Niko Reith
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Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Als letzter Redner in der Runde der Ab geordneten möchte auch ich mich, liebe Kolleginnen und Kol legen, zunächst für die kollegiale und ganz überwiegend ein vernehmliche Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Ich bedanke mich ebenso für die gute und zuverlässige Zuarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Fraktionen, der Landtagsverwaltung und der Landesregierung.
Müsste ich heute ein Bild über den Zustand Europas malen, es wäre nicht mehr so farbig wie zu Beginn der Wahlperiode. Europa ist innerlich zerstritten über die Flüchtlingspolitik und geprägt von nationalen Egoismen. Außerdem zeigen die Ame rikaner deutliches Desinteresse an den Entwicklungen in Eu ropa.
Was auf der Krim begonnen hat, setzt sich in Syrien fort: ei ne gezielte Destabilisierung der europäischen Nachbarschaft durch Russland. Die Bombardierung der Zivilbevölkerung in Aleppo verschärft nicht nur die humanitäre Katastrophe in der Region, sondern erhöht auch den Druck auf die türkischen Grenzen. Mit einer perfiden Doppelstrategie stärkt Putin nicht nur dem Diktator Assad den Rücken, sondern spitzt auch die Flüchtlingskrise noch zusätzlich zu – dabei war Putin unter der Schröder-SPD doch ein lupenreiner Demokrat! Und See hofer übernimmt fugenlos Moskaus außenpolitische Diktion. Er bezeichnet den Krieg in der Ukraine als „Schießerei“, hält nichts von Sanktionen gegen Staaten und schweigt zu den rus sischen Bomben auf syrische Zivilisten. Er ist für klare Wor te bekannt; hier wären sie angebracht.
Und Europa? Europa ist sprachlos, zerstritten und handlungs unfähig. Europa gibt sich Regeln, um deren Umsetzung sich danach kaum ein Nationalstaat kümmert. Es ist doch eine Bla mage sondergleichen, dass man im September noch be schließt, innerhalb von sechs Monaten 160 000 Flüchtlinge umzusiedeln, und im vergangenen Monat nun keine 500 Per sonen umgesiedelt wurden.
Gegen Polen wendet man – erstmals – eine rechtsstaatliche Prüfung nach den Verträgen an. Was aber ist mit Ungarn? Ha ben wir nicht auch dort immer wieder auf rechtsstaatliche De fizite hingewiesen? Warum wird gegen Ungarn kein Verfah ren eröffnet?
Auf Bundesebene nehmen die Bürger die Uneinigkeit der Gro ßen Koalition, insbesondere in der Flüchtlingskrise, wahr. Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer nicht abgestimmten Grenzöff nung unseren Kontinent ins Chaos gestürzt; Deutschland hat in der Krise ein staatliches Organisationsversagen erlebt, wie man es nie für möglich gehalten hat.
Aber gleichwohl: Europa hat Zukunft – oder vielmehr: Nur in Europa haben wir eine gute Zukunft.
Wir müssen uns aber mehr zutrauen, müssen Selbstbewusst sein zeigen – nationales wie europäisches Selbstbewusstsein.
Dazu gehören aus unserer Sicht auch klare und deutliche An sagen an unsere europäischen Partner. Wer europäische Grundwerte nicht teilt, aber gern an europäischen Fördertöp fen teilhat, muss mit Konsequenzen rechnen.
Innerhalb Europas muss eine faire Verteilung der Lasten er reicht werden, sonst hat die EU als Verein von Rosinenpickern keine Zukunft. Da ist eine Kürzung finanzieller Zuweisungen sicher wirkungsvoller als jedes mehrjährige Vertragsverlet zungsverfahren.
Wir brauchen in der Tat mehr „German Mut“ als „German Angst“. Wir haben Europa viel gegeben, aber wir haben auch Anspruch auf Solidarität in der Flüchtlingskrise. Wir brauchen ein europäisches Asyl- und Migrationsrecht, und wir müssen den Schutz der gemeinsamen EU-Außengrenzen durchsetzen, auch dadurch, dass wir Mitgliedsstaaten wie Griechenland da bei unterstützen.
Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz,
das die chaotische Zuwanderung wieder in vernünftige Bah nen lenkt und sie vernünftigen Regeln unterwirft. In unserer alternden Gesellschaft brauchen wir in vielen Berufen Zuwan derer. Aber wir haben ein Recht darauf, uns diejenigen auszu suchen, die wir in unseren Arbeitsmarkt einladen.
Trotz aller Herausforderungen dürfen wir nicht vergessen: Wir haben Europa viel zu verdanken: Frieden, Wohlstand und Frei zügigkeit.
Deshalb sage ich ausdrücklich: Lassen Sie uns trotz der mo mentanen Schieflage weiter am europäischen Haus bauen.
Das Präsidium wollte es laut Tagesordnung so, dass ich in die ser Legislaturperiode als letzter einfacher Abgeordneter heu te hier in diesem Haus sprechen darf. Anschließend hören wir noch den Minister und danach den Landtagspräsidenten. Ich wünsche Ihnen allen, die Sie sich im Wahlkampf befinden, von dieser Stelle aus viel Kraft, viel Ausdauer, und mein Wunsch an Sie alle ist: Bleiben Sie gesund.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Mit die sem Gesetzesvorhaben, das wir heute in der vorletzten Sit zung der Legislaturperiode beraten, stellt sich die Landesre gierung nochmals eine Visitenkarte aus. Wir beraten ein Ge setz, das übereilt, mangelhaft und unnötig ist und das vollen dete Tatsachen schafft, die nicht lange Bestand haben werden.
Wenn das eine der letzten Handlungen unter Grün-Rot ist, dann sagt das viel über Ihr Verständnis von Politik aus.
Am 21. Januar fand eine Anhörung im zuständigen Finanz- und Wirtschaftsausschuss statt, auf die ich noch etwas näher eingehen möchte. Die Vorredner haben das schon angeschnit ten, aber mir erscheint es schon wichtig, noch einmal auf die einzelnen Aussagen einzugehen. Diese Anhörung kam im Üb rigen auf Initiative der Fraktionen der CDU und der FDP/DVP zustande. Nach Meinung der Landesregierung oder der Grü nen und der SPD war das nicht beabsichtigt und nicht nötig gewesen. Ich kann Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Sie wussten, warum.
Wie die Experten bei dieser Anhörung über das Gesetzesvor haben aussagten, offenbart es massive Schwächen. Ich darf das in Erinnerung rufen.
Herr Schäfer vom Verein Deutscher Ingenieure stellte klar, dass für die Anforderungen der europäischen Berufsanerken nungsrichtlinie eine kleine Novelle des geltenden Ingenieur gesetzes völlig ausgereicht hätte. Also: Entgegen Ihrem euro päischen Deckmäntelchen ginge es auch ein paar Nummern kleiner.
Herr Toepfer von der Landesvereinigung Baden-Württember gischer Arbeitgeberverbände warnte vor der Gefahr eines Fli ckenteppichs mit länderspezifischen Regelungen. Er wies da
rauf hin, dass eine baden-württembergische Regelung vor die sem Hintergrund völlig ungeeignet wäre, wenn man nationa le Mobilität, eine vereinfachte Zuwanderung von Ingenieuren und eine erhöhte Transparenz haben möchte. Er plädierte für ein gemeinsames Vorgehen im Rahmen der Bund-LänderGruppe zur Koordinierung der Ingenieurgesetze in Deutsch land, die bis 2017 Regelungen vorschlagen wird.
Herr Professor Dittmann vom Fakultäten- und Fachbereichs tag Wirtschaftsingenieurwesen merkte zu Recht an, dass der Ingenieurkammer im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen die fachliche und akademische Expertise fehlt.
Wirtschaftsingenieure sind ein wichtiger Pfeiler der deut schen Wirtschaft. Ihr Erfolg darf nicht durch ein Landes ingenieurgesetz verhindert werden.
Herr Professor Ressel, Rektor der Universität Stuttgart und stellvertretender Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg, bedauerte es seitens der Universitäten ebenfalls sehr, dass man nicht eine bundesweite Regelung in der Ingenieurgesetzgebung gefunden hat, sondern in jedem Bundesland jetzt ein eigenes Ingenieurgesetz entsteht.
Dazu kam aus seiner Sicht die beabsichtigte Änderung von § 4 Absatz 2 Nummer 1 des Architektengesetzes: nach seinen Worten ein klares Berufsverbot für all diejenigen, die mit ei nem Bachelorabschluss in Architektur ihr Studium abschlie ßen und in die Berufswelt hinausgehen wollen. Für diese gibt es keine Zulassung durch die Architektenkammer. Er attes tierte einen schleichenden und langfristigen Eingriff in die Hochschulautonomie
und damit auch in die Wissenschaftsfreiheit, und das darf nicht sein.
