Protokoll der Sitzung vom 27.07.2011

Ich rate daher dazu, das Auto, das Fahrzeug, aus der Politik herauszuhalten.

Das Nächste ist: Wir haben noch genug zu tun, wenn wir bei der Optimierung der jetzigen Fahrzeugtypen mit vorn dabei sein wollen. Eine Sache, über die ich mir – unabhängig vom Thema Elektromobilität – Gedanken mache, ist: Wenn man optimier te Fahrzeuge haben will, muss man am Gewicht arbeiten.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Leichtbauweise!)

Damit sind wir beim Leichtbau, der klassischen schwäbischen Kernkompetenz des „Blechbätschens“. Man muss sich Ge danken machen, wie das bei uns aufseiten der Forschung wei ter begleitet werden kann. Das ist eine Aufgabe, die das Land hat, und ich glaube, dass wir als Land angesichts der beste henden Exportchancen – in der Summe werden es mehr Fahr zeuge sein, weil die Nachfrage nach Autos aus Deutschland groß ist – weiterhin gefordert sind.

Kommen wir zum zweiten Thema, der Elektromobilität. Zum Thema Elektromobilität ist eine eigene Landesagentur einge richtet worden. Herr Kollege Löffler, wir können hinterher si cher noch darüber sprechen, was dort alles gemacht wird. Die Wirtschaftsförderung in der Region Stuttgart und die Landes agentur befinden sich in der Vorbereitung auf den Schaufens terwettbewerb. Sie tun dies gut und konzentriert.

Auch wenn Sie in das Regierungsprogramm schauen, werden Sie feststellen, dass es überhaupt keinen Grund für die Annah me gibt, auch nur einer würde es an entsprechender Unterstüt zung fehlen lassen. Wir wollen mit dem Wettbewerb begin nen, und wir glauben, dass Elektromobilität für die badenwürttembergische Industrie ein Zukunftsthema ist. Hierfür wollen wir selbst ein Schaufenster sein. Wir wollen z. B. nicht nur auf der Technologieseite, sondern, wenn es geht, auch auf der Beschaffungsseite, also etwa bei der Beschaffung für den öffentlichen Dienst, vorangehen, indem wir sagen: Wir wol len für Elektromobilität beispielgebend werden, und zwar da durch, dass wir unseren Blick auf die Fuhrparks des Landes Baden-Württemberg oder mit dem Land verbundener Orga nisationen richten.

Ich möchte noch einen dritten Punkt ansprechen, und zwar die intermodalen Verkehre. Wir wissen inzwischen ganz genau, dass gerade bei den jüngeren Menschen in den Großstädten der Wunsch, ein Auto zu besitzen, weniger stark ausgeprägt ist. Intermodale Verkehre, also Verkehre, die von der Idee ge tragen sind, dass man gemeinsam Dinge nutzt, sollten wir künftig auch für Baden-Württemberg stärker in Betracht zie hen.

Ich finde, hier muss auch mehr Demonstration geleistet werden. Wer etwa aus dem Urlaub in Südfrankreich nach Deutschland zurückfährt, fährt östlich an Lyon vorbei. Dort sieht man am Flughafen Saint Exupéry das stolze Hinweisschild „Centre In termodal“. Da fährt der TGV, da ist der Flughafen, und da ist die Autobahn. So etwas ist klasse. Ich fände es klasse, wenn man sagen könnte: Baden-Württemberg ist ein Zentrum für intermodalen Verkehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Aber Stuttgart 21 ziehen Sie nicht durch!)

Sie alle kennen meine Meinung zu diesem Thema.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Wir wollen sie aber noch einmal hören!)

Deswegen bin ich dafür,

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sagen Sie das den Grünen!)

dass wir auch für den intermodalen Verkehr verstärkt Schau fensterwettbewerbe machen. Das geht auch im kleineren Maß stab, etwa dann, wenn jemand – dem Rat der Kollegin fol gend, Herr Kollege Löffler – beispielsweise in Stuttgart-Feu erbach umsteigt.

Ich meine, wir haben in Baden-Württemberg genügend Auf gaben. Wir sollten sagen: Dieses Land wird dazu beitragen, dass die baden-württembergische Fahrzeugindustrie insge samt zu einem Systemhersteller für Mobilität wird. Das ist die Zukunft, und dazu wollen wir als Koalition beitragen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Landesregierung spricht nun der Minister für Finanzen und Wirtschaft, Herr Dr. Schmid.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir können in dieser Debatte dazu beitragen, dass al le wieder ruhig schlafen

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Was? Wir sind hell wach!)

und geruhsam in den Urlaub gehen können. Es ist doch klar: Die Landesregierung steht hinter dem Industrie- und Automo bilstandort Baden-Württemberg. Wir wissen ganz genau, dass die Stärke unserer Wirtschaft nur gehalten und das Ziel der Vollbeschäftigung nur erreicht werden kann, wenn wir die in dustrielle Basis unseres Landes hegen und pflegen. Die indus triellen Leitbranchen, die wir in Baden-Württemberg haben, sind die Automobilindustrie und der Kranz der Maschinen bauer und der Unternehmen im Bereich Elektrotechnik, der sich als Zulieferer darum herum rankt.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Jeder, der weiß, dass Industrie nicht nur Wohlstand schafft, sondern auch Beschäftigung und damit auch Sicherheit für die Beschäftigten selbst und für ihre Familien, weiß auch, wie wichtig dies ist.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wir wissen es!)

