit deshalb unter Berücksichtigung aller Meinungen ausführlich im zuständigen Ausschuss dis kutieren. Bislang liegen uns keine Stellungnahmen vonseiten der Jägerschaft oder der Landwirtschaft vor. Diese brauchen wir jedoch. Über einen solchen Gesetzentwurf kann man nicht im Schnellverfahren von heute auf morgen befinden. Dies würde wirklich etwas über den Haufen werfen, was bis jetzt etabliert ist und sich bereits viele Jahre lang bewährt hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hervorragend!)

Hinzu kommt Folgendes: Der Bundesgerichtshof hat ein ganz eindeutiges Urteil gefällt.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Er hat befunden, dass ein Teil der Schadenssituation ohnehin schon insofern auf die Jägerschaft verlagert wurde, als Son derkulturen, die bislang ja nicht von der Schadensersatzpflicht betroffen waren, mittlerweile so eingestuft werden, dass sie, wenn sie in einer Region einen starken, maßgeblichen Anteil an der Wirtschaftskraft dieser Region haben, als normale Landwirtschaft gelten können. Dieses Urteil liegt bereits vor, und hier kommt bereits etwas auf die Jägerschaft zu. Spargel

felder oder Erdbeerkulturen beispielsweise könnten nicht mehr als Sonderkulturen eingestuft werden, sondern als regu läre offene Flächen der Landwirtschaft.

(Abg. Fritz Buschle SPD: Genau!)

Das ist etwas, was sich regelt, und das bedeutet für die Jäger schaft, dass sich die Jäger, wenn sie das Problem lösen wol len, mit den Landwirten zusammensetzen müssen, um viel leicht gemeinsame Schutzmechanismen zu entwickeln. Das ist der richtige Weg.

Eine Bemerkung zum Streuobst: Meine lieben Kollegen von den Grünen, wenn Sie die Streuobstgebiete in das Landesjagd gesetz aufnehmen, wird die Jägerschaft für alle Schäden, die in der Landwirtschaft entstehen, haftbar gemacht. Streuobst flächen machen einen großen Teil der landwirtschaftlichen Flächen aus. Streuobst ist jedoch gerade nicht etwas, was bis lang durch Wildschäden besonders aufgefallen wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP/DVP)

Deswegen glaube ich, dass man sehr wohl über Anlagen des Intensivobstbaus diskutieren und die Frage stellen kann, ob sich hier etwas ändern muss. Dies kann jedoch sicherlich nicht dadurch geschehen, dass der umfassende Begriff „Streuobst“ gewählt wird. Dadurch würde die gesamte landwirtschaftli che Fläche hineingenommen werden, die bisher von der Scha densregulierung ausgenommen wird.

Wir sollten die Jäger nicht vergrämen, und wir sollten sie auch nicht verjagen. Wir brauchen die Jäger. Auch im Interesse der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft werden die Jäger auch in Zukunft gebraucht. Deswegen glaube ich, dass diese Fra gen hinsichtlich möglicher Auswirkungen sehr aufmerksam und sehr intensiv betrachtet werden müssen. Wir müssen uns mit der Jägerschaft und den Landwirten zusammensetzen und herausfinden, mit welchen Folgen zu rechnen wäre. Die Fol gen, die sich jetzt abzeichnen, können so nicht einfach akzep tiert werden.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der sagt jetzt auch etwas Vernünftiges! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Mit oder ohne Pistolen? – Gegenruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Ein Jäger braucht eine Waffe!)

Herr Präsident, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Bei Schauanträgen sollte man sich kurzfassen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, das, was Herr Kollege Locherer gesagt hat, und auch das, was Kollege Winkler gerade ausge führt hat, kann ich – fast ohne irgendeine Ergänzung – nur be stätigen und unterstreichen. Daher werde ich auch abwarten, was die einzelnen Verbände, z. B. die Naturschutzverbände, und die Landwirte dazu sagen.

Ich darf darauf hinweisen, dass ich Mitbegründer des Streu obstfördervereins Kirchberg/Jagst – der Apfelsaft ist ein „Grünspecht“-Produkt – im Rahmen des NABU bin. Und ich kann hier nicht darüber berichten, dass die Jägerschaft und die Streuobstwiesenbesitzer große Probleme miteinander hätten. Daher halte ich es für falsch, in diesem Bereich ein Gesetz einzubringen. Trotzdem möchte ich abwarten, was die Fach verbände dazu sagen bzw. was der Sachverstand dazu sagt.