Herr Professor Franke, Rektor der Hochschule für Technik Stuttgart, bezeichnete für die Rektorenkonferenz der Hoch schulen für Angewandte Wissenschaften Baden-Württemberg die beabsichtigten gesetzlichen Regelungen wörtlich als „fal sches Signal für die heimische ausgezeichnete Ingenieuraus bildung“.
Ich fasse zusammen: Die führenden Vertreter der Hochschu len, der Wirtschaftsingenieure, der Arbeitgeber und der Inge nieure attestierten diesem Gesetzentwurf gravierende Män gel.
Aber er ist nicht nur inhaltlich schlecht. Das Gesetz ist unnö tig und setzt in einer Zeit, in der in unserem Hochtechnolo gieland dringend Ingenieure gesucht werden, das falsche Si gnal.
Da hilft es auch nichts, wenn es jetzt erst einmal beschlossen und dann nach einiger Zeit wieder draufgeschaut wird. Wir
brauchen eine bundeseinheitliche Regelung. Was die Landes regierung reitet, jetzt kurz vor Toresschluss noch eine man gelhafte Regelung durchzudrücken, kann mir wirklich nie mand erklären. Sie stehen größtenteils im Wahlkampf, und ich wünsche allen schon jetzt viel Vergnügen, diese unnötigen und mangelhaften Regelungen den Ingenieuren vor Ort zu erklä ren.
Meine Damen und Herren, ein Appell an Ihre Vernunft: Las sen Sie uns das Thema im nächsten Landtag nochmals disku tieren. Nehmen wir uns die Zeit, die es braucht, die Mängel zu berücksichtigen.
Nehmen wir uns die Zeit, darüber nachzudenken, ob die Be ratungen auf Bundesebene nicht eine Lösung bringen werden, die dem wichtigen Bereich der Ingenieure würdig ist. Es kann nur besser werden, besser als diese überhastete Aktion der „Heiligen der letzten Tage“ in diesem Haus.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Ich glaube, wir befassen uns deswegen heute mit einem Gesetzentwurf über den Bürgerbeauftragten, weil die Grünen die Kennzeichnungspflicht für Polizisten nicht umsetzen konnten und ein Trostpflaster brauchen.
Wir dürfen den Beauftragten für die Landespolizei aber nicht als solchen benennen, weil die Grünen diese Bezeichnung nicht gegen den Innenminister durchsetzen konnten.
Früher hätte man dazu gesagt: Der Schwanz wedelt mit dem Hund.
Ich ordne den Entwurf frei nach Heinz Erhardt unter das Mot to „Noch ein Gesetz“ ein. Dabei haben Sie keinen eigenen Entwurf vorgelegt. Sie haben aus Rheinland-Pfalz bzw. aus Mecklenburg-Vorpommern abgeschrieben. Wenn Sie das we nigstens richtig gemacht und auf unsere Verhältnisse ange passt hätten, müssten wir uns heute nicht mit einem derart grottenschlechten Gesetz beschäftigen.
Sie haben sich in völlig unzureichendem Umfang Gedanken darüber gemacht, wie der Petitionsausschuss und der Bürger beauftragte zusammenarbeiten sollten. Sie schaffen willkür lich eine Beauftragtenposition, ohne das irgendwie zu koor dinieren. Wir haben einen Beauftragten für die Belange der Menschen mit Behinderungen, der ehrenamtlich tätig ist. Wir bekommen jetzt einen ordentlich besoldeten Beauftragten für alles und jedes. Wäre es nicht an der Zeit, dies zusammenzu führen, wie es andere Länder bereits praktizieren? Wenn nicht jetzt, wann dann?
Wir halten – um das vorweg zu sagen – dieses Gesetz für völ lig überflüssig. Aber wenn Sie schon so etwas in Gesetzes form gießen, dann bitte ordentlich und nicht derart dilettan tisch.
Warum machen Sie es dem Bürger so schwer? Sie sind doch die selbst ernannten Bürgerbeteiliger.
Warum regeln Sie nicht im Sinne der Normenklarheit die Be fugnisse des Beauftragten und des Petitionsausschusses in e i n e m Gesetz, wie es Mecklenburg-Vorpommern vorge macht hat? Da gibt es Regelungen, wie Petitionsausschuss und Beauftragter zusammenarbeiten. Auch von den neuen Bun desländern kann man hier etwas lernen. Aber das ist von GrünRot offensichtlich nicht gewünscht.
Wie soll es denn hier demnächst laufen? Nach dem erledig ten Petitionsverfahren ist eine Eingabe beim Beauftragten nicht mehr zulässig.
Und während des Verfahrens?
Woher weiß der Beauftragte von der Befassung des Petitions ausschusses? Was ist nach dem Abschluss eines Verfahrens
beim Beauftragten? Doppelbefassungen des Petitionsaus schusses werden an der Tagesordnung sein.
Wollen Sie das?
Die Koordinierung zwischen Ausschuss und Beauftragtem überlassen Sie der Arbeitsebene. Allein das wird unnötig Per sonal binden. Warum dürfen sich nicht Personengemeinschaf ten an einen Beauftragten richten? Bis gestern fand sich auch folgender Passus in § 2 Absatz 1 des Entwurfs:
Bei Freiheitsentzug... ist die Eingabe... verschlossen... zuzuleiten.
In der Begründung dazu heißt es aber, dass die Eingaben un verschlossen weiterzuleiten sind. Was denn nun, verschlossen oder unverschlossen? Das haben Sie festgestellt. Das steht jetzt heute nicht mehr drin.
Aber man sieht, mit welcher heißen Nadel dieses Gesetz ge strickt wird.
Der Ausschuss muss bei Auskunftsersuchen die oberste Lan desbehörde informieren, der Beauftragte nicht. Der Ausschuss kann Akten anfordern, der Beauftragte nicht. Der Ausschuss hat ein Zutrittsrecht zu Einrichtungen, der Beauftragte nicht. Kann der Beauftragte Sachverständige hinzuziehen? Werden die Kosten erstattet? Keine Aussage dazu im Entwurf. War um sollte man sich bei dieser Sachlage eigentlich an den Bür gerbeauftragten wenden? Da geht man doch besser gleich zum Petitionsausschuss.
Was passiert in den Fällen, in denen der Beauftragte die Bür germeinung teilt, allerdings bei der Behörde nicht erfolgreich ist? Keine Regelung. Dem Bürger bleibt dann der Gang zum Petitionsausschuss. Ob dies das Vertrauen in staatliche Vor gänge stärkt, ist zu bezweifeln.
Sie treffen keinerlei Entscheidung darüber, wer nach Straf- und Verwaltungsrecht die Vorlage von Urkunden, Akten und Auskünften verweigern kann, wenn die Auskünfte dem Wohl des Landes Nachteile bereiten würden oder wenn die Vorgän ge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehal ten werden müssen.
Warum wählt der Landtag den Beauftragten auf Vorschlag der Regierung? Warum machen Sie sich von der Regierung ab hängig? Fällt Ihnen kein eigener geeigneter Kandidat ein, oder brauchen Sie das Plazet des Innenministers wegen der Poli zei? Wir halten es auch für ausreichend, wenn eine einmalige Wiederwahl vorgesehen wird.
Auch in Bezug auf das Personal haben Sie nicht ordentlich gearbeitet. Der Präsident des Landtags ernennt und entlässt zwar auf Vorschlag des Beauftragten die Beamten. Bei den Abordnungen bzw. den Versetzungen wird der Beauftragte aber nicht gefragt.
Wie hoch wird die monatliche Aufwandsentschädigung sein? Wo regeln Sie das transparent? Jedenfalls nicht in diesem Ent wurf.
Das Benachteiligungsverbot wegen Eingaben gilt nur für die Polizei, nicht für die übrigen Beamten des Landes. Wollen Sie ernsthaft Beamte zweierlei Klassen?
Über besondere Vorgänge des Polizeiteils soll der Innenaus schuss unterrichtet werden. Was sind „besondere Vorgänge“? Wer wird über normale Vorgänge informiert? Der Innenaus schuss, der Petitionsausschuss? Das Gesetz gibt hierzu keine Auskunft.
Sie, die selbst ernannte Bürgerregierung, nehmen alle mit, die Ihnen nach dem Mund reden. Dann ist aber auch schon Schluss. Haben Sie den Gesetzentwurf denn schon mit den Mitgliedern des Petitionsausschusses erörtert, dessen Rechte berührt sind?
Nein.
Ich unterstütze ausdrücklich, noch vor der abschließenden Be ratung eine Anhörung im zuständigen Ausschuss durchzufüh ren.
