Liebe Grüne, liebe SPD, sind Sie wirklich an einer ehrlichen, dauerhaften Beziehung zu den Realschulen interessiert,
oder ist es tatsächlich vielmehr so, dass die Realschulen bei Ihnen Gefahr laufen, einem Heiratsschwindler aufzusitzen?
ist eine gewisse Grundskepsis ob Ihrer ehrlichen Absichten bezüglich der Realschulen tatsächlich angebracht.
Die heutige Gretchenfrage lautet daher: Will Grün-Rot den Realschulen tatsächlich eine eigene gute Zukunft einräumen – das würde aus liberaler Sicht bedeuten, dieser Schulart mehr Freiheit zu geben –, oder soll mit dem grün-roten Realschul konzept die Gemeinschaftsschule durch die Hintertür einge führt werden?
Modern ausgedrückt gefragt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ist Ihr Konzept ein Realschulupgrade oder ein Gemeinschafts schultrojaner?
Wie war das denn bisher mit der ach so großen Liebe zwi schen Grün-Rot und den Realschulen? Nun, der Mann für heikle Themen bei den Grünen, Uli Sckerl, meinte einst in Be zug auf die Realschulen – „Weinheimer Nachrichten“ –, von einer Zerschlagung der Realschulen könne nicht die Rede sein. Und weiter:
Man setzt auf Freiwilligkeit. Vorübergehend wolle man auch noch die Mehrgliedrigkeit akzeptieren, sagt FulstBlei.
Doch die Realschulen, die seit der Abschaffung der ver bindlichen Grundschulempfehlung stärker gefragt seien als bisher, sieht er „unter einem ziemlichen Handlungs druck, sich Richtung Gemeinschaftsschule zu bewegen“.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Aha! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist also des Pudels Kern!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ganze Elend in der ba den-württembergischen Bildungspolitik begann, als Minister präsident Kretschmann sein sogenanntes Zweisäulensystem als Zielvorgabe für die zukünftige Schulstruktur ausgab. Gym nasium auf der einen Seite, Gemeinschaftsschule auf der an deren Seite. Tertium non datur! Etwas Drittes gibt es nicht. Von da ab war doch das Schicksal der Realschulen vorgege ben, denn im grün-roten Zweisäulenmodell war von diesem Zeitpunkt an für die Realschulen kein Platz mehr.
„Wir dürfen langfristig das Ziel einer flächendeckenden Gemeinschaftsschule nicht aus den Augen verlieren.
Aber wir müssen einen gangbaren Weg finden“, sagte Sandra Boser der „taz“... Das Zweisäulenmodell sei ein mittelfristiges Ziel, die Bildungsreform brauche Zeit.
Nun, Frau Walker, der Ministerpräsident kennt die Antwort auf Ihre Frage nach dem Zeitraum. Zitat aus den „Stuttgarter Nachrichten“ von diesem Sommer:
Eine zweite Legislaturperiode braucht man, um die Din ge, die man angefangen hat, zu festigen – etwa die Um gestaltung des Schulwesens zu einem Zweisäulenmodell.
Ein Blick in die unmittelbare Vergangenheit zeigt also: GrünRot lässt keinen Zweifel daran, dass Sie gewillt sind, an Ih rem starren Zweisäulenstrukturmodell festzuhalten. Folglich kann es doch Grün-Rot nicht im Ernst überraschen, wenn die wahren Freunde der Realschule die neuen Liebesschwüre der Koalition mit einer gewissen Skepsis betrachten.
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Ist die FDP ernsthaft der Ansicht, dass Baden-Würt temberg als Flächenland vor dem Hintergrund des demogra fischen Wandels ein dreigliedriges Schulsystem überhaupt noch vertragen kann? Was machen Sie im ländlichen Raum mit einem dreigliedrigen Schulsystem? Wollen Sie Schulen schließen? Das ist offensichtlich Ihre Antwort darauf. Alle Bundesländer entwickeln sich in Richtung eines Zweisäulen systems, und Ihre Antwort ist das Dreisäulensystem.
Lieber Kollege Lehmann, ich weiß nicht, wie oft ich es Ihnen noch erklären soll. Ich ha be noch nie von einer Dreigliedrigkeit gesprochen. Auch die FDP hat noch nie von einer Dreigliedrigkeit gesprochen, son dern von einer Vielgliedrigkeit. Sie verwechseln hier immer Zweisäulensystem mit Zweisäulensystem. Wenn Sie als Vor sitzender des Bildungsausschusses wirklich nicht die Unter schiede beispielsweise zwischen dem sächsischen Zweisäu lensystem und dem Zweisäulensystem, wie es Ministerpräsi dent Kretschmann will, kennen, dann weiß ich nicht, wie oft ich es Ihnen noch sagen soll.
Wir sind für ein vielgliedriges Schulsystem, und im Übrigen haben wir im Gegensatz zu Ihnen ein detailliertes Konzept vorgelegt. Ich kann es Ihnen nur zur Lektüre empfehlen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unabhängig davon, für wie glaubwürdig man diese Kehrtwende der Koalition um 180 Grad einschätzt, stellen sich doch einige wichtige Fragen zum Realschulkonzept von Grün-Rot.
Sehr geehrter Herr Kultusminister, in Ihrem Konzept ist vor gesehen, dass alle Schüler in einer zweijährigen Orientie rungsstufe gemeinsam unterrichtet werden und dass dabei bei de Niveaustufen, also das Hauptschulniveau und das Real schulniveau, angeboten werden. Diese Orientierungsstufe er innert doch sehr stark an das Konzept der Gemeinschaftsschu le. Daher folgende Fragen: Muss die Realschule damit eigent lich auch die Pädagogik der Gemeinschaftsschule überneh men? Wird es in der Orientierungsstufe der Realschulen No ten bzw. bei Nichterreichung des Klassenziels Klassenwieder holungen geben, Herr Kultusminister? Und wie wird eigent
lich das Klassenziel in der Orientierungsstufe definiert? Bleibt eine Schülerin, ein Schüler sitzen, wenn sie oder er das Real schulniveau nicht erreicht oder wenn sie oder er das Haupt schulniveau nicht erreicht?