Protokoll der Sitzung vom 13.07.2010

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜ NE – Gesetz zur Änderung des Landesjagdgesetzes – Drucksache 14/6150

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses Länd licher Raum und Landwirtschaft – Drucksache 14/6545

Berichterstatter: Abg. Paul Locherer

Das Präsidium hat eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pix.

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Wir sind jetzt in der letzten Le sung des Gesetzentwurfs meiner Fraktion. Die Recherchen, Rückfragen und Beratungen seit der ersten Lesung vor gut zwei Monaten haben doch sehr Erstaunliches zutage geför dert: zum einen einen sehr großen Konsens in der Sache, näm lich dass von niemandem mehr bestritten wird, dass die Wild bestände in den letzten Jahrzehnten dramatisch zugenommen haben.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Das war schon vorher nicht bestritten! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Füchse!)

Herr Kollege Winkler, es wird von niemandem bestritten; ich spreche gerade von Konsens.

Der Grund für diese Zunahme sind der Klimawandel und ins besondere die milden Winter, sodass die sehr stark fruktifizie renden Eichen und Buchen ihren Beitrag dazu leisten. Es be streitet auch niemand mehr – selbst die Landesregierung nicht –, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Wein- und Obst bauern besteht, da Wildschäden im Weinbau ohne Zaun er stattet werden, während dies im Obstbau nicht der Fall ist.

Sehr erstaunlich ist auch, dass der Minister im Parlament be hauptet, dass das Urteil des Amtsgerichts Schorndorf nicht der gängigen juristischen Einschätzung entspräche. Ich behaupte das Gegenteil: Zu Baden-Württemberg gehört auch das Rems tal; das Remstal liegt in Baden-Württemberg.

Was macht der Landwirtschaftsminister? Er polemisiert ge gen die von ihm zu vertretenden Landwirte, wenn er über sie sagt: Wenn man denen eine Wurst hinhält, dann schnappen sie halt zu. Ich hoffe, dass die Landwirte in diesem Land wahr nehmen, was Sie, Herr Minister, ihnen als Antwort auf ihre berechtigten Fragen und auf die Sorgen um ihre weitere Exis tenz geben.

Neben den Bauernverbänden haben sich – das dürfte schon fast einmalig in diesem Land sein – die großen Umweltver bände, nämlich NABU und BUND, ausdrücklich für diese Ge setzesänderung ausgesprochen.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Damit noch nicht genug: Der Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft mit seinen über 100 000 Mitgliedern hat sich in dieser Angelegenheit ganz eindeutig geäußert. Der LOGL befürwortet ganz klar diesen grünen Gesetzentwurf.

Herr Kollege Bullinger, Sie sprachen von den Streuobstiniti ativen und haben sich auf sie berufen. Wir haben mit zahlrei chen Vertretern von Streuobstinitiativen Rücksprache gehal ten, und es sind einige Rückmeldungen eingegangen. Ich möchte neben der, die ich schon im Ausschuss zitiert habe, nur eine zitieren, nämlich die der „Fördergemeinschaft regi onaler Streuobstbau Bergstraße-Odenwald-Kraichgau“, die immerhin 4 000 Hochstämme auf 85 ha bewirtschaftet. De ren Vertreter schreiben, sie wären sehr froh, wenn es zu einer Änderung des Landesjagdgesetzes im Sinne des vorliegenden Gesetzentwurfs käme. Des Weiteren schreiben sie, es gebe in letzter Zeit beträchtliche Schäden in ihren Streuobstwiesen, besonders durch Wildschweine. Nicht nur seien die Wiesen umgewühlt worden – es ist also offensichtlich nicht das Fall obst, das diese Schäden provoziert –, sondern es seien auch viele neu gepflanzte Bäume ausgegraben worden.

Wenn man gegen die breite Mehrheit von Bauernverbänden, Umweltverbänden, Streuobstvermarktern und Gartenbauver einen – also unseren Praktikern – redet und bestreitet, dass hier Bedarf für eine gesetzliche Regelung besteht, möchte ich hier noch jemand ganz anderen zitieren, nämlich den Bürger meister Eric Grabenbauer aus Wiesenbach im Naturpark Ne ckartal-Odenwald.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Oi!)

Er sagt – da kann sich vielleicht der Kollege Hauk als Frakti onsvorsitzender für unser Anliegen einsetzen –:

Die Gemeinde Wiesenbach als ländliche Gemeinde, die sich um den Erhalt ihrer Streuobstbestände bemüht, sieht es mit Sorge, dass Streuobstwiesenbesitzer vom Jagd pächter keine Entschädigung bekommen. Nicht entschä digte Wildschäden tragen besonders dazu bei, dass die Obstwiesenbesitzer, die sich noch für ihre Grundstücke engagieren, dazu die Lust verlieren. Deshalb begrüßt die Gemeinde Wiesenbach den vorliegenden Antrag zur Än derung des Landesjagdgesetzes ausdrücklich.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn Ihnen das noch nicht reicht, dann weiß ich auch nicht, wie ich Sie noch über zeugen kann.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sie können uns nicht überzeugen! Nur mit vernünftigen Gesetzent würfen!)

