Meine Damen und Herren! Ich er öffne die 96. Sitzung des 14. Landtags von Baden-Württem berg und begrüße Sie.
Urlaub für heute habe ich Frau Abg. Queitsch und Frau Abg. Vossschulte sowie den Herren Abg. Heinz, Müller und Wink ler erteilt.
Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nisterpräsident Mappus, Frau Ministerin Dr. Stolz und – ab 13:00 Uhr – Herr Minister Pfister.
Dienstlich verhindert sind Frau Ministerin Gönner und Frau Staatsrätin Professorin Dr. Ammicht Quinn.
Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Fanprojekte in Baden-Württem berg – Drucksache 14/5187
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der Fraktion der FDP/DVP fünf Minuten.
Einen wunderschönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolle ginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zum Fuß ball gehört eine gute Portion Emotion.
Schon morgen werden wir voller Spannung und Vorfreude un sere Augen nach Südafrika richten, und auch Deutschland ist wieder im Fußballfieber. Wer die Vorbereitungen im Land für Fanpartys und Public Viewing sieht, erinnert sich gern an das Sommermärchen von vor vier Jahren. Die Resonanz war da mals überaus positiv. Deutschland, Baden-Württemberg, Stutt gart konnten sich als offene, freundliche Gastgeber zeigen, und die gesamte WM stand unter einem friedlichen Stern.
Leider ist dies beim Fußball nicht immer so. Wir müssen im mer öfter auch in Baden-Württemberg erleben, dass die Be richte über Gewalttätigkeiten am Rande von Sportveranstal tungen mehr Platz einnehmen als die Ergebnisse der sportli chen Wettbewerbe. Dieser Entwicklung gilt es Einhalt zu ge bieten.
Wenn ich das Thema Fanprojekte anspreche, höre ich immer wieder: „Ihr wollt doch nicht für diese Rabauken auch noch Geld aufwenden! Die muss man doch ebenso radikal bekämp fen.“ Ein ganz drastischer Vorschlag ist, sie wegzusperren; auf jeden Fall sollte ihnen Stadionverbot erteilt werden. Letzte rem stimme ich sehr wohl zu: Wer gewalttätig wird, muss die volle Konsequenz des Staates spüren. Das ist auch für die FDP/DVP gar keine Frage. Aber wir wollen verhindern, dass Ultra- und Hooligangruppen weiteren Zuwachs bekommen. Dazu sind eben Fanprojekte ein gutes Mittel.
Vorab muss man sagen, dass alle Sportvereine sehr viel zur Gewaltprävention tun – schon einfach dadurch, dass sie Ju gendlichen jedes Alters und jeder Herkunft die Möglichkeit bieten, sich auf sportlichem Feld körperlich auszutoben, so dass sie ihre Energie nicht in Gewalt gegen Sachen und ge gen andere umsetzen müssen. Auch speziell unsere Fußball vereine, vor allem die größeren, haben ihre Fanbeauftragten, die in dieser Hinsicht auch ein gutes Werk tun.
Aber das Problem ist, dass sich ein Teil dieser „Fans“ eben nicht gern vom Verein betreuen lässt. Für solche Personen, die oft auch aus sozialen Randgruppen stammen, sind die Fan projekte als Teil der Jugendsozialarbeit eine sehr gute Mög lichkeit.
Es gibt in Baden-Württemberg bereits Fanprojekte in Karls ruhe und Mannheim. Ich möchte an dieser Stelle der Landes regierung für ihre ausführliche Antwort auf unsere Große An frage ganz herzlich danken. Die Antwort stellt die ganze Sys tematik sehr deutlich dar.
Nachdem man in Stuttgart gemerkt hat, dass nicht nur gegne rische Fans, sondern auch die eigenen, dem Verein sehr nahe stehenden Fans rabiat werden können, wenn sie mit den sport lichen Ergebnissen nicht mehr einverstanden sind, habe ich in Stuttgart den Eindruck, dass jetzt auch auf städtischer Seite, wo die Kofinanzierung erfolgen muss, einiges auf einem gu ten Weg ist. Soweit ich höre, wird es noch in der nächsten Wo che im Stuttgarter Gemeinderat ein Gespräch geben, und ich habe positive Signale vernommen.
Die Fanprojekte – ich habe es schon gesagt – leisten Jugend sozialarbeit, sind Ansprechpartner und Vermittlungsinstanz, sorgen für Integration, entschärfen Konfliktsituationen und er
gänzen so polizeiliche Einsatzkonzeptionen. Das ist ein wei terer Grund, weshalb es sich für das Land durchaus lohnt, hier Geld in die Hand zu nehmen. Wenn man berücksichtigt, dass in der vergangenen Saison über 6 Millionen € allein an Kos ten für Polizeieinsätze entstanden sind, dann, meine ich, sind die 180 000 € bzw. die 60 000 €, die wir dafür im Landeshaus halt 2010/2011 eingestellt haben, gut angelegt. Wir sollten die Weiterführung dieses Konzepts überprüfen, wobei ich jetzt noch eines erwähnen will: Das betrifft nicht nur den Fußball. Das Fanprojekt in Mannheim betreut auch Fans des Eisho ckeyvereins Adler Mannheim, denn beim Eishockey – das kennt man – geht es schon immer etwas rauer zu,
(Abg. Reinhold Gall SPD: Eishockey ist eine friedli che Sportart! – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)
Ein Beispiel für die, die sich nicht vorstellen können, was Fan projekte u. a. machen, ist das Angebot, dass sie mit ihren „Mit gliedern“ zu den Auswärtsspielen Fahrten durchführen, die bewusst unter dem Motto „alkoholfrei“ angeboten werden. Sie zeigen den jungen Menschen, dass man Sport durchaus auch gewaltfrei begleiten kann und dass das viel mehr Spaß und viel mehr Freude macht. Diese begleitenden Fanprojek te wirken in den Stadien durchaus auch beruhigend ein, wenn sich irgendwo eine Eskalation zeigt. Auch das lernen die Fans im Fanprojekt.