Sie sehen, meine Damen und Herren, das Gesetz ist nicht nur schlecht, es ist auch – zurückhaltend formuliert – schlecht ge macht. Wir sehen keinen Bedarf dafür. In der vorliegenden Form können wir dem Gesetzentwurf sicherlich nicht zustim men.
Der Beauftragte soll das Vertrauen der Bevölkerung in staat liche Abläufe stärken. Offenbar hat das Vertrauen unter GrünRot erheblich gelitten. Das bedauern wir. Aber ab März 2016 können Bürgerinnen und Bürger Mut fassen und Vertrauen in staatliche Abläufe zurückerhalten.
Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Auch der Dank der FDP/DVP-Frakti on gilt heute allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Pe titionsausschusses.
Wir können heute feststellen, dass der Petitionsausschuss sei ne gesetzlichen Aufgaben gut erfüllt hat. Ich möchte ausdrück lich auch für die kritischen Anmerkungen des Kollegen Raab danken. Denn eine kritische Auseinandersetzung lässt uns die Arbeit des Petitionsausschusses weiterentwickeln.
Dennoch möchte ich auch darauf hinweisen, dass die erfolg reiche Arbeit im Petitionsausschuss auch der kollegialen At mosphäre in unseren Sitzungen zu verdanken ist. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass wir in den Sitzungen des Petitionsausschusses immer streiten. Ich denke, wir haben kol legial gearbeitet, haben mit großem Pragmatismus an den He rausforderungen und Fragen gearbeitet, die uns die Bürgerin nen und Bürger im Land stellten.
Der Petitionsausschuss ist mehr als nur ein Kummerkasten in Baden-Württemberg. Seine Anrufung ist das gute Recht der Bürgerinnen und Bürger. Darüber hinaus ist er auch das Ein geständnis von Landtag und Landesverwaltung, dass diese nicht perfekt sind. Es zeichnet eine parlamentarische Demo kratie aus, dass sie sich nicht für unfehlbar hält und daher sehr genau darauf achtet, wie die Beschlüsse und Regelungen bei den einzelnen Menschen im Land ankommen.
In über 40 Sitzungen konnten wir fast 6 000 Petitionen bear beiten und erledigen. Das ist eine stolze Zahl. Es zeigt auf der anderen Seite aber auch, wie nötig es ist, dass wir ein offenes Ohr haben.
Die Gesetzgebung und das staatliche Handeln in Baden-Würt temberg werden durch zwei Einrichtungen besser. Dies ge schieht einerseits durch die gute Arbeit und den Einsatz der Opposition im Parlament. Diese Aufgabe nehmen wir mit gro ßer Ernsthaftigkeit wahr; die Debatten gestern und heute zei gen es wieder. Das nehme ich für uns, die Opposition, in An spruch. Zum anderen geschieht dies durch die direkten Anlie gen der Menschen im Land, die sich über den Petitionsaus schuss äußern können. Hier gilt der Satz: „Wer aufhört, bes ser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ Das nehme ich für uns alle hier im Haus in Anspruch.
Hinter vielen Eingaben stehen ganz pragmatische Bedürfnis se. Oftmals konnten wir Menschen und Institutionen in Ter minen vor Ort zusammenbringen. Es zeigt sich immer wie der, dass sich einiges bewegen und lösen lässt, wenn man mit
einander redet. Die vielen Termine vor Ort sind dabei ausge sprochen hilfreich. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsausschusses, die diese Treffen organisiert und beglei tet haben.
Es hat sich immer wieder gezeigt, dass persönliche Treffen die beste Lösung für alle Beteiligten bringen. Das können wir schon heute dem nächsten Landtag ins Stammbuch schreiben.
Kollege Marwein, ich teile Ihre Ansicht – wir haben es in Wales erlebt –, dass wir die Möglichkeit in Betracht ziehen sollten, einen Petenten auch einmal im Ausschuss anzuhören. Dann würde sich vielleicht auch der relativ aufwendige Ter min vor Ort manchmal einsparen lassen. Das ist, denke ich, eine gute Anregung.
Hinter vielen Eingaben stehen menschliche Schicksale; auch das ist angeklungen. Darunter sind gerichtliche Angelegen heiten, bei denen der Petitionsausschuss „letzte Instanz“ war. Immer wieder betrifft es aber auch Menschen, die auf eine Verlängerung oder Erhaltung ihres Aufenthalts- und Bleibe rechts hinwirken wollen.
Bei dieser Gelegenheit weise ich auf ein dringendes Bedürf nis hin, um das sich die Politik generell kümmern sollte: Wir brauchen endlich und schnell ein klar geregeltes Zuwande rungsrecht in Deutschland, das die Voraussetzungen des Blei bens eindeutig und nachvollziehbarer regelt. Diesen Auftrag sollten wir annehmen. Ich hoffe, dass die Flüchtlingsheraus forderung uns allen nun die notwendige Einsicht gibt, um den Ernst der Lage endlich zu verstehen.
Immer wieder tauchen auch Fragen auf, vor deren Abhilfe die Gewaltenteilung und der institutionelle Aufbau unseres Staa tes stehen. Die Unabhängigkeit der Gerichte und die Abgren zung der Institutionen ist ein hohes Gut in unserem Land. Ich kann berichten, dass wir vonseiten des Petitionsausschusses darauf hinweisen; auch das ist angeklungen.
Wir wollen nicht belehren, sondern werben um Verständnis. Das ist die weitgehend unbekannte zweite Aufgabe des Peti tionsausschusses. Wir klären über Wege auf und machen staat liches Handeln verständlich. Besonders wichtig ist dies gera de in einer Zeit, in der viele Menschen an unserer Demokra tie und unserem Staatsaufbau zweifeln oder gar verzweifeln.
An dieser Stelle möchte ich die Hoffnung ausdrücken, dass die vermutlich gegen die Opposition installierte Instanz eines Bürgerbeauftragten eine Ergänzung und kein Gegenpol zur wertvollen Arbeit des Petitionsausschusses wird. Aus unserer Sicht ist fraglich, ob wir wirklich einen hoch bezahlten „Volks tribun“ benötigen. Es ist bedauerlich, dass diese Landesregie rung die intensive Arbeit des Petitionsausschusses offensicht lich für nicht ausreichend hält.
Wir, die FDP/DVP-Fraktion, würdigen die Arbeit des Petiti onsausschusses auch am heutigen Tag. Ich stelle fest, dass es
an uns nicht scheitern wird, wenn es darum geht, die vielen Anliegen der Menschen in unserem Land auch gegen die scheinbare Weisheit von Regierung und Verwaltung voranzu bringen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf erscheint zunächst harmlos. Mehrfach wird im Vorblatt des Entwurfs auf Vorgaben der europäischen Ebene verwiesen. Scheinbar beraten wir hier also eine Selbstverständlichkeit. Bei genau erer Betrachtung ist aber zu entdecken, dass insbesondere im Bereich der Ingenieure Regelungen getroffen werden sollen, die keineswegs zwingend so gelöst werden müssen, wie dies die Landesregierung suggeriert.
Um es auf einen Nenner zu bringen: Kurz vor Weihnachten will die Landesregierung uns allen ein Osterei unter den Weih nachtsbaum legen. Unter dem Mantel der Bauberufe wird das Ingenieurwesen neu geordnet. Zahlreiche Verbände, u. a. der Verein Deutscher Ingenieure, der Verband Deutscher Maschi nen- und Anlagenbau und der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik haben sich trotz aller Abwä
gungen, Herr Staatssekretär Hofelich, dagegen ausgesprochen, diese Regelungen so zu treffen, wie es die Landesregierung beabsichtigt. Das hat gute Gründe, die in der Vorlage der Lan desregierung aber keinerlei Berücksichtigung finden.
Ein Technik- und Wirtschaftsstandort wie Baden-Württem berg benötigt Ingenieure dringend, und über die falschen Ak zente, die diese Landesregierung mit ihrer Bildungspolitik ins besondere im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich setzt,
wurde schon viel diskutiert und wurden Debatten geführt. Das soll heute aber nicht das Thema sein. Wir müssen mit den Er gebnissen umgehen. Die sieht man in mehr als 12 000 unbe setzten Ingenieurstellen.
Scheinbar hat die Landesregierung dies erkannt und bis vor Kurzem noch zugesagt, dass die Ingenieurkammern nicht mehr Kompetenzen erhalten sollen, um die Bürokratie nicht noch weiter aufzublasen. Von diesen Ankündigungen ist im vorliegenden Gesetzentwurf nichts mehr zu entdecken. Ich appelliere deshalb dringend an die Regierung: Tun Sie alles, um Ingenieuren die besten Ausbildungsmöglichkeiten zu ge ben und ihnen den Start ins Berufsleben nicht zu erschweren.
