Wenn noch mehr Stimmen dazukommen, brauchen Sie die Stimme von Herrn Wowereit nicht unbedingt. Dass der Kol lege Wowereit einer Änderung zustimmt – da gebe ich Ihnen recht –, wäre auch höchst unwahrscheinlich; denn Berlin sackt fast die Hälfte des gesamten Länderfinanzausgleichs ein. Aber Sie müssen wenigstens die Stimmen der anderen Nehmerlän der bekommen; die dürfen Sie nicht auch noch verprellen. Das kann ich Ihnen nur raten.
(Beifall bei den Grünen – Zuruf von der CDU: Aber nicht mit Leisetreterei! – Ministerpräsident Stefan Mappus: Wo lebt der denn?)
Deswegen sind die populistischen Töne, die Sie hier anschla gen, was die anderen alles Schlimmes in ihrer Haushaltspoli tik machen, gefährlich, denn sie haben überhaupt keinen Er folg. Damit kann man nur die Leute auf die Bäume treiben, bekommt sie aber nicht wieder herunter, und es geschieht nichts, weil Sie sich nicht durchsetzen können. Das sind kei ne juristischen Argumente. Mit diesen Argumenten werden Sie nicht durchkommen.
Deswegen befürchte ich in der Tat, dass Sie damit einen bil ligen Wahlkampf machen wollen und sonst nichts.
Jetzt gehe ich auf den zweiten Teil Ihrer Rede ein, in der Sie den Populismus verlassen haben und auf die rechtliche Ebe ne gegangen sind. Nur das kann bei der Beantwortung der Fra ge, ob eine Klage sinnvoll ist und Aussicht auf Erfolg hat, ei ne Rolle spielen. Die Überbeanspruchung der Länder – das war ein Vorwurf – ist durch das letzte Bundesverfassungsge richtsurteil zu diesem Thema gerade korrigiert worden, sodass – zweitens – die Reihenfolge nach dem Länderfinanzausgleich eindeutig dieselbe ist wie vorher.
Das, was Sie gesagt haben, trifft nur dann zu, wenn Sie die Bundesergänzungszuweisungen hinzunehmen. Dann ändert sich noch einmal die Reihenfolge – durchaus in eine schräge Richtung.
Das bestreite ich überhaupt nicht. Aber Sie wollen doch nicht im Ernst glauben, dass Sie die Bundesergänzungszuweisun gen, von denen Baden-Württemberg gar nicht betroffen ist – das gilt für Hessen und Bayern genauso –, zum Argument in einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich machen kön nen. Das glauben Sie doch selbst nicht.
Drittens: Sie haben die Einwohnerveredelung einerseits der Stadtstaaten mit 135 % und andererseits von einwohnerschwa chen Ländern – das sind ja nur neue Bundesländer; wenn ich es richtig im Kopf habe, sind es dort 106 % Einwohnerverede lung – angesprochen. Es kann sein, dass das Bundesverfas sungsgericht das nun in dieser Höhe für nicht akzeptabel an sieht, was ich jedoch nicht beurteilen kann. Da sehe ich also eine gewisse Möglichkeit, dass das ein Argument für eine Kla ge ist. Jedenfalls ist das das Einzige, bei dem ich überhaupt einen juristischen Gehalt erkennen kann, was ich bei den an deren aber nicht kann. Das ist jedoch eine sehr, sehr schmale Basis.
Wenn Sie also nichts Fundierteres vorlegen, kann ich Ihnen von einer Klage nur abraten, weil Sie diese dann verlieren werden. Aber Sie haben gesagt, Sie wollen es selbst sorgfäl tig prüfen. Auf das Ergebnis dürfen wir einmal gespannt sein.
