Zweitens: Herr Dr. Lasotta, niemand zweifelt die Arbeit des Rechnungshofs an, ganz im Gegenteil. Wir haben sehr gut zu sammengearbeitet, und ich habe mich auch mit Herrn Mun ding ausgesprochen. Wir beide wissen, dass nicht wir beide über die Zukunft dieses Ministeriums entscheiden, sondern die Wählerinnen und Wähler bzw. die Regierung ab 2016. Das will ich klargestellt wissen.
In diesem Jahr standen die Flüchtlinge im Fokus und damit natürlich auch die Flüchtlingszahlen. Angesichts der interna tionalen Lage und der dramatischen Konflikte und Kriege wird uns diese Herausforderung wahrscheinlich noch lange be schäftigen. Mit dem vorgelegten Haushalt werden die Voraus setzungen geschaffen, um die Flüchtlingsaufnahme zu bewäl tigen. Seit Herbst 2012 erleben wir eine sehr dynamische Ent wicklung der Flüchtlingszahlen. Ende 2012 zählten wir in Ba den-Württemberg noch einen Jahreszugang von knapp 8 000 Erstantragstellern, ein Jahr später waren es bereits 14 000 Erstantragsteller, und in diesem Jahr erwarten wir 26 000 Erstantragsteller.
Das entspricht auch der Prognose des Bundesamts für Migra tion und Flüchtlinge. Auch für 2015 geht das BAMF von ei nem bundesweiten Zugang von mindestens 200 000 Erst- und 30 000 Folgeantragstellern aus. Im Haushaltsplan wird des halb für 2015 und 2016 mit jährlich 26 000 Erstantragstellern und 4 000 Folgeantragstellern gerechnet.
Wir nehmen damit allein für die pauschale Kostenerstattung an die Kreise – hören Sie gut zu, Herr Glück – im Doppel haushalt insgesamt 695 Millionen € in die Hand. Hinzu kom men die Kosten der Landeserstaufnahmeeinrichtungen mit weiteren 37 bzw. 38 Millionen €.
Eine gewisse Entlastung erfahren wir und die Kommunen durch den Bund. Er hat sich bereit erklärt, einmalig dem Land und seinen Kommunen im Jahr 2015 insgesamt 65 Millio nen € zur Verfügung zu stellen. Sofern die Belastung bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern im bishe rigen Umfang fortbesteht, würde dies auch 2016 fortgesetzt.
Das sind alles nur Zahlen. Letztlich geht es aber auch um Menschen und um Schicksale. Das wurde hier heute auch schon gesagt. Wir sind rechtlich und moralisch verpflichtet, den Flüchtlingen einen fairen Zugang zu rechtsstaatlichen Ver fahren zu geben. Dazu gehört auch, sie menschenwürdig un terzubringen und zu betreuen, solange es notwendig ist. Ich bin überzeugt, dass wir dies gemeinsam schaffen.
Wir unternehmen nicht erst seit heute größte Anstrengungen, die Erstaufnahmekapazitäten in Baden-Württemberg zu erhö hen. Wir haben die Zahl der Plätze von 2012 bis jetzt von 950 auf über 4 000 erhöht und damit mehr als vervierfacht. Aktu ell bereiten wir zusätzlich auch Aufnahmeplätze in Karlsru he, Mannheim und Heidelberg für gewisse Notsituationen vor. Damit wollen wir natürlich auch einen Puffer für die Gemein den schaffen.
Ich bin den Kreisen, Städten und Gemeinden sehr dankbar, die uns bei der Ausweitung der Unterbringungskapazitäten unterstützt und geholfen haben. Ein wichtiger Schritt war En de Oktober der Start der LEA Meßstetten mit bis zu 1 000 Plätzen. Ich glaube, wir können alle wirklich sehr stolz auf die kleine Stadt Meßstetten und auf ihre Bürgerinnen und Bür ger sein.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU und Andreas Glück FDP/ DVP)
Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle dem Landrat und Abgeordneten Herrn Pauli, aber auch Herrn Bürgermeister Mennig danken.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU und Andreas Glück FDP/ DVP)
Im kommenden Jahr werden wir in Ellwangen eine weitere LEA eröffnen und die bisherige Außenstelle Mannheim der LEA Karlsruhe zum Vollstandort ausbauen. In Freiburg soll ebenfalls eine LEA entstehen. Der Betriebsstart auf dem Ge lände der bisherigen Akademie der Polizei könnte noch 2016 sein. Weitere Standorte befinden sich aktuell in der Überprü fung.
Wichtig ist uns, dass wir die Standortkommunen in die Pla nung einbeziehen. Das machen wir. Das haben wir von An fang an gemacht. Möglicherweise erklärt das auch, warum es in Baden-Württemberg besser läuft als anderswo.
Wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, wird insbesondere während ihres Aufenthalts in den Stadt- und Landkreisen of fenbar. Mit dem neuen Flüchtlingsaufnahmegesetz haben wir hier einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Im Mittelpunkt ste hen mehr Humanität für die Flüchtlinge und mehr Flexibili tät und Handlungsspielräume für die Kreise.
Um den Kreisen weitere Spielräume zu eröffnen, hat die Lan desregierung zusammen mit Hamburg eine Änderung des Baurechts initiiert. Das ermöglicht, baurechtliche Hürden bei der Schaffung neuer Unterkünfte abzubauen. Ich betone: Es geht nicht darum, die Flüchtlinge von der Gesellschaft zu se parieren. Es geht vor allem um eines: Es geht um mehr Platz.
Wir wollen den Flüchtlingen frühzeitig die Chance geben, sich zu integrieren. Darum haben wir die Verweildauer in der vor läufigen Unterbringung von durchschnittlich 29 auf 18 Mo nate deutlich verkürzt. Deshalb haben wir im Land schon vor einem Jahr den starren Sachleistungsvorrang aufgehoben. Die Flüchtlinge können sich nach ihren eigenen Bedürfnissen selbst versorgen. Das wurde, wie ich meine, auch von allen Parteien mitgetragen und ist Konsens.
Die jüngsten Änderungen im Bund ergänzen diesen humani tären und zugleich pragmatischen Ansatz: Gewährleistung ei nes menschenwürdigen Existenzminimums, Geldleistungen als Standard, Wechsel in den regulären Leistungsbezug be reits nach 15 Monaten, Verkürzung des Arbeitsverbots auf drei Monate und der Vorrangprüfung von 48 auf 15 Monate und weitgehender Wegfall der Residenzpflicht. Das alles sind kei ne Wohltaten, sondern Konsequenzen aus der Einsicht, dass sehr viele Flüchtlinge wahrscheinlich auf lange Sicht bei uns bleiben werden.
Die Sprachförderung steht dabei ganz oben auf der Agenda. Sie ist mir nicht erst seit dem Flüchtlingsgipfel ein wichtiges Anliegen, sondern ist bereits im Flüchtlingsaufnahmegesetz ausdrücklich verankert. Gleichwohl freut es mich, dass durch die Initiative des Ministerpräsidenten dieses Thema eine neue und konstruktive Dynamik erhalten hat, die unserem Anlie gen sehr entgegenkommt.
Die Landesregierung und die beteiligten Ressorts arbeiten in tensiv an der Umsetzung des auf dem Flüchtlingsgipfel be schlossenen Maßnahmenpakets. Eines der Kernstücke dieses Pakets ist ein Sprachförderungsprogramm für Asylbewerber und Flüchtlinge. Sie wissen: Bisher sind diese Gruppen von Gesetzes wegen von der Teilnahme an Integrationskursen aus geschlossen. Ich glaube, es ist an der Zeit, das zu ändern und den faktisch meist längeren Aufenthalt auch sinnvoll zu nut zen.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie der Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU und Andreas Glück FDP/ DVP)
Mit dem neuen Flüchtlingsaufnahmegesetz werden den unte ren Aufnahmebehörden bereits Mittel für die Finanzierung von Sprachkursen auf einfachem Niveau zugewiesen. Darauf bauen wir auf und entwickeln noch ein abgestimmtes Pro gramm. Dabei erfinden wir natürlich das Rad nicht neu. Wir wollen fehlende Zugänge zu bestehenden Angeboten öffnen,
bestehende Angebote erweitern und Förderprogramme des Bundes und der EU komplementieren. Ferner werden wir Sy nergien durch Vernetzung und Kooperation mit den relevan ten Akteuren nutzen, in Kooperation z. B. mit der BadenWürttemberg Stiftung.
Ich bin überzeugt, dass wir ein effizientes und effektives Pro gramm auf den Weg bringen werden. Denn gute Deutsch kenntnisse sind wichtig. Das wissen wir nicht erst seit der For derung der CSU. Wer dauerhaft hier leben und Erfolg haben will, ist eingeladen und aufgefordert, die gemeinsame Ver kehrssprache zu erlernen. Wir erwarten von den Zuwanderern, dass sie Deutsch lernen. Umgekehrt dürfen sie natürlich von uns erwarten, dass wir sie dabei unterstützen.
Auch von den Kreisen und Gemeinden erwarten wir ein soli darisches Miteinander bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Wir wollen aber eine finanziell faire Lastenteilung. Deshalb haben wir im Flüchtlingsaufnahmegesetz festgelegt, dass sich die Ausgabenpauschale, die 2011 pro Kopf noch bei ca. 10 300 € lag, bis 2016 auf annähernd 14 000 € erhöhen soll. Darüber hinaus unterziehen wir diese Pauschale derzeit einer kompletten Überprüfung. Herr Glück
Gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden werten wir die Zahlungen des Jahres 2013 aus. Am Ende wollen wir ein Ergebnis, das auch auf kommunaler Seite akzeptiert wird. Davon gehe ich aus.
Die Landesregierung vergisst dabei auch nicht die kreisange hörigen Gemeinden, in denen die sogenannte Anschlussunter bringung stattfindet. Denn ein weiteres Ergebnis des Flücht lingsgipfels ist ein Förderprogramm zur Schaffung von Wohn raum in den Kommunen im Umfang von jeweils 15 Millio nen € in den Jahren 2015 und 2016. Dieses Programm wurde federführend vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft entwickelt und steht nun am Start. Die Anträge können ab Ja nuar bei der L-Bank gestellt werden.
Klar ist im Übrigen, dass die vom Bund jetzt zugesagten Mit tel für Flüchtlinge auch unseren Kommunen zugutekommen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den letzten zwei Jahren konnten wir die Integrationsarbeit in den Kommunen ein großes Stück voranbringen. Basis dafür war die VwV-In tegration, die im August 2013 in Kraft trat und sich seither in der Praxis auch gut bewährt hat. Die drei Förderschwerpunk te in diesem Programm sind erstens die kommunale Struktur bildung, zweitens die Beteiligung der Eltern am Bildungsweg ihrer Kinder und drittens Teilhabe- und Antidiskriminierungs maßnahmen.
All das ist auf sehr großes Interesse gestoßen. So konnten z. B. in 31 Gemeinden, Städten und Landkreisen Stellen für Integ rationsbeauftragte eingerichtet oder aufgestockt werden. Die se Integrationsbeauftragten erhöhen die Steuerungsfähigkeit
der Kommunen bei den Integrationsaufgaben und können sich mit ihrer Vernetzungsfunktion auch positiv auf ehrenamtli ches Engagement auswirken.
Auch für die dritte Förderrunde im kommenden Jahr liegen wieder viele Anträge vor. Der Blick auf die Antragssumme von knapp 6,5 Millionen € macht deutlich, dass wir bei Wei tem nicht alle Projekte fördern können. Aber diese Ausgangs lage erlaubt uns immerhin, die besten unter den vielen Integ rationsmaßnahmen auszuwählen.
Interkulturelle Öffnung ist ein weiteres zentrales Ziel unserer Integrationspolitik. Wir wollen eine angemessene gesellschaft liche Teilhabe von Migrantinnen und Migranten in allen Be reichen des öffentlichen Lebens. Das gilt natürlich auch für die Landesverwaltung. Wir fördern daher interkulturelle Öff nungsprozesse in der Landesverwaltung, zusätzlich aber auch in den Kommunen, in den Vereinen und in den Verbänden. Wir unterstützen nicht nur einzelne Projekte, sondern wir för dern besonders strukturelle Öffnungsprozesse. Thematische Schwerpunkte setzen wir bei der Stärkung interkultureller Kompetenzen und bei der Nachwuchsgewinnung.
Auch bei der interkulturellen Öffnung von Vereinen und Ver bänden werden wir weiter aktiv sein. Mit dem Landessport verband haben wir ein Projekt entwickelt, das zum Ziel hat, interkulturelle Module in der Übungsleiter- bzw. Traineraus bildung zu verankern.
Auch die beiden erfolgreich laufenden Modellprojekte mit dem DRK-Landesverband wollen wir 2015 weiterführen.
Beim Thema Zwangsheirat führen wir die wichtige Arbeit, die damals Justizminister Goll gestartet hatte, auch weiter. Wir entwickeln sie fort und unterstützen verschiedene Beratungs-, Sensibilisierungs- und Präventionsmaßnahmen.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die Bekämpfung von Ras sismus und anderen Formen der Menschenfeindlichkeit. Zur Prävention von menschenfeindlichen Einstellungen gehört ei ne vorurteilsfreie Erziehung und Bildung. Ich bin ganz auf Ih rer Seite, Herr Lasotta: Ich glaube, durch Präventionsmaßnah men kann man viel erreichen, ganz egal, in welche Richtung dieser Rassismus oder Extremismus geht. Wir fördern deshalb auch das Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Cou rage“ weiter. Außerdem werden wir die Förderung von Ver netzungsangeboten fortsetzen und so weitere Synergieeffek te schaffen.
Neben Prävention und Vernetzung bieten wir den von Diskri minierung Betroffenen auch konkrete Unterstützung an. Vie le Betroffene kennen ihre Rechte aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – AGG – nicht oder noch nicht. Deshalb ist das Integrationsministerium Anlaufstelle für alle Betroffenen, die z. B. aus rassistischen Gründen oder wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert werden. Wir möchten die Betroffenen weiterhin über ihre Rechte informieren und gleichzeitig natürlich auch eine Sensibilisierung in der Bevöl kerung für das Thema erreichen.
Die Erstberatung kann allerdings eine persönliche Betreuung vor Ort nicht ersetzen. Lokale Angebote sind eher in der La ge, eine intensivere Begleitung zu gewährleisten, und können neben einer rechtlichen Aufklärung gegebenenfalls auch per sönliche Hilfestellung anbieten. Deshalb fördern wir mit Un terstützung der Nachhaltigkeitsstrategie Baden-Württemberg seit dem Jahr 2013 den Aufbau lokaler Antidiskriminierungs netzwerke. Derzeit gibt es in Baden-Württemberg vier Netz werke: in Reutlingen, in Freiburg, im Landkreis Biberach und im Rems-Murr-Kreis. In den nächsten zwei Jahren möchten wir weitere Initiativen fördern.
Nach den Anerkennungsgesetzen des Bundes und der Länder haben nun alle Menschen mit im Ausland erworbenen Berufs qualifikationen einen Anspruch auf Prüfung der Gleichwer tigkeit ihres Abschlusses. Das Landesanerkennungsgesetz Ba den-Württemberg beinhaltet darüber hinaus einen Anspruch auf eine unabhängige und flächendeckende Beratung. Die da für notwendigen Strukturen haben wir bereits seit 2012 par allel zur Erarbeitung des Landesanerkennungsgesetzes aufge baut. Was soll ich lügen, Herr Glück? Mir hat es auch zu lan ge gedauert.