Stattdessen wollen Sie beispielsweise bei der Berufsbezeich nung und Berufsanerkennung einen eigenen baden-württem bergischen Weg gehen. Das Fachwissen von Ingenieuren ist nicht an Staatsgrenzen gebunden und schon gar nicht an Bun desländergrenzen. Der viel zitierte syrische Ingenieur wird im Rahmen der Flüchtlingsdebatte gern auch von Politikern der Grünen und der SPD erwähnt. In Deutschland soll er nach der Auffassung der Landesregierung an jeder Landesgrenze schei tern. Wir werden sehen, ob das tatsächlich nicht so eintritt, wie es von Ihnen, Herr Hofelich, vorhin geschildert wurde. Es kann doch nicht sein, dass der syrische Ingenieur die gan zen Anerkennungen noch einmal durchlaufen „darf“, sobald er in Ulm über die Donau oder in Mannheim über den Rhein geht. Ehrlich wäre es, wenn Sie sich hier ganz klar dazu be kennen, die Ingenieurkammer weiter aufwerten zu wollen. Angesichts der Tatsache, dass nur 1 % der Ingenieure in Ba den-Württemberg – 2 760 von 270 000 – durch die Kammer vertreten werden, soll dieser hier eine Wichtigkeit zugestan den werden, die in der Praxis fehlt. Am Ende soll die Zwangs mitgliedschaft stehen. Das ist für mich leicht zu durchschau en.
Unser Appell angesichts dieses Gesetzentwurfs ist, dass die Landesregierung sich mehr Zeit nehmen sollte, um diesen für Baden-Württemberg wichtigen Bereich an die europarechtli chen Bestimmungen anzupassen und bundesweit besser zu re geln. Statt hier heimlich, still und leise mit unzähligen ande ren Restbeständen der Gesetzgebung etwas durchzuboxen und die Lobbyarbeit der Ingenieurkammer zu betreiben, unterstüt zen wir eine Expertenanhörung. Diese Regierung brüstet sich mit der Politik des Gehörtwerdens. Es wäre sehr schön, wenn Sie dazu auch diejenigen anhören, die von der Sache wirklich etwas verstehen.
Abschließend noch eine Bemerkung: Die rechtliche Anpas sung des Versicherungsaufsichtsgesetzes für die Versorgungs werke ist sinnvoll. Die große Frage aller Versorgungswerke bleibt jedoch im Raum stehen: Wie schaffen sie es angesichts einer dauerhaften Niedrigzinspolitik, ihre Mitglieder wirklich ausreichend zu versorgen? Ich nutze die Gelegenheit, um auf die Folgen einer Niedrigzinspolitik hinzuweisen, die zwar al le Finanzminister und Kämmerer freut und scheinbar die Schul denverantwortung erleichtert. Die Folgen für die Versorgungs werke sind jedoch immens und werden uns noch lange be schäftigen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen und natürlich auch Ihren Familien frohe Weihnachten. Bleiben Sie gesund.
Danke.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Frau Haller-Haid, ich versuche, Ihre Zeit wieder reinzuholen.
Der Berichtszeitpunkt liegt ja nun schon, wie bereits gesagt wurde, etwas zurück, fast zwei Monate. Der Zeitraum, über den berichtet wird, endet am 30. September 2015. Deshalb er laube auch ich mir, kurz auf einige aktuelle Entwicklungen bei Themen in diesem Bericht einzugehen.
Die Anschläge von Paris sind eine Bedrohung für die freiheit liche Gesellschaft, also für alles, was Europa ausmacht, für alles, was auch schon angesprochen wurde. Es gilt, diesem Terror besonnen, klug, aber auch entschlossen entgegenzutre ten – nach dem Motto des amerikanischen Staatsmanns Ben jamin Franklin: „Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu ge winnen, wird am Ende beides verlieren.“
Aber die Flüchtlingsfrage und die Terrorfrage dürfen dabei unter keinen Umständen vermischt werden. In dieser Situati on sind keine Parolen angebracht, sondern beherztes Handeln ist gefordert.
Zunächst ist dies eine konzentrierte Antiterroraktion, um die Lage in Syrien zu stabilisieren, dann eine verbesserte Zusam menarbeit der Sicherheitsbehörden in ganz Europa, denn of fensichtlich gab es hier eklatante Mängel. Wir brauchen ein europäisches Asyl- und Migrationsrecht, und wir müssen den Schutz der gemeinsamen EU-Außengrenzen durchsetzen,
auch indem wir Mitgliedsstaaten wie Griechenland dabei un terstützen.
Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz, das die chaotische Zuwanderung wieder vernünftigen Regeln un terwirft. Unsere alternde Gesellschaft braucht in vielen Beru fen Zuwanderer. Aber wir haben ein Recht darauf, uns dieje nigen auszusuchen, die wir in unseren Arbeitsmarkt einladen.
Das Versagen der Staaten in Europa in der Flüchtlingskrise ist besorgniserregend. Bei der außerordentlichen Sitzung der EUInnenminister am 22. September 2015 konnte eine Einigung zur Umsiedlung von 120 000 Flüchtlingen innerhalb von sechs Monaten als vorläufige Maßnahme erzielt werden. Einen Mo nat später gab es erste – ernüchternde – Ergebnisse: 89 Per sonen wurden umgesiedelt. Wie viele Personen sind es heute, nach drei Monaten? Das sehen wir vermutlich in dem in Kür ze erscheinenden nächsten Bericht über die aktuelle europa politische Entwicklung und über Themen aus Europa.
Mit Sorge sehe ich die Entwicklung in Polen. Nur weil die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ in Polen die Wahl gewon nen hat, gehört ihr längst nicht das Land, und es herrschen auch nicht automatisch Recht und Gerechtigkeit. Im Gegen teil: Was in Polen gerade passiert, ist für die Demokratie nicht in Ordnung. Dass sich die neue, nationalkonservative Regie rung weigert, eine Gerichtsentscheidung von Anfang Dezem ber anzuerkennen und amtlich zu veröffentlichen, ist nicht hin nehmbar.
Denn damit ist das Urteil de facto wirkungslos, und drei noch von der Vorgängerregierung benannte Richter können ihr Amt weiterhin nicht antreten. Natürlich könnte man ein Vertrags verletzungsverfahren einleiten, aber das ist, wie wir alle wis sen, zeitaufwendig und sehr technisch.
Wir brauchen eine Rechtsstaatsinitiative, um den Ländern stärker auf die Finger klopfen zu können, wenn sie gemeinsa me Grundwerte – unsere Grundwerte – infrage stellen. Wenn auch das alles nicht hilft, muss man den dafür vorgesehenen Artikel 7 des Lissabon-Vertrags anwenden, der bei Verstößen gegen Grundrechte unter Umständen auch den Entzug des Stimmrechts vorsieht. Diesen Artikel sollte man bei den Un garn schon längst anwenden. Da stellen sich CDU und CSU
aber leider klar vor ihren Parteifreund Orbán. Da fehlen der zeit also die Mehrheiten.
Der nächste Kandidat steht schon vor der Tür und wird ein geladen: die Türkei. Auch hier müssen wir auf der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze bestehen, Flüchtlingsproblema tik hin oder her.
Erleichtert sind wir über den Wahlausgang in Frankreich, wo in der zweiten Runde der Regionalwahlen die Republikaner von Expräsident Nicolas Sarkozy die rechtsextreme Partei Front National geschlagen haben, auch wenn sie – auch aus meiner Sicht – viel zu viele Stimmen bekommen haben. Aber es wurde noch einmal verhindert, dass eine Region vom Front National gewonnen wurde. Auch in der Region Elsass-Cham pagne-Ardennen-Lothringen haben die Republikaner gewon nen. Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gerade mit der neuen Großregion ist das ein gutes Zeichen.
Alexis Tsipras bleibt seiner Linie des Täuschens, Tricksens und Tarnens treu. Anders kann man die Äußerung, dass sein Land weniger Geld brauche und entsprechend auf die Mittel des IWF verzichten könnte, nicht werten. Der griechische Pre mier wirft dem IWF vor, dass die Forderungen nach Refor men und Sparmaßnahmen nicht konstruktiv seien. Tsipras’ Äußerungen untergraben die Umsetzung des Hilfspakets in Griechenland. Wir erwarten von ihm jedoch die vollständige Umsetzung des Spar- und Reformprogramms. In Wahrheit ge währen wir auch keine Hilfskredite, sondern leisten wir Trans ferzahlungen. Aus der Sicht der Freien Demokraten bleibt ein Mitwirken des Internationalen Währungsfonds an der Stabi lisierung Griechenlands unerlässlich.
