Protokoll der Sitzung vom 06.05.2010

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was ist mit dem Saar land?)

Das ist genauso schlimm. Das ist doch klar.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sagen Sie es doch ein mal! Berlin, Bremen! Jetzt kommen wir einmal zum Saarland!)

Herr Kollege Drexler, zum Saarland habe ich mich in den letz ten Monaten wirklich mehr als deutlich geäußert.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Nur wegen der Atom kraft!)

Das hat auch nicht allen gefallen. Nur, Herr Drexler, wenn Sie die parteipolitische Platte spielen: Mir ist es egal, wer dort Mi nisterpräsident ist.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Mir ist es egal, ob er von der CDU oder von der SPD kommt. Meine Damen und Herren, das Ausgleichssystem ist falsch, egal, wer in den Nehmerländern regiert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Ja, aber dann müssen Sie es sa gen!)

Hans-Jürgen Papier, der langjährige Präsident des Bundesver fassungsgerichts, der vermutlich auch in Ihren Augen als hoch kompetent und unabhängig gilt, sagt selbst – ich zitiere –:

Die Länderfinanzen muss man neu austarieren. Es muss mehr Finanzautonomie geben.

Es gäbe noch viele andere Zitate von führenden Persönlich keiten in diesem Land. Deshalb glaube ich, dass es unser al ler Pflicht ist, dieses Thema anzugehen. Ich habe immer ge sagt: Nach der Krise müssen wir den Haushalt restrukturie ren. Dazu stehe ich. Aber Sie werden das nicht nur über die Ausgabenseite schaffen,

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

wenn gleichzeitig die Zuweisungen an andere Länder im Rah men des Länderfinanzausgleichs immer weiter steigen. Das werden Sie nicht schaffen. Deshalb ist es, glaube ich, richtig, dass wir dieses Thema angehen.

Es war unschwer zu erraten, dass Sie heute damit kommen würden: „Ihr habt doch Anfang des vergangenen Jahrzehnts dem neuen Länderfinanzausgleich zugestimmt. Warum habt ihr das denn gemacht? Warum jammert ihr jetzt über dieses Thema?“ Meine Damen und Herren, zunächst einmal: Wenn Sie einmal das Protokoll der entsprechenden Bundesratssit zung lesen, bei der Erwin Teufel zu diesem Thema gespro chen hat, werden Sie feststellen, dass er dort – um es einmal sehr zurückhaltend auszudrücken – wenig Begeisterung für dieses Thema hatte. Nur: Was wäre die Alternative gewesen?

Damit sind wir wieder bei dem Thema, dass am Ende des Ta ges nicht diejenigen über eine Folgeregelung entscheiden dür fen, die selbst die Nehmer sind.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Was wäre denn die Alternative gewesen? Die Alternative wä re gewesen, dass die Lösung, die uns wenigstens etwas ge bracht hat, nicht zum Tragen gekommen wäre und es dann ei nige Jahre zunächst so weitergegangen wäre wie zuvor – ein mal ganz abgesehen davon, dass diejenigen, die die Mehrheit hatten, nämlich die Nehmerländer, natürlich auch gemerkt ha ben, dass das, was danach käme, wenn sie nicht für eine Mehr heit sorgten und nicht zustimmten, noch schlimmer wäre. Al so gab es eine Mehrheit. Deshalb gab es damals noch keine Alternative. Das wissen Sie.

Weil Sie eben die Föderalismuskommission II angesprochen haben – –

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ich habe das nicht kritisiert, bitte!)

Ich habe auch nicht gesagt, dass Sie es kritisiert haben. Ich habe gesagt: Sie haben es angesprochen.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Deshalb spreche ich es auch an und sage: Es war ein subop timales Ergebnis. Aber aus damaliger Sicht war die Zustim mung die einzige Möglichkeit.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Das habe ich nie bestritten! Ich habe es weder angesprochen noch kritisiert!)

Ich bin überrascht, dass das Thema Föderalismuskommissi on II von der SPD so angesprochen wurde. Denn wenn ich mich richtig erinnere, war der Kovorsitzende von Günther Oettinger der damalige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfrak tion.

