Für die Jahre 2015 bis 2017 kann das Land mit jährlich 300 Millionen € Nettosteuermehreinnahmen gegenüber der mit telfristigen Finanzplanung rechnen.
Bei den Kommunen ergeben sich für die Jahre 2014 und 2015 keine Veränderungen. Für das Jahr 2016 werden die Netto steuermehreinnahmen für die Kommunen um rund 30 Milli onen € und für das Jahr 2017 um rund 40 Millionen € höher geschätzt als in der November-Steuerschätzung des Jahres 2013.
Wir freuen uns über die robuste Aufstellung unserer Wirt schaft, die in den kommenden Jahren Mehreinnahmen er warten lässt.
Kretschmann betonte, dass die derzeitige gute wirtschaft liche Lage die Bemühungen unterstütze, den Haushalt für schlechtere Zeiten zu rüsten. „Wir werden das Steuer schätzungsergebnis sorgfältig beraten. Maßgabe unseres Handelns wird dabei auch in Zukunft der Dreiklang aus Konsolidieren, Investieren und Sanieren sein. Wir arbei ten weiter daran, das strukturelle Defizit auf null zurück zuführen“,...
„Jetzt ist nicht die Zeit für ein Wunschkonzert. Die guten Steuereinnahmen helfen uns, Ausgabenrisiken der kom menden Jahre abzusichern und weiter den Weg der Kon solidierung zu beschreiten. Dabei haben wir die Schul denbremse 2020 fest im Blick“,...
Meine Damen und Herren, man kann sich dafür entscheiden, die Nettokreditaufnahme entsprechend abzusenken. Man kann sich dafür entscheiden, die Steuerbelastung der Bürger ein Stück weit zu senken. Oder man entscheidet sich für eine Kombination aus beidem.
Aber offensichtlich ist vorgesehen, nichts von dem zu unter nehmen, sondern den allseits bekannten Volksbeglückungs wahlkampf, den diese Koalition im Jahr 2016 vorhat, vorzu bereiten, indem sie weder die Absicht hat, die Bevölkerung zu entlasten, noch die Absicht, die Neuverschuldung abzusen ken – man könnte sie auf null fahren –, und schon gar nicht vorhat, Schulden abzubauen – so wie Bayern es tut und wie es auch für das Land Baden-Württemberg aufgrund der aktu ellen Haushaltslage möglich wäre.
Vor diesem Hintergrund wäre es jedoch zumindest wünschens wert, man würde einen Schritt in Richtung Abbau der kalten Progression unternehmen. Daher würde ich zumindest von der SPD-Fraktion erwarten,
dass sie ihren Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel dabei unter stützt, hier ein Stück voranzugehen. Sigmar Gabriel hat aus der Opposition heraus schon einmal eine Absenkung der kal ten Progression verhindert.
Es ist ja erfreulich, dass manche, wenn sie ein Amt überneh men, an Verstand gewinnen. Er hat jetzt offensichtlich dazu gelernt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es doch sinn voll sei, etwas gegen die kalte Progression zu unternehmen. Er verwendet nicht mehr das Argument aus Oppositionszei ten, man müsse den Spitzensteuersatz anheben, damit man et was gegen die kalte Progression tun könne, sondern er sagt explizit: „Man kann etwas gegen die kalte Progression tun, ohne Steuern erhöhen zu müssen.“ Das ist eine Analyse der Situation des Bundeshaushalts.
Wir im Land Baden-Württemberg sollten uns nach wie vor zugutehalten, dass wir etwas besser aufgestellt sind als die Bundesrepublik Deutschland im Durchschnitt.
Vor diesem Hintergrund würde ich schon erwarten, dass die Regierungskoalition bereit ist, zu signalisieren, dass man ei nen Schritt zur Absenkung der kalten Progression zu tun ge denkt und sich für eine Bundesratsinitiative einsetzt mit dem Ziel der Absenkung der kalten Progression. Das würden wir uns wünschen, meine Damen und Herren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es verwundert schon manch mal, wie sich innerhalb von 24 Monaten die Ansichten über die kalte Progression verändern. Noch im Mai 2012 haben die Vertreter von SPD und Grünen im Bundesrat einen Gesetz entwurf zur Abmilderung der kalten Progression abgelehnt. Dieser Gesetzentwurf hätte bedeutet, 2013 2 Milliarden € und 2014 5 Milliarden € an die Steuerzahler zurückzugeben. Sie haben dem aus wahltaktischen Gründen nicht zugestimmt.
Heute scheint die Welt ganz anders auszusehen. Neben den Wirtschaftsverbänden sind auch die Gewerkschaften sehr stark für die Beseitigung der kalten Progression. So sagen der Vor sitzende des DGB und der Vorsitzende der Industriegewerk schaft Bergbau, Chemie, Energie, dass eine Entlastung der Ar beitnehmer stattfinden müsse, und zwar ohne Erhöhung des Spitzensteuersatzes. „Die gute Wirtschaftsleistung führt zu neuen Spielräumen“, sagen die Gewerkschaften.