Wenn sich der IWF im Januar gegen eine Beteiligung an den Hilfen entscheidet, entzieht das dem dritten Hilfspaket die Ge schäftsgrundlage. Dann muss auch in Deutschland neu über die Hilfen für Griechenland diskutiert werden.
Zum Abschluss noch zu der Situation in Burundi. Auch diese ist besorgniserregend. Dass sich Nkurunziza dieses Jahr ent gegen der Verfassung zu seiner dritten Amtszeit wiederwäh len ließ, hat das Land an den Rand eines neuen Bürgerkriegs geführt, von dem viele Beobachter fürchten, er könne in ei nen Völkermord abgleiten. Es ist gut und richtig, dass Bund und Land die Zahlungen eingestellt haben. Jetzt geht es dar um, die verbliebenen Hilfsorganisationen zu identifizieren und finanziell zu unterstützen, solange sie in Burundi noch arbei ten können.
Bevor nun Minister Friedrich seine Rede zu den aktuellen eu ropapolitischen Themen hält, möchte ich Ihnen zwar noch kei nen weihnachtlichen Gruß senden – das mache ich morgen –, aber denjenigen, die mit Minister Gall einen Glühwein trin
ken, viel Spaß, denjenigen, die ins Stadion gehen, viel Erfolg für den VfB und uns anderen einen schönen Feierabend wün schen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Der Umgang mit den Flüchtlingsströ men nach Deutschland ist eine der größten Herausforderun gen, denen sich die Bundesrepublik zu stellen hat. Lieber Kol lege Frey, da brauchen wir keine zehn Jahre. Ich lade Sie gern zu mir in den Wahlkreis ein; da gibt es drei Bedarfsorientier te Erstaufnahmestellen. Wenn Sie diese mit mir besuchen, werden Sie feststellen, dass das mit Abstand die größte Her ausforderung ist, die wir zu bewältigen haben.
Es ist wichtig, dass wir Menschen in Not helfen. Fremden feindlichen Ressentiments setzen wir Mitgefühl, Weltoffen heit und Toleranz entgegen.
Genauso wichtig ist es jedoch auch, zu erkennen, dass dies mit ganz außergewöhnlichen Herausforderungen verbunden ist. Es wäre naiv, das zu ignorieren. Politik darf nicht nur sa gen: „Wir schaffen das.“ Seriöse Politik braucht einen Plan dafür, wie wir das schaffen. Kriegsflüchtlingen wollen wir so lange Schutz gewähren, bis die Bedrohung von Leib und Le ben in ihrer Heimat vorüber ist. Solange die Bedrohung an hält, droht keine Abschiebung. Für diejenigen Kriegsflücht linge, die dauerhaft bei uns bleiben wollen, ist das Asylrecht jedoch das falsche Instrument. Deutschland braucht ein mo dernes Einwanderungsgesetz, das die chaotische Zuwande rung wieder vernünftigen Regeln unterwirft. Wir brauchen an gesichts unserer alternden Gesellschaft in vielen Berufen Zu wanderer. Aber wir haben ein Recht darauf, uns diejenigen auszusuchen, die wir in unseren Arbeitsmarkt einladen.
Die Bundesregierung agiert planlos und hat die Solidarität der europäischen Partner völlig falsch eingeschätzt. Frau Merkel hat eine schwerwiegende Fehlentscheidung getroffen, als sie den Eindruck erweckt hat, Deutschlands Möglichkeiten seien unbegrenzt.
Diese Botschaft ist nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Afrika und in Vorderasien angekommen.
„Grenzen auf“ und „Grenzen zu“ – mit diesem Zickzackkurs in der Asylpolitik ist sie ihrem Amtseid nicht gerecht gewor den, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Denn sie hat unsere europäischen Partner vor den Kopf gestoßen. In Deutschland geht unser Staat deshalb organisatorisch in die Knie.
Hilft uns da das Papier der Kommission weiter? Ich denke: nur bedingt. Die Mitteilung der Europäischen Kommission enthält Vorschläge für eine Reihe von Maßnahmen, die insbe sondere kurzfristig zur Bewältigung der Flüchtlingskrise er griffen werden sollen. Es gibt auch bereits Pläne zur mittel-
und langfristigen Bewältigung. Aber werden sie auch umge setzt?
Bei der außerordentlichen Sitzung der EU-Innenminister am 22. September 2015 konnte als vorläufige Maßnahme eine Ei nigung zur Umsiedlung von 160 000 Flüchtlingen erzielt wer den. Einen Monat später – da waren es bei Weitem nicht 1 000 – gibt es erste Ergebnisse: 19 Personen wurden bisher umge siedelt. Jetzt sollen weitere 70 Menschen aus Italien in ande re Länder gebracht werden. Italiens Innenminister, Alfano, be tonte dennoch: Die Umverteilung funktioniert.
Angesichts des vereinbarten Zeitplans von sechs Monaten werden also in den kommenden fünf Monaten offenbar je weils ca. 24 000 Menschen umgesiedelt. Kann sich das einer hier im Saal tatsächlich vorstellen? Wie glaubwürdig sind sol che Ziele? Wir brauchen klare und deutliche Ansagen gegen über der Bevölkerung und gegenüber den Flüchtlingen – aber bitte nur solche, die verlässlich sind.
Das eben erwähnte Ziel ist der Verteilmechanismus, auf den man sich auf freiwilliger Basis verständigt hat. Wie soll das dann erst bei Mehrheitsentscheidungen funktionieren? Der Bürgermeister der slowenischen Gemeinde Brezice, Ivan Mo lan, sagte kürzlich in einem SPIEGEL-Interview:
Wenn die deutsche Regierung es wirklich ernst damit meint, dass alle Flüchtlinge willkommen sind, warum schickt sie dann keine Züge direkt nach Kroatien oder hierher, um die Menschen abzuholen? Dann würden die Flüchtlinge nicht mehr leiden, und uns wäre auch sehr geholfen.
So denkt nicht nur Herr Molan. Der Bundesregierung ist viel zu spät klar geworden, dass unsere europäischen Partner das Flüchtlingsproblem für ein rein deutsches Problem halten. Viele meinen, dass Deutschland stark genug ist, das allein zu lösen, und deswegen haben viele EU-Staaten gar kein Inter esse daran, das Problem auf europäischer Ebene zu lösen.
Die Europäische Migrationsagenda beruht auf einem einfa chen Grundsatz: Migranten, die internationalen Schutz benö tigen, zu helfen und Migranten, die in der EU nicht aufent haltsberechtigt sind, zurückzuführen. Zur Umsetzung dieser europäischen Migrationspolitik ist es von entscheidender Be deutung, dass alle Mitgliedsstaaten die jüngst auf EU-Ebene vereinbarten gemeinsamen Vorschriften über Asyl und irregu läre Migration vollständig anwenden. Das tun sie jedoch nicht. Die Kommission kann nur noch Vertragsverletzungsverfah ren einleiten, um entsprechenden Zwang auszuüben. 2013 be trug die durchschnittliche Dauer eines entsprechenden Ver fahrens 27 Monate.
Trotz dieser europäischen Misere müssen wir die Solidarität der Partner einfordern, und zwar noch deutlicher und noch un missverständlicher. Außenpolitische Priorität hat die Verbes serung der Lage der syrischen Flüchtlinge in den Auffangla gern, z. B. in der Türkei, in Jordanien und im Libanon, weil sich sonst weitere Millionen Menschen in Bewegung setzen. Innerhalb Europas muss eine faire Verteilung der Lasten er reicht werden, sonst hat die EU als Verein von Rosinenpickern keine Zukunft.
Wenn wir schon auf die Kontrolle unserer Staatsgrenze ver zichten, brauchen wir zumindest eine funktionierende Kont rolle der EU-Außengrenzen. Dazu gibt es in dem Papier der EU deutliche Aussagen. Die Außengrenze ist nach wie vor der neuralgische Punkt, mit dem die Stabilität der Asyl- und Mi grationspolitik als Ganzes steht und fällt. Gesicherte Außen grenzen ermöglichen die Aufhebung der Kontrollen an unse ren Binnengrenzen im Schengen-Raum und garantieren den freien Personenverkehr.
Ich komme zum Schluss. – Des halb müssen wir bei der Verwaltung unserer Außengrenzen enger zusammenarbeiten. Das bedeutet eine Stärkung der Agentur Frontex und ihres Mandats sowie die Verwirklichung eines voll funktionsfähigen europäischen Grenz- und Küsten schutzsystems, damit die Außengrenzen der EU besser ge schützt sind und die EU in Krisenzeiten ihre Ressourcen bes ser einsetzen kann.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Ministerin, zu welchem Zeitpunkt im Verfahren soll die Gesundheitskarte ausgegeben werden und wo soll sie ausgegeben werden, schon in den be darfsorientierten Einrichtungen oder in den Landeserstaufnah mestellen?
