Sie haben jetzt den Fachterminus gebraucht. Auch Sie sind sachkundig, Frau Kollegin; Sie weisen auf das Vorgriffsstun denmodell hin. Ich habe diesen Ausdruck bewusst nicht ver wendet, weil ich nicht weiß, wie er angekommen wäre. Aber
Wir wollen die Rückvergütung in erster Linie auch dadurch sicherstellen, dass wir eine Garantie dafür geben, dass von den aufgrund des Schülerrückgangs rein rechnerisch überzähligen Lehrerstellen keine einzige aufgegeben wird.
Ich möchte mit der Bemerkung schließen, dass auch tausend von Ihnen zusätzlich geforderte Stellen niemals einen poten ziellen Unterrichtsausfall fächerscharf kompensieren könn ten.
Ich glaube, dass es wichtiger ist, dass wir in Anlehnung an die Dienstrechtsreform neue, flexiblere Instrumente entwickeln, um diejenigen, die im Dienst sind, dafür zu gewinnen, dass sie rasch aushelfen, und dass wir weiterhin so, wie Kollege Schebesta es dargelegt hat, dafür Sorge tragen, dass die Mit tel bereitstehen.
Denken Sie noch einmal daran: Allein in diesem Schuljahr sind 100 Stellen geschaffen worden. Damit brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Herr Röhm, ich schätze Sie sehr für Ihre lebendigen Beispiele aus dem Schulalltag, für die persönlichen Gespräche, in denen Sie mir sagen: Beruhi gen Sie sich, ich finde als Schulleiter ja auch immer einen Weg. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie deutlich gemacht haben: Es gibt einen Unterrichtsausfall allein schon durch die planbaren außerschulischen Aktivitäten, die man mit Klassen macht.
Das halte ich nicht für eine Selbstverständlichkeit. Natürlich fällt in der Woche dann möglicherweise die eine oder andere Stunde aus. Aber ich möchte nicht nur, dass der Lehrer ver gütet bekommt, was er an zusätzlichen Stunden erbringt – das tun dabei alle Lehrer; das weiß ich –, sondern ich möchte auch, dass der Schüler die Chance hat, diese Stunde gegebe nenfalls nachzuholen.
Herr Röhm, darauf sind die Schulen aber überhaupt nicht ein gestellt. Unterricht, der ausfällt – das kennt jeder, der Kinder hat –, fällt erst einmal aus und wird zu keinem anderen Zeit punkt nachgeholt.
Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie hätten mit einem Schul busunternehmen einen Vertrag abgeschlossen, und das Schul busunternehmen sagt Ihnen anschließend: „Bei 5 % der Fahr ten haben wir zwei Gruppen von Kindern in einen Bus ge
packt, und die Hälfte einer weiteren Gruppe musste noch zu sätzlich dazu, weil eine Fahrt ausgefallen ist. 5 % der Fahrten sind ganz ausgefallen; da sind die Schüler gar nicht gefahren worden.“ Sie können im Nachhinein auch nicht sagen: „Das war ein Grippejahr, dann sind die Schüler halt nicht zur Schu le gekommen“, sondern Sie würden als Kommune im Rah men eines Dienstleistungsvertrags sagen: Es ist der falsche Schulbusunternehmer; der muss in der Lage sein, so etwas zu organisieren.
Warum gelten solche Regeln, wenn es um den verpflichten den Transport zur Schule geht, und nicht, wenn es um den Schulunterricht geht? Das müssen Sie den Eltern draußen doch einmal erklären, Herr Röhm.
Jetzt gibt es die andere Diskussion – Sie haben es auch wie der schön bestätigt –: Wenn dieses Stellvertretersystem, das wir haben – Krankheitsstellvertreter, Ausgleichssysteme da durch, dass andere Lehrer aus dem Kollegium mehr arbeiten –, nicht ausreicht, um diese außerunterrichtlichen Aktivitäten, die wir alle wollen, auszugleichen – dann kommt noch krank heitsbedingter Unterrichtsausfall hinzu; und wir bekommen es mit den Instrumenten, die wir benannt haben, nicht hin, zu mindest diese Fälle aufzufangen –, dann zeigt das doch nur, dass die Schule von vornherein zu schlecht mit Personal aus gestattet ist und dass diese zusätzlichen Instrumente, die auf Personal von außen zurückgreifen, nicht in der Lage sind, hier flexibel einzugreifen.