Ich bitte Sie also noch einmal, unserem Gesetzentwurf zuzu stimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Lo cherer.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jetzt kommt wie der hohe Sachlichkeit ins Spiel!)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kol lege Pix, mit anderer Leute Geld ist leicht Staat zu machen.

(Beifall des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Das hat sich an Ihrem Redebeitrag wieder gezeigt.

Dem Kollegen aus Wiesenbach würde ich einfach raten, mit seinen Jagdgenossen zu reden, mit den Jägern zu reden und einvernehmliche Lösungen zu suchen. Das machen wir z. B. bei uns im Allgäu und in Oberschwaben so. Dort klappt das. Mich wundert, dass das in anderen Landesteilen anscheinend nicht funktioniert.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Doch! Bloß in Wiesenbach nicht!)

Nach den weiteren Beratungen im Ausschuss und nach der Anhörung der kommunalen Landesverbände, meine Damen und Herren, hat sich unsere Auffassung verfestigt.

Der von der Fraktion GRÜNE eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Landesjagdgesetzes ist weder sinnvoll noch zweckmäßig und deshalb unnötig. Dieser Gesetzentwurf wür de das auskömmliche Miteinander aller Beteiligten der Jagd – seien es Jäger, Jagdverpächter oder Obstgartenbesitzer –, von dem ich gerade gesprochen habe, durch weitere Regulie rungswut belasten und das Zusammenwirken draußen vor Ort nicht erleichtern. Das besondere Verhältnis zwischen den Jagdausübenden und den Jagdverpächtern beruht insbesonde re darauf, dass alle an ihrem Platz ihren Beitrag zum Schutz der Kulturlandschaft einbringen, dass sie hegen und pflegen und dabei auf ein gedeihliches Miteinander angewiesen sind.

Ich sage es Ihnen ganz deutlich, Herr Kollege Pix: Eine bis ins kleinste Detail geregelte gesetzliche Vorgabe

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das wollen die!)

würde diesem Anliegen einen Bärendienst erweisen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das wollen die ja gerade!)

Ich bin überzeugt, dass aufgrund solcher Regelungen mit den weitgehenden Haftungsrisiken für die Jagdpächter, wie von den Grünen gefordert, zahlreiche heute aktive Jäger ihre Jagd ausübung nicht mehr leisten könnten und Schwierigkeiten hät ten, Nachfolger für die Jagd zu finden. Was geschieht dann? Wie soll dann die steigende Wildpopulation bejagt werden? Wie können dann die Streuobstwiesen vor Wildschäden ge schützt werden? Und vor allem: Von wem?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Der Bauhof macht das!)

Ja, genau. Wir könnten dann höchstens staatliche Jagdbe auftragte einsetzen, die mit Steuergeldern finanziert werden; also zahlt das dann wieder der Steuerzahler. Das wäre eine schlechte Lösung.

Deshalb spreche ich mich klar für Lösungen aus, die man vor Ort miteinander sucht, und zwar nicht aufgrund des geänder ten Jagdgesetzes, sondern aufgrund von Verpachtungen, von

Verträgen und in einem guten Zusammenspiel bei der Regu lierung von Schäden.

Nicht von ungefähr – Herr Pix, das haben Sie weggelassen – haben die kommunalen Landesverbände ausdrücklich auf die Tatsache hingewiesen, dass es dann zu Verteuerungen kommt und dass Jäger – übrigens mit einem normalen Einkommen – dann eben nicht mehr in der Lage sind,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

solche Jagden zu übernehmen.

Lassen Sie mich an einem Beispiel zeigen, wie es funktioniert. Im Pachtvertrag zwischen dem Landesbetrieb ForstBW und den jeweiligen Jagdpächtern ist z. B. geregelt, dass es Scha densersatzpflichten zwischen den beiden Vertragspartnern gibt, und zwar bei genau definierten Wild- und Jagdschäden. Diese sind, wie gesagt, einvernehmlich festgeschrieben wor den. Die Jägerschaft kann selbstverständlich aufgefordert wer den – auch wir machen das vor Ort so –, mehr Wild zu schießen, sodass die Wildschäden reduziert werden können.

Dies ist die Vorgehensweise, mit der durch ein Zusammen wirken aller Beteiligten ein weitaus besseres Ergebnis erzielt wird als durch weitere gesetzliche Regelungen. Wir reden im mer der Deregulierung das Wort, würden hier aber das Gegen teil tun.

Deshalb, Herr Kollege Pix, lehnen wir den Gesetzentwurf der Grünen ab. Wir brauchen keine Änderung des Landesjagdge setzes. Wir setzen auf das auskömmliche Miteinander von Jä gern und Streuobstwiesenbesitzern,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

übrigens auf der Grundlage des gesunden Menschenverstands. Damit kommen wir weiter. Alles andere ist Regulierungswut.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.