Frau Ministerin, es wurde schon die mögliche Amtshilfe durch die Bundeswehr angesprochen. Ich möchte konkret am Beispiel der Bedarfsorientierten Erst aufnahmeeinrichtung in Donaueschingen fragen – wo konkret auch ein Sanitätsversorgungszentrum der Bundeswehr vorge halten wird –, ob solche Einrichtungen nicht ebenfalls genutzt werden könnten. Dabei geht es nicht nur um einzelne Rönt gengeräte, sondern dort ist ein komplettes Versorgungszent rum vorhanden.
Ich stelle diese Frage vor dem Hintergrund, dass in der Erst aufnahmeeinrichtung in Donaueschingen die Menschen mitt lerweile bis zu sieben oder acht Wochen lang untergebracht sind und in der besagten Einrichtung, die 500 oder 600 m ent fernt ist, auch Bereitschaft dazu bestünde. Wie ich erfahren habe, wurde nach mehr Kapazität in der Bundeswehrkaserne selbst angefragt, meines Wissens nach jedoch noch nicht in Bezug auf eine Unterstützung durch dieses Versorgungszent rum.
Das befindet sich demzufolge aber in der Prüfung? Das wird aktiv geprüft?
Danke.
Frau Ministerin, berücksichtigt die Landesregierung bei der Suche und der Belegung von ge eigneten Gebäuden ausschließlich deren Größe und die damit verbundene Kapazität, oder wird auch ein Verhältnis zwischen der Aufnahmefähigkeit der Gebäude, also der Anzahl der Flüchtlinge, und der Bevölkerungszahl berücksichtigt? In Do naueschingen haben wir beispielsweise in der Kernstadt, wo sich in der Mitte dieses Konversionsgelände bzw. die ehema ligen Garnison befindet, eine Einwohnerzahl von 13 000. Ei nem Beitrag des SWR habe ich jetzt entnommen, dass dort ei ne mögliche Belegungszahl von bis zu 10 000 vorgesehen ist.
Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Zu Recht hat die Regierungserklärung vor dem Hintergrund des aktuellen Flüchtlingsthemas mehr Raum als zunächst geplant eingenommen. Es überdeckt schließlich auch in der öffentlichen Wahrnehmung und in den Diskussi onen in der Bevölkerung fast alle anderen politischen The men. Umso mehr freue ich mich, dass die Aktuelle Debatte zum Thema Mindestlohn heute auf der Tagesordnung verblie ben ist. Den einen oder anderen mag das zwar vielleicht lang weilen, aber es ist außerordentlich wichtig, die Wirkungen nach der Einführung eines Gesetzes regelmäßig zu überprü fen und auch dessen Nebenwirkungen zu identifizieren.
Diese ergeben sich nicht unmittelbar nach Inkrafttreten. So hat auch die 2003 beschlossene und 2004 in Kraft getretene Agenda 2010 erst Ende 2005 ihre Wirkung auf dem Arbeits platzmarkt gezeigt.
Wer in diesen Tagen die Gelegenheit hat, über den Cannstat ter Wasen zu gehen, und sich mit den Schaustellern unterhält, der wird sehr schnell beim Thema „Arbeitszeit und Mindest lohn“ landen. Das wird auch demjenigen passieren, der sich mit Handwerkern, Landwirten, Winzern, Gastronomen, La denbesitzern und jenen Betrieben unterhält, die mit Praktika arbeiten. Für alle gilt das, was den schönen Titel „Mindest lohndokumentationspflichtenverordnung“ trägt, beschlossen im Deutschen Bundestag Anfang Juli 2014 mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen.
Wir alle erinnern uns noch an die Debatte im Vorfeld dieses Beschlusses. Es ging um Löhne, von denen die Menschen le ben können. So weit, so gut. Am Ende der Diskussion sagten uns die Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft, dass eine Lohnhöhe von 8,50 € überhaupt keine Frage sei; das würde man schon lange zahlen, zumal hier im Südwesten; darunter gebe es gar keine Arbeitskräfte mehr. Der demografische Wan del und der Fachkräftemangel lassen grüßen.
Doch dann passierte etwas, wovor wir Freien Demokraten in der Diskussion immer wieder gewarnt haben: Bundesminis terin Nahles kümmerte sich darum. Was entstand, war ein zu erwartender bürokratischer Moloch. „Der Mindestlohn bleibt ein bürokratisches Monster“, sagte dazu auch der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskam mertags, Dr. Peter Kulitz, im Frühjahr dieses Jahres. Niemand sollte so tun, als ob das überraschend gekommen wäre, und kein Vertreter und keine Vertreterin der Parteien, die das im Bundestag beschlossen haben, sollte so tun, als ob er oder sie nicht dabei gewesen wäre.
Auch die CDU muss sich den Vorwurf gefallen lassen, bei der Ausarbeitung des Gesetzes offenbar keinerlei Einfluss darauf genommen zu haben, was am Ende herauskam.
Was in der Diskussion immer ein wenig in Vergessenheit ge rät, sind die Branchenmindestlöhne, die es in Deutschland in bewährter Weise gibt. Beispielsweise haben sich in der Tex til- und Bekleidungsindustrie, in der Systemgastronomie, in der Pflege, im Bäckerhandwerk, in der Land- und Forstwirt schaft, im Gartenbau und bei den Schornsteinfegern die Ta rifparteien auf wirksame Mindestlöhne geeinigt.
Wenn man Betriebe besucht, wird sehr schnell klar, wo das Problem einer flächendeckenden Mindestlohnregelung liegt: Es sind die Dokumentationspflichten. Es ist die Missachtung aller regionalen, saisonbedingten und betrieblichen Besonder heiten. Es ist auch ein Arbeitszeitgesetz, das beispielsweise in der Gastronomie schlicht praxisuntauglich ist. Und es ist vor allem eines: die Haltung, die Politik und Verwaltung gegen über den Betrieben zeigen.
Ich möchte nicht erst die heute bereits zitierten bewaffneten Zöllner erwähnen. Viel entscheidender ist, dass Handwerk und Mittelstand unter einen Generalverdacht gestellt werden, ih re Beschäftigten auszubeuten.
Das ist die verheerende Wirkung bei den Tausenden Hand werksbetrieben und Mittelständlern, die ohnehin das Gefühl haben, mit der Arbeitsstättenverordnung, den Überlegungen für eine Neuregelung bei der Erbschaftsteuer zulasten der Fa milienunternehmen, der Allergiedeklarationsverordnung in der Gastronomie, den zu zahlenden Steuern und Abgaben so wie den steigenden Energiepreisen genug an Vorgaben und Belastungen zu tragen.
Nach anfänglichen deutlichen Protesten scheinen viele Ver bände und Unternehmen resigniert zu haben. Wer vonseiten der Kammern, des Landesbauernverbands, des Handelsver bands, des DEHOGA, der Schausteller und Marktkaufleute gedacht hat, der Protest würde etwas bringen, scheint sich ge täuscht zu haben. Im Gegenteil: Die SPD fühlt sich voll und ganz bestätigt; denn je lauter die Proteste waren, umso stär ker war die Aufmerksamkeit für die SPD, und nichts scheint momentan für diese Partei wichtiger zu sein.
Wir Freien Demokraten begleiten die Auswirkungen dieser Regelung sehr aufmerksam. So haben wir im Januar und März 2015 parlamentarische Initiativen dazu auf den Weg gebracht, die sich mit den konkreten Auswirkungen, der Kontrolle, der Sanktionierung und der rechtlichen Klarstellung beschäftigen. Es lohnt sich, diese Initiativen noch einmal zur Hand zu neh men.
In der Antwort der Landesregierung vom 16. März finden sich viele Sätze, aus denen hervorgeht, dass Auswirkungen auf die Arbeit in Vereinen und Verbänden, bei Praktika und durch die bürokratischen Anforderungen insgesamt noch nicht abzuse hen seien.
Jetzt kommt allmählich die Zeit, sehr geehrte Damen und Her ren, in der die Folgen abzusehen sind. Was bedeutet das an bürokratischem Mehraufwand für die Betriebe? Wie sieht der Alltag aus? Ist es nicht an der Zeit, die Arbeitszeitgesetzge bung kritisch zu hinterfragen? Ich spreche von einer grund sätzlich Hinterfragung und nicht von einer, wie im April 2015 geschehen, gnädigen Erlaubnis der Landessozialministerin für das Cannstatter Frühlingsfest, für das sie längere Arbeitszei ten genehmigte. Wenn Sie heute mit Schaustellern auf dem Wasen reden, erfahren Sie, dass diese Ausnahme übrigens mit weiteren Dokumentationspflichten und unpraktikablen Rege lungen verbunden ist.