Deshalb halten wir Fanprojekte für eine gute Sache. Die Un terstützung des Landes dafür ist gut eingesetztes Geld.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Morgen beginnt die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika. Viele von uns freuen sich auf schöne Spiele und spannende Ergebnisse. Wir alle werden erleben, wie Fußball Menschen begeistert. Fußball begeistert Menschen am Fern seher, Fußball begeistert Menschen auch bei uns in den Sta dien, in den Kreis-, den Regional- und den Bundesligen.
Doch bei aller Begeisterung muss man feststellen: Es gibt auch Schattenseiten; denn im Umfeld von Fußballspielen fin den sich gewaltsuchende und gewaltbereite Anhänger und so gar gewalttätige Randalierer. Ich erinnere daran: Vor Kurzem gab es einen Vorfall auf dem Bahnhof in Neu-Ulm. Dort ha ben Hooligans des SSV Ulm einen Zug angegriffen, in dem Fans aus Reutlingen und Stuttgart saßen.
Das, meine Damen und Herren, hat mit Sport überhaupt nichts zu tun. Das dürfen wir nicht zulassen. Solche Ausschreitun gen müssen wir verurteilen. Wir müssen dagegen vorgehen.
In Baden-Württemberg, meine Damen und Herren, gibt es weit über 1 000 Problemfans. Dabei ist die Bezeichnung „Pro blemfan“ fast ein Adelstitel.
Wenn wir uns diese Fans genauer anschauen, dann sehen wir, dass darunter neben Gewaltbereiten auch Gewalttäter sind. Das sind dann Straftäter, die den Sport als Bühne und Kulis se für ihre Schandtaten benutzen. Mit Sorge betrachten wir auch, dass immer mehr jugendliche Fans in diese gewalttäti gen Fangruppen einsteigen.
Dagegen müssen wir aufs Schärfste vorgehen. Hierbei sind alle Verantwortungsträger gefordert. Im Grunde sind alle Au toritäten gefragt, im Sport genauso wie im politischen und so zialen Bereich. Wir brauchen gemeinsame Konzepte. Wir brauchen eine gute Vernetzung der vielfältigen Aktivitäten, um so dem jugendlichen Fannachwuchs den richtigen Weg in die richtige Fankurve zu zeigen.
Seit Jahren beschäftigt die Thematik „Verhinderung von Ge walt rund um den Fußball“ Bund und Länder. Baden-Würt temberg nimmt in zahlreichen Gremien eine bundesweite Vor reiterrolle ein. Ich möchte an den „Sicherheitsgipfel Fußball“ 2009 erinnern. Auf Einladung der Innenministerkonferenz fand vor Kurzem ein runder Tisch zum Thema „Gewalt im Zusammenhang mit Fußballspielen“ statt.
Eines ist aber auch klar: Um das vorhandene Gewaltpotenzi al zu mindern, sind neben schärfsten repressiven Maßnahmen vor allem auch aufeinander abgestimmte präventive Maßnah men notwendig. Denn diese zahlen sich aus. Gerade in die sem Bereich sind die Fanprojekte anzusiedeln. Sie verkörpern eine besondere Form der sportnahen Jugend- und Sozialar beit.
In Baden-Württemberg haben wir zwei Fanprojekte, eines in Mannheim/Ludwigshafen und eines in Karlsruhe. Diese bei den Fanprojekte habe ich im Herbst letzten Jahres besucht. Ich konnte mich über deren Arbeit informieren. Bei beiden Projekten wird im gewaltpräventiven und im sozialpädagogi schen Bereich gearbeitet. Die Projekte fördern die kreative Fankultur und schaffen alternative Freizeit- und Bildungsan gebote für jugendliche Fans. Denn die Arbeit dieser Fanpro jekte orientiert sich am Lebensalltag der Fans. Sie findet in den Stadien statt, sie findet bei den Fahrten zu Auswärtsspie len statt, die organisiert werden – teilweise mit kulturellem Beiprogramm. Es werden Fantreffs und Fanturniere organi siert, und es werden vor allem auch Fanpartnerschaften ge schlossen, die sehr wichtig sind.
Die Konzepte in Karlsruhe und in Mannheim haben sich au ßerordentlich gut bewährt. Das war für uns von der CDUFraktion auch ein Grund dafür, eine Initiative mit dem Ziel zu starten, dass dafür Geld in den Haushalt eingestellt wird. Das war erstmals im Jahr 2009. Auch im Doppelhaushalt 2010/2011 stehen Mittel zur Verfügung.
Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass es sich um eine Drittelfinanzierung handelt: Land, DFB und Kommunen sind daran beteiligt. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich andernorts bisher noch keine Fanprojekte gegründet ha ben.
Damit ist aber nicht gesagt, dass dort keine präventive Arbeit stattfände. Es gibt auch in Stuttgart, in Hoffenheim, in Reut lingen und in Freiburg vielfältige Arbeitsstrukturen. Dort wird mit Jugendlichen gearbeitet und werden Projekte der Gewalt prävention vor Ort durchgeführt.
Abschließend stelle ich für die CDU-Fraktion fest: Der Schlüssel zum Erfolg in der Präventionsarbeit liegt darin, dass alle gewaltpräventiven Maßnahmen in Netzwerken auf örtli cher und überörtlicher Ebene umgesetzt werden. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen und müssen weiterhin am Ball bleiben.
Noch eines ist mir sehr wichtig. Wir müssen allen den Rücken stärken, die sich vor Ort dieser wichtigen Aufgabe widmen.