Protokoll der Sitzung vom 26.11.2014

lich das Klassenziel in der Orientierungsstufe definiert? Bleibt eine Schülerin, ein Schüler sitzen, wenn sie oder er das Real schulniveau nicht erreicht oder wenn sie oder er das Haupt schulniveau nicht erreicht?

Das sind doch wichtige Fragen, auf die Sie gleich einmal ganz konkret antworten könnten, Herr Kultusminister.

Herr Minister, planen Sie ferner ein Abschulungsverbot für Realschulen? Und ganz grundsätzlich: Streben Sie in BadenWürttemberg eigentlich nach wie vor ein Zweisäulensystem an? Oder wird es nach Ihren Vorstellungen eine neue Drei gliedrigkeit, bestehend aus Gymnasium, Realschule, Gemein schaftsschule, geben? Hierzu gibt es keine Antworten.

Die Aktuelle Debatte hat bis hierher gezeigt: Die FDP hat recht.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das wäre uns aber aufgefallen! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ken nen wir aus der „Zone“!)

Denn wir brauchen in der Tat einen Schulfrieden in BadenWürttemberg, damit die Kommunen, die Menschen vor Ort mehr Planbarkeit und mehr Verlässlichkeit im Bildungsbe reich bekommen.

Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, dass der SPD-Vorsit zende Nils Schmid nun unsere Forderungen aufgegriffen und zu entsprechenden Gesprächen eingeladen hat. Allerdings ha ben wir, die Liberalen, uns natürlich schon ein kleines biss chen gewundert,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Vorbedingungen!)

dass der Finanzminister zu diesen Gesprächen eingeladen hat und nicht der eigentlich zuständige Kultusminister.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Landesvorsitzen de!)

Vielleicht lag es daran, Herr Schmiedel, dass Ihr Kultusminis ter hier bei der letzten Aktuellen Debatte zum Thema Schul frieden reichlich hilflos wirkte. Er wusste noch nicht einmal, wohin er einladen soll. Vielleicht hat deshalb der SPD-Vorsit zende das Heft des Handelns in die Hand genommen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Oje, oje!)

Noch einmal: Im Übrigen gehen wir, die FDP, ohne Vorbedin gungen in diese Gespräche. Das wünschen wir uns natürlich auch von allen anderen Beteiligten.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Herr Minister, ich habe Ihnen hier ein paar glasklare, konkre te Fragen gestellt, die Sie bei gutem Willen eigentlich auch problemlos beantworten können müssten. Ich bin gespannt, ob Sie dieses Mal die Fragen der FDP/DVP beantworten.

Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glau be, in dieser Debatte ist einmal mehr sehr deutlich geworden, dass sowohl CDU als auch FDP/DVP zwei grundlegende Pro bleme haben.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Nur zwei? – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: SPD und Grüne! – Heiterkeit des Abg. Guido Wolf CDU)

Ein grundlegendes Problem im Bereich der Bildungspolitik liegt darin, dass Sie heute, wenn Sie objektiv sein könnten, feststellen müssten, dass Sie auf die Herausforderungen, die schon in Ihrer Regierungszeit bestanden, keine Antworten hat ten. Wo sind denn Ihre Antworten auf 400 geschlossene Haupt schulen im ländlichen Raum?

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Wo sind Ihre Antworten auf Qualitätsverschlechterungen? Wo sind Ihre Antworten auf fehlende Bildungsgerechtigkeit? Es gibt keine!

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Gemeinschaftsschule ist auch keine Antwort!)

Ihr weiteres Problem ist, dass Sie auch für die zukünftigen Herausforderungen keinerlei Antworten haben. Wenn wir in die Kakofonie Ihrer Vorschläge schauen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, ja! Ziemlich hilflos! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Unschö nes Wort! – Weitere Zurufe von der CDU und FDP/ DVP – Glocke der Präsidentin)

dann verliert sich die FDP/DVP letztlich in einer unter dem Deckmantel der Liberalität versteckten Plan- und Orientie rungslosigkeit. Bevor man morgens die Zeitung aufschlägt, weiß man noch nicht, wer von der CDU sich heute kompetent oder weniger kompetent zur Bildungspolitik äußern möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Andreas Deuschle CDU: Was machen Sie jetzt? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mit der Kompetenz können Sie nicht mithalten!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, im Zentrum aller bildungspolitischen Debatten – das wurde heute auch sehr deutlich – sollte eine Kernfrage stehen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Kernfrage ist gut! – Heiterkeit der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist die eigentli che Kernfrage!)

Diese Frage lautet: Wie können wir jenseits von Schulart-, Schulnamen- oder Strukturdebatten den Kindern, den Jugend lichen in unseren Schulen in einer sich verändernden Gesell schaft gerecht werden? Wer diese Frage nicht einmal formu liert, der zeigt, dass er das Wesen von guter Bildungspolitik nicht verstanden hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Als Minis ter sollte man aber auch eine Antwort geben!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bundespräsident Gauck hat vor einiger Zeit gesagt – ich darf mit Ihrer Erlaub nis, Frau Präsidentin, zitieren –:

Wenn Kinder heute, aus unterschiedlichen Gründen, im mer seltener den Erwartungen entsprechen, die Schulen bisher hatten, dann müssen sich auch unsere Schulen än dern.

Ich glaube, diesen Satz sollte man sich einmal etwas durch den Kopf gehen lassen. Dieser Satz beinhaltet nämlich eine wesentliche Erkenntnis, die nicht neu ist: Gesellschaft verän dert sich. Deswegen müssen sich zwingend auch bildungspo litische Antworten verändern.

Herr Kollege Wacker, wenn Sie vorhin ein Loblied auf die Leistungen der Realschule in der Vergangenheit gesungen ha ben,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

dann gebe ich Ihnen recht.

(Zurufe von der CDU)

Aber: Wenn ich Ihrem Ansatz glauben würde, würden wir heu te draußen noch mit dem Fahrzeug, das Bertha Benz gesteu ert hat, herumfahren.

(Oh-Rufe von der CDU)

Denn wir brauchen Weiterentwicklung auch in der Bildungs politik dieses Landes.

Lieber Herr Kollege Wacker, schauen Sie sich einmal genau an, wie sich Ihre Konzepte

(Zuruf des Abg. Georg Wacker CDU)

in den letzten drei Jahren im Wochen- bzw. Monatsrhythmus verändert haben.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Kommen Sie irgendwann auch noch zum Thema?)

Es erscheint doch relativ hilflos, wenn Sie jetzt versuchen, noch Unterschiede zwischen dem herauszufinden, wohin Sie sich inzwischen entwickelt haben, und dem, was die Landes regierung als die richtigen Antworten auf Heterogenität in un seren Schulen gibt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau! Sie haben das Zeugnis abgeschafft und zum Lernentwicklungsbe richt degradiert!)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, glaube ich, ist es gut, wenn wir in bildungspolitischen Debatten nicht nur Kollegen Zimmermann beim Blöken zuhören dürfen, son dern wenn wir uns in diesen Debatten über pädagogische Kon zepte unterhalten,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

wenn wir keine Debatte über Türschilder, sondern über päda gogische Konzepte führen.