Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Leider hat diese Veranstaltung fast mit einem Skandal geen det. Präsident Hollande hat mehr Mittel zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit gefordert, und Kanzlerin Merkel hat dies abgelehnt. Die Vorstellungen liegen in Europa also im mer noch meilenweit auseinander.

Mir ist wichtig, dass unsere Landesregierung ihren Beitrag zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit leistet. Es gibt viele unterschiedliche Projekte bei uns und in Europa; wir ma chen vieles, und andere sind dabei auch aktiv. Bislang wurde aber noch wenig in Richtung Kooperation getan. Ich bin froh, dass wir uns auch im Europaausschuss einig darin sind, dass hier mehr passieren muss. Im Doppelhaushalt wird nun die Einrichtung einer entsprechenden Kooperationsstelle finan ziert. Das hilft den jungen Menschen, die ins Land kommen, um hier eine Ausbildung erfolgreich zu absolvieren, und es

trägt auch dazu bei, die Anstrengungen in den jeweiligen Län dern zu unterstützen.

Ich weiß, dass meine Redezeit bereits abgelaufen ist.

Ja.

Ich würde dennoch gern noch einen letzten Punkt anführen, und zwar zum Thema Flücht lingsproblematik. Das Thema Mauern habe ich bereits ange sprochen. Mir wäre es wichtig, dass auch von hier ein Signal ausgeht. „Mare Nostrum“ ist beendet. Italien hat dabei Her vorragendes geleistet und hat 100 000 Menschen das Leben gerettet. Das Nachfolgeprogramm der EU sieht leider vor, Menschen nur noch innerhalb einer Zone von 35 Meilen zu retten. Das sollten wir so nicht akzeptieren. Ich hoffe daher, dass demnächst auch vom Bundesrat eine Initiative ausgeht, um „Mare Nostrum“ als europäisches Programm fortzufüh ren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Reith.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Ich habe gerade festgestellt, dass ich hier vorn die Män nerquote etwas anhebe. Ich fühle mich aber wohl unter den Frauen.

Mittlerweile hat die neue EU-Kommission unter Jean-Clau de Juncker ihre Arbeit aufgenommen. Viele der baden-würt tembergischen Europaabgeordneten werden in den kommen den fünf Jahren wichtige Aufgaben wahrnehmen. Prominen tester Vertreter des Südwestens bleibt der ehemalige Minis terpräsident Günther Oettinger, der als deutscher Kommissar das für die weitere Entwicklung Europas mitentscheidende Ressort „Digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ leitet.

Ob die europäische Wirtschaft bald auf die Beine kommt und damit ihre angestammte Rolle als Integrationsmotor wieder einnehmen kann, wird aber weitaus stärker von der Weitsicht der politischen Entscheidungen der Kommission im Ganzen abhängen. Ich gebe zu: Da mehren sich bei mir die Zweifel, und das nicht nur, weil sich in der luxemburgischen Steuerar chitektur ein dubioses Verständnis des Kommissionspräsiden ten bezüglich des Zusammenwirkens von Staat und Wirtschaft offenbart.

Nehmen wir beispielsweise die EZB. Deren Politik mit Ne gativzinsen und der Option von Anleihekäufen existierte zwar bereits zu Zeiten der Kommission Barroso, doch wurde sie von Juncker in seiner früheren Funktion als Eurogruppenchef mitgeprägt. Die Verlierer dieses Kurses sind die Sparer und die kleinen, oft genossenschaftlich organisierten Banken, die nicht die geringste Schuld an den Turbulenzen der vergange nen Jahre trifft.

Aber es kommt noch schlimmer. Die Aussagen des neuen Prä sidenten dazu, wie er die politische Unabhängigkeit der EZB zu beschneiden gedenkt, sollten uns alle alarmieren.

Auch an anderer Stelle nährt Herr Juncker den Verdacht, we nig vorausschauend zu handeln. Bekannte Vorurteile im Zu

sammenhang mit dem europäisch-amerikanischen Freihan delsabkommen zu bedienen, mag ihm vielleicht bei Stamm tischdiskussionen Zustimmung bringen. Die europäische Ver handlungsposition – nicht bei Übereinkommen mit den USA, sondern vielmehr gegenüber Ländern, deren Rechtsstaatlich keit weniger gefestigt ist – schwächt er damit.