Wir haben im Koalitionsvertrag nicht umsonst gemeinsam – SPD wie Grüne – festgelegt, dass wir Vollbeschäftigung er reichen wollen und deshalb diesen Industriestandort stärken und dazu in die Wachstumsfelder, die eben schon identifiziert worden sind, investieren wollen. Dazu gehört gerade auch die nachhaltige Mobilität.

Die Arbeitsplätze im Bereich der Automobilindustrie, die in Baden-Württemberg angesiedelt sind, machen deutschland weit ein Viertel der Arbeitsplätze in diesem Sektor aus. Ba den-Württemberg hat eine stolze Tradition, angefangen mit der Erfindung von Carl Benz in Mannheim, die dann von Daimler in Stuttgart fortgeführt wurde. Das Land kann auf ei

ne stolze Tradition in der Automobilindustrie zurückblicken. Dass unsere Unternehmen gut aufgestellt sind, zeigt sich gera de auch im Geschäftsergebnis von Daimler im zweiten Quar tal 2011. Herr Hofelich hat bereits darauf hingewiesen: Es gibt im zweiten Quartal das Rekordergebnis von 2,5 Milliarden € für Daimler. Wir können stolz auf unsere Autounternehmen sein.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der CDU, der Grünen und der FDP/DVP)

Deshalb sage ich für die Landesregierung voller Selbstbe wusstsein: Baden-Württemberg ist seit 125 Jahren Automo billand, und es wird auch in Zukunft d a s Autoland blei ben. Die Menschen und gerade auch die Beschäftigten und die Unternehmensleitungen in der Autoindustrie wissen aber auch ganz genau, dass der Wohlstand nie selbstverständlich ist. Er muss immer wieder neu hart erarbeitet und errungen werden. Gustav Heinemann hatte völlig recht, als er einst sag te: Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.

Die Autoindustrie braucht die Politik gar nicht. Sie verändert sich Jahrzehnt für Jahrzehnt, Jahr für Jahr, Tag für Tag. Sie passt sich immer wieder an die Entwicklungen an, um am Markt bestehen zu können. Denn letzten Endes ist es nicht die Politik, sondern sind es die Kunden, die darüber entscheiden, ob Autounternehmen gut aufgestellt sind. Gerade die Tech nikgeschichte des Autos ist ein Beleg dafür. Wichtige Innova tionen im Hinblick auf Sicherheit, Komfort, aber auch auf ökologische Nachhaltigkeit sind von Oberklasseherstellern aus dem Premiumsegment ausgegangen, gerade auch von Her stellern in Baden-Württemberg. Der Airbag, die Start-StoppAutomatik, ESP, aber auch Komfortelemente wie der elektri sche Fensterheber – alles ist im Premiumsegment entwickelt worden.

Das zeigt auch, wie wichtig es ist, dass wir alle Arten von Au tos in der automobilen Wertschöpfungskette in Deutschland und in Baden-Württemberg halten. Es sind gerade die Unter nehmensführer selbst – ich nenne Dieter Zetsche –, die sagen: „Wir werden unsere Autos so grün machen, dass die Wettbe werber gelb vor Neid werden.“ Genau darum geht es: dass die Basis unseres Wohlstands, die Autoindustrie, nachhaltig aus gerichtet wird. Es wird also darum gehen, dass die Autos, die in Zukunft von den Bändern rollen, auch unter Ressourcenef fizienzgesichtspunkten, unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten bestehen werden.

Genau das fordern auch die Kunden ein, wie das Verbraucher verhalten in Deutschland und Europa zeigt. Übrigens fordern das auch die Kunden in den Zukunftsmärkten Asiens sowie Südamerikas. Sie wollen natürlich auch die S-Klasse und den A 8. Vor allem aber wollen sie mit ihren deutschen Autos auch in die luftverpesteten Innenstädte hineinfahren können. Dies ist in immer stärkerem Maß reguliert, weswegen für die Kun den der deutschen Exportschlager aus Baden-Württemberg auch die Frage des Schadstoffausstoßes immer wichtiger wird.