Jetzt kommt es noch viel besser; Herr Kollege Rülke hat es bereits erwähnt: Der SPD-Parteivorsitzende und Vizekanzler Gabriel ist für eine Entlastung bei der kalten Progression, und zwar wegen der Steuergerechtigkeit und wegen der sozialen Gerechtigkeit. Welch ein Wandel, kann ich hier nur sagen.
Der Finanzminister von Baden-Württemberg hat im Oktober 2012 in einer Landtagsdebatte noch gesagt, er sei gegen die Beseitigung der kalten Progression. Er hat von verwerflichen Steuergeschenken gesprochen, und er hat der damaligen Bun desregierung den gesunden Menschenverstand abgesprochen. Jetzt, zwei Jahre nach der Verweigerungshaltung, scheint die Erleuchtung zu kommen.
Das Gleiche gilt auch für die Grünen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundes tag hat nach einem Bericht der FAZ vom 28. Februar 2014 ge sagt: „Die Absenkung der kalten Progression ist richtig.“ Das ist eine späte Einsicht.
Sie ist eine Verzögerung des Einbaus der Inflationsraten in die Steuersätze. Der Nominallohnzuwachs wird dann durch die Geldentwertung völlig aufgezehrt, und der Steuerzahler muss weiterhin seine Steuerschuld bezahlen.
Die kalte Progression ist eine verdeckte Steuererhöhung, durch die der Staat erhebliche Mehreinnahmen erzielt.
Das sagt übrigens Christoph Schmidt, der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaft lichen Entwicklung.
Rund 37 Millionen Beschäftigte sind davon betroffen; das sind ungefähr 80 % aller Beschäftigten. Insgesamt wurden in den Jahren 2006 bis 2012 63 Milliarden € in die Staatskassen ge spült – dies hat die Universität Bremen errechnet –, und die ses Phänomen der kalten Progression betrifft vor allem die Gering- und die Durchschnittsverdiener.
Ich will an einigen Beispielen den Zuwachs der Einnahmen durch die kalte Progression deutlich machen: 2011 betrugen die Steuermehreinnahmen 14,9 Milliarden €. Davon waren 2,7 Milliarden € durch die kalte Progression eingezogen wor den.
2014 – jetzt kumuliert – gibt es Mehreinnahmen von insge samt 50,8 Milliarden €. Davon sind 8,8 Milliarden € der kal ten Progression geschuldet.
Zur Prognose bis 2017: Die kumulierten Steuermehreinnah men von 2011 bis 2017 betragen 93,1 Milliarden €; davon sind 20,4 Milliarden € durch die kalte Progression generiert. Ins gesamt gehen also in der Zeit von 2011 bis 2017 rund 20 % der Steuermehreinnahmen auf die kalte Progression zurück.
Jetzt will ich ganz kurz die Wirkungen auf den einzelnen Bür ger betrachten. Bei einem Bruttogehalt von 20 000 € im Jahr
werden in den Jahren 2011 bis 2014 insgesamt rund 448 € der Steuerbelastung durch die kalte Progression generiert. Bezo gen auf die gesamte Steuerbelastung sind das 5,5 %. Bei ei nem Bruttogehalt von jährlich 50 000 € – wiederum im Zeit raum von 2011 bis 2014 – liegt die Steuerbelastung durch die kalte Progression bei über 1 000 €. Das entspricht 2,3 % der gesamten Steuerbelastung. Bei 75 000 € Jahresbruttoeinkom men sind es in diesem Zeitraum 1 500 € bzw. 1,7 % der Steu erbelastung.
Das heißt, die kalte Progression trifft vor allem die Gering verdiener und die Beschäftigten in der Mittelschicht. Sie trifft vor allem diejenigen, die eine hohe Konsumquote haben, die ihr Geld brauchen, um das tägliche Leben zu finanzieren, und die ihr Geld künftig auch brauchen, um die gestiegenen Ener gie- und Nahrungsmittelkosten zu bezahlen.
Ich kann nur eines sagen: Sigmar Gabriel hat recht: Es geht nicht nur um Steuergerechtigkeit, es geht hier absolut um so ziale Gerechtigkeit.
Was kann man für die Beseitigung der kalten Progression tun? Es gibt Vorschläge wie einen „Tarif auf Rädern“, einen Stufen tarif usw. Das gibt es in verschiedenen europäischen Ländern.
Aber Wolfgang Schäuble hat Folgendes gesagt: Sobald in den Haushalten Spielräume entstehen und es einen gemeinsamen Willen der Koalitionspartner gibt, wird dieses Thema aufge griffen und gelöst. Er nennt allerdings zwei Bedingungen: dass es künftig Spielräume gibt – die gibt es; der Fraktionsvorsit zende der FDP/DVP hat sie ja schon genannt; es sind bis 2017 ungefähr 700 Milliarden € Steuereinnahmen – und dass – das kommt natürlich hinzu – der gemeinsame Wille in der Koali tion vorhanden sein muss.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Herr Rust ist ja da! Das ist auch ein netter Kerl! Er ist noch sympathi scher! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)