Deshalb ist das Argument auch ernst zu nehmen. Aber in Zei ten, in denen der Staat 80 Milliarden € Schulden macht, um
seinen Haushalt auszugleichen, kann man nicht gleichzeitig noch anderes tun. Da muss man Prioritäten setzen.
Wir haben jetzt das Ergebnis; dass aufgrund dieser Beschlüs se 30 Milliarden € fehlen, die wieder hereingeholt werden müssen. Das ist doch die Folge Ihrer Politik. Sie denken nicht an morgen, sondern beschließen heute eine Steuerentlastung, die uns übermorgen sofort wieder einholt; schon heute liegt es auf dem Tisch.
Das ist inkonsequent. Deshalb war es ein Fehler, und deshalb tragen Sie eine starke Mitverantwortung dafür, dass die Haus halte im Land und in den Kommunen aus den Fugen geraten.
Dass Sie die Große Koalition gelobt haben, verstehe ich. Dass Sie gesagt haben, insbesondere bei der Bewältigung der kri senbedingten Herausforderungen habe sie gut gearbeitet, ver stehe ich auch. Aber ich verstehe das vor allem vor dem Hin tergrund des Auftritts, den Schwarz-Gelb in diesen Tagen hin legt.
In diesem Zusammenhang von einem „Pfingstwunder“ zu sprechen ist ein merkwürdiger Vergleich. Wenn Regierungs parteien in diesen Zeiten öffentlich übereinander herziehen, Begriffe wählen wie „Wildsau“ und „Gurkentruppe“ – –
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das kann ich Ihnen sagen! – Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktio nen – Gegenruf: Bitte nicht!)
Wenn solche Begriffe gewählt werden, sorgt dies natürlich da für, dass kein Vertrauen entstehen kann, dass die Leute verun sichert sind. Wer sich so streitet wie die Kesselflicker, der ist nicht imstande, ein Land in diesen Zeiten ordentlich zu füh ren.
dass Sie sich wünschten, wir hätten in Berlin eine geordnete Regierung, die vergleichbar gute Arbeit leistete,
Aber, Herr Mappus, wenn jemand im Zusammenhang mit der Agenda 2010 davon spricht, der Sozialbereich sei kurz und klein geschlagen worden,
dann muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen: So etwas habe ich bisher nur von der Linkspartei gehört. Das muss ich Ihnen sagen. Das ist ein unglaublicher Vergleich. Unglaub lich!
Das zeigt aber auch, dass Sie mit zu denen gehören, die in die sen schweren Zeiten nur wild um sich schlagen, die wild ru dern und keine klare Linie haben. Was wir brauchen, das sind Verlässlichkeit, klare Ansagen, Prioritäten, Rahmenbedingun gen, die mehr als einen Tag oder mehr als eine Woche halten.
Das, was unser Land aus der Krise führt, ist die Orientierung auf das, was die Zukunft ausmacht, nicht auf das, was die Ver gangenheit ausmacht. In dieser Hinsicht ist das, was Sie hier unter dem Stichwort Regierungserklärung geboten haben, un ter dem Strich null.
Nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsord nung erhält jetzt Herr Fraktionsvorsitzender Kretschmann das Wort.
Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Herr Kollege Mappus, wenn ich mit Ihnen streite, brauche ich kein Doping im Tee. Da habe ich immer genug Adrenalin im Blut.
(Heiterkeit des Abg. Werner Pfisterer CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut! Grundsatzerklä rung!)
Sie haben erklärt, meine Kritik an Ihnen sei nicht einheitlich gewesen: Einmal hätte ich gesagt, Sie gäben eine Wohlfühl erklärung ab, und ein anderes Mal hätte ich gesagt, Sie träten auf wie der Elefant im Porzellanladen. Aber eine einheitliche Kritik an jemandem kann man nur dann üben, wenn der Be treffende auch einen einheitlichen, klar erkennbaren Kurs fährt. Das ist bei Ihnen leider nicht der Fall. Deswegen muss man Sie einmal so und einmal so kritisieren. Das liegt nun einmal an Ihnen selbst.