Deshalb wollen wir von der Landesregierung unseren Beitrag dazu leisten, dass die Autoindustrie vorn bleibt. Wir haben nicht erst seit gestern die nachhaltige Mobilität als eines der vier Wachstumsfelder identifiziert. Genau darum werden wir uns bemühen. Es wird darum gehen, dass wir durch Forschung

und Entwicklung sowie durch Zusammenwirken in Clustern die Antriebstechnologien der Zukunft unterstützen. Eine zen trale Rolle wird dabei die Landesagentur e-mobil BW einneh men, die, anders als ihr Name den Anschein erweckt, natür lich alle Antriebsformen im Blick hat. Wir von der Regierung werden sicher nicht vorschreiben, welche alternativen An triebstechnologien die Autohersteller einzubauen haben. Das muss der Markt entscheiden.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut!)

Wir werden sie unterstützen, sie zu entwickeln und zur An wendung zu bringen.

Deshalb fordere ich Sie auf: Schauen Sie nicht auf einzelne Äußerungen in der Presse. Machen Sie mit, dass Baden-Würt temberg bei dem anstehenden Schaufensterprojekt im Rah men der Nationalen Plattform Elektromobilität gut aufgestellt ist. Ausgehend von der Landesagentur e-mobil BW werden wir mit einem breiten Bündnis von Unternehmen antreten. Ba den-Württemberg wird einen fachlich hoch qualifizierten Bei trag leisten. Ich sage Ihnen eines: Sie stehen in der Verantwor tung dafür, dass das nicht an parteipolitischem Hader in Ber lin scheitert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Den haben Sie schon hier!)

Das Zweite, was wir uns vorgenommen haben – dabei ist un sere Herangehensweise vielleicht etwas breiter als die der vor herigen Landesregierung –, ist: Wir wollen gerade auch den Strukturwandel in der Autoindustrie durch eine dialogorientier te Wirtschaftspolitik unter Einbeziehung der Gewerkschaften begleiten. Denn es ändert sich nicht nur der Antriebsstrang, es ändern sich nicht nur die Produktionsverfahren und die Produk tionsbestandteile, sondern es ändert sich auch die Arbeitswelt.

Genau deshalb ist es so wichtig, dass wir, wenn es um Leicht bauweise geht, wenn es um alternative Antriebe geht, gemein sam mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit Verbänden aus dem Unternehmensbereich und mit den Gewerkschaften an einem Tisch sitzen und den Wandel sowie die notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen besprechen. Denn eines ist klar: Auch die Autoindustrie in Baden-Württemberg lebt von den am besten ausgebildeten Fachkräften.

Wir werden über die Fachkräfteallianz und über zielgenaue Weiterbildungsangebote alles dafür tun, dass diese neuen Pro duktionsanlagen auch in Baden-Württemberg stehen und dass wir die Autos der Zukunft nicht nur hier erforschen und ent wickeln, sondern dass sie auch in Baden-Württemberg produ ziert werden.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Joachim Kößler CDU: Und gefahren werden!)

Schließlich haben Sie zu Recht darauf hingewiesen: Autos brauchen Straßen. Der Stau, den wir tagtäglich erleben, wird dazu führen müssen, dass wir an der einen oder anderen Stel le auch den Neu- und Ausbau von Bundes- und Landesstra ßen voranbringen. Genau das ist auch im Koalitionsvertrag festgelegt worden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Nur zu!)

Hierzu sage ich Ihnen eines: Auch da sind Ihre Beiträge herz lich willkommen. Wer aber beginnen will, Autobahnen zu pri vatisieren und damit den Bund aus der Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg zu entlassen,

(Zuruf von der SPD: Ja!)

der ist wirklich auf einem Irrweg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Geisterfahrt! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das Gegenteil!)

Die Gewährleistung einer leistungsfähigen Infrastruktur für den Verkehr auf dem Wasser, auf der Schiene, auf der Straße und in der Luft ist eine öffentliche Aufgabe. Insbesondere der Straßenbau ist eine Aufgabe, die aus Steuermitteln finanziert werden muss. Deshalb haben wir keine solchen Wolkenku ckucksheime wie die Autobahnprivatisierung aufgebaut, son dern wir haben gesagt: Wir wollen als Landesregierung beim Bund vorstellig werden und deutlich machen, dass wir einen höheren Anteil der Bundesmittel nach Baden-Württemberg holen müssen, um den absehbaren Verkehrszuwachs bewälti gen zu können. Die Regierung steht ein für realistische Lö sungsansätze, aber nicht für diese Dauerbrenner mit der Au tobahnprivatisierung und der Automaut. Wir brauchen jetzt Lösungen für die Verkehrsprobleme in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Es liegen jetzt keine weiteren Wort meldungen vor, sodass ich Punkt 2 der Tagesordnung schlie ße.