Die zweite Initiative von unserer Seite, die im April beantwor tet wurde und sich für dringend notwendige Änderungen und Klarstellungen einsetzte, ist ein Musterbeispiel dafür, wie gleichgültig die Landesregierung mit der betrieblichen Praxis umgeht. Alle Fragen wurden mit dem Verweis auf die Sitzung des Koalitionsausschusses vom 23. April beantwortet und ab gebügelt. Ich darf in Erinnerung rufen, dass das einzige Er gebnis dieser Sitzung die Feier des Geburtstags von Herrn Op permann war. Soll das die Antwort auf die Fragen zu den Do kumentationspflichten, zu den unklaren Regelungen bei Haf tungsfragen und den Erleichterungen bei Praktika sein? Wenn Sie das ernsthaft so stehen lassen wollen, dann sagt das viel darüber aus, wie ernst Sie die Anliegen des Mittelstands bzw. des Handwerks nehmen.
Sie werden nun versuchen, angebliche Vorteile dieser flächen deckenden Regelung aufzuzählen. Wir kennen sie bereits: an geblich mehr Jobs in vielen Bereichen, so in der Gastronomie, und weniger Minijobs. Ich halte es für ziemlich abenteuerlich, den Mehrbedarf an Arbeitskräften aufgrund der guten kon junkturellen Lage, in der wir uns befinden, mit dem Mindest lohn zu erklären. Vielleicht wären noch mehr Jobs entstanden, wenn es den flächendeckenden Mindestlohn nicht geben wür de. Das kann niemand wissenschaftlich belegen.
Wir Freien Demokraten kümmern uns weniger um Statisti ken. Wir wollen wissen, was die Auswirkungen in der Reali tät vor Ort sind. Wenn Sie mit Gewerbetreibenden sprechen, dann bekommen Sie momentan sehr oft die Aussage, dass Mindestlohnregelungen mit ihren Einschränkungen und dem bürokratischen Aufwand irgendwie auch noch gestemmt wer den müssten.
Das passt sehr gut in das Konzept der augenblicklichen Re gierungen auf Bundes- und Landesebene, wenn es darum geht, die Belastbarkeit der Wirtschaft auszuprobieren. Neue Belas tungen kündigen sich bereits an: Führende Gewerkschafts funktionäre und die Bundesarbeitsministerin fordern flächen deckende Mindestlöhne in Höhe von 10 € und mehr pro Stun de.
Momentan kann das vielleicht alles noch gestemmt werden. Die gute wirtschaftliche Lage macht vieles leichter. Eines muss aber allen Beteiligten klar sein: Wir verlieren mit sol chen Regelungen völlig unnötig ein Stück Flexibilität bei ei ner immer stärkeren Bürokratie.
Sie nehmen mit diesem Gesetz wieder ein Stück Gestaltungs spielraum weg, und das werden wir spätestens dann merken, wenn es wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft.
Bereits jetzt stößt das Mindestlohngesetz an seine Grenzen, wenn es um die Integration von Flüchtlingen geht. Bereits jetzt müssen Wege gesucht werden, Praktika für Flüchtlinge unabhängig vom Mindestlohn zu gestalten. Sobald es prak tisch wird, stößt dieses Gesetz an seine Grenzen. Wenn es wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft, können und werden die se Grenzen schmerzhaft sein.
Der eigentliche Schaden dieses Gesetzes lässt sich aber nicht in Zahlen messen. Beim Mindestlohn werden nicht nur die Arbeitszeiten dokumentiert, sondern diese Regelung ist eine Dokumentation des Misstrauens in die Wirtschaft, in Hand werk und Mittelstand. Diese fühlen sich als Ausbeuter diffa miert, was die Realität in kleinen und mittleren Betrieben in keiner Weise trifft. Es wird deutlich: Die Landesregierung tut nichts, um sich vor Mittelstand und Handwerk zu stellen.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Meine Fragen betreffen den Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Die Breitbandinfrastruktur ist für un ser ganzes Land ein sehr wichtiges Thema. Aber insbesonde re für die Entwicklung des ländlichen Raums und für die Standortsicherung der Gemeinden und Kommunen ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Aktivitäten hier schnell vorangetrieben werden. Deshalb möchte ich heute fragen, in wieweit die durchaus unterschiedlichen Auffassungen zur fi nanziellen Ausstattung förderlich oder eben nicht förderlich sind.
Meine erste Frage: Trifft es zu, dass im Landeshaushalt 2015/2016 für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur 17,5 Millionen € veranschlagt sind, davon 7,5 Millionen € aus dem Kommunalen Investitionsfonds und 10 Millionen € aus origi nären Landesmitteln?
Zweite Frage: Hält die Landesregierung die Begründungen, mit denen sich Mitglieder der Landesregierung bei den Bera tungen des Uretats 2015/2016 gegen Anträge auf Erhöhung der Mittel dafür um 25 Millionen € ausgesprochen haben, dass sich nämlich der gewählte Mittelansatz als recht passgenau erweisen werde, unverändert für richtig, oder spricht nicht vielmehr die Tatsache, dass aus den für die baden-württem bergischen Gemeinden zur Verfügung stehenden Bundesmit teln in Höhe von 248 Millionen €, die jetzt im Einzelplan 12 etatisiert werden, 40 Millionen € vorab für den Breitbandaus bau reserviert worden sind, dafür, dass der Mittelansatz von vornherein deutlich zu niedrig war?
Welche weiteren Maßnahmen sind Ihrer Auffassung nach erforderlich, um innerhalb des Landes in allen Gebieten die allgemeine Verfügbarkeit eines Zugangs zum schnellen Internet sicherstellen zu können und auf diese Weise gleichwertige Lebensverhältnisse im ländli chen Raum sicherstellen zu können? Vor allem: Welche zeit liche Perspektive hat die Landesregierung dabei?
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Im Mai 1945 befreiten die alliierten Truppen Europa und die Deut schen von dem menschenverachtenden und mörderischen NSSystem. Zahlen wurden schon genannt. Aber hinter den Zah len stecken Schicksale von Menschen, von Familien. Deshalb
erlauben Sie mir, im Rahmen dieser Aktuellen Debatte, in der es um die Erinnerung an diese Zeit geht, die Bilanz des Zwei ten Weltkriegs noch einmal zu wiederholen.
Über 60 Millionen Menschen starben. Mehr als sechs Millio nen europäische Juden wurden ermordet. Tausende Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, politisch Andersdenken de und Homosexuelle wurden verfolgt und getötet. 17 Milli onen Menschen waren verschollen, weite Teile Europas zer stört.
Wir gedenken des 8. Mai als Stunde null, als Kriegsende. Wal ter Scheel führte bereits am 8. Mai 1975 den Gedanken ein, dass in diesem Tag auch eine Befreiung zu sehen ist. Als Tag der Befreiung benennen wir ihn aber – wir haben es mehrfach gehört – erst seit der historischen Rede von Richard von Weiz säcker am 8. Mai 1985.
Der Berliner „Tagesspiegel“ hat kürzlich die Geschichtswis senschaftler zu diesem Thema befragt. Diese haben einige be merkenswerte Aspekte aufgezeigt, die ich in meine Rede ein beziehen möchte.
Vor 70 Jahren fielen die letzten Schüsse zwischen Westeuro päern. Seitdem herrscht Frieden. Dass Westeuropa so lange in einem friedlichen Zustand lebt, war 1945 weder vorherseh bar, noch ist es heute als Normalität hinzunehmen bzw. anzu sehen; diesen Fehler dürfen wir nicht machen. In längerer his torischer Perspektive im globalen Vergleich sind die westeu ropäischen Länder eine bemerkenswerte Ausnahme, nicht die Regel.
Wir haben uns daran gewöhnt, aber wir dürfen nie vergessen, dass es alles andere als selbstverständlich ist, Konflikte mit friedlichen Mitteln auszutragen. Wir müssen gar nicht weit reisen, um an die Konfliktherde zu gelangen. Schauen Sie nur einmal auf die Ukraine, wo der vereinbarte Waffenstillstand mehr als brüchig ist.
Bemerkenswert ist auch: Die Geschichte des Nationalsozia lismus mit der Verfolgung und Vernichtung zwischen 1933 und 1945 ist nach wie vor hochaktuell und wirft immer wie der neue Fragen auf. Die griechischen Reparationsforderun gen, verbunden mit dem Hinweis auf die deutschen Gräuelta ten, seien in diesem Zusammenhang erwähnt. Auch der Pro zess gegen den 93-jährigen früheren SS-Mann Oskar Gröning in Lüneburg ruft gerade Erinnerungen hervor an die unfass bare Grausamkeit, mit der sich Deutsche andere Völker un tertan machen oder sie sogar ausrotten wollten.