Außer Ankündigungen, was nach der Krise alles an Schlim mem kommen werde, haben Sie in Ihrer Regierungserklärung zum ganzen Bereich der Haushaltspolitik, der immerhin die Grundlage der Ressortpolitik darstellt, schlichtweg nichts ge sagt. Sie haben keine Vorschläge gemacht, keinen Einspar pfad und keine Richtung aufgezeigt, wohin es gehen soll. Sie haben vielleicht nur gesagt, wo nicht gespart werden kann. Es war wirklich eine Regierungserklärung nach dem Motto: al len wohl und niemandem wehe.
Als Elefant im Porzellanlanden sind Sie dort aufgetreten, wo Sie in der Tat klar, aber leider falsch aufgestellt sind, nämlich bei der Atompolitik. Da sind Sie Ihren eigenen Regierungs mitgliedern öffentlich vor den Koffer getreten. Es ruft doch einiges Erstaunen hervor, wenn man seinen eigenen Finanz minister selbst aus persönlichen Tischgesprächen noch öffent lich kritisiert. Das ist eigentlich ziemlich neu und, wie ich fin de, auch ungewöhnlich. Das ist mir so von der CDU eigent lich nicht bekannt.
Ich sage jetzt noch einmal etwas zur Wahl des Bundespräsi denten. Wir haben mit Joachim Gauck einen überzeugenden Vorschlag gemacht, der in der Bevölkerung eine durch und durch positive Resonanz gefunden hat.
Wir haben dem Präsidenten vorgeschlagen, dass er die Kan didaten in den Landtag einlädt, damit sie sich den Wahlmän nern und den Wahlfrauen vorstellen können. Dann kann jeder entscheiden, wer der Richtige für dieses Land ist. Das ist der richtige Umgang mit dieser Frage. Wir werden hier unseren Vorschlag bekannt machen und verbreiten und Herrn Gauck die Gelegenheit geben, sich denen, die den Bundespräsiden ten wählen müssen, vorzustellen. Das ist der richtige Weg. Po lemiken unterlassen wir in dieser Frage.
Jetzt komme ich zu Ihren Darlegungen, Herr Ministerpräsi dent. Zunächst einmal: Meine Ausführungen, Reformen in der Bildungspolitik seien jetzt nicht mehr angesagt, entnehme ich einem Interview Ihrer Ministerin in der „Frankfurter Allge meinen Sonntagszeitung“ von dieser Woche. Da antwortet sie auf die Feststellung des Journalisten, die vielen Schulrefor men und Modellprojekte seien selbst für Fachleute nicht mehr zu überschauen:
Ich würde ein Moratorium dringend empfehlen. Wir ha ben mit den Bildungsplänen eine Jahrhundertreform auf den Weg gebracht. Darin wird nicht mehr definiert, wel che Inhalte unterrichtet werden, sondern was ein Schüler können soll. Wir sollten uns zwar immer bemühen, ein zelne Dinge zu verbessern, aber Behutsamkeit bei Refor men ist für mich jetzt eine Tugend.
Also Moratorium bei Reformen; kleine Einzelverbesserungen sind möglich. Das ist offensichtlich Ihre Agenda. Und das in einer Situation, in der der Bildungsbereich vor einem Um bruch steht wie noch nie, einesteils durch die demografische Entwicklung und andernteils durch die Herausforderung auf grund der Erwartung, die eine moderne Gesellschaft an die Schule richtet. Diese Herausforderung heißt individuelle För derung jedes Kindes. In einer solchen Situation ein Reform moratorium vorzuschlagen, das ist schon ziemlich kühn.
Aber diese Kühnheit geht nicht in die richtige Richtung. Dass Reformen behutsam gemacht werden müssen, insbesondere im Bildungsbereich, versteht sich sowieso von selbst.
Was gehört eigentlich zu der Behutsamkeit bei Reformen in der Bildungspolitik? Zunächst einmal eine klare Wertvorstel lung bei diesen Reformen. Wie heißt dieser Wert? Der ist ziemlich konservativ; den hat die katholische Kirche der ge samten Gesellschaft geschenkt. Ihr Vorvorgänger war ein gro ßer Anhänger davon, und ich bin es auch. Der Wert heißt Sub sidiaritätsprinzip, ganz einfach. Wer macht eigentlich eine gu te Schule, und wer macht einen guten Unterricht? Gewiss nicht die Kultusministerin, sondern die Lehrerinnen und Leh rer.