Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Nun ist die Situation in Baden-Württemberg erfreulicherwei se nicht so angespannt wie in Bremen. Nichtsdestotrotz hof fen wir, dass hier Maßnahmen zeitnah angegangen werden.

Wenn wir schon bei den bekannten Themen sind, komme ich zur Krankenhausfinanzierung. Mir ist wohl bewusst, dass Sie jetzt gleich wieder die alte Leier anstimmen werden, welch hohen Antragsstau die Vorgängerregierung hier hinterlassen hätte.

(Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a.: Ja! – So ist es!)

Aber nun wollen wir doch einmal schauen, was die Regie rungsfraktionen in ihren Wahlprogrammen so alles verspro chen haben. Daran müssen Sie sich nun einmal messen las sen.

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Die einen wollten die Mittel verdoppeln, die anderen wollten die Mittel auf 600 Millionen € jährlich erhöhen.

Bereits im Koalitionsvertrag war hiervon schon keine Rede mehr. Es wird lediglich noch von einer sukzessiven Aufsto ckung der Mittel für die Investitionsförderung der Kranken häuser gesprochen. Und ja, die Mittel wurden auch angeho ben.

Aber, meine Damen und Herren, eines muss man einmal sa gen: Ein Blick auf die Übersichten zu den wichtigsten Sach ausgaben im Haushalt des Sozialministeriums zeigt, dass Sie von der Erfüllung Ihrer früheren Versprechungen wirklich deutlich entfernt zu sein scheinen. Hiernach feiern Sie sich bei jedem Haushalt für eine Mittelerhöhung, die mit den ur sprünglichen Versprechungen nichts mehr zu tun hat, sondern deutlich hinter diesen zurückbleibt. Zuletzt verkünden Sie zu sätzliche 100 Millionen €, von welchen – man höre – gerade einmal 5 Millionen € zusätzliche Mittel sind, während die rest lichen 95 Millionen € Haushaltsausgabereste darstellen. Schön für die 100 Millionen €, aber bitte treffen Sie eine ehrliche Ansage, und betreiben Sie keinen Etikettenschwindel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Im Zusammenhang mit meinem Hinweis, dass Sie hinter Ih ren Ankündigungen zurückgeblieben sind, komme ich gern noch einmal auf das neue Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz zurück, abgekürzt WTPG. Der Gesetzentwurf – ich betone: Entwurf – wurde vom Ministerium bereits als großer Wurf be zeichnet. Im Hinblick auf Flexibilität und Innovation wollte man bundesweit Vorreiter sein. Der Herr Ministerpräsident hat es gestern noch geglaubt; er hat es angesprochen.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Er hat recht! – Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Stimmt ja auch!)

In Anbetracht des Inhalts der bei uns eingegangenen Stellung nahmen war das sehr verwunderlich, denn in den Stellung nahmen überwog die Kritik. Die Verzögerung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan für die Einbringung des Gesetzent wurfs dürfte belegen, dass dies auch für die Stellungnahmen galt, die beim Ministerium eingegangen sind. Über den Busch funk haben wir gehört, dass Ihnen gar von den Regierungs fraktionen empfohlen wurde, den ersten Entwurf einfach durch den Reißwolf zu lassen. Zwar erfolgten wiederholt Nachbesserungen im Gesetz, aber auch nach den erfolgten Nachbesserungen besteht die Kritik fort.

(Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Welche denn?)

So heißt es auszugsweise in einem Beitrag in der Ausgabe von „PARITÄTinform“ vom Juni 2014:

Das „Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilha be und Pflege (WTPG) wurde am 30. Mai 2014 im Gesetzblatt veröffentlicht und trat am 31. Mai 2014 in Kraft. Mit dem Inkrafttreten wird das selbst ge steckte Ziel, eine „kreative und innovative Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen in der Pflege“ zu liefern, verfehlt.

In Anbetracht der umfangreichen Kritik und der schleppen den Umsetzung ist es daher erstaunlich, dass die Mittel für den Sachaufwand für Maßnahmen in allen Hilfebereichen, in denen auch die Ausgaben im Zusammenhang mit der Umset zung des WTPG enthalten waren, nun wieder um 1 Million € reduziert werden. Die Reduzierung wird damit begründet, dass die Mittel für die Umsetzung des Gesetzes nun nicht mehr be nötigt würden, da die Mittel, die mit diesem Gesetz einherge

hen, die Information und die Weiterbildung der Heimaufsich ten betroffen hätten. Zudem sei eine Wohnberatungsstelle beim KVJS eingerichtet worden, deren Beratung sich spezi ell an die Träger richte, die eine ambulant betreute Wohngrup pe einrichten wollen. Es ist schon verblüffend, dass die kom plette Information und Weiterbildung der Heimaufsichten in nerhalb der kurzen Zeitspanne seit Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen sein soll,

(Beifall des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU)

insbesondere da vonseiten des Landkreistags mit einer Auf gabenausweitung bei den Heimaufsichten gerechnet wurde. Auch treten in der Regel mögliche Probleme und Fragestel lungen erst bei der praktischen Umsetzung auf.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin: Pflege, Frau Ministerin, ist der Bereich, bei dem, bedingt durch Ihre beruf liche Herkunft, die allergrößten Erwartungen in Sie gesetzt wurden. Das Sozialministerium scheint sich erst seit der Ein richtung der interfraktionellen Enquetekommission „Pflege“ dieses Themas stärker anzunehmen. So wurde beispielsweise ein runder Tisch „Pflege“ ins Leben gerufen, der sich inhalt lich mit den gleichen Fragen wie die Enquetekommission aus einandersetzen soll. Dies ist erfreulich und erklärt auch die Mitarbeit in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema Pfle ge anstelle der von uns auch erwarteten Mitarbeit in der Ar beitsgruppe zum Thema Krankenhausreform. Ganz offensicht lich hat die auf unsere Initiative hin eingerichtete Kommissi on dem Sozialministerium bewusst gemacht, wie groß der Handlungsbedarf in diesem Bereich noch ist.

Kurze Zwischenbemerkung: Bei uns gibt es u. a. keine öffent liche Pflegeforschung; die betreibt meines Wissens nur die Robert Bosch Stiftung. Hier könnten Sie, Frau Ministerin, Ih re Kollegin Bauer fragen, ob man diese nicht auch in BadenWürttemberg einsetzen möchte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Leider scheint aber dieser Einsatz in Form des runden Tisches nicht darauf abzuzielen, die Arbeit der Enquetekommission zu unterstützen. Die Beantwortung der ersten Anfrage der En quetekommission war – einmal freundlich formuliert – eine Enttäuschung. Insgesamt muss man leider sagen, dass der Ein druck entsteht, dass das Sozialministerium die Arbeit der Kommission eher behindert als unterstützt. Bei einer inter fraktionellen Kommission mit einem so wichtigen, umfassen den Aufgabenbereich ist dieses Verhalten des zuständigen Mi nisteriums eigentlich bedauerlich.

Aber auch zwischen den Regierungsfraktionen läuft die Kom munikation vermutlich nicht ganz rund. Ein gutes Beispiel ist das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz, das wir in der nächsten Woche hier auf der Tagesordnung haben. Der Ge setzentwurf wurde vom Ministerpräsidenten kurzfristig von der Tagesordnung der Kabinettssitzung genommen. Die schon geplante Pressekonferenz zu diesem Gesetzentwurf wurde schnell mit einem neuen Thema versehen. Nach dem Willen des Ministerpräsidenten sollte überprüft werden, ob die Kom munen die Behindertenbeauftragten, wie im Entwurf vorge sehen, tatsächlich hauptamtlich einstellen müssen oder ob nicht ehrenamtlich tätige Beauftragte möglich sein sollten.

Ein gelungener Abstimmungsprozess, meine Damen und Her ren, sieht anders aus. Der jetzt gefundene Kompromiss, dass sowohl hauptamtlich als auch ehrenamtlich tätige Behinder tenbeauftragte bei den Stadt- und Landkreisen möglich sind, stößt auf ein geteiltes Echo. Man könnte auch sagen: Es ist mal wieder nichts Halbes und nichts Ganzes. Insgesamt kann man an dieser Stelle sicherlich die Frage stellen, ob es über haupt erforderlich ist, hier gesetzliche Vorgaben zu machen. In vielen Stadt- und Landkreisen existieren doch schon Be hindertenbeauftragte, und diese leisten gute Arbeit.

(Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Sie haben es nicht begriffen!)

Mit der jetzigen Regelung werden aufgrund des Konnexitäts prinzips neue nachhaltige Kosten für das Land geschaffen. Ei gentlich sollte man von Landesseite immer wieder einmal neue Impulse setzen, anstatt in dauerhafte Finanzierungen ein zusteigen. Gerechnet wird derzeit mit ca. 2,8 Millionen € pro Jahr. So sollen ehrenamtlich tätige Beauftragte monatlich 3 000 €, hauptamtlich tätige monatlich 6 000 € erhalten. Geht man davon aus, dass alle 44 Stadt- und Landkreise hauptamt lich tätige Behindertenbeauftragte einrichten, würde das Aus gaben in Höhe von 3,17 Millionen € mit sich bringen. Mit den veranschlagten 2,8 Millionen € wären diese Kosten folglich nicht zu decken...

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ge statten Sie eine Zwischenfrage des – –

... – nein –, was uns wundert. Die Ausgaben für die kommunalen Behindertenbeauftragten sind im aktuellen Haushalt nicht gesondert ausgewiesen. Vielmehr sollen sie aus den Mitteln, die für Maßnahmen zur Umsetzung der Inklusion vorgesehen sind, entnommen werden. Diese für Zuschüsse für Projekte und Maßnahmen an sonstige Träger gedachten 4,82 Millionen € würden somit um diese 2,8 Mil lionen € gekürzt – sogar um noch mehr, sollten sich die Krei se für die Bestellung hauptamtlich tätiger Beauftragter ent scheiden. Vor dem Hintergrund, dass für das Jahr 2014 die Mittel bis auf einen geringen Rest, nämlich 400 000 €, abge rufen wurden, zeigt sich, wie groß die Lücke für künftige Pro jekte und Maßnahmen ist. Das heißt, die Mittel würden zu gunsten der Durchsetzung politischer Zielsetzungen geopfert. So, meine Damen und Herren, lässt sich Inklusion im Land nicht zielstrebig voranbringen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, zum Abschluss noch eine Bitte: Drängen Sie bitte Ihre Kollegin Bauer, im Rahmen von Baumaßnahmen an den Unikliniken zeitnah Bar rierefreiheit herzustellen. Wir reden hier über eine Summe – dies wurde einmal abgefragt – von ca. 4 Millionen €. Wir ha ben hier im Land auch eine Vorbildfunktion zu erfüllen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Lucha das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dreieinhalb Jahren Sozialpolitik mit dem von Frau Ministerin Altpeter ge führten Sozialministerium konstatiere ich eine aktivierende Sozialpolitik der grün-roten Landesregierung. In diesem Land gibt es eine sichtbare, an der Partizipation und an einem eman zipatorischen Menschen- und Gesellschaftsbild entwickelte aktivierende Sozialpolitik.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Was heißt das auf Deutsch?)

Das erkläre ich dir, mein Lieber. Du weißt ja, ich habe „Er klären“ studiert.

Das Zweite ist: Herr Klenk, bei aller persönlichen Wertschät zung, Sie haben wieder einen Beweis dafür erbracht, was wir an skizzierter Sozialpolitik gemacht bzw. umgesetzt haben, natürlich auch mit unseren etwas längerfristigen Beteiligungs prozessen, gerade beim WTPG. Wir haben aber die Menschen mitgenommen und am Schluss ein Ergebnis geliefert, auf das ich noch eingehen werde.

Ich wüsste jedoch nicht, wie ich eine CDU-Sozialpolitik be schreiben sollte. Sie existiert nämlich nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Interessanterweise haben Sie den größten Teil Ihrer Redezeit dafür verwandt, sich mit dem Armuts- und Reichtumsbericht, mit einem kleinen definitorischen Punkt auseinanderzusetzen,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Aber einem wich tigen!)

mit einem Bericht, den Sie gar nicht haben wollten.

Dann haben Sie die Leier Ihrer früheren Rede wiederholt, als Sie gesagt haben, wir hätten in den Koalitionsvertrag und in die Parteiprogramme für die Krankenhausfinanzierung zu ho he Summen geschrieben. Vor zwei Jahren haben wir in der Debatte schon eingeräumt, dass wir hier zu hohen Summen gegriffen haben, weil wir gedacht hatten, wir brauchten die se. Aber auch wir machen das, was die Realität in einem Kon solidierungshaushalt gebietet. Wir setzen das um, was wir können.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ihr könnt ja nichts!)

Sie können uns jedoch nicht absprechen, dass wir in unserer Regierungszeit im Wettbewerb mit anderen Ressorts die Mit tel für die Krankenhausfinanzierung um über 30 % angeho ben haben. Das hat vor uns noch keine Regierung getan.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Als Sie an der Regierung waren, war der Sozialbereich immer der Sparbereich. Gab es ein Sparprogramm, hat man in die sem Bereich gekürzt, ohne den Blick dabei auf die Notwen digkeiten zu richten, so z. B. die 2 Millionen € bei den Sozi alpsychiatrischen Diensten. Diese Menschen hatten nämlich keine Lobby. Wir dagegen machen Konsolidierung und sind die Lobby für das Soziale.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Ganz genau!)

Das unterscheidet uns von Ihnen. Das ist Sozialpolitik.