Damit kommen wir zu dem grundsätzlichen Strukturproblem – das ist in den Schularten und auch in den einzelnen Fällen unterschiedlich ausgeprägt –, dass hier nicht ausreichend Leh rer vorhanden sind. Der Philologenverband, der eher Ihnen als uns nahesteht, hat dazu eine ganz klare Forderung: ein De putat für jedes Gymnasium zusätzlich, um besser auf Krank heitsausfälle und andere Ausfälle vorbereitet zu sein.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wenn alle Franzö sischlehrer krank sind, nützt der Physiklehrer nichts!)
Ich ärgere mich als Vater schon, wenn mein Sohn in der elf ten Klasse am Gymnasium ein oder zwei Wochen lang nur noch zwei Stunden Unterricht am Tag hat, weil die Lehrer der verschiedensten Fächer alle gleichzeitig mit ihren Grund- oder Leistungskursen in der Weltgeschichte herumfahren.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Auf Studienfahrt“ heißt das! „In der Weltgeschichte herumfahren“! Ich bin empört! – Vereinzelt Heiterkeit)
Wie reagieren wir darauf, dass wir mitunter zu wenig Lehrer für bestimmte Fächer bekommen? Da haben Sie, Frau Arnold, auf die vorgezogenen Ausschreibungen verwiesen. Ich warte
demgegenüber nach wie vor auf eine Antwort, wie wir mit dem Sommerloch in Baden-Württemberg umgehen. Diese Frage thematisieren wir alle zwei Jahre bei den Haushaltsbe ratungen. Verglichen mit den anderen Bundesländern liegen die Sommerferien nämlich sehr spät. Für viele Oberreferen dare aus Baden-Württemberg ist es interessanter, im An schluss an das Referendariat gleich einen Job in einem ande ren Bundesland anzunehmen, als in Baden-Württemberg sechs Wochen vom Ersparten oder von Hartz IV leben zu müssen.
Das sind ebenfalls Themen und Rahmenbedingungen, denen Sie sich seit Jahren einfach nicht annehmen wollen, sondern die Sie als strukturelle Belastung für das Schulsystem in Ba den-Württemberg einfach akzeptieren.
Herr Kollege Dr. Mentrup, sind Sie der Auffassung, dass Schüleraustausch, Exkursionen, Freizeiten etwas Schlechtes sind? Denn es scheint mir, dass Sie das mit der Aussage „in der Weltgeschichte herumfahren“ abqualifizieren.
Herr Kluck, ich bin jemand, der sehr ernste Dinge durchaus auch einmal sprachlich etwas locker einkleidet. Das haben Sie alle schon gemerkt.
Herr Röhm bestätigt das. Insofern ist, glaube ich, deutlich geworden, dass es mir nicht darum ging, diese Aktivitäten zu disqualifizieren. Ich halte dies vielmehr für eine Selbstver ständlichkeit im schulischen Angebot. Dann muss aber die Versorgung der Lehrer so gestrickt sein, dass dadurch nicht für die anderen Klassen Unterricht ausfällt, der dann auch nicht wieder aufgeholt werden kann. Das muss bereits bei der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: Das sieht man von hier aus nicht! – Abg. Vol ker Schebesta CDU: Klar, dass Ihnen das nicht langt!)
Wir können dies nicht länger hinnehmen. Frau Ministerin, ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich unserem Vorschlag öff nen könnten. Wir stellen in jedem Jahr wieder fest: Die Grund rahmenbedingungen reichen nicht, die Instrumente greifen nicht. Wir müssen auch in jedem Jahr feststellen: Es geht ein mal herauf, es geht einmal herunter, aber das strukturelle De fizit bleibt bestehen, und zwar über alle Schularten hinweg.
Wir müssen endlich das machen, was in der Wirtschaft selbst verständlich wäre. Wir müssen den ganzen Prozess der Orga nisation von Lehrerausbildung und Studienplatzzahlen, der
Akquise von Lehrerinnen und Lehrern nach Beendigung des Studiums, die Einstellungsorganisation sowie die Organisati on der Krankheitsstellvertretung und der weiteren Unterrichts versorgung endlich so durchleuchten und auf neue Beine stel len, wie das in der Wirtschaft bei einem solch schlechten Er gebnis selbstverständlich wäre. Man würde keiner Personal abteilung durchgehen lassen, was Sie seit Jahren hinnehmen.
Lassen Sie das bitte einmal analysieren. Dazu haben wir Sie bei den Haushaltsberatungen schon einmal aufgefordert. Wir brauchen hier Fachkundige, die sich mit so etwas auskennen.
Dann können wir dieses ganze Verfahren vielleicht noch ein mal neu aufstellen und qualitativ verbessern.