Darauf werde ich mich beschränken. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und auf die darauf folgende weite re Lesung im Plenum.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich dem Minister für Ländlichen Raum, Ernäh rung und Verbraucherschutz, Herrn Köberle, das Wort.

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Lieber Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Gesetzentwurf der Grünen zielt darauf ab, Streuobstwiesen und intensiv bewirtschaftete Obstanlagen in Bezug auf den Schadensersatz bei Wildschä den den Weinbergen und sonstigen landwirtschaftlichen Flä chen gleichzustellen.

Ich glaube, lieber Kollege Pix, darüber sollten wir sehr sach lich diskutieren und Vor- und Nachteile gegeneinander abwä gen. Dann kann ich mir kaum vorstellen, dass wir zu einer an deren Entscheidung kommen, als es meine Vorredner, die Kol legen Locherer, Winkler und Dr. Bullinger, bewertet und an gedeutet haben.

Wenden wir uns zunächst einmal den Streuobstwiesen zu. Schon bisher wurden Streuobstwiesen so behandelt wie ande re landwirtschaftliche Flächen, also z. B. Grünland oder Ge treideäcker. Dort wurden Wildschäden auch dann ersetzt, wenn die Flächen nicht gegen das Wild geschützt waren. Das ist auch sinnvoll so, denn eine Vorbeugung gegen Wildschä den ist bei Streuobstwiesen unmöglich. Sie sind meist viel zu groß, um umzäunt zu werden. Außerdem gibt es ein freies Be tretungsrecht und oft auch naturschutzrechtliche Vorgaben.

Das Urteil des Amtsgerichts Schorndorf, das Sie in der Be gründung zu Ihrem Gesetzentwurf erwähnen, ist ein Einzel fall und steht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung. Ein Gesetzentwurf für die Streuobstwiesen ist deswegen un serer Meinung nach überflüssig. Damit haben wir schon ein mal die Hälfte Ihres Antrags erledigt.

Bei den Obstgärten oder intensiv bewirtschafteten Obstanla gen haben wir eine andere Situation. Durch die intensive Be wirtschaftung ist der Wildschaden im Einzelfall außerordent lich hoch. Zurzeit wird der Ersatz von Wildschäden von der Jagdgenossenschaft – das ist die Gemeinschaft der Grund stückseigentümer – zu 100 % auf die Jagdpächter abgewälzt.

Was würde passieren, wenn die Obstgärten nun den übrigen landwirtschaftlichen Kulturen gleichgestellt wären, wie dies der Gesetzentwurf vorsieht? Die Zäune könnten fallen. Wer zäunt noch ein? Zäune sind teuer. Die Obstgärten würden dann zum Schlaraffenland für das Wild – mit all den entsprechen

den Schäden. Für viele Jäger würde die Jagdpacht wegen der wertvollen Obstanlagen zu einem unkalkulierbaren Risiko. Bei diesem hohen Risiko würde sich z. B. im Bodenseekreis, wo wir viele Sonderkulturen und Obstanlagen haben, kaum mehr ein Jäger bereitfinden, eine Jagd zu pachten.

(Abg. Alfred Winkler SPD: So ist es!)

Eine solche Änderung des Landesjagdgesetzes würde sich schlussendlich zum Nachteil und nicht zum Vorteil der Obst bauern auswirken. Sie müssten auf die Einnahmen aus der Jagdpacht verzichten, und sie müssten als Mitglieder der Jagd genossenschaft auch noch den Wildschaden ersetzen.

Wenn wir die Obstgärten im Landesjagdgesetz rechtlich bes serstellen würden, würden wir darüber hinaus einen Präze denzfall schaffen, an dem sich die Betreiber anderer Sonder kulturen, z. B. Gemüse- und Beerenerzeuger, orientieren könnten. Damit hätten wir schnell eine landesweite Diskussi on über die Grenzen des Wildschadens, und die bereits schwie rige Situation würde noch weiter angeheizt.

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ich weiß, der An trag der Grünen geht im Grunde auf die Probleme eines ein zelnen Obstbauern zurück,

(Abg. Alfred Winkler SPD: So ist es!)

der nach langer Suche endlich bei der Fraktion GRÜNE Ge hör gefunden hat.

(Heiterkeit)