Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen, und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.

Aus Lukas 12 Vers 48. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Frühstückskreis des Landtags kennen diesen Vers. Wir haben das vorletzte Mal darüber diskutiert, und einige Kollegen sind wie ich zu dem Schluss gekommen: Das ist die biblische Be gründung des progressiven Steuersatzes im deutschen Steu ersystem.

Aber tatsächlich drückt dieser Satz das Prinzip aus, dass star ke Schultern mehr tragen als schwache. Wenn nun alle glei chermaßen stärker werden,

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja, wenn sie wirklich stär ker werden!)

ergibt sich auch in diesem Sinn gleichermaßen eine steigen de Steuerbelastung.

Die Progression an sich ist unstrittig, wie ich der Diskussion entnommen habe.

Jetzt kommen wir zur kalten Progression. Die kalte Progres sion ist nicht allein dem progressiven Steuersatz geschuldet, sondern steht immer in Verbindung mit der Inflation. Immer dann also, wenn die Inflation gleich hoch oder höher ist als die Gehaltssteigerungen, kommt es zu einer kalten Progressi on. Wenn das nicht so ist, gibt es auch keine kalte Progressi on. Das heißt, wenn es bei den Tarifabschlüssen immer zu Lohn- und Gehaltssteigerungen kommt, die über der Inflati onsrate liegen, wird es nie zu einer kalten Progression kom men. Die Leistungsfähigkeit steigt dann auch stärker als die Steuerbelastung.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Doch, das ist definitiv so, Herr Mack. Ich erkläre es Ihnen nachher gern noch einmal. Es ist ein bisschen kompliziert.

Wenn es zur kalten Progression kommt, führt das dazu, dass die reale Leistungsfähigkeit abnimmt, weil mehr Steuern ver langt werden, als es dem realen Lohnzuwachs entspricht. Da gebe ich den Kolleginnen und Kollegen – das haben auch al le gesagt – unter dem Strich recht: Das darf nicht sein.

Es darf nicht sein, dass verdiente Lohnerhöhungen für hart ar beitende Menschen durch die Steuerprogression bzw. die In flation aufgezehrt werden. Es darf nicht sein, dass Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer trotz Lohnerhöhung am Ende we niger Kaufkraft – nicht weniger Geld; sie haben mehr Geld,

aber sie haben weniger Kaufkraft – haben. Es darf nicht sein, dass dieser Effekt alle Einkommensgruppen belastet – vor al lem auch die Bezieher von mittleren Einkommen.

Deshalb ist die Debatte, die wir auf Landes- und auf Bundes ebene führen, wichtig und richtig. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einer Lohnerhöhung de facto nichts ha ben, läuft bei uns etwas schief. Aber man muss auch aufpas sen, dass man diese Diskussion nicht zu stark verkürzt.

Unser Ziel muss es sein, die Bezieher von mittleren Einkom men zu entlasten. Aber wenn wir das Thema „Kalte Progres sion“ angehen, brauchen wir auch eine nachhaltige Lösung, die vernünftig ist und auch auf die verschiedenen Situationen reagiert, die wir in unterschiedlichen konjunkturellen Phasen haben. Denn die Abschaffung der kalten Progression würde das Land und die Kommunen – auch und gerade die Kommu nen – viel, viel Geld kosten. Das muss man ehrlicherweise sa gen.

Nun haben auch die Kommunen momentan mehr Steuerein nahmen, Herr Rülke. Deshalb könnten Sie sagen, die Kom munen könnten jetzt auch auf Geld verzichten und man könn te ihnen weniger Geld zukommen lassen. Aber das muss man dann auch ehrlich sagen. Es geht nicht nur um den Landes haushalt, sondern mit diesem Beschluss würden Sie auch mas siv die Einnahmen der Kommunen schmälern.

Im Übrigen reichen die prognostizierten Steuermehreinnah men nicht, um den prognostizierten Einnahmeausfall, wie er bislang berechnet wurde, auszugleichen. Das ist etwa das Doppelte davon. Das heißt, Sie müssten dann schon auch sa gen, wie man mit dem Rest umgeht. Die in der Mai-Steuer schätzung prognostizierten Steuermehreinnahmen würden da zu nicht ausreichen.

Dieses Geld würde an vielen anderen Stellen fehlen – bei den Kommunen im Bereich der Kinderbetreuung oder der Bil dung, wo sie in der letzten Zeit hohe Ausgaben haben, aber auch für den Erhalt kommunaler Infrastruktur, von Straßen oder Ähnlichem. Das wollen wir nicht.

Deshalb gehört auch ein solider Gegenfinanzierungsvorschlag dazu, wenn man die kalte Progression abschaffen will. Das kann durch Steuermehreinnahmen geschehen, das kann aber auch durch andere Vorschläge auf der Ausgabenseite gesche hen. Sich nur auf prognostizierte Steuermehreinnahmen zu fo kussieren reicht allein von den Beträgen her nicht aus.

Deshalb wird es auf Bundes- und auf Landesebene noch ei ner Diskussion bedürfen. Wenn wir die kalte Progression ab schaffen wollen, sollten wir auch die Kommunen einbeziehen und vereinbaren, wie die Einnahmeausfälle auszugleichen sind. Nur dann, wenn wir einen soliden Gegenfinanzierungs vorschlag haben, den Bund, Länder und Kommunen mittra gen können, würden wir diesen Weg auch gehen.

Wir sind gespannt, was Kollege Schäuble auf der Bundesebe ne an Vorschlägen ausarbeitet, um diesem Problem zu begeg nen. Ich finde, es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, aber nicht ohne solide Gegenfinan zierungsvorschläge.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor.

Wir kommen jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behand lung des Antrags. Zum Antrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 15/4634, liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/5235, vor, der den Antrag der Frak tion der FDP/DVP ersetzen soll. Ich lasse zunächst über die sen Änderungsantrag abstimmen.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksa che 15/5235, zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser An trag mehrheitlich abgelehnt.

(Abg. Volker Schebesta CDU zur SPD: Ihr seid un ser Koalitionspartner!)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Frak tion der FDP/DVP, Drucksache 15/4634. Der Antrag enthält eine Ziffer 1 mit den Buchstaben a bis c und eine Ziffer 2 mit einem Handlungsersuchen an die Landesregierung. Wie mir gerade signalisiert worden ist, wird wohl getrennte Abstim mung gewünscht, sodass ich zunächst über die Buchstaben a und b in Ziffer 1, dann über Buchstabe c in Ziffer 1 und an schließend über Ziffer 2 des Antrags jeweils getrennt abstim men lasse. Entspricht das Ihrem Ersuchen? – Gut. Also.

Wer den Buchstaben a und b in Ziffer 1 des Antrags zustim men will, möge bitte die Hand heben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit sind diese beiden Buchstaben ab gelehnt.

Ich lasse jetzt über Buchstabe c in Ziffer 1 des Antrags der Fraktion der FDP/DVP abstimmen. Wer zustimmt, möge bit te die Hand heben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist Buchstabe c in Ziffer 1 dieses Antrags abgelehnt.

Jetzt kommen wir zum Handlungsersuchen in Ziffer 2 des An trags. Wer für Ziffer 2 des Antrags der Fraktion der FDP/DVP ist, möge bitte die Hand heben. – Wer ist dagegen? – Wer ent hält sich? – Damit ist auch Ziffer 2 im Grunde genommen mehrheitlich abgelehnt.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Nur im Grunde ge nommen? – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: In tergalaktisch gesehen ist sie angenommen! – Abg. Martin Rivoir SPD: Dem Grunde nach!)

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des

Staatsministeriums – Kostenüberschreitung beim Tag der Deutschen Einheit – Drucksache 15/4648

b) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme

des Staatsministeriums – Kosten der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit – Drucksache 15/4659

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung zu a und b je fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung des Antrags Drucksache 15/4648 erteile ich für die CDU-Fraktion Herrn Abg. Herrmann.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Er macht es kurz!)

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Das Fest am 3. Oktober letzten Jahres war ein tolles Fest. Baden-Württemberg wurde gut dargestellt und repräsentiert. Das lag nicht nur am Wetter, sondern auch dar an, dass man gute Ideen hatte, die auch positiv umgesetzt wor den sind. Das will ich ausdrücklich lobend erwähnen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP)

Bei allem Positiven muss man allerdings auch die Kosten im Blick haben. Das ist insbesondere auch Aufgabe des Gesetz gebers, des Landtags, der ja die Mittel zur Verfügung stellt.

Baden-Württemberg war bis zum Jahr 2011 bekannt als Land, das sparsam mit Steuergeldern umgeht, war bekannt dafür, dass es als eines der ersten Länder die Nettonullverschuldung erreicht hat,

(Unruhe bei den Grünen und der SPD)

dass es die Schuldenbremse in die Landeshaushaltsordnung aufgenommen hat und dass es trotzdem effizient arbeitet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf von den Grünen: Märchen!)

Wie sieht es nun bei den Kosten des Tags der Deutschen Ein heit im Vergleich mit anderen Ländern aus? In Bremen hat der Tag der Deutschen Einheit 1,7 Millionen € gekostet, in Nord rhein-Westfalen waren es, wenn man die Kosten des NRWTags herausrechnet, der ja in jedem Jahr stattfindet, 2,4 Mil lionen €, in Bayern 2 Millionen €, und in Baden-Württemberg hat man ebenfalls mit 2 Millionen € gerechnet.

So weit wäre das ja in Ordnung gewesen. Wir haben aber nun eine Kostenüberschreitung auf insgesamt 3,2 Millionen €, und diese Kostenüberschreitung von 2 um 1,2 auf 3,2 Millionen € ist nicht in Ordnung,

(Zuruf des Abg. Jörg Fritz GRÜNE)

und es ist die Pflicht der Opposition, das auch hier im Parla ment zu thematisieren.