Ich bin übrigens nach wie vor der Meinung, dass das Ergeb nis entlang der Erwartungshaltung überraschend positiv war. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe lange Zeit damit gerech net, dass dabei gar nichts herauskommt. Ich finde noch heu te: Das, was die beiden Vorsitzenden ausgehandelt haben, ist gemessen an der Interessenlage in dem Riesengremium, in dem sie tätig waren, ein sehr, sehr gutes Ergebnis – um das auch einmal klipp und klar zu sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Das war übrigens – damit sind wir jetzt nämlich auch auf der richtigen Fährte – das erste Mal, dass eine Kommission An reizstrukturen dafür ausgehandelt hat, etwas anders zu ma chen. Es war doch der Witz an der ganzen Aktion, dass sie ge sagt hat: „Ihr führt die Schuldenbremse ein, weil ihr von eu ren Schulden herunterkommen müsst. Wenn ihr das macht, bekommt ihr als Anreiz zusätzliche Zahlungen.“ Ich finde es deshalb schon sehr bemerkenswert, dass dies gerade von der SPD als eine Art zusätzlicher Länderfinanzausgleich verhöhnt wurde – ausgerechnet von denjenigen, die das mit ausgehan delt haben –, obwohl zum ersten Mal in der Geschichte eines Ausgleichssystems in Deutschland endlich einmal ein Anreiz geschaffen wurde.

Der Anreiz reicht nicht, aber es war immerhin einmal ein An fang, der in die richtige Richtung ging. Meine Damen und Herren, uns geht es darum, genau diesen Weg fortzusetzen. Wir brauchen einfach einen Anreiz, um in die richtige Rich tung zu gehen.

Ich kritisiere übrigens keinen Ministerpräsidenten der Neh merländer, dass er so verfährt, wie er verfährt, denn er macht das entlang von Gesetzen. Wenn kein Anreiz zum Sparen be steht – im Gegenteil: je schlechter ich werde, umso mehr Geld bekomme ich –, kann ich einem Ministerpräsidenten schlecht vorwerfen, dass er so handelt, wie er handelt. Aber ich muss dafür sorgen, dass er in Zukunft Anreize hat, anders zu han deln, Geld sinnvoll einzusetzen und zu investieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Deshalb bin ich der Überzeugung, dass die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg dieses Thema jetzt gemein sam unmittelbar angehen. Dass es hochkomplex ist, weiß je der. Herr Kollege Schmid, für jemanden, der Jurist ist und bei Professor Kirchhof promoviert hat, ist die Aussage schon ex trem bemerkenswert: „Ihr müsst nach dem Sommer das Er gebnis haben.“ Sie wissen ganz genau, dass das juristisch gar nicht geht. Ich könnte jetzt scherzhaft hinzufügen: Wenn Sie anstatt des 31. November den 30. Februar akzeptieren wür den, wäre ich bereit, in diese Richtung zu gehen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Nur: Sie wissen ganz genau, dass das mit dieser Geschwin digkeit bei drei Ländern, die zig unterschiedliche Finanzstruk turen haben, die man in einer Klage auch noch in Überein stimmung bringen muss, nicht über Nacht geht.

(Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Das Thema ist ja nicht neu! Sie haben doch Zeit gehabt!)

Ja, aber ich bin, mit Verlaub, erst seit dem 10. Februar im Amt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Gleich nach der Land tagswahl wird es auf den Tisch gelegt!)

Ich gehe das Thema jetzt unmittelbar an. Dann können Sie nicht sagen, sofort nach der Sommerpause müsse das Ergeb nis vorliegen. Aber Sie können davon ausgehen, dass ich im ureigenen Interesse – ich will ja, dass die Zahlungen in Zu kunft abnehmen – alles dafür tun werde, dass es mit höchst möglicher Geschwindigkeit funktioniert. Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr zu entsprechenden Kabinettsbe schlüssen in den einzelnen Ländern kommen, was logischer weise die Voraussetzung dafür ist, und schnellstmöglich die Klage einreichen können.