Jetzt noch eine Bemerkung zu einer Länderfusion: Auch da zu ist natürlich x-mal gerechnet worden, und es ist auch oft darüber diskutiert worden. Sie wird aber überschätzt. Der Ef fekt von Länderfusionen wird überschätzt. Bei den Bundes ergänzungszuweisungen gibt es bei den allgemeinen Zuwei sungen solche für die politische Führung; das Land Rhein land-Pfalz bekommt, glaube ich, größenordnungsmäßig 60 Millionen €, damit es – um es einmal etwas polemisch zu sagen – überhaupt regiert werden kann. Das sind also ganz bescheidene Größenordnungen von den Bundesergänzungs zuweisungen her. Mit der Forderung nach Länderfusionen können Sie die Leute wieder auf die Bäume treiben, aber dass eine Länderfusion im Ergebnis große Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich hätte, möchte ich bezweifeln. Bei der Fusion von Ländern kann es vielmehr nur darum gehen, dass sie sich in ihren Strukturen verbessern und wirtschaftspoli tisch auf die Beine kommen. Aber der Effekt für den Länder finanzausgleich ist sehr, sehr gering. Damit spart man über haupt nicht viel ein.
Jetzt gebe ich Ihnen noch einmal einen dringenden Rat: Der Hessische Landtag hat eine Resolution verabschiedet, und zwar getragen von CDU, FDP und Grünen. Ich weiß jetzt nicht, warum die SPD nicht dabei war; das ist mir nicht be kannt.
Er hat jedenfalls eine Resolution verabschiedet, in der er die Regierung auffordert, noch einmal mit anderen Ländern zu verhandeln, zusammen mit den anderen Geberländern zu ver handeln – dagegen ist nichts einzuwenden –, um zu versuchen, den Länderfinanzausgleich auf neue Beine zu stellen. Das ist der einzig richtige Weg. Wenn man das nicht schafft, wird das 2018 automatisch kommen, weil er dann ausläuft.
Aber selbst dann – das habe ich schon einmal gesagt –, wenn Sie mit einer Klage Erfolg haben, wird diese Klage nichts Grundsätzliches an der Fehlkonstruktion eines rein einnahme orientierten Länderfinanzausgleichs ändern. Das wird viel leicht leichte Korrekturen bringen, wie es bei der letzten Ver fassungsklage der Fall war, aber grundsätzliche Änderungen wird das nicht bringen. Deswegen habe ich hier einen Vor schlag gemacht, der in der Wissenschaft, in anderen födera len Ländern und auch am Rande der Föderalismuskommissi on intensiv diskutiert wurde, nämlich von diesem horizonta len Länderfinanzausgleich wegzukommen. Wir haben die Bundesergänzungszuweisungen; an die kann man anknüpfen. Dann könnte man auf einen solchen vertikalen Ausgleich um stellen.
Die Altschuldenhilfe ist dafür Vorbild. Die Regelung zur Alt schuldenhilfe ist eine Konstruktion, nach der die Altschulden hilfe mit Auflagen verbunden worden ist. Genau das können Sie bei einem einnahmeorientierten Länderfinanzausgleich je doch überhaupt nicht machen. Da bietet ein vertikaler Aus gleich Chancen, solche ganz allgemeinen Bedingungen zu stellen, z. B. auf die Durchsetzung der Steuererhebung oder auf eine solide Haushaltsführung zu achten. Das kann man dann machen.
Ich empfehle dringend, mit anderen Ländern auf diesen Pfad zu gehen und konstruktiv in diese perspektivische Richtung
aber nichts am System ändern. Wenn man die Leute mit einer solchen Argumentation gewinnt, frustriert man sie hinterher, weil sich dann herausstellt, dass man das nicht ändern kann. Das sind politische Strategien, vor denen man sich hüten soll te.