Das aktuell wichtigste Thema in Europa ist allerdings – es wurde schon angesprochen – die Asylpolitik. Bisher wird die Aufnahme von Flüchtlingen vor allem als humanitäre Not wendigkeit betrachtet. Besonders in Baden-Württemberg ha ben Bürger, Kommunen und soziale Einrichtungen auf die wachsenden Zahlen von durch den Bürgerkrieg im Nahen Os ten Betroffenen vorbildlich reagiert.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen sowie der Abg. Helen Heberer SPD)

Dennoch möchte ich an dieser Stelle dafür werben, stärker die Chancen zu sehen, die sich aus der Ankunft Asylsuchender ergeben. Auch wenn diese Menschen aus der Not heraus ge flohen sind und nicht von Deutschland angeworben wurden – wie wir uns das gern idealtypisch vorstellen, wenn von Zu wanderung die Rede ist –, können auch sie ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten – wenn wir sie nur lassen.

Dazu gehört sicherlich auch, dass ihnen zeitnah eine Arbeits erlaubnis erteilt wird. Der vor wenigen Wochen verabschie dete Asylkompromiss war in diesem Sinn ein Schritt in die richtige Richtung, ebenso wie das liberale Berufsanerken nungsgesetz im Jahr 2012. Mit einer Arbeitsstelle erhalten Flüchtlinge ein Stück Selbstbestimmung und Selbstwertge fühl zurück. Nebenbei werden die Kommunen entlastet. Auch Handwerker und Mittelständler, die heute oft vergeblich nach neuen Mitarbeitern suchen, gewinnen dadurch.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Erste Stellungnahmen von Verbänden, Innungen und Kam mern sowie Gespräche mit deren Vertretern zeigen das Inter esse und die Bereitschaft, konkrete Projekte umzusetzen.

Lassen Sie mich nun aber insbesondere auf die internationa le Politik des Landes eingehen. Zunächst einmal ist es erfreu lich, dass sich Baden-Württemberg erfolgreich um die Ein richtung der Koordinierungsstelle für den Donauraum bewer ben konnte.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl!)

Die Zusammenarbeit der Donauanrainerstaaten ist von An fang an auch ein Anliegen der FDP gewesen. Die derzeitige Dynamik auf diesem Gebiet lässt sich auch daran erkennen, dass quasi parallel zum DSP in Brüssel eine nationale Kon taktstelle in Ulm eingerichtet wurde.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Sehr gut!)

Gerade diese Kontaktstelle hat hohes Potenzial, neue Partner für den Donauraum zu gewinnen. Darum freue ich mich schon jetzt auf weitere Ausführungen dazu, wie die Arbeit der Kon taktstelle beworben und wie diese angenommen wird.

Kritischer beurteile ich die Art der Nachbarschaftspflege der grün-roten Regierung speziell beim Austausch mit der Schweiz.

Hier würde ich mir mehr Sensibilität für die Belange der ei genen Bevölkerung wünschen. Wir alle stehen bekannterma ßen hinter der Stuttgarter Erklärung zur Flugverkehrsbelas tung aus Zürich.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Sehr richtig!)

Nachdem die Schweiz nun durch die Hintertür versucht, den auf Eis liegenden Staatsvertrag scheibchenweise umzusetzen, ist mir schleierhaft, warum dieses Thema bei Treffen mit Eid genossen keine Rolle spielt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Schönwet terreden!)

Natürlich hat Baden-Württemberg nicht die Entscheidungs hoheit über die Flugrouten für Zürich. Doch das Problem tot zuschweigen ist keine Lösung. Vielmehr sollte Herr Kretsch mann in der Schweiz für Verständnis werben. Hier initiativ zu werden, Ideen auszutauschen und gemeinsame Strategien zu entwickeln wäre, Herr Ministerpräsident, glaubwürdiger, als im Angesicht des öffentlichen Drucks den x-ten Brief an das Bundesverkehrsministerium zu schicken.

Derzeit allerdings fühlen sich die Bürgerinnen und Bürger in Südbaden im Stich gelassen. Wie alle hier im Landtag vertre tenen Fraktionen steht die FDP/DVP von Anfang an an der Seite der Betroffenen. Der jüngste fraktionsübergreifende An trag hat unsere Geschlossenheit in der Sache erneut bestätigt. Bei einer solch breiten Mehrheit als Unterstützung darf der Ministerpräsident durchaus etwas mutiger und offensiver auf treten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Friedrich.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gestern Abend um kurz nach 17:00 Uhr setzte die Raumsonde Philae auf dem Kometen Tschuri auf. Das ist ein großartiger Erfolg für die – –

(Abg. Claus Paal CDU: Mehrmals! – Abg. Walter Heiler SPD: Gleich drei Mal!)

Es war so gut, dass sie gleich drei Mal aufgesetzt hat; ge nau. – Das war ein großartiger Erfolg für die Europäische Raumfahrtagentur und für europäische Forschungs- und In novationspolitik – mit Beiträgen aus Baden-Württemberg, so wohl bei der Raumsonde Rosetta als auch bei Philae. Das Lan desystem kam aus Friedrichshafen.

Wir können also sagen: Das ist ein großartiger Erfolg.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Die Sowjets waren die Ersten im All; die Amerikaner waren die Ersten auf dem Mond und auf dem Mars. Europa hat es jetzt geschafft, hier einen großen Schritt voranzugehen. Die se Mission hat fast 20 Jahre gebraucht, um so weit zu kom men. Ich finde, das ist ein hervorragendes Beispiel, das zeigt, dass uns, wenn wir in Europa in Zukunftstechnologien, in For schung und Entwicklung investieren, Gutes gelingen kann.

Es ist daher gut und wichtig, dass wir über die Europäische Union Forschung und Innovation unterstützen, auch um Pro dukte der Zukunft sowie Arbeitsplätze der Zukunft in Europa zu schaffen. Deswegen habe ich wenig Verständnis dafür, dass parallel zu den Erfolgen, die wir in diesem Bereich feiern, bei der Frage des europäischen Haushalts gerade darüber disku tiert wird, im kommenden Jahr die Mittel für Forschung und Entwicklung zu kürzen.

Ich glaube, das ist falsch. Ich glaube auch, es wäre gut – ich weiß, dass die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament es ähnlich sieht –, ein gemeinsames Signal zu senden, dass die Priorität der Mittel in den europäischen Haushalten mehr auf Zukunft und weniger auf Strukturerhalt liegen sollte. Deswe gen streiten wir gemeinsam für Innovation, Forschung und Zukunftstechnologien.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte ein paar Punkte der europäischen Politik aufführen, die hier auch schon angesprochen wurden. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der in der Debatte keine Rolle gespielt hat, der mich im Mo ment aber sehr umtreibt. Es geht dabei um den einheitlichen Bankenabwicklungsfonds. Wir begrüßen es außerordentlich, dass wir bei der Bankenunion vorankommen, dass wir an die Ursachen der Finanzkrise, die uns seit fünf Jahren in Europa beschäftigt, herangehen, dass wir eine strengere Aufsicht ein führen.

Bei dem Thema Bankenabwicklungsfonds – das will ich deut lich hinzufügen – können wir mit dem, was uns von der Eu ropäischen Kommission als delegierter Rechtsakt vorgelegt wurde, aber noch nicht zufrieden sein. Die Risiken sollten dort eingedämmt werden, wo sie tatsächlich entstehen. Deswegen halten wir es für falsch, wenn sowohl die kleinen Bankinsti tute als auch die Förderbanken in diesem Maß herangezogen werden. Wir rechnen da mit einer deutlichen Belastung. Des wegen sind wir bereits mehrfach aktiv gewesen, sowohl mit einer Beschlussfassung im Bundesrat als auch mit Briefen an die Kommission.

Wir werden das auch während unserer gemeinsamen Reise im Dezember sowohl bei der EZB als auch in Brüssel noch ein mal vortragen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, die Ri siken dort einzudämmen, wo sie wirklich sind. Wir brauchen hier eine Lösung, die nicht zu einer erheblichen Belastung so wohl für die Förderbanken wie die Landesbank als auch für die mittleren und kleinen Kreditinstitute führt. Deswegen brauchen wir dort eine Veränderung. Es ist aber vor allem Sa che der Bundesregierung, dem delegierten Rechtsakt zu wi dersprechen, damit eine Lösung herauskommt, die auch für uns in Baden-Württemberg passt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)