Jetzt zum Thema: Wo setzen wir an? Wo sind die Indikatoren, an denen man ansetzen muss? Die eine Frage ist: Bedeutet der Länderfinanzausgleich für die Geberländer eine Überlastung? Es war eine der Thesen des Bundesverfassungsgerichts, dass dies nicht passieren darf.

Wir mussten im Jahre 2008 7,2 % unseres Haushaltsvolumens für den Länderfinanzausgleich aufbringen. Die Tendenz ist steigend. Ähnlich ist es in Hessen und in Bayern. Wir gehen davon aus, dass dies einer der ersten Punkte ist, dass dieses Überlastungskriterium zum Tragen kommt.

Der zweite Punkt: Wir sind der Überzeugung, dass das Ver fassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 1999 nicht richtig umge setzt wurde, weil es aufgrund der beschriebenen Mehrheit nicht möglich war, dies so umzusetzen. Wir sind deshalb auch der Überzeugung, dass es ein Punkt ist, dass ableitungsfähi ge Prinzipien aus dem letzten Urteil, die nicht umgesetzt wur den, in die Klage beim Bundesverfassungsgericht eingeführt werden können.

Es gibt einen dritten Punkt, der meines Erachtens zeigt, dass die Ausgleichssystematik so nicht funktionieren kann. Sie kennen die Sonderregelung der Einwohnerveredelung – ein Kernbestandteil der Grundidee des Länderfinanzausgleichs. Meine Damen und Herren, diese Veredelung heißt etwas ver einfacht, dass ein Land auf 100 % Ausgleich einen gewissen Zuschlag bekommt, um – wie der Name schon sagt – mit Blick auf die Einwohnerzahl entsprechend mehr finanzieren zu können.

Berlin bekommt eine Quote von 135 %. Begründet ist diese Quote damit, dass man Geld dafür braucht, um auch das Um land von Berlin entsprechend weiterentwickeln zu können. Das Umland von Berlin ist, wie man der Landkarte unschwer entnehmen kann, das Land Brandenburg. Komischerweise be kommt aber das Land Brandenburg über einen weiteren Aus gleichsmechanismus mit einer zusätzlichen Veredelungsquo te 105 %. Das heißt, bei ein und demselben Tatbestand wird doppelt – in der Summe mit mehr als 40 % Aufschlag – finan ziert. Unsere Experten sind sich sehr sicher, dass das ein An satzpunkt ist, bei dem man sagen kann: Da werden die ande ren überlastet; da stimmt im System etwas nicht.

Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich Sie einfach bitten – es waren drei elementare Punkte; ich gehe davon aus, dass in den Gesprächen mit Hessen und Bayern weitere Punk te hinzukommen –, dass wir in diesen Punkten zusammenar beiten. Für mich ist das kein Wahlkampfthema.

(Lachen bei der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt einmal ehrlich!)

Das Thema brauchen Sie für den Wahlkampf nicht. Denn je der Bürger in Baden-Württemberg wird zwischen den Wah len, wird vor den Wahlen und nach den Wahlen sagen: „Ja, es ist doch selbstverständlich, dass man das Thema angeht.“ Ich rate uns und bin gern dazu bereit, dieses Thema gemeinsam anzugehen. Wenn Sie weiterhin Opposition dagegen machen wollen, dann machen Sie es zum Wahlkampfthema. Ich ma che dies nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Ich bin bereit, mit Ihnen gemeinsam die Indikatoren abzustim men – auch mit dem Kollegen Schmid, sehr, sehr gern. Ich bin auch gern bereit, im Parlament nach Möglichkeit einen gemeinsamen Beschluss herbeizuführen und darauf hinzuwir ken, dass das Land Baden-Württemberg geschlossen vor das Bundesverfassungsgericht zieht, gemeinsam mit den anderen betroffenen Ländern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Dann muss aber in der Hand auch etwas drin sein!)

Ich glaube, ich habe Ihnen das schon deutlich gemacht. In meiner Hand waren gerade drei ausführliche Gründe, Herr Schmid. In Ihrer Hand war zwei Minuten lang gar nichts ent halten, und dann haben Sie mit einer Haushaltsdiskussion an gefangen, die mit dem heutigen Thema eigentlich gar nichts zu tun hat.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: So ist es! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Sehr richtig!)