Wir dürfen auch nicht vergessen: Der Zweite Weltkrieg war am 8. Mai 1945 noch nicht vorbei. Drei Monate später, am 6. August 1945, explodierte die Bombe über Hiroshima, drei Tage später eine zweite über Nagasaki. Über 140 000 Men schen kamen sofort ums Leben, Hunderttausende starben in den folgenden Jahren an den Spätfolgen.
Warum erwähne ich das? Wir sprechen immer vom Zweiten Weltkrieg. Sind uns die globalen Dimensionen dieses Krieges und die furchtbaren Folgen des Einsatzes von Atombomben aber immer auch bewusst, wenn wir vom 8. Mai als Tag der Befreiung sprechen?
Auch in Osteuropa war der Krieg 1945 noch nicht zu Ende. In baltischen Republiken, in der Westukraine und in Polen
wurde die Rote Armee nicht von allen Menschen als Befrei er empfunden. Stalins Schergen verbreiteten Furcht und Schrecken, sie töteten Oppositionelle und erstickten Wider spruch im Keim. So kam es, dass sich der Krieg in diesen Re gionen sogar noch um Jahre fortsetzte.
Denken wir am 8. Mai auch an die Millionen Menschen, die nach Deutschland verschleppt wurden, die Zwangsarbeiterin nen und Zwangsarbeiter aus allen Teilen Europas und die Häftlinge in den Konzentrationslagern, die polnischen, sow jetischen, französischen und später die italienischen Kriegs gefangenen. Ohne das Gedenken an den Holocaust und ohne die Reparationszahlungen nach dem Krieg wäre die Bundes republik heute nicht Teil von Europa. Dies hat uns die Türen zur Integration in Europa geöffnet.
Aber aus diesen an dieser Stelle fragmentarischen Erinnerun gen erwachsen für uns zugleich auch Verpflichtungen und Aufgaben. Dazu gehört es, die Erinnerung aufrechtzuerhal ten, immer und immer wieder das Gedenken an die jungen Generationen weiterzugeben. Frau Lösch hat es erwähnt: Wir haben jetzt noch die Gelegenheit, die letzten Zeitzeugen zu sprechen. An anderer Stelle haben wir auch schon gehört: Mittlerweile sind fast nur noch Zeugen der Zeitzeugen unter wegs.
Es ist also eine Verpflichtung, eine Aufgabe für uns, dieses Gedenken, diese Erinnerungen an die junge Generation wei terzugeben, alles dafür zu tun, ein friedliches Zusammenle ben der Völker zu erreichen, einzustehen für unsere gemein samen Werte wie Frieden, Versöhnung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Das ist auch der Grund dafür, dass wir beim nächsten Tagesordnungspunkt eine deut liche Botschaft an die Verantwortlichen in Burundi senden.
Manchmal drohen unsere gemeinsamen Prinzipien in Verges senheit zu geraten. Ich denke da ebenfalls an die Bootsflücht linge im Mittelmeer; auch diese sind schon erwähnt worden. Aber die Fraktionen hier im Haus sind sich einig gewesen – das ist gut so – und haben die Beschlüsse des EU-Sondergip fels, darunter die Aufstockung der Mittel für die Seenotret tung und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität, einmü tig begrüßt. Die EU hat über Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung beigetragen, und sie hat, finde ich, daher auch zu Recht den Friedensnobelpreis erhalten.
Historische Daten bergen häufig mehrere bedeutende Ereig nisse, so auch der 8. Mai. Deswegen lassen Sie mich zum Ab schluss auch an den 8. Mai 1949 erinnern, den Tag, an dem das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat beschlossen wur de – ein weiterer Meilenstein auf unserem Weg in eine posi tive Zukunft.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Lassen Sie mich abschließend ganz kurz auch bestätigen, wie es mich freut, dass hier nicht nur ein Schulterschluss bezogen auf das Gedenken an den 8. Mai 1945 herrscht, sondern dass hier auch ein Schulterschluss ge gen die Kräfte, die unsere Demokratie und den europäischen Geist gefährden, herrscht. Das ist keine neue, aber eine sehr wichtige Erkenntnis. Das ist etwas, was wir immer wieder be kräftigen müssen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, darzustellen – ich habe es vorhin schon erwähnt –, dass es eine unserer Aufgaben sein wird, die Erinnerungen aufrechtzuhalten. Es wird eine Aufga be sein, der jungen Generation das Gedenken an diesen Tag, an diese Zeit weiterzugeben.
Hierfür besteht beispielsweise am kommenden Freitag eine Gelegenheit. Wir haben hier im Parlament eine Europa-Ju gendveranstaltung. Das ist eine Gelegenheit, um der jungen Generation dies weitergeben zu können. Die Veranstaltung steht unter dem Motto: „Europa – unsere Zukunft“ – ohne Satzzeichen. Ich würde mir wünschen, dass hier in der Hal tung, in der Wahrnehmung „Europa – unsere Zukunft“ mit ei nem Ausrufezeichen steht. Der Untertitel lautet: „Was bringt mir Europa?“ Natürlich ist es wichtig, darüber zu diskutieren
auch im Rückblick darauf, was Europa uns gebracht hat. Das haben wir heute in unserer Aktuellen Debatte besprochen; dabei waren wir uns einig.
Es wäre schön, wenn hier dann eine Erkenntnis zutage kommt und wenn wir und auch die nachfolgende Generation es schaf fen, uns nicht nur zu fragen: „Was bringt mir Europa?“, son dern auch: „Was kann ich für Europa tun?“ Dann sind wir ein großes Stück weitergekommen. Wenn wir dies schaffen, kom men wir dabei, unsere Herausforderungen – sie wurden ange sprochen – zu bewältigen, mit Sicherheit schneller voran.
Ich freue mich auf Freitag. Kollegin Haller-Haid, Kollege Frey und auch Kollege Reinhart werden bei der Podiumsdis kussion mit dabei sein. Das wird sicherlich eine schöne Ver anstaltung.
Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! TTIP zieht sich verständlicherweise erneut durch den Bericht zu den europapolitischen Themen. Wieder muss ich feststellen, dass die Regierung eher Campact-Forderungen nahesteht, statt wirklich aufzuklären. Da hilft auch ein TTIP-Beirat nichts, von dem ich bisher nur Ankündigungen gelesen habe, dessen Zusammensetzung und Aufgaben aber nach wie vor unklar sind. Die Landesregierung will das bestehende Schutzniveau nicht durch TTIP beeinträchtigt wissen.
Schiedssprüche lassen sich weltweit wesentlich einfacher durchsetzen als staatliche Gerichtsurteile. In der Praxis kön nen ausländische Schiedssprüche daher sehr viel einfacher und schneller in den USA durchgesetzt werden als deutsche Gerichtsurteile. Ich frage mich: Welches Schutzniveau ist für die Landesregierung höher? Die Umgehung der nationalen Gerichtsbarkeit ist dem überwältigenden Anteil völkerrecht licher Verträge bereits immanent.
Die FDP hat nichts gegen einen internationalen Handelsge richtshof einzuwenden, vorausgesetzt, der Kläger bekommt dort nicht nur sein Recht, sondern auch die Möglichkeit, das Urteil international zeitnah zu vollstrecken.
Die Landesregierung fordert darüber hinaus Ausnahmerege lungen von TTIP. Das ist Campact-„Sprech“ in Reinform. Le sen Sie nicht die Veröffentlichungen vom Wirtschaftsminis ter Gabriel? Er sagt: „Die öffentliche Daseinsvorsorge wird von TTIP nicht angetastet.“ Nein, Sie lesen es nicht oder wol len es nicht wahrhaben, sondern fordern Ausnahmeregelun gen von einer Regelung, die es nicht gibt.
Unterstützen werden wir die Regierung allerdings in ihrer Po sition zum Europäischen Fonds für strategische Investitionen. Denn es geht nicht an, hierzu Mittel aus dem Forschungsrah menprogramm Horizon 2020 zu verwenden.
Positiv zu werten ist auch das Rückkehrkonzept der Regie rung für die im Rahmen des Europapools entsandten Mitar beiter.
Wir werden gleich auch über den interfraktionellen Entschlie ßungsantrag zu Burundi abstimmen. Mit Burundi haben wir uns keinen leichten Partner ausgesucht: Gewalt gegen De monstranten, Unterbrechung von Internet- und Mobiltelefon netz, Schließung von Universitäten und Radiostationen, zu nehmend politisch motivierte Gewalt, Gefahr vor terroristi schen Anschlägen durch die somalische Al-Shabaab-Miliz. Human Rights Watch hat in einem Bericht auf außergericht