Herr Präsident, verehrte Kollegin nen und Kollegen! Ich will nur noch wenige Bemerkungen machen. Herr Kretschmann, Ihr Ansatz ist schlichtweg der fal sche. Sie können nicht mit einer sektoralen Betrachtungswei se ausschließlich der Folgewirkungen des Länderfinanzaus gleichs die Betrachtung über die Finanzkraft des Landes, der Kommunen und seiner Bürger führen. Am Ende wird die Fi nanzkraft über das definiert, was insgesamt zur Verfügung steht, und da ist es selbstverständlich, dass alle Ausgleichs systeme, die sich auf die Finanzkraft auswirken, in die Be trachtung einbezogen werden müssen. Das ist so selbstver ständlich wie sonst etwas.
Der zweite Punkt: Die Landesregierung geht richtig vor. Zu nächst werden Verbündete gesucht. Die Verbündeten findet man zwangsläufig nur auf der Seite der Geberländer. So ist es. Verhandelt wurde bereits in früheren Jahren. Auch im Vorfeld der Föderalismuskommission II wurde darüber verhandelt. Die Verhandlungen wurden jedoch eingestellt, weil klar war: Wenn die Ausgleichssysteme und dabei insbesondere der Län derfinanzausgleich in die Thematik der Föderalismuskommis sion II mit aufgenommen worden wären, wäre sie von vorn herein zum Scheitern verurteilt gewesen.
Das hat auch niemand ernsthaft bestritten, weder hier in Ba den-Württemberg noch in Schleswig-Holstein. Deshalb ist doch eines ganz klar: Was Sie fordern, nämlich Verhandlun gen, ist doch von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil kein Frosch seinen Teich trockenlegen wird. Das ist doch ganz klar.
Dann sagen Sie, Herr Kollege Kretschmann: „Stellt das Sys tem um, und zwar von der derzeitigen Kombination aus ei nem horizontalen und einem vertikalen System zu einem aus schließlich vertikalen System.“ Das hat etwas für sich; man müsste einmal sehen, ob das noch verfassungsgemäß wäre. Denn der horizontale Finanzausgleich ist bisher ausdrücklich Bestandteil unserer föderalen Verfassung. Deshalb geht es auch darum, ihn zu modifizieren. Dass daneben auch das Sys tem der Bundesergänzungszuweisungen zu modifizieren wä re, die Umsatzsteuerverteilung zu modifizieren wäre und die Sozialversicherungsumverteilung zu modifizieren wäre, be streite ich hier überhaupt nicht; aber an diesem Punkt, dem Länderfinanzausgleich, müssen wir zunächst ansetzen.
(Abg. Claus Schmiedel SPD: In diese Richtung! – Abg. Reinhold Gall SPD: Ruhig mit mir! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)
Bisher steht in Ihrem Antrag noch „31. Juli“. Wenn Sie ihn modifizieren, wird „30. November“ darin stehen. Es wäre sinnvoller, Sie würden generell zustimmen und sich dann da rauf verlassen, dass eine fundierte Klageschrift eingereicht wird,
die ohne Zeitdruck entsteht. Wenn Sie jetzt von Wahlkampf sprechen, reden Sie diese Thematik selbst herbei.
(Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es! – Abg. Ursu la Haußmann SPD: Hören Sie einmal! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)
Denn, Herr Dr. Schmid, mit dem Thema Länderfinanzaus gleich – wenn er im Wahlkampf überhaupt eine Bedeutung hätte – könnten alle im Landtag vertretenen Fraktionen bei ih ren potenziellen Wählerinnen und Wählern am Ende punkten, weil es dazu hier in Baden-Württemberg eine breite Überein stimmung gibt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss zunächst einmal auf die Äuße rung von Herrn Fraktionsvorsitzendem Kretschmann zurück kommen, der deutlich machte, er hätte gestern – –
(Abg. Reinhold Gall SPD: Nicht auf die Gegner schimpfen! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)
(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Natürlich! Nicht immer auf den Gegner schimpfen! Nicht mit Polemik arbeiten!)
Herr Kollege Kretschmann hat gesagt, er hätte Baden-Würt temberg gestern nicht mit Griechenland verglichen. Das stimmt zur Hälfte, denn er hat wirklich gesagt: