Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Na ja, was es da zu verhandeln gibt?

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

Herr Klein, ich höre von beiden Seiten der Verhandlungspart ner, dass die Gespräche auf einem guten Weg seien. Wenn, wie bekannt ist, Daten aus Landkreisen noch nicht vorliegen, würde ich an Ihrer Stelle das Ganze auf einer etwas kleineren Flamme kochen und lieber schauen, dass die Landkreise die se Daten nachliefern, damit die Verhandlungen zu einem Ab schluss gebracht werden können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Lede Abal, Sie haben ge rade erklärt, der Kollege Mack hätte sich aus dem Orbit ge schossen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das versteht kein Mensch! – Zuruf von der SPD: Ins!)

Herr Kollege Lede Abal, bei der Frage, wer von Ihnen beiden sich aus dem Orbit geschossen hat, ist die Mehrheit dieses Hauses wahrscheinlich etwas anderer Meinung als Sie.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zurufe von den Grünen und der SPD – Lebhafte Unruhe – Glo cke des Präsidenten)

Das Wort hat der Kollege Dr. Rülke.

Fragen Sie einmal bei Ihrem Koalitionspartner nach, wie der das beurteilt.

Die Aufgabe, den Menschen zu helfen, die in vielen Regio nen dieser Erde verfolgt werden und Hilfe suchend nach Eu ropa kommen, auch nach Deutschland, nach Baden-Württem berg, ist eine gemeinsame. Ich halte es namens meiner Frak tion für ausgesprochen richtig, dass über diesen Flüchtlings gipfel der Versuch unternommen worden ist, alle politischen und alle gesellschaftlichen Kräfte zusammenzubringen. Denn es ist notwendig, dass wir diese Situation besser meistern, als das in den Neunzigerjahren der Fall gewesen ist.

Wir haben noch nicht die Zahlen wie in den Neunzigerjahren erreicht. Für 2014 erwarten wir in Baden-Württemberg etwa 26 000 Flüchtlinge. Wir hatten in den Spitzenzeiten der Neun zigerjahre jährlich bis zu 62 000 Flüchtlinge. Aber es ist not wendig, dass die Situation, wie sie Kollege Schmiedel und auch Kollege Mack beschrieben haben, nämlich dass die Men schen bereit sind, zu helfen, nicht kippt, sodass nicht politi sche Rattenfänger von rechts – wie das in den Neunzigerjah ren der Fall gewesen ist – ihre Chance wittern können. Wir sind alle gefordert, dafür zu sorgen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU sowie des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)

Deshalb ist es notwendig, eine gemeinsame Linie zu finden. Aber es ist nicht hilfreich, immer nur nach Berlin zu rufen.

Man muss durchaus einräumen – Kollege Mack hat es ange sprochen –, dass man dieses Thema zu spät angegangen ist. Ich will jetzt nicht nur auf die Regierung zeigen. Auch wir als

Opposition haben vielleicht nicht rechtzeitig genug gewarnt, dass da etwas auf uns zurollt

(Zuruf von der CDU: Aber immerhin ein Jahr früher! – Gegenruf des Abg. Winfried Mack CDU: Vor ein einhalb Jahren!)

und dass es erforderlich ist, dass die Regierung die Zeichen der Zeit erkennt.

Die ersten Schritte sind durchaus zu begrüßen: 3 000 zusätz liche Aufnahmeplätze, 1 000 Plätze für Opfer sexueller Ge walt und 30 Millionen € für Bauprogramme der Kommunen. Wenn man diese 30 Millionen € jedoch auf die Kommunen herunterrechnet, sieht man: Das ist schon ein relativ homöo pathisches Programm.

Ich würde mir auch wünschen, eine Antwort auf die Frage zu bekommen, die ich am Montag beim Flüchtlingsgipfel formu liert habe, nämlich auf die Frage, wie die Kofinanzierung vor gesehen ist. Solange die Kommunen das nämlich nicht wis sen, ist es relativ schwierig.

Im Übrigen denke ich, dass man auch darüber zu reden hätte, was vorgesehen ist, um neben dem zusätzlichen Landesper sonal weitere Personalstellen z. B. für Ärzte und Sozialarbei ter zu schaffen. Man kann nicht einfach Tausende von zusätz lichen Aufnahmeplätzen schaffen und es dann bei zusätzli chen Verwaltungsbeamten belassen. Dies gilt insbesondere für dezentrale Lagen wie z. B. Meßstetten.

Wir hätten uns auch gewünscht, dass zu anderen, etwas glo baleren Fragen konkretere Antworten gegeben worden wären, beispielsweise zur Bekämpfung von Schlepperbanden, bei spielsweise zum Küstenschutz

(Lachen der Abg. Beate Böhlen GRÜNE – Abg. Jo hannes Stober SPD: Küstenschutz?)

oder zur Frage der Rettung von Bootsflüchtlingen. Da kann man nicht sagen, das betreffe alles die EU.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Baden-Württemberg ist es nun gerade nicht!)

Die EU, das sind wir alle.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Das ist auch für Baden-Württemberg ein Thema, denn, Herr Kollege Schmiedel, es ist nicht so, dass die Flüchtlinge wie beim Raumschiff Enterprise nach Baden-Württemberg ge beamt werden, sondern die kommen von irgendwo her.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ach!)

Das hat schon etwas mit dem Schutz der Küsten und der Be kämpfung von Schlepperbanden zu tun.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Welche Küsten wollen Sie denn schützen?)

Es geht logischerweise um die europäischen Küsten.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Aha!)

Baden-Württemberg ist Teil Europas, Frau Böhlen, falls Sie das noch nicht bemerkt haben sollten.

Außerdem haben wir über gesteuerte Zuwanderung zu reden. Ich habe mich darüber gefreut, dass der Ministerpräsident er klärt hat, er sei für Länderquoten. Man könne beispielsweise darüber nachdenken, dass nach bestimmten Kriterien – z. B. Steuerkraft – auf höherer Ebene über solche Quoten diskutiert werde – so stand es zumindest in der vergangenen Woche in einem Interview, das „Die Welt“ mit dem Ministerpräsiden ten geführt hat.

Ich habe mich dann etwas gewundert, dass Minister Friedrich das relativiert und gesagt hat, auf europäischer Ebene einige man sich sowieso nicht, und es könne auch sein, dass man dann wieder mehr Flüchtlinge bekomme. Anschließend hat er gesagt, er sei trotzdem dafür. Das müsste man also schon klar stellen, etwa indem man sagt: Wir sind zwar dafür, aber wir glauben nicht, dass es passiert.

(Minister Peter Friedrich: Genau das habe ich ge sagt!)

Ja, okay. Aber Sie müssen schon einräumen, dass es dann etwas widersprüchlich herüberkommt, wenn der Ministerprä sident erklärt, er sei dafür, und einer seiner Minister erklärt, er halte das für nicht realistisch.

Die gesteuerte Zuwanderung ist also mit Sicherheit ein we sentliches Thema, und zwar auch im Sinne der Wirtschaft. IHK-Präsident Kulitz vermutet ein Fachkräftepotenzial von 30 % und macht den Vorschlag, hier viele in die duale Aus bildung zu bringen. Das ist durchaus ein wichtiger Ansatz.

Dann hätte ich mir auch etwas konkretere Aussagen des Mi nisterpräsidenten zum Vorschlag der Städtetagspräsidentin Bosch gewünscht, der auf dem Flüchtlingsgipfel vom Stutt garter Oberbürgermeister Kuhn ausdrücklich unterstützt wur de. Sie hat vorgeschlagen, man solle die Flüchtlinge aus si cheren Drittstaaten nicht mehr von den LEAs aus in die kom munalen Gliederungen bringen, sondern direkt von dort aus abschieben.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sichere Herkunfts länder, Herr Kollege!)

Dazu haben wir keine ganz klare Stellungnahme erhalten. Aber, Frau Öney, vielleicht liefern Sie das für die Landesre gierung nach.

Im Übrigen sind die Kreise sehr unterschiedlich belastet. Das war auch der Grund dafür, dass Herr Eininger ausgeschert ist. Es ist sicher richtig, dass nicht sozusagen jeder Kreis in eige ner Autonomie bestimmen kann, ob er jetzt Flüchtlinge auf nimmt oder nicht.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Aber man muss vielleicht schon darüber reden, welche unter schiedlichen Kapazitäten es bei den einzelnen Kreisen gibt, und die Kreise dann vielleicht auch entsprechend unterschied lich ausstatten. Dafür müsste man dann möglicherweise zu ei ner Spitzabrechnung kommen.

(Zurufe der Abg. Edith Sitzmann und Daniel Andre as Lede Abal GRÜNE)

Da würde uns interessieren, welche Meinung Sie dazu haben.

Möglicherweise müsste man auch die Pauschalen deutlich er höhen. Herr Kuhn hat für die Stadt Stuttgart auf dem Flücht lingsgipfel vorgerechnet – Landrat Walter hat es dann im Fern sehen wiederholt –, dass die Pauschale in Höhe von, glaube ich, 12 566 € in Stuttgart genau 57 % der Kosten decke.

Es wurde dann gesagt: „Wir kommen den Kommunen entge gen.“ Es wurde aber nicht gesagt, wie weit. Es wurde auch keine etwaige Zielmarke angegeben. Dazu würden wir uns auch konkretere Aussagen wünschen.